VfGH vom 26.09.2005, g58/05
Sammlungsnummer
17621
Leitsatz
Zulässigkeit des Verfahrens zur Prüfung von Bestimmungen des Investmentfondsgesetzes betreffend die steuerliche Behandlung ausschüttungsgleicher Erträge bestimmter ausländischer, sog. schwarzer Fonds; kein Anwendungsvorrang von Gemeinschaftsrecht; Verletzung des Gleichheitsrechtes durch Schätzung der Erträge thesaurierender und nicht-thesaurierender Fonds nach derselben Methode sowie durch die formal gleichartigen Nachweisanforderungen bei inländischen und ausländischen Fonds in Hinblick auf das Erfordernis der Bestellung eines inländischen Vertreters durch einen ausländischen Fonds
Spruch
§ 42 Abs 2 Z 4 bis 6 des Bundesgesetzes über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz - InvFG 1993), BGBl. Nr. 532/1993, in der Fassung BGBl. Nr. 818/1993, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Die aufgehobenen Vorschriften sind nicht mehr anzuwenden.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B863/04, B1025/04 und B1026/04 auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerden gegen Bescheide des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck bzw. Salzburg, jeweils vom anhängig. Mit diesen Bescheiden wurde den Beschwerdeführern jeweils Einkommensteuer in bestimmter Höhe für die Jahre 1996 bis 1998 bzw. 1998 bis 2000 vorgeschrieben. Der Berechnung der Einkommensteuer wurden auch Einkünfte aus Kapitalvermögen, die aus sog. schwarzen (Investment)Fonds stammten, zugrunde gelegt.
2. Bei der Behandlung dieser Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 42 Abs 2 Z 4 bis 6 des Bundesgesetzes über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz - InvFG 1993), BGBl. 532/1993, in der Fassung BGBl. 818/1993 entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluss vom von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der eben genannten Bestimmungen eingeleitet.
3. Zur Rechtslage:
§ 40 Abs 1 InvFG, BGBl. 532/1993 idF BGBl. 818/1993, normiert in seinem ersten Satz, dass die Ausschüttungen eines Kapitalanlagefonds an die Anteilsinhaber bei diesen steuerpflichtige Einnahmen sind.
§ 42 InvFG, BGBl. 532/1993 idF BGBl. 818/1993, lautet folgendermaßen (die in Prüfung gezogenen Vorschriften sind hervorgehoben):
"§42. (1) Die Bestimmungen der §§40 und 41 gelten, sofern nichts anderes bestimmt ist (§41), nur für Kapitalanlagefonds, die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gebildet sind (§1) und deren Anteile öffentlich zur Zeichnung aufgelegt werden.
(2) Auf ausschüttungsgleiche Erträge eines ausländischen Kapitalanlagefonds an die Inhaber von Anteilsrechten sind die Z 1 bis 5 anzuwenden:
1. Als ausländischer Kapitalanlagefonds gilt ungeachtet der Rechtsform jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach Gesetz, Satzung oder tatsächlicher Übung nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt ist. Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien im Sinne des § 14 des Kapitalmarktgesetzes sind ausgenommen.
2. Als ausschüttungsgleiche Erträge gelten bei Kapitalanlagefonds, deren Anteilsrechte im Inland öffentlich angeboten werden, die tatsächlichen Ausschüttungen auf die Anteilsrechte sowie die von einem ausländischen Kapitalanlagefonds vereinnahmten und nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Zinsen, Dividenden und sonstigen Erträge. Soweit nicht tatsächliche Ausschüttungen vorliegen, gelten die ausschüttungsgleichen Erträge mit Ablauf des Geschäftsjahres des ausländischen Kapitalanlagefonds, in dem sie vom Fonds vereinnahmt wurden, mit dem sich aus dem Anteilsrecht ergebenden Ausmaß als ausgeschüttet.
3. Die ausschüttungsgleichen Erträge im Sinne der Z 2 sind nachzuweisen. Der Nachweis ist durch einen gegenüber den Abgabenbehörden bestellten inländischen Vertreter zu führen. Als inländischer Vertreter können inländische Kreditinstitute und inländische Wirtschaftsprüfer oder inländische Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bestellt werden. § 40 Abs 1 ist anzuwenden. Ausschüttungsgleiche Erträge aus Substanzgewinnen bleiben nur insoweit außer Ansatz, als sie im Wege des inländischen Vertreters nachgewiesen werden.
4. Unterbleibt ein Nachweis im Sinne der Z 3 oder werden die Anteilsrechte im Inland nicht öffentlich angeboten, gelten als ausschüttungsgleiche Erträge die tatsächlichen Ausschüttungen sowie 90% des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis. Als ausschüttungsgleicher Ertrag sind in einem solchen Fall aber mindestens 10% des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises anzusetzen.
5. Bei Veräußerung eines Anteilsrechtes sind für den Zeitraum seit Ende des letzten Geschäftsjahres als ausschüttungsgleicher Ertrag der Unterschiedsbetrag zwischen dem bei Veräußerung festgesetzten Rücknahmepreis und dem letzten im abgeschlossenen Geschäftsjahr festgesetzten Rücknahmepreis anzusetzen. Als ausschüttungsgleicher Ertrag sind aber mindestens 0,8% des bei der Veräußerung festgesetzten Rücknahmepreises für jeden angefangenen Monat des im Zeitpunkt der Veräußerung laufenden Geschäftsjahres anzusetzen. In den Fällen der Z 4 tritt an die Stelle des Geschäftsjahres das Kalenderjahr.
6. In den Fällen der Z 4 und 5 kann anstelle des Rücknahmepreises auch der veröffentlichte Rechenwert sowie bei börsegehandelten Anteilen der Börsekurs herangezogen werden."
Mit BGBl. I 41/1998 wurde das InvFG u.a. dahingehend geändert, dass durch die Einführung inländischer thesaurierender Fonds die bisher nur für Anteile an ausländischen Kapitalanlagefonds geltende Regelung des § 42 Abs 2 InvFG, BGBl. 532/1993 idF BGBl. 818/1993, in den § 40 InvFG (in Kraft getreten mit ) vorgezogen wurde. Ferner wurde klargestellt, dass tatsächliche Ausschüttungen nicht mehr den Charakter ausschüttungsgleicher Erträge haben.
Der durch diese Novelle neu gefasste § 42 Abs 2 leg.cit. trat mit in Kraft und sah eine pauschale Ermittlung ausschüttungsgleicher Erträge ausländischer Fonds im Fall des Unterbleibens eines Nachweises vor. Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom , G49,50/04, diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.
4. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss (vorläufig) davon ausgegangen, dass die belangte Behörde die in Prüfung gezogenen Bestimmungen angewendet hat. Er ist ferner (unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , G49,50/04) vorläufig davon ausgegangen, dass der Anwendung dieser Normen der Vorrang unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts nicht offenkundig entgegensteht.
Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"§42 Abs 2 InvFG, BGBl. 532/1993, in der hier maßgebenden Fassung BGBl. 818/1993 regelt die Besteuerung der sog. ausschüttungsgleichen Erträge ausländischer Kapitalanlagefonds. Als ausschüttungsgleiche Erträge gelten bei Fonds, deren Anteilsrechte im Inland öffentlich angeboten werden, die tatsächlichen Ausschüttungen sowie die vom Fonds vereinnahmten und nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Erträge. Die ausschüttungsgleichen Erträge sind grundsätzlich nachzuweisen, wobei der Nachweis durch einen gegenüber den Abgabenbehörden bestellten inländischen Vertreter (inländisches Kreditinstitut, inländische Wirtschaftsprüfer) zu führen ist (Z3 leg.cit.). Unterbleibt ein Nachweis iSd Z 3 leg.cit. oder werden die Anteilsrechte im Inland nicht öffentlich angeboten, gelten als ausschüttungsgleiche Erträge die tatsächlichen Ausschüttungen sowie 90 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis. Als ausschüttungsgleicher Ertrag sind in einem solchen Fall aber mindestens 10 vH des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises anzusetzen (Z4 leg.cit.). Die Z 5 leg.cit. modifiziert dieses pauschale Ermittlungsverfahren für die Fälle der Veräußerung von Anteilsrechten, Z 6 leg.cit. erlaubt es, an Stelle des Rücknahmepreises alternative Rechengrößen zu setzen.
Die in den Z 4 bis 6 leg.cit. vorgesehene Pauschalbesteuerung ausländischer Fonds, deren Anteilsrechte im Inland nicht öffentlich angeboten werden, entspricht ihrem Inhalt nach der in § 42 Abs 2 InvFG, BGBl. 532/1993 idF BGBl. I 41/1998 getroffenen Regelung. Diese Vorschrift hat der Gerichtshof mit Erkenntnis vom , G49,50/04, als verfassungswidrig aufgehoben.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit der nunmehr in Prüfung gezogenen Bestimmungen hegt der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der pauschalen Ermittlung von Einkünften ausländischer Investmentfonds vorläufig dieselben Bedenken, die ihn bereits zur Prüfung und Aufhebung der zitierten Bestimmung des InvFG idF BGBl. I 41/1998 veranlasst haben."
5. Die Bundesregierung verzichtete aufgrund ihres Beschlusses vom auf die Erstattung einer Äußerung.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat die Gesetzesprüfungsverfahren gemäß § 35 Abs 1 VfGG iVm §§187 und 404 ZPO zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:
1. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogenen Bestimmungen anzuwenden, unzutreffend wäre. Auch die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken, denen die Bundesregierung nicht entgegengetreten ist, treffen zu.
Es genügt daher auf die Gründe des im Prüfungsbeschluss zitierten hg. Erkenntnisses vom , G49,50/04 zu verweisen, aufgrund derer der Gerichtshof die in § 42 Abs 2 InvFG, BGBl. 532/1993, idF BGBl. I 41/1998 geregelte pauschale Ermittlung ausschüttungsgleicher Erträge als verfassungswidrig aufgehoben hat.
2. Der Ausspruch, dass die aufgehobenen Vorschriften nicht mehr anzuwenden sind, beruht auf Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG. Der Gerichtshof geht davon aus, dass nach Aufhebung des § 42 Abs 2 Z 4 bis 6 InvFG, BGBl. 532/1993 idF BGBl. 818/1993, die steuerpflichtigen Erträge aus den ausländischen Fonds, für die in den maßgebenden Zeiträumen kein steuerlicher Vertreter im Inland bestellt war, von den Steuerpflichtigen offen zu legen oder von der Finanzbehörde nach den allgemeinen Grundsätzen zu schätzen sind und damit die Gleichbehandlung der Erträge von inländischen und ausländischen Fonds erreichbar ist.
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.