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VfGH vom 27.09.2000, g59/00

VfGH vom 27.09.2000, g59/00

Sammlungsnummer

15936

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der plötzlichen und vollständigen Beseitigung der Sonderzahlungen für Rechtspraktikanten ohne eine gebotene und ausreichende Übergangsregelung wegen Verletzung des Vertrauensschutzes

Spruch

Die Ziffern 2 und 6 sowie die Zitate "§17," und "und § 20" in der Ziffer 7 des ArtXXXI des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 61/1997 werden als verfassungswidrig aufgehoben. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt I kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Verfassungsgerichtshof hält es für zweckmäßig, zunächst auf folgende Bestimmungen des Rechtspraktikantengesetzes (RPG), BGBl. 644/1987 idF vor dem Bundesgesetz BGBl. I 61/1997 hinzuweisen (die im gegebenen Zusammenhang relevanten Stellen sind hervorgehoben):

"Gerichtspraxis

§1. (1) Die Gerichtspraxis soll Personen, die die wissenschaftliche Berufsvorbildung abgeschlossen haben und zur Führung des akademischen Grades eines Magisters der Rechtswissenschaften berechtigt sind, die Möglichkeit geben, ihre Berufsvorbildung durch eine Tätigkeit bei Gericht fortzusetzen und dabei ihre Rechtskenntnisse zu erproben und zu vertiefen.

(2) Rechtspraktikanten sind Personen, die in Gerichtspraxis stehen.

Gestaltung der Ausbildung

§6. (1) Die Ausbildung ist so zu gestalten, daß der Rechtspraktikant durch Mithilfe an der Bearbeitung der bei Gericht vorkommenden Angelegenheiten der Rechtspflege einen möglichst umfassenden Einblick in die richterliche Tätigkeit sowie in die Aufgaben der Geschäftsstelle erhält und die sonstigen gerichtlichen Einrichtungen kennenlernt. Er ist soviel wie möglich zur Ausarbeitung von Entscheidungsentwürfen und zu anderer konzeptiver Vorarbeit heranzuziehen. Er ist - soweit dies mit dem Zweck der Ausbildung vereinbar ist - auch als Schriftführer einzusetzen. Die Verwendung als Schriftführer hat grundsätzlich nicht im bloßen Schreiben nach Ansage zu bestehen.

(2) Bei fortgeschrittener Ausbildung ist der Rechtspraktikant unter Anleitung des Richters auch zur Entgegennahme mündlichen Anbringens und zu Vernehmungen außerhalb von Streit- und Hauptverhandlungen heranzuziehen.

(3) Rechtspraktikanten, die im zweiten Ausbildungsjahr stehen, können unter sinngemäßer Anwendung dieses Bundesgesetzes auch bei der Staatsanwaltschaft ausgebildet werden.

Allgemeine Pflichten

§9. (1) Der Rechtspraktikant hat sich mit Fleiß und Eifer der Ausbildung zu widmen und die ihm im Rahmen der Ausbildung übertragenen Aufgaben gewissenhaft und zielstrebig zu erfüllen. Er hat die Anordnungen der mit seiner Ausbildung betrauten Organe zu befolgen.

(2) Der Rechtspraktikant hat die Befolgung einer Anordnung abzulehnen, wenn sie entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

(3) Die Pflicht zur Verschwiegenheit bestimmt sich sinngemäß nach § 58 Abs 1 bis 3 des Richterdienstgesetzes; sie besteht auch nach Beendigung der Gerichtspraxis fort.

(4) Der Rechtspraktikant hat die gerichtlichen Dienststunden einzuhalten. Soweit es der Dienst- und Verhandlungsablauf ausnahmsweise erfordern, hat er auf Anordnung auch außerhalb der gerichtlichen Dienststunden zur Verfügung zu stehen. Eine Heranziehung außerhalb der gerichtlichen Dienststunden ist durch Freizeit auszugleichen.

(5) Während der Ausbildung in Strafsachen muß der Rechtspraktikant - sofern er nicht durch eine körperliche Behinderung beeinträchtigt ist - in der Lage sein, Verhandlungsprotkolle mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad ohne Beeinträchtigung des Verhandlungsverlaufes aufzunehmen und wiederzugeben.

Ausbildungsbeitrag

§ 16. Den Rechtspraktikanten gebührt für die Dauer der Gerichtspraxis ein Ausbildungsbeitrag.

Höhe des Ausbildungsbeitrages

§17. (1) Der Ausbildungsbeitrag beträgt für einen Kalendermonat 70 vH des monatlichen Gehalts eines Richteramtsanwärters einschließlich allfälliger Teuerungszulagen.

(2) Für je drei Monate der Gerichtspraxis gebührt eine Sonderzahlung in Höhe von 50 vH des Ausbildungsbeitrages gemäß Abs 1 und der Haushaltszulage gemäß § 19.

Auszahlung

§20. (1) Die Auszahlung des Ausbildungsbeitrages, der Haushaltszulage und des Fahrtkostenzuschusses erfolgt durch Überweisung auf ein vom Rechtspraktikanten anzugebendes Konto. Die Überweisung ist so vorzunehmen, daß dem Rechtspraktikanten die für den laufenden Kalendermonat gebührenden Beträge am letzten Arbeitstag des Monats zur Verfügung stehen.

(2) Die Überweisung der Sonderzahlungen hat gleichzeitig mit den für die Monate Februar, Mai, August und November gebührenden Ausbildungsbeiträgen zu erfolgen. Bei Beendigung der Gerichtspraxis hat die Überweisung spätestens innerhalb eines Monats nach der Beendigung zu erfolgen."

2. Mit ArtXXXI des am kundgemachten Bundesgesetzes BGBl. I 61/1997 wurde das RPG in einigen Punkten geändert. So wurde mit Ziffer 2 dieses Artikels der Abs 2 des § 17 RPG und mit Ziffer 6 der Abs 2 des § 20 RPG aufgehoben, mithin der Anspruch auf Sonderzahlungen beseitigt. Die Ziffer 7 des ArtXXXI ordnete das Inkrafttreten des § 17 und des § 20 RPG idF des BG BGBl. I 61/1997 mit Wirksamkeit vom an. Der bezogene Artikel hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"Artikel XXXI

Änderung des Rechtspraktikantengesetzes

Das Rechtspraktikantengesetz, BGBl. Nr. 644/1987, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 682/1991, wird wie folgt geändert:

...

2. Im § 17 entfallen die Absatzbezeichnung '(1)' und der Abs 2.

...

6. Im § 20 entfallen die Absatzbezeichnung '(1)' und der Abs 2.

7. § 29 Abs 2 lautet:

'(2) In der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 61/1997 treten in Kraft:

1. ...

2. § 14 Abs 3,§ 17,§ 18 und § 20 mit Wirksamkeit vom ."

Im Bericht des Verfassungsausschusses, 688 BlgNR 20. GP 11, wird die Regelung über den Entfall der Sonderzahlungen - welche in der Regierungsvorlage nicht enthalten war, sondern erst durch einen Abänderungsantrag eingefügt wurde - wie folgt begründet:

"Die Zahl der Rechtspraktikanten hat in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Von 293 Rechtspraktikanten am stieg die Zahl bis auf 877; am waren es bereits 1093 Rechtspraktikanten, sodaß die Zulassungsdauer mit Erlaß vom , JMZ 599.00/8-III 1/95, von einem Jahr auf die gesetzliche Mindestdauer von neun Monaten verkürzt werden mußte. Trotz dieser Sparmaßnahme ist die Zahl der Rechtspraktikanten nur vorübergehend zurückgegangen und ist in den letzten Monaten wiederum stetig angestiegen. Allein mit sind über 150 Rechtspraktikanten neu zur Gerichtspraxis zugelassen worden, sodaß im Jänner 1997 insgesamt 1160 Absolventen des Rechtswissenschaftlichen Studiums in der Gerichtspraxis standen.

Um mit den vorhandenen Budgetmitteln das Auslangen zu finden, sind über den Erlaß vom hinausgehende weitere Sparmaßnahmen erforderlich. Als solche kommen theoretisch ein numerus clausus und eine Verminderung der Höhe des Ausbildungsbeitrages in Betracht. Um nicht Verzögerungen beim Ablauf der Berufsfortbildung für die Absolventen des Rechtswissenschaftlichen Studiums eintreten zu lassen, soll nur eine Verminderung der Höhe des Ausbildungsbeitrages in der Form erfolgen, daß die viermal jährlich vorgesehenen Sonderzahlungen in Höhe von 50% des Ausbildungsbeitrages ab entfallen sollen.

Das Einsparungsziel liegt bei insgesamt 50 Millionen Schilling jährlich, durch den Entfall der Sonderzahlungen wird eine Verminderung um rund 40 Millionen Schilling erreicht. Der Rest soll durch eine restriktivere Vorgangsweise bei Verlängerungen der Gerichtspraxis über die gesetzliche Mindestdauer hinaus erreicht werden. Der monatliche Ausbildungsbeitrag als solcher, der derzeit 15281 S beträgt, kann damit unverändert bleiben."

3. Mit vier im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Justiz jeweils vom wurden die Anträge von vier ehemaligen Rechtspraktikanten auf Überweisung ausstehender Sonderzahlungen für die Zeit ihrer - vor dem angetretenen - Gerichtspraxis abgewiesen. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die §§16 und 17 RPG die unmittelbare Rechtsgrundlage im Hinblick auf die Auszahlung und die Höhe des Ausbildungsbeitrages darstellten und aufgrund der geänderten Rechtslage ex lege keine Sonderzahlungen mehr auszubezahlen seien. Überdies könnten aus den den betroffenen Rechtspraktikanten zu Beginn ihrer Gerichtspraxis übermittelten Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck, in welchen ihnen mitgeteilt worden war, daß ihnen gemäß §§16 und 17 RPG zum Ausbildungsbeitrag von monatlich S 15.281,- zuzüglich eine Sonderzahlung in Höhe von 50 % des Ausbildungsbeitrages für je drei Monate gebühre, keine subjektiven Rechte abgeleitet werden, weil diesen Schreiben kein Bescheidcharakter zukomme.

Die genannten Berufungsbescheide sind Gegenstand der zu B745/98, B746/98, B747/98 und B748/98 protokollierten Verfassungsgerichtshofsbeschwerden, in denen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt sowie die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens angeregt wird.

II. 1. Aus Anlaß dieser Beschwerden beschloß der Verfassungsgerichtshof, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Ziffer 2 und der Ziffer 6 sowie der Zitate "§17," und "und § 20" in der Ziffer 7 des ArtXXXI des Bundesgesetzes BGBl. I 61/1997 einzuleiten.

Der Gerichtshof ging vorläufig davon aus, daß der meritorischen Erledigung der Beschwerden keine Verfahrenshindernisse entgegenstehen sowie daß er im Rahmen seiner Sachentscheidung die bezogenen Gesetzesstellen anzuwenden hätte. Er nahm insbesondere an, daß die den Beschwerdeführern zu Beginn ihrer Gerichtspraxis zugegangenen Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck keinen Abspruch über die Ansprüche der jeweiligen Beschwerdeführer aufgrund ihrer Gerichtspraxis enthielten, zumal ihnen sämtliche formale Merkmale eines Bescheides fehlten.

2. Die verfassungsrechtlichen Bedenken legte der Gerichtshof wie folgt dar:

"Der Verfassungsgerichtshof neigt zur Meinung, daß die durch Z 2 des ArtXXXI des Bundesgesetzes BGBl. I 61/1997 vorgenommene Aufhebung des Abs 2 im § 17 RPG mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz nicht im Einklang steht, weil sie - wie im folgenden näher erläutert wird - anscheinend einen schwerwiegenden, nicht durch besondere Umstände gerechtfertigten Eingriff in bestehende Rechtspositionen von Normunterworfenen darstellt, die in die Rechtslage berechtigterweise vertrauen durften.

Wie der Gerichtshof in seiner bisherigen Judikatur zum Vertrauensschutz unter verschiedenen Aspekten dargetan hat, ist der Schutz erworbener Rechtspositionen grundsätzlich durch keine Verfassungsvorschrift gewährleistet, sodaß es im Prinzip in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers fällt, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (vgl. VfSlg. 11.309/1987, 11.665/1988, 14.846/1997, 14.960/1997, 15.269/1998). In dieser Rechtsprechung kommt aber auch zum Ausdruck, 'daß die Aufhebung oder Abänderung von Rechten, die der Gesetzgeber zunächst eingeräumt hat, sachlich begründbar sein muß; ohne eine solche Rechtfertigung würde der Eingriff dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz widersprechen' (so ausdrücklich VfSlg. 11.665/1988). Weiters wird in ihr die Auffassung vertreten, daß Eingriffe in bestehende Rechtspositionen, die an sich sachlich gerechtfertigt sind, nicht die Minderung erworbener Rechte jedweder Art in jedweder Intensität sachlich begründen können (VfSlg. 11.309/1987, 11.665/1988). Dabei hat der Gerichtshof auch zum Ausdruck gebracht, daß der Gesetzgeber den Gleichheitssatz dann verletzt, wenn er bei Änderung der Rechtslage plötzlich und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingreift (VfSlg. 15.269/1998). Zusammenfassend folgt aus der bisherigen Judikatur, daß eine Regelung wohl dann verfassungswidrig ist, wenn sie einen schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriff in erworbene Rechtspositionen vornimmt, auf deren Bestand der Rechtsunterworfene berechtigterweise vertrauen durfte.

Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer und in gleicher Position befindliche andere Rechtspraktikanten im Vertrauen auf die Rechtslage, derzufolge ihnen für die Dauer von neun Monaten ein monatlicher Ausbildungsbeitrag in bestimmtem Ausmaß zuzüglich einer Sonderzahlung in Höhe von 50 % dieses Ausbildungsbeitrages für je drei Monate zustand, ihre Gerichtspraxis angetreten. Sie konnten somit im Hinblick auf das diese Rechtsansprüche gewährende RPG sowie auf die - die Gesetzeslage klarstellenden - Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck (- in dem sie auf die ihnen zustehenden Ansprüche hingewiesen wurden -) auf die Bezahlung einer betragsmäßig genau fixierten Vergütung für ihr befristetes Ausbildungsverhältnis vertrauen, also auf einen Gesamtbetrag, der sich aus neun monatlichen Beiträgen sowie drei Sonderzahlungen in Höhe je eines halben Beitrages errechnet. Indem der Gesetzgeber den Anspruch auf Sonderzahlungen nachträglich und - wie auch die erst durch einen Abänderungsantrag im Verfassungsausschuß vorgenommene Einfügung zeigt - völlig unerwartet ersatzlos beseitigt und überdies keine Übergangsregelungen in diesem Zusammenhang vorgesehen, sondern vielmehr die Aufhebung auf einen Monat rückwirkend in Kraft gesetzt hat, dürfte er die Betroffenen in ihrem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht haben. Der erfolgte Eingriff scheint auch schwerwiegend zu sein, zumal eine Kürzung von über 10 % (nämlich - als Gesamtsumme betrachtet - die Reduktion vom zehneinhalbfachen auf den neunfachen Ausgangsbetrag) bei einem - gemessen am Durchschnittseinkommen eines Hochschulabsolventen - ohnehin als nicht hoch einzustufenden Einkommen der Rechtspraktikanten (70 % des Gehalts eines Richteramtsanwärters) anscheinend wesentlich ins Gewicht fällt (vgl. VfSlg. 11.309/1987; dies wohl im Gegensatz zu den als sachlich gerechtfertigt angesehenen geringeren Bezugskürzungen bei Richtern und Beamten von 1,4 % bzw. 1,5 % in VfSlg. 14.867/1997 und 14.888/1997, bzw. der in VfSlg. 14.846/1997 unter Bedachtnahme auf die 'demokratiepolitische Bedeutung der Frage der Höhe von Politikerbezügen' als zulässig erachteten Ruhegenußkürzung ehemaliger Gemeinderatsmitglieder von ca. 10 %). Die plötzliche, mit Rückwirkung verfügte Beseitigung der Sonderzahlungen dürfte auch nicht durch besondere, im öffentlichen Interesse gelegene Umstände gerechtfertigt sein. Aus dem Bericht des Verfassungsausschusses geht zwar hervor, daß es sich bei der Streichung der Sonderzahlungen um eine Sparmaßnahme handle, die aufgrund der Zunahme der Zahl der Rechtspraktikanten in den letzten Jahren unumgänglich sei; der Verfassungsgerichtshof vermag jedoch zumindest vorläufig keinen Grund dafür erkennen, weshalb ein derart gravierender Eingriff in die Rechtspositionen der Betroffenen ohne jegliche Übergangsregelung notwendig gewesen sein soll (vgl. dazu VfSlg. 12.568/1990). Auch unter dem Aspekt, daß budgetpolitisch notwendige Maßnahmen nicht tendenziell wirtschaftlich Schwächere stärker treffen sollen (VfSlg. 11.665/1988), erscheint die einzig die Gruppe der Rechtspraktikanten betreffende sofortige Streichung der Sonderzahlungen in Ansehung des Sachlichkeitsgebotes bedenklich, zumal die getroffene Maßnahme unter dem Blickpunkt des § 67 EStG aus einkommensteuerlichen Gründen stärker ins Gewicht fällt als eine Kürzung laufender Bezüge. Es dürften somit insgesamt jene Rechtspraktikanten, die ihre Gerichtspraxis vor dem begonnen haben, durch einen plötzlichen und intensiven Eingriff in ihrem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht worden sein, ohne daß besondere Umstände dies sachlich rechtfertigen würden."

III. 1. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung beantragt sie, eine Frist von 18 Monaten für das Außerkrafttreten zu bestimmen.

Im einzelnen hält die Bundesregierung den verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichtshofs - in ihrem auszugsweise zitierten Schriftsatz - folgendes entgegen:

"...

Mit den in Rede stehenden Bestimmungen sollten einerseits - im Rahmen der Bemühungen der Bundesregierung um eine umfassende Budgetkonsolidierung und neben einer Reihe weiterer nicht unerheblicher Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst - die in den letzten Jahren sprunghaft angestiegenen Personalkosten des Bundes in Grenzen gehalten und andererseits die Möglichkeit einer umfassenden Ausbildung von Absolventen des rechtswissenschaftlichen Studiums im Rahmen der Gerichtspraxis weiterhin uneingeschränkt gewährleistet werden, ohne das bisherige hohe Ausbildungsniveau senken zu müssen.

...

Die angefochtenen Bestimmungen sind daher im Zusammenhang mit weiteren Maßnahmen der Bundesregierung zur Budgetkonsolidierung zu sehen. Neben den Beschränkungen bei Neuaufnahmen in den Bundesdienst ('Aufnahmestopp') ist insbesondere auf das Strukturanpassungsgesetz 1996 hinzuweisen, welches Einkommensverluste für weite Bereiche des öffentlichen Dienstes - etwa durch Kürzung der Dienstzulage für Richter und Richteramtsanwärter, die der Verfassungsgerichtshof bereits als verfassungsrechtlich unbedenklich erkannte (VfSlg. 14.867/1997) - mit sich brachte. In seinem Erkenntnis VfSlg. 15.269/1998 hat der Verfassungsgerichtshof überdies die Entlastung des Bundeshaushalts an sich als eine sachliche Rechtfertigung für Eingriffe in bestehende Rechtspositionen angesehen.

Im gegebenen Fall liegen die besonderen Gründe - neben budgetpolitischen Überlegungen - vor allem auch in der Bemühung, den das Bundesministerium für Justiz treffenden gesetzlichen Auftrag, den Absolventen eines rechtswissenschaftlichen Studiums eine praxisnahe Berufsfortbildung zu ermöglichen, trotz begrenzter finanzieller, aber auch personeller und räumlicher Ressourcen auch in Zukunft erfüllen zu können. Gemäß § 2 Abs 1 RPG ist die Justiz verpflichtet, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Ausbildungsplätze für Rechtspraktikanten zumindest für die Dauer von jeweils neun Monaten zur Verfügung zu stellen. Durch die stetig anwachsende Zahl der Zulassungswerber waren die in Rede stehenden Maßnahmen daher unumgänglich.

Hingewiesen sei auch darauf, dass eine Beschränkung des Zuganges zur Gerichtspraxis über §§1 Abs 1 litd und 2 Abs 2 RAO auch eine Beschränkung des Zuganges zum Rechtsanwaltsberuf mit sich bringen würde, was wiederum im Hinblick auf Art 6 StGG verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen könnte.

Es war aber nach Ansicht der Bundesregierung nicht nur die Setzung dieser Einsparungsmaßnahme an sich zulässig, sondern auch deren rasche Umsetzung: Insbesondere galt es, die Einhaltung der strikten Budgetvorgaben für das laufende Budgetjahr 1997 sicherzustellen. Im Falle einer Übergangsregelung oder eines stufenweisen Inkraftsetzens der Änderungen wären die Auswirkungen im Budget 1997, wenn überhaupt, nur mehr sehr abgeschwächt zum Tragen gekommen und damit die notwendigen budgetären Effekte nicht eingetreten. ...

Das Institut der Gerichtspraxis kann auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblicken. Trotz der dramatischen Entwicklung des Justiz- und auch des Bundesbudgets sowie der laufend steigenden Zahl der Rechspraktikant/inn/en (zB 1980: 390, 1990: 812, 1997: 1.166) musste daher im Jahr 1997 eine Regelung gefunden werden, die diese traditionelle Einrichtung in ihrer grundsätzliche Existenz nicht gefährdet, andererseits aber den strikten budgetären Vorgaben Rechnung trägt. Erst nach sorgfältiger Abwägung sämtlicher Alternativen hat sich der Gesetzgeber entschlossen, bei der Bemessung des Ausbildungsbeitrages die 'Sonderzahlungen' (die für ein Ausbildungsverhältnis im Übrigen auch keinesfalls typisch waren) nicht mehr weiter zu führen. Außerhalb des Instituts der Gerichtspraxis wären, freilich nur als theoretische, weil für die rechtsuchende Bevölkerung nicht zumutbare Alternative nur Kürzungen in anderen Bereichen (Kernbereichen) der Justiz in Betracht gekommen. Ziel des Bundesministeriums für Justiz und der Bundsregierung war und ist es jedoch, den Betrieb und das Funktionieren der Justiz in ihren Kernaufgaben (also insbesondere im Bereich der Rechtsprechung als einer der Säulen eines demokratischen Rechtsstaates) voll funktionsfähig zu erhalten. Bei insgesamt nur begrenzt zur Verfügung stehenden Budgetmitteln konnten und durften daher die Kürzungen nicht linear für alle Bereiche vorgenommen werden. Vielmehr musste im Interesse einer rechtsstaatlich gebotenen Schwerpunktsetzung zugunsten der Kernaufgaben der Justiz eine differenzierte Behandlung vorgenommen werden. ..."

Unter Zitierung einiger Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes zum Vertrauensschutz (VfSlg. 11.309/1987, 11.665/1988, 12.186/1989 u.a.) legt die Bundesregierung weiters dar, weshalb die in diesen Entscheidungen angeführten Voraussetzungen für die Verfassungsmäßigkeit eines Eingriffs in bestehende Rechtspositionen ihrer Ansicht nach gegeben sind:

"Zunächst fehlt es bei Rechtspraktikanten bereits am Kriterium der langjährigen Tätigkeit. Rechtspraktikanten haben den gesetzlichen Anspruch auf neun Monate Gerichtspraxis. Bereits dieser Aspekt unterscheidet sich deutlich von den zuvor geschilderten Fällen, in denen es um den Eingriff in Rechtspositionen ging, die in jahre-, ja sogar jahrzehntelanger Tätigkeit erworben wurden. Im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der dem Erkenntnis VfSlg. 11.309/1987 zugrundelag, wo der Verfassungsgerichtshof davon ausging, dass ein mitentscheidender Faktor dafür, dass jemand eine politische Funktion annimmt, auch der damit verbundene Erwerb eines Ruhegenussanspruches ist, kann bei den Rechtspraktikanten nicht davon gesprochen werden, dass diese die Gerichtspraxis wegen der Gewährung einer Sonderzahlung antreten.

...

Im vorliegenden Fall liegt nach Auffassung der Bundesregierung kein Eingriff von erheblichem Gewicht vor:

Selbst bei den Rechtspraktikanten, die keine einzige Sonderzahlung erhalten, beträgt die Einbuße höchstens 14,28 % des Jahreseinkommens eines Rechtspraktikanten; demgegenüber ging es in dem Fall, der dem Erkenntnis VfSlg. 11.309/1987 zugrunde lag, um Kürzungen, die ungefähr 38 % des ursprünglichen Betrages ausmachten. Selbst in den härtesten Fällen ist also die Kürzung bei weitem nicht so gravierend wie in dem angezogenen Beispiel aus der Vorjudikatur. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof im oben genannten Erkenntnis VfSlg. 15.269/1998 aussprach, dass eine Maßnahme, die zu durchschnittlichen Kürzungen von 12 % führt, selbst dann unbedenklich ist, wenn diese Maßnahme in Härtefällen Kürzungen von über 20 % in Kauf nimmt.

Insbesondere aber weist die Bundesregierung darauf hin, dass sich bei den Beschwerdeführern der den vorliegenden Prüfungsverfahren zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren für die Reduktion Prozentsätze ergeben, die durchwegs weit unter 10 % liegen (dies ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass die auf den Monat Juni entfallenden anteiligen Sonderzahlungen ohnedies ausbezahlt und auch nicht rückgefordert wurden). ..."

Zur Höhe des Ausbildungsbeitrags, zur steuerlichen Auswirkung der Streichung der Sonderzahlungen sowie zur Frage der Belastung einer punktuell kleinen Gruppe führt die Bundesregierung sodann folgendes aus:

"Der vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss angestellte Vergleich der Höhe des Ausbildungsbeitrages mit durchschnittlich am Arbeitsmarkt von Akademikern erzielbaren Einkommen erscheint darüber hinaus problematisch: Zum einen handelt es sich beim Rechtspraktikantenverhältnis weder um ein Dienstverhältnis noch um ein Arbeitsverhältnis. Eine die Gerichtspraxis absolvierende Person steht in einem postuniversitären, öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis sui generis, welches der Berufsvorbildung dient. Der Ausbildungsbeitrag für Rechtspraktikanten bemisst sich zum anderen weder nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten noch nach der jeweiligen Einkommenssituation am Arbeitsmarkt für Studienabsolventen. Wollte man dennoch Einkommensvergleiche anstellen, zeigt sich, dass der Ausbildungsbeitrag sogar vergleichsweise hoch ist (im Jahr 1997 immerhin etwa so hoch wie das Einstiegsentgelt eines Vertragsbediensteten der Entlohnungsgruppe b). Bei diesem Vergleich darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass im Unterschied zu sonstigen Erwerbstätigkeiten auf die Absolvierung der Gerichtspraxis im neunmonatigen Ausmaß ein Rechtsanspruch besteht.

Auch die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss relevierte Problematik, dass wegen der nach § 67 EStG 1988 gegebenen steuerlichen Begünstigung die Abschaffung der Sonderzahlung besonders ins Gewicht falle, ist bei Rechtspraktikanten in der Form nicht gegeben: Aufgrund der Ausnahme der Sonderzahlung aus dem System der progressiven Besteuerung des Einkommens (§33 Abs 1 EStG 1988) sind vor allem relativ hohe - also vor allem mit dem Spitzensteuersatz belegte - Einkommen von dieser Regelung besonders begünstigt. Für niedrige Einkommen, wie etwa dem Ausbildungsbeitrag während der Gerichtspraxis, fällt diese Begünstigung bei weitem nicht in diesem Ausmaß ins Gewicht, sodass sie auch von ihrem Ausfall nicht in diesem Ausmaß betroffen sind.

Schließlich kann auch nicht - entgegen den Ausführungen des Antragstellers - davon ausgegangen werden, dass mit der getroffenen Maßnahme nur eine 'punktuell kleine Gruppe' belastet wurde. Wie oben ausgeführt, ist die Maßnahme im Zusammenhang mit weiteren Kürzungen zur Budgetkonsolidierung zu sehen, die Einkommensverluste für weite Bereiche des öffentlichen Dienstes mit sich brachte."

2. Die Beschwerdeführer zu B745/98, B746/98, B747/98 und B748/98 erstatteten ebenfalls eine Äußerung, in der sie den Argumenten der Bundesregierung entgegentreten und sich den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs im Ergebnis anschließen.

IV. 1. Dem eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren stehen Prozeßhindernisse nicht entgegen. Die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen wurde von der Bundesregierung zwar an sich nicht bestritten, jedoch (ohne korrespondierendes prozessuales Begehren) angeregt, den Prüfungsumfang auf die (betreffenden Stellen in der) Ziffer 7 im ArtXXXI einzuschränken, also ausschließlich das rückwirkende Inkraftsetzen der Novelle auf dessen Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Auf diese Anregung ist jedoch nicht weiter einzugehen, weil sie den im Einleitungsbeschluß dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht entsprechend Rechnung trägt.

2. Die - bereits ausführlich zitierten - Bedenken des Gerichtshofs hinsichtlich der Verfassungmäßigkeit der bezogenen Gesetzesstellen erweisen sich als gerechtfertigt. Die Einwände der Bundesregierung konnten den Verfassungsgerichtshof nicht veranlassen, von seiner im Prüfungsbeschluß vorläufig getroffenen Annahme abzugehen, daß die durch ArtXXXI des Bundesgesetzes BGBl. I 61/1997 plötzlich vorgenommene Streichung der Sonderzahlungen für die bereits in Gerichtspraxis stehenden Rechtspraktikanten mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz nicht im Einklang steht.

Wie der Gerichtshof schon in seinem Prüfungsbeschluß mit Hinweisen auf die bisherige Judikatur zum Vertrauensschutz dargelegt hat (vgl. VfSlg. 11.309/1987, 11.665/1988, 14.846/1997, 14.960/1997, 15.269/1998; siehe auch zuletzt ), ist eine Regelung dann verfassungswidrig, wenn sie einen schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriff in erworbene Rechtspositionen vornimmt, auf deren Bestand der Rechtsunterworfene berechtigterweise vertrauen durfte. Dabei ist auch zu prüfen, ob besondere - im öffentlichen Interesse gelegene - Umstände vorliegen, die einen solchen Eingriff rechtfertigen könnten.

2.1. Zur Frage des Vorliegens eines berechtigten Vertrauens in die Rechtslage wendet die Bundesregierung ein, der vorliegende Fall unterscheide sich von der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (im besonderen VfSlg. 11.309/1987 und 11.665/1988) dadurch, daß es den Rechtspraktikanten am Kriterium einer langjährigen Tätigkeit fehle, während welcher sie eine (zu schützende) Rechtsposition hätten erwerben können, da ein gesetzlicher Anspruch auf Gerichtspraxis bloß von neun Monaten bestehe. Auch könne im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der dem Erkenntnis VfSlg. 11.309/1987 zugrunde lag und in welchem der Gerichtshof die Aussicht auf einen bestimmten Ruhegenuß als mitentscheidenden Faktor für das Annehmen einer politischen Funktion ansah, "bei den Rechtspraktikanten nicht davon gesprochen werden, dass diese die Gerichtspraxis wegen der Gewährung einer Sonderzahlung antreten".

Diesem Einwand der Bundesregierung ist entgegenzuhalten, daß das Vorliegen eines berechtigten Vertrauens in die Rechtslage stets an der konkreten Fallkonstellation zu beurteilen ist und somit von unterschiedlichen Faktoren abhängen kann. Auch wenn der Gerichtshof in den bisher von ihm zu beurteilenden Fällen, die Kürzungen entweder bestimmter Pensionsleistungen (z.B. VfSlg. 11.309/1987, 15.269/1998) oder gewisser anderer laufender Bezüge (z.B. VfSlg. 14.867/1997, 14.888/1997) betrafen, zur Annahme berechtigten Vertrauens zumeist von längeren Anwartschaftszeiten ausging, so betonte er in dieser Rechtsprechung aber auch, daß etwa die Funktion des Ruhebezuges vorrangig darin bestehe, "ein erhebliches Absinken unter einen einmal erzielten Standard der Lebensführung nicht eintreten zu lassen" (vgl. VfSlg. 11.309/1987). Dieser Aspekt (der damals zwar im Zusammenhang mit relativ hohen Einkommen hervorgehoben wurde) beruht jedoch auf einer allgemeinen Erwägung, die auch im vorliegenden Fall in Ansehung der mit bloß neun Monaten befristeten Entlohnung in der Gerichtspraxis Bedeutung gewinnt, zumal Rechtspraktikanten im Wissen um die Dauer ihrer Ausbildung bei Gericht in der Regel eine genauere Planung ihrer Lebensführung für diesen Zeitraum vornehmen müssen. Gerade die Befristung betragsmäßig exakt festgelegter Leistungen auf einen relativ kurzen Zeitraum schafft somit eine besondere Vertrauenslage, da sich der Betroffene in seiner Lebensführung für diese Zeitspanne auf das ihm kraft Gesetzes zustehende Einkommen einstellt und kurzfristig kaum Änderungen der vorweg geplanten Lebensführung vornehmen kann. Es durften somit alle Rechtspraktikanten, die ihre Gerichtspraxis vor dem angetreten hatten, berechtigterweise auf die damalige Gesetzeslage vertrauen (wobei sie in ihrem Vertrauen offenkundig auch durch vor dem Praxisantritt vom jeweiligen Oberlandesgerichtspräsidenten an sie gerichtete Schreiben bestärkt wurden, in denen ihnen die betragsmäßige Höhe des gebührenden Ausbildungsbeitrages einschließlich der Sonderzahlungen mitgeteilt worden war).

2.2. Zur weiteren Frage, ob die Streichung der Sonderzahlungen einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsposition der Rechtspraktikanten darstellt, legt die Bundesregierung - unter Heranziehung einiger Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs - dar, daß ihrer Ansicht nach kein Eingriff von erheblichem Gewicht vorliege. Dabei geht sie davon aus, daß je nach dem Zeitpunkt des Antritts der Gerichtspraxis eine Kürzung des Gesamteinkommens eines Rechtspraktikanten von maximal 14,28 % vorgenommen werde. Eine in dieser Bandbreite gehaltene Kürzung stehe mit der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (VfSlg. 15.269/1998) im Einklang, wonach eine durchschnittliche Bezugskürzung von 12 % (auch bei möglicherweise (prozentual) höher ausfallenden Härtefällen) noch als unbedenklich erachtet worden sei. Auch hält die Bundesregierung den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß - bloß zur Verdeutlichung - angestellten Vergleich der Höhe des Ausbildungsbeitrags zu jener eines durchschnittlichen Akademiker-Einstiegsgehalts für problematisch, da ihrer Ansicht nach die Gerichtspraxis als bloßes Ausbildungsverhältnis nicht mit einem Dienstverhältnis und dem darin erzielbaren Einkommen am Arbeitsmarkt vergleichbar sei. Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich somit bei der Beseitigung der Sonderzahlungen weder allgemein betrachtet noch auf die speziellen Beschwerdefälle bezogen um einen schwerwiegenden Eingriff im Sinne der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs. In diesem Zusammenhang mißt die Bundesregierung auch dem Wegfall der aus § 67 EStG 1988 erfließenden einkommensteuerlichen Begünstigung im Hinblick auf die Höhe der Sonderzahlungen keine wesentliche Bedeutung zu.

Diesen Ansichten der Bundesregierung vermag der Gerichtshof ebenfalls nicht zu folgen. Er bleibt vielmehr bei seiner bereits im Prüfungsbeschluß zum Ausdruck kommenden Meinung, daß eine (plötzliche) Bezugskürzung von maximal etwas über 14 % bei einem vergleichsweise als gering anzusehenden Einkommen der Rechtspraktikanten nicht unerheblich ins Gewicht fällt. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung ist auch kein Widerspruch zu den im Erkenntnis VfSlg. 15.269/1998 enthaltenen Aussagen zu erkennen, zumal im vorliegenden Fall eine andere Einkommenssituation gegeben ist, die den bloßen Vergleich absoluter Zahlen bzw. von Prozentsätzen nicht zuläßt. Der Gerichtshof geht davon aus, daß die Gerichtspraxis, wenngleich sie als Ausbildungsverhältnis eingerichtet ist, tatsächlich Ähnlichkeiten mit einem Dienstverhältnis aufweist, die einen gewissen Vergleich zwischen dem Ausbildungsbeitrag und einem Arbeitseinkommen rechtfertigen (was u.a. schon darin zum Ausdruck kommt, daß der Ausbildungsbeitrag in einem Hundertsatz des monatlichen Gehalts eines Richteramtsanwärters, also eines Beamten im richterlichen Vorbereitungsdienst, bemessen wird). Es ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die in den §§9 bis 13 RPG getroffenen Regelungen über die Pflichten und Rechte des Rechtspraktikanten (etwa Einhaltung der gerichtlichen Dienststunden, Anspruch auf Freistellung etc.) zu verweisen. Bei der Gerichtspraxis handelt es sich sehr wohl um eine Tätigkeit, welche grundsätzlich die volle Erwerbskraft einer Person erfordert und somit auch in dieser Hinsicht mit einem Dienstverhältnis vergleichbar ist (was etwa im Fall des späteren Eintritts in den öffentlichen Dienst bei der vollen Anrechnung als Vordienstzeit deutlich wird). Außerdem darf nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs auch nicht außer acht gelassen werden, daß für einige Berufsgruppen (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Beamter der Finanzprokuratur) die Gerichtspraxis als Rechtspraktikant eine notwendige Berufsvoraussetzung bildet und somit der Sache nach Teil der Berufslaufbahn ist. Insgesamt stellt daher nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs eine Bezugskürzung von maximal etwas über 14 % relativ gesehen zu dem als vergleichsweise niedrig einzustufenden Einkommen der Rechtspraktikanten einen schwerwiegenden, durch den gänzlichen Wegfall der schon erwähnten einkommensteuerlichen Begünstigung sogar verschärften Eingriff dar.

2.3. Als rechtfertigenden Umstand für die getroffene Maßnahme führt die Bundesregierung ferner die Notwendigkeit einer Budgetkonsolidierung an, wobei insbesondere die rasche Umsetzung der Sparmaßnahme notwendig gewesen sei, um das Budgetziel noch im laufenden Jahr 1997 zu erreichen. Neben diesen budgetpolitischen Gründen bringt die Bundesregierung auch den Umstand vor, daß in der gewählten Vorgangsweise die einzige Möglichkeit gesehen wurde, am System der Gerichtspraxis, d.h. des Anspruchs auf die Absolvierung von neun Monaten, festzuhalten und keine - ihrer Ansicht nach - wesentlich einschneidenderen Maßnahmen wie etwa die Einführung eines "numerus clausus" oder die Verkürzung der Gerichtspraxis zu ergreifen. Die Maßnahme sei erst nach sorgfältiger Abwägung sämtlicher Alternativen ergriffen worden und es sei nach Auffassung der Bundesregierung davon auch nicht bloß eine punktuell kleine Gruppe von Rechtsunterworfenen betroffen. Vielmehr sei, wie die Bundesregierung meint, die Streichung der Sonderzahlungen für Rechtspraktikanten "im Zusammenhang mit weiteren Kürzungen zur Budgetkonsolidierung zu sehen, die Einkommensverluste für weite Bereiche des öffentlichen Dienstes mit sich brachte".

Auch diese Argumentation vermag den Gerichtshof nicht zu überzeugen. Entgegen der Ansicht der Bundesregierung stand die Maßnahme der Streichung der Sonderzahlungen nicht im Zusammenhang mit einem konkreten, allgemeinen budgetären Maßnahmenpaket, wie dies etwa bei der im Erkenntnis VfSlg. 14.867/1997 behandelten Kürzung von Richterbezügen im Rahmen des sog. Sparpaketes durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201, der Fall war. (Nur nebenher sei angemerkt, daß die in Betrachtung stehende Maßnahme auch keineswegs von der Bundesregierung selbst vorgeschlagen, vielmehr erst durch einen Abänderungsantrag im Verfassungsausschuß des Nationalrats zur Regierungsvorlage 631 BlgNR 20. GP getroffen wurde, die gänzlich andere Ziele (etwa die Schaffung flexiblerer Arbeitszeiten oder die Vereinfachung des Disziplinarverfahrens im Bundesdienst) verfolgte.) Es kann nicht davon gesprochen werden, daß es sich bei der Beseitigung der Sonderzahlungen um einen Teil eines notwendigen und viele Bereiche des öffentlichen Dienstes betreffenden Maßnahmenpaketes zur Budgetkonsolidierung handelte. Selbst wenn damit aber eine gewisse nachträgliche Korrektur hinsichtlich der Rechtspraktikanten - die im Vergleich zu Richtern und Richteramtsanwärtern von Bezugskürzungen (in Höhe von etwa 1,4 %) durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 nicht unmittelbar betroffen waren - bezweckt war, so erscheint es unsachlich, die kleinere und wirtschaftlich schwächere Gruppe von Rechtspraktikanten erheblich stärker zu belasten. Besonders fällt aber ins Gewicht, daß die Maßnahme völlig überraschend und ohne jegliche Übergangsregelung - ja sogar mit einer rd. einmonatigen Rückwirkung - ergriffen wurde, weshalb sich die Rechtsunterworfenen überhaupt nicht auf die neue Einkommenssituation einstellen konnten (vgl. dazu insb. , betreffend eine schlagartige und vollständige Beseitigung einer steuerlichen Begünstigung). Zur angeblichen Notwendigkeit der sofortigen Wirkung der Regelung zur Einhaltung des laufenden Budgets ist zu betonen, daß ein Abweichen von den für das jeweilige Kalenderjahr im voraus festgelegten Voranschlagsansätzen nicht übergangslos zu einer derart massiven, geradezu überfallsartigen und teilweise sogar rückwirkenden Korrektur berechtigt.

3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs haben sich somit als zutreffend erwiesen; die durch ArtXXXI des Bundesgesetzes BGBl. I 61/1997 vorgenommene plötzliche und vollständige Beseitigung der Sonderzahlungen für Rechtspraktikanten ohne eine gebotene und ausreichende Übergangsregelung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in bestehende Rechtspositionen von Rechtsunterworfenen dar, die in die Rechtslage berechtigterweise vertrauen durften. Die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen sind daher als verfassungswidrig aufzuheben.

V. Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art 140 Abs 5 erster Satz und Abs 6 erster Satz B-VG. In diesem Zusammenhang sei jedoch angemerkt, daß es dem Bundesgesetzgeber - allerdings unter Beachtung der in diesem Erkenntnis dargelegten Grundsätze - an sich freistünde, eine die Sonderzahlungen betreffende Neuregelung vorzunehmen.

VI. Dieses Erkenntnis wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.