VfGH vom 12.10.2000, g56/00
Sammlungsnummer
15986
Leitsatz
Kein Verstoß der Bestimmungen des Geschworenen- und SchöffenG 1990 betreffend die Regelung des Instanzenzuges im Verfahren über Befreiungsanträge vom Amt des Geschworenen oder Schöffen gegen den Grundsatz der Trennung der Vollziehungsbereiche von Bund und Ländern; Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Geschworenen und Schöffen als Angelegenheiten der Justizverwaltung in der Vollziehung ausschließlich Bundessache und von Art 102 B-VG nicht betroffen
Spruch
Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Der Verwaltungsgerichtshof beantragt gemäß Art 140 Abs 1 B-VG aus Anlaß eines bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens, der Verfassungsgerichtshof möge
"in § 9 Abs 3 erster Satz des Bundesgesetzes über die Berufung der Geschworenen und Schöffen (Geschworenen- und Schöffengesetz 1990 - GSchG), BGBl. Nr. 256/1990, die Wortfolge 'an den Präsidenten des örtlich zuständigen in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz' sowie in § 12 Abs 1 GSchG die Wortfolge 'entscheidet über Berufungen (§9 Abs 3) endgültig und'
in eventu
in § 9 Abs 3 erster Satz GSchG die Wortfolge 'an den Präsidenten des örtlich zuständigen in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz', in § 10 GSchG die Wortfolge 'samt erhobenen Berufungen' und in § 12 Abs 1 GSchG die Wortfolge 'entscheidet über Berufungen (§9 Abs 3) endgültig und'"
als verfassungswidrig aufheben.
1.2. Zum Sachverhalt des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens wird im wesentlichen ausgeführt, die dortige Beschwerdeführerin habe am bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen die Befreiung vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen beantragt. Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen habe über diesen Antrag mit Bescheid vom - gestützt auf § 9 GSchG - dahin entschieden, daß die Beschwerdeführerin vom Amt des Geschworenen oder Schöffen für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren nicht zu befreien sei. Die Beschwerdeführerin habe diesen Bescheid mit Berufung an den Präsidenten des Landesgerichtes Wiener Neustadt bekämpft, der dieses Rechtsmittel jedoch mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen habe.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachte sich die Beschwerdeführerin in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Z 2 GSchG verletzt.
1.3. Der Verwaltungsgerichshof geht vorläufig davon aus, daß er die angefochtenen Wortfolgen im vorliegenden Beschwerdefall - im Rahmen der Überprüfung der Zuständigkeit der belangten Behörde - anzuwenden habe.
Zu den geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken wird im wesentlichen folgendes ausgeführt:
"Der Verwaltungsgerichtshof übersieht nicht, dass gegen die mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen Wortfolgen der §§9, 10 und 12 GSchG bisher keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/10/0048).
Aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalles sind aber verfassungsrechtliche Bedenken gegen die maßgeblichen Bestimmungen des GSchG dahingehend entstanden, dass der in den §§9, 10 und 12 GSchG vorgesehene Instanzenzug von der Bezirksverwaltungsbehörde (im Beschwerdefall: von der Bezirkshauptmannschaft) an den Präsidenten des örtlich zuständigen in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz mit Art 102 B-VG bzw. dem der Bundesverfassung zu entnehmenden Grundsatz der Trennung der Vollzugsbereiche aus folgenden Gründen nicht vereinbar ist:
Eingangs ist darauf zu verweisen, dass sich das GSchG zur Umschreibung der zuständigen Behörde erster Instanz der Funktionsbezeichnung 'Bezirksverwaltungsbehörde' bedient. Es umfasst damit die Bezirkshauptmannschaften, die Bürgermeister der Städte mit eigenem Statut sowie den Magistrat der Stadt Wien (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 12 (1998), 116, Anm. 4). Im Beschwerdefall schritt als zuständige Behörde erster Instanz die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen ein. Der Verwaltungsgerichtshof begnügt sich im weiteren mit der Darlegung der Bedenken, die den Instanzenzug von der Bezirkshauptmannschaft an den Gerichtspräsidenten betreffen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes braucht im folgenden nicht untersucht zu werden, ob seine verfassungsrechtlichen Bedenken auch auf einen Instanzenzug vom Bürgermeister einer Stadt mit eigenem Statut bzw. vom Magistrat der Stadt Wien an den Präsidenten des örtlich zuständigen in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz zuträfen. Auf Grund der sprachlichen Gestaltung des GSchG erscheint eine Einschränkung des Umfanges der Anfechtung auf die Bezirkshauptmannschaften jedoch nicht möglich.
Der Verwaltungsgerichtshof legt seinen Darlegungen weiters die auch in der Regierungsvorlage vertretene Auffassung zu Grunde, dass es sich bei der hier maßgeblichen Vollziehung des GSchG um eine Angelegenheit des 'Justizwesen'(s) im Sinne des Art 102 Abs 2 B-VG handelt (zum Umfang des Kompetenztatbestandes 'Justizwesen' vgl. das Erkenntnis VfSlg Nr. 8478/1979). Träfe diese Einschätzung nicht zu, so wäre in Ermangelung eines anderen in Frage kommenden Kompetenztatbestandes in Art 102 Abs 2 B-VG davon auszugehen, dass die Zuständigkeit des Präsidenten des örtlich zuständigen in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz, wie sie § 9 Abs 3 und § 12 Abs 1 GSchG vorsieht, mangels Zustimmung der Länder mit Art 102 Abs 4 B-VG nicht vereinbar ist (vgl. z.B. das Erkenntnis VfSlg Nr. 8466/1978).
Handelt es sich bei der Vollziehung des GSchG im hier in Rede stehenden Umfang um eine Angelegenheit des 'Justizwesen'(s) im Sinne des Art 102 Abs 2 B-VG, so wäre es dem Bund grundsätzlich freigestanden, diese Angelegenheiten unmittelbar von Bundesbehörden versehen zu lassen. Soweit ersichtlich, machte der Bundesgesetzgeber von dieser Möglichkeit auch - bis zur Neuregelung durch das GSchG - Gebrauch. Sowohl nach dem Gesetz betreffend die Bildung der Geschwornenlisten, RGBl Nr. 121/1873 (idF der Gesetze StGBl Nr. 37/1919, 279/1920 und 321/1920) als auch nach dem Geschwornen- und Schöffenlistengesetz, BGBl. Nr. 135/1946, welches durch § 20 Abs 2 GSchG aufgehoben wurde, waren für die Durchführung des Einspruchs- bzw. Befreiungsverfahrens als Bundesbehörden zu qualifizierende Kommissionen zuständig. Wie die Regierungsvorlage zeigt, sollte mit dem GSchG die Zuständigkeit dieser Kommissionen beseitigt werden.
Dem Bundesgesetzgeber stünde es im Rahmen des Kompetenztatbestandes 'Justizwesen' gemäß Art 102 Abs 2 iVm Abs 3 B-VG aber auch offen, den Landeshauptmann (und die ihm unterstellten Landesbehörden) mit der Vollziehung zu beauftragen, d.h. der Bundesgesetzgeber kann zwischen unmittelbarer Bundesverwaltung und mittelbarer Bundesverwaltung wählen.
Der Neuregelung des Einspruchs- bzw. Befreiungsverfahrens scheint nun, wie die Regierungsvorlage nahelegt, die Vorstellung zu Grunde zu liegen, dass die Bezirkshauptmannschaften in mittelbarer, der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz aber in unmittelbarer Bundesverwaltung tätig sein solle. Diese Vorstellung dürfte mit der Bundesverfassung jedoch nicht vereinbar sein. Die instanzenmäßige Verknüpfung beider Behörden bewirkt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ein verfassungswidriges Ergebnis.
Wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis VfSlg Nr. 1030/1928 ausgeführt hat, entspricht es der Idee des Bundesstaates, dass Gesetzgebung und Vollziehung zwischen Bund und Ländern geteilt werden und dass der Bund ebenso wie die Länder die ihnen übertragenen Funktionen durch ihre eigenen Organe besorgen. In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass durch das B-VG die Vollzugsbereiche des Bundes und der Länder absolut getrennt werden und dass die Trennung des Vollzugsbereiches des Bundes von dem der Länder ebenso absolut sei wie die Trennung der Gerichtsbarkeit von der Verwaltung (vgl. VfSlg Nr. 3362/1958, ebenso VfSlg Nr. 4413/1963). Zum Wesen der Verfassung gehört nach Ansicht des Verfassungsgerichtshof(s) das föderalistische Prinzip und damit die Trennung der Vollziehungsbereiche des Bundes und der Länder mit einer entsprechenden Trennung der Vollziehungsorgane (VfSlg Nr. 4413/1963).
Die Bundesverfassung selbst lässt allerdings, wie der Verfassungsgerichtshof hervorgehoben hat, Ausnahmen von diesem Grundsatz der Trennung der Vollziehungsorgane zu. Die Bundesverfassung regelt nämlich auch, ob und inwieweit der Bund seine Vollziehung in den Ländern durch Organe der Länder, nämlich durch den Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden besorgen lassen kann oder muss (mittelbare Bundesverwaltung), sie bestimmt auch, dass der Landesgesetzgeber mit Zustimmung der Bundesregierung die Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung eines Landesgesetzes vorsehen kann oder muss (z.B. Art 97 Abs 2 B-VG, Art 15 Abs 3 B-VG). Über die in der Verfassung ausdrücklich geregelten Fälle - zu denen zB. auch der übertragene Wirkungsbereich der Gemeinden sowie der Zuständigkeitsbereich der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zählt - hinaus ist hingegen eine Übertragung von Vollziehungsaufgaben an Organe eines anderen Vollziehungsbereiches unzulässig (VfSlg Nr. 4413/1963). In Konsequenz dieser Auffassung hat es der Verfassungsgerichtshof zB. für unzulässig gehalten, dass die Bundesgesetzgebung Vollziehungsaufgaben des Bundes an Körperschaften öffentlichen Rechtes überträgt, die im Rahmen der Landesvollziehung eingerichtet sind (VfSlg Nr. 4413/1963). Ebenso verfassungswidrig ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ein von einer Behörde des Landesvollzugsbereiches zu einer Behörde des Bundesvollzugsbereiches eingerichteter Instanzenzug (vgl. VfSlg Nr. 3362/1958).
Die mittelbare Bundesverwaltung im Sinne des Art 102 Abs 1 B-VG, die als Ausnahme vom Grundsatz der Trennung der Vollzugsbereiche anzusehen ist, besteht nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darin, dass in der Landesinstanz der Landeshauptmann mit dem Vollzug betraut ist, und zwar auch dann, wenn die Vollziehung in erster Instanz ausnahmsweise nicht Landesbehörden überantwortet ist (vgl. z.B. VfSlg Nr. 2978/1956). Im Regelfall wird die mittelbare Bundesverwaltung von den Bezirkshauptmannschaften sowie den Städten mit eigenem Statut besorgt ((v)gl. § 8 Abs 5 litb ÜG 1920 bzw. Art 116 Abs 3 B-VG). Auch nach der B-VG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 444, ist es nach Auffassung der Lehre nicht erforderlich, dass in der mittelbaren Bundesverwaltung in jedem Fall ein Instanzenzug von der Bezirksverwaltungsbehörde an den Landeshauptmann geht (vgl. Novak, Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1974 und Verwaltungsorganisation, ÖJZ 1975, 281 (284); Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht8 (1996), Rz 844). Es steht dem Bundesgesetzgeber somit frei, eine Angelegenheit in die mittelbare Bundesverwaltung zu verweisen, ohne gleichzeitig einen Instanzenzug bis zum Landeshauptmann vorzusehen. Der Landeshauptmann wäre in einem solchen Fall Oberbehörde und weisungsbefugtes Organ.
Sieht der Bundesgesetzgeber in einer Angelegenheit des Art 102 Abs 2 B-VG (hier: 'Justizwesen') von einer Vollziehung durch eigene Bundesbehörden ab, so bleibt ihm nach Art 102 Abs 3 B-VG freilich nur die Möglichkeit, diese Angelegenheit in der Form der mittelbaren Bundesverwaltung besorgen zu lassen. Ein 'Mischsystem', wie es der Regierungsvorlage zum GSchG vorzuschweben scheint, bei dem die Bezirkshauptmannschaft als Behörde der mittelbaren Bundesverwaltung, eine Bundesbehörde (hier der Präsident des Gerichtshofs erster Instanz) hingegen - im Instanzenzug - als Behörde der unmittelbaren Bundesverwaltung tätig wird, scheint mit den dargestellten bundesverfassungsgesetzlichen Vorgaben nicht im Einklang zu stehen.
Wollte man die Entscheidungsbefugnis der Bezirkshauptmannschaft in erster Instanz nämlich tatsächlich als eine solche im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung qualifizieren, so wäre ein Instanzenzug an eine Bundesbehörde, wie ihn das GSchG vorsieht, mit Art 103 Abs 4 B-VG nicht zu vereinbaren. Diese Bestimmung dürfte eine 'Umgehung' des Landeshauptmannes im administrativen Instanzenzug verbieten (vgl. zB. Mayer, B-VG2 (1997) Art 102, 294).
Wollte man hingegen die Vollzugstätigkeit der Bezirkshauptmannschaft in instanzenmäßiger Unterordnung unter den Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz nicht der mittelbaren Bundesverwaltung im Sinne des Art 102 Abs 1 B-VG zurechnen, so wäre zu folgern, dass der Bundesgesetzgeber eine andere Form 'mittelbarer' Verwaltung eingeführt hätte, die aber im Hinblick auf den Grundsatz der Trennung der Vollzugsbereiche verfassungswidrig wäre. Da die Bezirkshauptmannschaften im Vollzugsbereich der Länder eingerichtete Behörden sind, läge die im Erkenntnis VfSlg Nr. 4413/1963 für verfassungswidrig befundene Konstellation vor, dass sich der Bund zur Besorgung seiner Vollziehung - außerhalb der in Art 102 Abs 1 B-VG ausdrücklich vorgesehenen mittelbaren Bundesverwaltung - im Vollzugsbereich der Länder eingerichteter Organe bedient.
Diese Bedenken können auch nicht durch Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg Nr. 7507/1975 ausgeräumt werden. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis zwar - in einem Verfahren nach Art 137 B-VG - die Ansicht vertreten, dass bei der Besorgung der Aufgaben des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch die Bezirksverwaltungsbehörden ungeachtet der Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion auf der Landesebene 'eine Erscheinung der mittelbaren Bundesverwaltung vorliegt, weil Bundesangelegenheiten durch Organe des Landes, nämlich die Bezirksverwaltungsbehörde vollzogen wurden' (vgl. dazu Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht II (1998), Rz 30.008). Diese Sonderform 'mittelbarer' Verwaltung des Bundes durch Landesorgane beruht aber auf einer bundesverfassungsgesetzlichen Ausnahmeregelung (nunmehr: Art 78a Abs 1 B-VG), weshalb daraus nicht, über den Ausnahmefall hinaus, auf die Zulässigkeit einer solchen Vollzugskonstruktion in anderen Bereichen geschlossen werden darf.
Dass in den Angelegenheiten des 'Justizwesen'(s) ausnahmsweise eine andere Vollzugskonstruktion zulässig sein sollte, ist für den Verwaltungsgerichtshof ebenfalls nicht ersichtlich."
2. Die Bundesregierung erklärte, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Ein Normenprüfungsantrag eines Gerichtes darf daher - der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zufolge (zB VfSlg. 9811/1983, 10.296/1984, 11.565/1987, 12.189/1989) - nur dann mangels Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung für die Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet.
Dies ist jedoch offenkundig nicht der Fall; auch die Bundesregierung bestreitet nicht, daß die angefochtenen Wortfolgen für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs präjudiziell seien. Da die Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, erweist sich der Antrag somit als zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Die §§9, 10 und 12 Abs 1 GSchG haben samt Überschriften folgenden Wortlaut (die - entsprechend dem über den Hauptantrag hinausgehenden Eventualantrag - zur Prüfung gestellten Wortfolgen sind hervorgehoben):
"Verfahren der Bezirksverwaltungsbehörden
...
§9. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde entscheidet über Einsprüche und Befreiungsanträge. Hat der Bürgermeister bei einer ausgelosten Person Bemerkungen angebracht (§5 Abs 5), so hat die Bezirksverwaltungsbehörde gegebenenfalls mit Bescheid festzustellen, daß eine persönliche Voraussetzung der Berufung zum Geschworenen oder Schöffen fehlt.
(2) Ist ein Einspruch oder Befreiungsantrag einer eingetragenen Person ausreichend bescheinigt, so ist diese Person ohne weiteres Verfahren im Verzeichnis zu streichen.
(3) Gegen einen Bescheid nach Abs 1 steht dem Betroffenen und dem Einspruchswerber das Rechtsmittel der Berufung an den Präsidenten des örtlich zuständigen in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz zu. Die Berufung ist binnen zwei Wochen nach Zustellung bei der Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen.
(4) Die auf Grund rechtskräftiger Bescheide ausgeschlossenen oder befreiten Personen sind im Verzeichnis zu streichen.
§ 10. Die Bezirksverwaltungsbehörde übersendet die Verzeichnisse samt erhobenen Berufungen dem Präsidenten des örtlich zuständigen in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz.
...
Verfahren bei Gericht
§12. (1) Der Präsident des in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz entscheidet über Berufungen (§9 Abs 3) endgültig und veranlaßt eine allenfalls erforderliche Berichtigung der Verzeichnisse.
..."
2.2. Das Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs, die in den zur Prüfung gestellten Bestimmungen des GSchG getroffene Regelung des Instanzenzugs im Verfahren über Befreiungsanträge betreffend das Amt des Schöffen oder Geschworenen sei nicht verfassungskonform, erweist sich im Ergebnis als unbegründet:
2.2.1. Es trifft zunächst zu, daß nach der ständigen, mit dem Erkenntnis VfSlg. 1030/1928 begründeten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dem Bund und den Ländern je und je eigene Vollzugsbereiche zugewiesen sind, welche im allgemeinen als strikt getrennt (VfSlg. 3362/1958: "absolut getrennt") beurteilt werden, sofern nicht in der Verfassung selbst Besonderes bestimmt ist (dazu auch Pernthaler, Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Verwaltungsorganisation (1976) 10 f.). Nach dieser Rechtsprechung ist insbesondere auch die Vollziehung einer Materie derart, daß die Bund und Ländern jeweils zugewiesenen Vollzugsbereiche im Rahmen eines Instanzenzugs verknüpft werden, ausgeschlossen (vgl. VfSlg. 3362/1958, S 188).
2.2.2. Dieses Prinzip der Trennung der Vollziehungsbereiche von Bund und Ländern ist freilich in jenen Fällen aufgehoben, in denen die Bundesverfassung dies ausdrücklich vorsieht, wie zB im Fall der mittelbaren Bundesverwaltung (vgl. VfSlg. 4413/1962, S 241 f., zuletzt VfSlg. 9536/1982).
2.2.3. Zur Klärung der Frage, ob die zur Prüfung gestellten Bestimmungen des GSchG verfassungskonform sind, ist es daher zunächst erforderlich, diese in das System des B-VG einzuordnen. Erst danach kann geklärt werden, ob die zu Art 102 Abs 2 B-VG entwickelten Grundsätze in dem in Rede stehenden Bereich uneingeschränkt Anwendung finden können:
a) Gemäß Art 82 Abs 1 B-VG, der den mit "Gerichtsbarkeit" überschriebenen Abschnitt B des Dritten Hauptstücks des B-VG ("Vollziehung des Bundes") einleitet, geht alle Gerichtsbarkeit vom Bund aus. Damit wird der Bund zum alleinigen Träger dieser Vollzugsgewalt erklärt (vgl. Piska, Art 82 Rz 3, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht). Als Gerichtsbarkeit iS des Art 82 Abs 1 B-VG sind (naturgemäß) die von den unabhängigen Richtern zu besorgenden gerichtlichen Geschäfte anzusehen, zu denen auch die Justizverwaltungssachen zählen, wie die ausdrückliche Erwähnung der Ausnahme der monokratischen Justizverwaltungssachen von den in richterlicher Unabhängigkeit zu erledigenden "gerichtlichen Geschäften" in Art 87 Abs 2 B-VG zeigt. Soweit solche Angelegenheiten nicht kollegialer Beschlußfassung vorbehalten (und damit formell Gerichtsbarkeit) sind, werden sie zwar von Richtern, aber unter der Verantwortung des Bundesministers für Justiz geführt (vgl. dazu Piska, Art 87 Abs 1 und 2 Rz 21 ff., aaO).
b) Unter Justizverwaltung versteht Art 87 Abs 2 B-VG eine durch Richter ausgeübte, ihrem Inhalt nach aber nicht der Rechtsprechung zuzuzählende Tätigkeit, die - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Slg. 7376/1974 (S 113 f.) dargetan hat - zur richterlichen Funktion irgendeinen Bezug hat; sei es, daß sie dem Funktionieren der Gerichtsbarkeit dient, durch gerichtliche Entscheidungen bedingte Vorkehrungen anderer Organe erleichtern soll oder auf eine andere Art mit der richterlichen Tätigkeit in Zusammenhang steht (VfSlg. 8158/1977). Wie der Gerichtshof in dem bereits genannten Erkenntnis VfSlg. 7376/1974 festgestellt hat, mag die Klärung der Frage, ob eine bestimmte behördliche Tätigkeit als Justizverwaltung anzusehen sei, indes in Einzelfällen problematisch sein; in solchen Fällen wird - wie der Gerichtshof in diesem Erkenntnis ebenfalls ausgeführt hat - auch auf die einfachgesetzliche Rechtslage im Zeitpunkt des Inkrafttretens des B-VG Bedacht zu nehmen sein (vgl. auch Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit (1960) 21 ff.; eine solche Betrachtungsweise hat der Verfassungsgerichtshof etwa im Erkenntnis VfSlg. 8478/1979 angestellt und den in § 138 Abs 1 der Notariatsordnung angeordneten Instanzenzug von einem Organ der Notariatskammer an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes im Rahmen von als Justizverwaltung erkannten Notariatsangelegenheiten als verfassungskonform erachtet).
c) Schon aus Gründen des Sachzusammenhanges, aber auch aus der systematischen Stellung des Art 91 B-VG in den Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit folgt, daß Vorkehrungen, die sicherstellen sollen, daß im Rahmen der Gerichtsbarkeit in ausreichendem Maße Schöffen und Geschworene zur Verfügung stehen, mit der Justiz auf eine Weise zusammenhängen, daß sie nach der oben erwähnten Rechtsprechung der Justizverwaltung im materiellen Sinne zuzurechnen sind.
Dieses Ergebnis wird durch den historischen Befund bestätigt:
So enthielt die Verordnung des Justizministers vom 5. Mai 1897, womit eine neue Geschäftsordnung für die Gerichte erster und zweiter Instanz erlassen wird, RGBl. Nr. 112, in ihrem § 24 eine Aufzählung derjenigen "Justizverwaltungssachen", deren Besorgung in die Zuständigkeit des jeweiligen Gerichtspräsidenten fiel. Gemäß Z 18 zählte zu diesen Angelegenheiten ua. die "Bildung der Geschwornenlisten".
2.2.4. Dem Antragsvorbringen des Verwaltungsgerichtshofs ist somit zu entgegnen, daß jener Teil des Justizwesens, der Justizverwaltung iS des Art 87 Abs 2 B-VG und der oben erwähnten verfassungsgerichtlichen Judikatur ist, nach den Art 82 ff. B-VG in der Vollziehung ausschließlich Bundessache und - da in engem organisatorischen Zusammenhang mit der Gerichtsorganisation (Art87 Abs 2 B-VG) stehend - von Art 102 B-VG nicht betroffen ist.
2.3. Für das Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs ist auch aus dem Umstand nichts zu gewinnen, daß der Gerichtspräsident in Verfahren wie dem vor dem Verwaltungsgerichtshof in Rede stehenden in funktioneller Überordnung über eine in erster Instanz tätig gewordene Landesbehörde im organisatorischen Sinn (vgl. Art 15 Abs 10 B-VG), nämlich eine Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern (hier: Bezirkshauptmannschaft), tätig wird. Ein Blick auf die historische Entwicklung zeigt nämlich, daß - ungeachtet der Einrichtung von Gemeindekommissionen als Bundesbehörden auf Gemeindeebene - ein Zusammenwirken von Bezirksverwaltungs- und Gerichtsbehörden schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens des B-VG und auch in der Folge im hier interessierenden Zusammenhang gesetzlich angeordnet gewesen ist:
2.3.1. Bereits das Gesetz vom 23. Mai 1873, betreffend die Bildung der Geschwornenlisten, RGBl. Nr. 121, sah in seinen §§5 ff. nicht nur die Erstellung der sog. "Urliste" durch Gemeindekommissionen vor, sondern - außerhalb von Orten "mit eigenen Gemeindestatuten" (vgl. § 10 leg. cit.) - in § 8 auch Funktionen des Bezirkshauptmanns, und zwar sowohl im Rahmen der "Prüfung der Liste" (mit der Möglichkeit der Rückstellung an den "Gemeindevorsteher" zwecks Richtigstellung), als auch - für den Fall der Säumigkeit des "Gemeindevorstehers" bei der "Anlegung, Berichtigung oder Einsendung" der Urliste - als eigene Zuständigkeit anstelle des Gemeindevorstehers (§8 Abs 3 leg. cit.). Es war auch Aufgabe des Bezirkshauptmanns, die Urlisten seines Amtssprengels samt allen darauf bezughabenden Urkunden dem Präsidenten des Gerichtshofes
1. Instanz vorzulegen und von den "in die Urlisten aufgenommenen Männern jene zu bezeichnen, welche ihm wegen ihrer Verständigkeit, Ehrenhaftigkeit, rechtlichen Gesinnung und Charakterfestigkeit, sowie in mehrsprachigen Ländern durch ihre sprachliche Verwendbarkeit für das Amt eines Geschwornen vorzüglich geeignet erscheinen" (§9 zweiter Satz leg. cit.).
2.3.2. Über Einsprüche gegen die Urliste entschied die Gemeindekommission (§7), über Beschwerden gegen deren Entscheidung eine Kommission unter dem Vorsitz des Gerichtspräsidenten endgültig (§§11 und 13 leg. cit.).
2.3.3. Diese Rechtslage blieb im wesentlichen unverändert, wenn man davon absieht, daß mit der Novelle StGBl. Nr. 279/1920 die Benennung besonders geeigneter Personen einer Kommission beim Bezirkshauptmann übertragen wurde (§9 idF dieser Novelle), und entsprach mit dieser Maßgabe im wesentlichen auch jener des Schöffenlistengesetzes BGBl. Nr. 135/1946 (vgl. dessen §§5, 9, 10 bis 13 sowie 25 und 27).
2.4. Bezirksverwaltungsbehörden und Gerichte hatten somit im Rahmen der Erstellung von Geschwornen- und Schöffenlisten in einer Weise zusammenzuwirken, die vor allem im Falle der Säumigkeit der Gemeindebehörden dem Grundsatz einer strikten Trennung der Vollziehungsbereiche im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof zur Begründung seines Bedenkens herangezogenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht Rechnung tragen würde. Dieses Zusammenwirken zählte somit zum einfachgesetzlichen Bestand der Justizverwaltung im Zeitpunkt des Inkrafttretens des B-VG; es findet seine sachliche Rechtfertigung wohl in der Nähe von Gemeinde und Bezirksverwaltungsbehörde zu den für die Weiterverarbeitung durch die Justiz bestimmten Daten.
3. Der Antrag war daher als unbegründet abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefällt werden (§19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953).