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VfGH vom 22.02.2016, G531/2015 ua

VfGH vom 22.02.2016, G531/2015 ua

Leitsatz

Abweisung der - zulässigen - Parteianträge auf Aufhebung der Regelung über den gerichtlichen Straftatbestand der Schlepperei; kein Verstoß gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot und das Klarheitsgebot der EMRK; keine Gleichheitswidrigkeit

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

Mit dem zu G531/2015 protokollierten und auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG gestützten Antrag begehrt der Erstantragsteller, "§114 Abs 1 FPG bzw. in eventu die Wortfolgen 'fördert' und/oder 'durch ein dafür geleistetes Entgelt' und/oder 'unrechtmäßig zu bereichern' als verfassungswidrig" aufzuheben.

Mit dem zu G532/2015 protokollierten und auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG gestützten Antrag begehrt der Zweitantragsteller, "§114 FPG" zur Gänze aufzuheben.

II. Rechtslage

Vor dem Hintergrund der vorliegenden Anträge sieht sich der Verfassungsgerichtshof dazu veranlasst, die Entwicklung des Straftatbestandes der Schlepperei näher darzulegen:

1. Mit der Novelle BGBl 190/1990 schuf der Gesetzgeber erstmals mit § 14 und § 14a Fremdenpolizeigesetz, BGBl 75/1954, einen verwaltungsstrafrechtlichen bzw. strafgerichtlichen Tatbestand für Schlepperei:

"§14. (1) Wer um seines Vorteiles willen vorsätzlich Schlepperei begeht oder vorsätzlich an ihr mitwirkt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 50 000 S zu bestrafen.

(2) Der Versuch einer Übertretung nach Abs 1 ist strafbar.

(3) Fremde, deren rechtswidrige Ein- oder Ausreise der Täter fördert, sind wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einer Übertretung nach Abs 1 nicht strafbar.

(4) Ein Vermögensvorteil, den der Täter für die strafbare Handlung im voraus oder im nachhinein empfangen hat, ist für verfallen zu erklären.

§14a. (1) Wer um seines Vorteiles willen Schlepperei begeht oder an ihr mitwirkt und

1. damit die gemeinsame rechtswidrige Ein- oder Ausreise von mehr als fünf Fremden fördert oder

2. innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen einer solchen Tat von einem Gericht verurteilt oder von einer Verwaltungsbehörde bestraft worden ist oder

3. innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen einer solchen Tat von einem ausländischen Gericht in einem den Grundsätzen des Art 6 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, entsprechenden Verfahren verurteilt worden ist,

ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Wer gewerbsmäßig (§70 StGB) Schlepperei begeht oder an ihr mitwirkt, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(3) Fremde, deren rechtswidrige Ein- oder Ausreise der Täter fördert, sind nicht als Beteiligte (§12 StGB) zu bestrafen."

Die Stammfassung der Straftatbestände der Schlepperei stellte damit sowohl im (verwaltungsstrafrechtlich sanktionierten) Grund- als auch im (gerichtlich sanktionierten) Qualifikationstatbestand auf die Entgeltlichkeit der Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise ab. Mit "Förderung" sollte "jedwede bewusste Mitwirkung" erfasst werden. Strafbar war die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise bereits dann, wenn dafür auch nur ein handelsübliches Entgelt geleistet wurde; eine (unrechtmäßige) Bereicherung war für die Strafbarkeit nicht erforderlich.

2. Das Fremdengesetz – FrG, BGBl 838/1992, übernahm die Strafbestimmungen des vorher geltenden Fremdenpolizeigesetzes und damit auch das Nebeneinander von verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Strafbarkeit. Es erfolgte jedoch eine Ausweitung der Strafbarkeit in zweierlei Hinsicht: Zum einen fiel die Entgeltlichkeit der Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise als Tatbestandsvoraussetzung weg; strafbar war nunmehr jede Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise. Zum anderen war der eigene Vorteil des Schleppers keine Voraussetzung mehr für die verwaltungsbehördliche, sondern nur noch für die gerichtliche Strafbarkeit der Schlepperei; eine unrechtmäßige Bereicherung des Schleppers war aber auch für die gerichtliche Strafbarkeit weiter nicht erforderlich.

§80 und § 81 FrG hatten folgenden Wortlaut:

"Schlepperei

§80. (1) Schlepperei ist die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden, gleichgültig ob sie vor oder nach dem Grenzübertritt oder während des Aufenthaltes des Fremden im Bundesgebiet gewährt wird.

(2) Wer vorsätzlich Schlepperei begeht oder vorsätzlich an ihr mitwirkt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist

1. mit Geldstrafe bis zu 50 000 Schilling zu bestrafen;

2. sofern er die Tat um seines Vorteiles willen begeht, mit Geldstrafe bis zu 200 000 Schilling zu bestrafen.

(3) Der Versuch einer Übertretung nach Abs 2 ist strafbar.

(4) Fremde, deren rechtswidrige Ein- oder Ausreise der Täter fördert, sind wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einer Übertretung nach Abs 2 nicht strafbar.

(5) Ein Vermögensvorteil, den der Täter für die strafbare Handlung im voraus oder im nachhinein empfangen hat, ist für verfallen zu erklären.

Gerichtlich strafbare Schlepperei

§81. (1) Wer um seines Vorteiles willen Schlepperei begeht oder an ihr mitwirkt und

1. damit die gemeinsame rechtswidrige Ein- oder Ausreise von mehr als fünf Fremden fördert oder

2. innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen einer solchen Tat von einem Gericht verurteilt oder von einer Verwaltungsbehörde bestraft worden ist oder

3. innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen einer solchen Tat von einem ausländischen Gericht in einem den Grundsätzen des Art 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechenden Verfahren verurteilt worden ist,

ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Wer gewerbsmäßig (§70 StGB) Schlepperei begeht oder an ihr mitwirkt, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(3) Fremde, deren rechtswidrige Ein- oder Ausreise der Täter fördert, sind nicht als Beteiligte (§12 StGB) zu bestrafen."

3. Durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl 762/1996, wurde in das Strafgesetzbuch 1975, BGBl 60/1974, zusätzlich der Straftatbestand der "Ausbeuterischen Schlepperei" eingefügt:

"Ausbeuterische Schlepperei

§104a. (1) Wer eine Person durch Täuschung über die Möglichkeiten, sich als Fremder in einem Staat niederzulassen oder dort einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachzugehen, zur rechtswidrigen Einreise in einen Staat sowie dazu verleitet, für deren Förderung ein Entgelt zu entrichten oder sich zur Entrichtung eines Entgelts zu verpflichten, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer einer Person zum Zweck ihrer Ausbeutung in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, die rechtswidrige Einreise in einen Staat verschafft.

(3) Wer die Tat gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande oder einer kriminellen Organisation begeht oder durch die Tat viele Menschen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Ebenso ist der Täter zu bestrafen, wenn die Tat den Tod eines Menschen zur Folge hat."

Bei der Ausbeuterischen Schlepperei wurde die Entgeltlichkeit als Voraussetzung der Strafbarkeit festgelegt.

4. Das Fremdengesetz 1997, BGBl I 75/1997, (FrG – 1997) übernahm die Bestimmungen des Fremdengesetzes, BGBl 838/1992, ohne inhaltliche Änderungen in § 104 und § 105 FrG 1997 und hielt damit zunächst an dem Nebeneinander von gerichtlich und verwaltungsbehördlich strafbaren Tatbeständen fest. Die "Ausbeuterische Schlepperei" wurde unverändert in § 104a StGB beibehalten.

5. Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 und das Strafgesetzbuch geändert wird, BGBl I 34/2000, gab der Gesetzgeber das Nebeneinander gerichtlich und verwaltungsbehördlich strafbarer Tatbestände auf und schuf eine Regelung, die vollständig dem gerichtlichen Strafrecht zugewiesen wurde. Im Übrigen entfiel der Straftatbestand der "Ausbeuterischen Schlepperei" gemäß § 104a StGB. § 104 Fremdengesetz 1997, idF BGBl I 34/2000 lautete:

"Schlepperei

§104. (1) Wer die rechtswidrige Einreise eines Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für ihn oder einen anderen geschieht (Schlepperei), ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Wer Schlepperei begeht und innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen einer solchen Tat von einem Gericht verurteilt worden ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen; als eine Verurteilung gilt auch eine solche durch ein ausländisches Gericht in einem den Grundsätzen des Art 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechenden Verfahren.

(3) Wer Schlepperei gewerbsmäßig (§70 StGB) oder als Mitglied einer Bande begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(4) Wer die Tat auf eine Art und Weise begeht, durch die der Fremde, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wird, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, hat diese Tat jedoch den Tod des Fremden zur Folge, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

(5) Wer in einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur fortgesetzten Begehung der Schlepperei führend tätig ist, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

(6) Fremde, deren rechtswidrige Einreise durch die Tat gefördert wird, sind nicht als Beteiligte (§12 StGB) zu bestrafen. Mit ihrer Zurück- oder Abschiebung darf zugewartet werden, wenn und solange dies erforderlich ist, um sie zum Sachverhalt zu vernehmen; § 69 bleibt unberührt.

(7) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind bei Gefahr im Verzug ermächtigt, Gegenstände, die der Täter mit sich führt, oder zur Tatbegehung verwendete Beförderungsmittel oder Behältnisse zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung (§20 StGB), des Verfalls (§20b StGB) oder der Einziehung (§26 StGB) vorläufig sicherzustellen. Die Ladung des Beförderungsmittels kann dem Zulassungsbesitzer oder seinem Beauftragten ausgefolgt werden. Von den getroffenen Maßnahmen ist das Gericht unverzüglich zu verständigen.

(8) Das Verfahren wegen der im Abs 1 bezeichneten Tat obliegt den Gerichtshöfen erster Instanz."

Mit der neuen Regelung war erstmals nicht nur die bloße Entgeltlichkeit der Förderung strafbar, sondern es war der Vorsatz auf die Erzielung eines "nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteils" notwendig. Es war erstmals auch unerheblich, ob der Vermögensvorteil dem Schlepper selbst oder einem anderen zukam.

6. Das Fremdenpolizeigesetz 2005FPG 2005, BGBl I 100/2005, übernahm die Strafbestimmung des Fremdengesetzes 1997 mit einer wesentlichen Erweiterung der Strafbarkeit. Der bisherigen Regelung wurde – in Abs 1 – ein Grundtatbestand vorangestellt, der die wissentliche Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise auch ohne Vermögensvorteil für strafbar erklärte. Diese Erweiterung der Strafbarkeit erfolgte im Hinblick auf den Rahmenbeschluss (2002/946/JI) des Rates vom betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum erlaubten Aufenthalt und die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt: Art 1 Abs 1 lita der Richtlinie 2002/90/EG legt fest, dass jeder Mitgliedstaat angemessene Sanktionen für diejenigen festzulegen hat, "die einer Person, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats ist, vorsätzlich dabei helfen, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Verletzung der Rechtsvorschriften des betreffenden Staates über die Einreise oder die Durchreise von Ausländern einzureisen oder durch dessen Hoheitsgebiet zu reisen". Der bisherige Straftatbestand des § 104 Abs 1 FrG 1997 idF BGBl I 34/2000 blieb (als § 114 Abs 2 FPG 2005) inhaltlich unverändert. Das Tatbestandselement des "nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteils" wurde durch jenes der "unrechtmäßigen Bereicherung durch ein dafür geleistetes Entgelt" ersetzt. Eine Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise gegen eine angemessene Gegenleistung blieb nach diesem Straftatbestand weiterhin straffrei (wurde aber – bei Wissentlichkeit – durch den neuen § 114 Abs 1 FPG 2005 pönalisiert). § 114 FPG 2005 lautete in der Stammfassung:

"Schlepperei

§114. (1) Wer wissentlich die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs fördert, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.

(2) Wer die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(3) Wer innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen Schlepperei im Sinne des Abs 2 verurteilt worden ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Als eine Verurteilung gilt auch eine solche durch ein ausländisches Gericht in einem den Grundsätzen des Art 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechenden Verfahren.

(4) Wer die Tat nach Abs 2 gewerbsmäßig (§70 StGB) oder auf eine Art und Weise begeht, durch die der Fremde, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wird, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(5) Wer die Tat nach Abs 2 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder auf eine Art und Weise begeht, dass dabei das Leben des Fremden, auf den sich die strafbare Handlung bezieht, gefährdet wird, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

(6) Fremde, deren rechtswidrige Einreise oder Durchreise durch die Tat gefördert wird, sind nicht als Beteiligte (§12 StGB) zu bestrafen. Mit ihrer Zurück- oder Abschiebung darf zugewartet werden, wenn und solange dies erforderlich ist, um sie zum Sachverhalt zu vernehmen.

(7) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind bei Gefahr im Verzug ermächtigt, Gegenstände, die der Täter mit sich führt, oder zur Tatbegehung verwendete Beförderungsmittel oder Behältnisse zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung (§20 StGB), des Verfalls (§20b StGB) oder der Einziehung (§26 StGB) vorläufig sicherzustellen. Die Ladung des Beförderungsmittels kann dem Zulassungsbesitzer oder seinem Beauftragten ausgefolgt werden. Von den getroffenen Maßnahmen ist das Gericht unverzüglich zu verständigen.

(8) […] "

7. Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009, BGBl I 122/2009, wurde das Delikt der Schlepperei erneut in einen verwaltungsbehördlichen und einen gerichtlichen Straftatbestand geteilt. Die wissentliche Förderung der rechtswidrigen Ein- und Durchreise ohne Bereicherungsvorsatz wurde in § 120 Abs 3 Z 1 FPG 2005 zu einem verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestand. § 114 FPG 2005 wurde zur Gänze neu erlassen und lautete in der mit in Kraft getretenen Fassung:

"Schlepperei

§114. (1) Wer die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Wer innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen Schlepperei im Sinne des Abs 1 verurteilt worden ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Als eine Verurteilung gilt auch eine solche durch ein ausländisches Gericht in einem den Grundsätzen des Art 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechenden Verfahren.

(3) Wer die Tat nach Abs 1

1. gewerbsmäßig (§70 StGB),

2. in Bezug auf eine größere Zahl von Fremden, oder

3. auf eine Art und Weise, durch die der Fremde, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wird, begeht,

ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(4) Wer die Tat nach Abs 1 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder auf eine Art und Weise begeht, dass dabei das Leben des Fremden, auf den sich die strafbare Handlung bezieht, gefährdet wird, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

(5) Fremde, deren rechtswidrige Einreise oder Durchreise durch die Tat gefördert wird, sind nicht als Beteiligte (§12 StGB) zu bestrafen. Mit ihrer Zurück- oder Abschiebung darf zugewartet werden, wenn und solange dies erforderlich ist, um sie zum Sachverhalt zu vernehmen.

(6) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind bei Gefahr im Verzug ermächtigt, Gegenstände, die der Täter mit sich führt, oder zur Tatbegehung verwendete Beförderungsmittel oder Behältnisse zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung (§20 StGB), des Verfalls (§20b StGB) oder der Einziehung (§26 StGB) vorläufig sicherzustellen. Die Ladung des Beförderungsmittels kann dem Zulassungsbesitzer oder seinem Beauftragten ausgefolgt werden. Von den getroffenen Maßnahmen ist das Gericht unverzüglich zu verständigen."

8. Mit dem Bundesgesetz BGBl I 144/2013 wurde dem § 114 FPG 2005 folgender Abs 7 angefügt:

"(7) Die Abs 1 bis 4 gelten für im Ausland begangene Straftaten, unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts, wenn durch die Tat österreichische Interessen verletzt worden sind."

Diese Bestimmung trat mit in Kraft.

9. Mit der Novelle BGBl I 121/2015 wurde § 114 Abs 3 Z 2 FPG 2005 geändert, sodass dieser lautet:

"Schlepperei

§114. (1) – (2) […]

(3) Wer die Tat nach Abs 1

1. gewerbsmäßig (§70 StGB),

2. in Bezug auf mindestens drei Fremde, oder

3. auf eine Art und Weise, durch die der Fremde, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wird, begeht,

ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(4) – (7) […]"

Diese Novelle trat mit in Kraft.

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Das Landesgericht Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht erkannte mit Urteil vom unter anderem die beiden Antragsteller als schuldig, im Zeitraum zwischen Mai und Juli 2013, teilweise im Zusammenwirken mit anderen, die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden ohne aufrechte Einreise- und Aufenthaltsbewilligung für den Schengenraum, in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert zu haben, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, womit der Erstantragsteller das Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und der Zweitantragsteller nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2 und Abs 4 erster Satz FPG 2005 begangen hätten. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht stellen die Antragsteller jeweils die vorliegenden Parteianträge gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG.

2. In dem zu G531/2015 protokollierten Antrag bringt der (Erst-)Antragsteller Folgendes vor:

"[…]

II. Zulässigkeit

Gemäß Art. 140 Abs. 1 Zif.1 litd B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, dies aus Anlass des gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Der Antragsteller war Partei im Verfahren 36 Hv 131/13h vor dem Landesgericht Wr.Neustadt und wurden ihm aufgrund der Anklageklageschrift der STA Wr.Neustadt fünf Fakten betreffend des § 114 samt Qualifikationen zur Last gelegt. Nach Durchführung des Beweisverfahrens wurde der Angeklagte lediglich wegen zweier Fakten und lediglich nach dem Grunddelikt bestraft und betreffend der anderen drei Fakten bzw. der herangezogenen Qualifikationen frei gesprochen.

Über Antrag des hier einschreitenden Anwalts wurde die Rechtsmittelfrist zur Erhebung allfälliger Rechtsmittel auf den verlängert.

Dagegen hat der Antragsteller fristgerecht beiliegendes Rechtsmittel, nämlich Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung und Beschwerde erhoben und wird gleichzeitig gestellt der Parteienantrag auf Normenkontrolle, sodass dieser rechtzeitig und zulässig ist.

III. Behauptete Rechtsverletzung, Relevanz und Präjudizialität

Das Gesetz, dessen Aufhebung beantragt wird, ist vom Gericht im Anlassverfahren angewendet worden, da der hier angeführte Antragsteller bezüglich zweier Fakten gemäß § 114 Abs. 1 FPG verurteilt wurde.

Sollte aus den im weiterer Folge angeführten Überlegungen § 114 Abs. 1 oder einzelne Wortfolgen davon, als verfassungswidrig aufgehoben werden, käme das Strafgericht, nämlich das Landesgericht Wr. Neustadt zu dem Schluss, dass aufgrund der Verfassungswidrigkeit von § 114 Abs. 1 FPG bzw. einzelner Wortfolgen, dieses Gesetz nicht anwendbar gewesen wäre und wäre daher eine strafrechtliche Verurteilung unterblieben bzw. hätte ein gänzlicher Freispruch gefällt werden müssen. Die Anwendung des verfassungswidrigen Gesetzes im Anlassverfahren verletzt den Antragsteller in seinen Rechten auf Gleichheit und in dem Recht auf Einhaltung des Legalitätsprinzips, welche in der Bundesverfassung verankert sind.

IV. Begründung

§114 FPG, dessen Aufhebung beantragt wird, ist aus folgenden Gründen verfassungswidrig:

1. Verletzung des Legalitätsprinzips:

Der in § 114 Abs. 1 FPG genannte Begriff 'fördert' ist im Sinne des Legalitätsprinzips ungenau. Gerade im Bereich des Strafrechtes ist es ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, dass aufgrund des Rechtsschutzbedürfnisses eine besonders genaue gesetzliche Determinierung gemäß Art. 18 B VG verlangt wird. Der Begriff 'fördern' ist derart allgemein gehalten, dass bei der möglichst weitesten Auslegung grundsätzlich jede Handlung unter diesen Begriff subsummiert werden kann. So ist auch denkbar, dass sogar das selbstlose Zurverfügungstellen von Verpflegung, Decken etc. schon eine solche Förderungshandlung darstellt. Einem Rechtsunterworfenen ist daher nicht klar, ab welchem Zeitpunkt eine Handlung unter den Begriff der Förderung fällt bzw. welche Tathandlungen nicht einer Förderung entsprechen. Aber auch der Begriff des 'Entgelts' ist derart allgemein gefasst, bzw. zu wenig determiniert, da für den Normunterworfenen nicht erkennbar ist, was hierunter zu verstehen ist. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die im Rechtsmittel zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Zahl 13 Os 9/14v, wo erstmalig auch der OGH sich mit der Frage beschäftigt hat, ob eine adäquate Gegenleistung unter dem Entgeltbegriff fallen würde. Im gleichzeitig angefochtenen Urteil des Landesgerichtes Wr.Neustadt geht das Erstgericht davon aus, dass schon geringfügige Gegenleistungen, sei es auch in Naturalien (Zigaretten, Einladung zum Essen etc.) den Entgeltbegriff erfüllen würden. Der Begriff 'Entgelt' erfüllt nicht die Vorgaben des Art 18 B VG. Bekämpft wird weiters die Wortfolge 'unrechtmäßig bereichert'. Hier wird wieder auf das vorgenannte Urteil des Obersten Gerichtshofes verwiesen, wonach bei Annahme, dass ein adäquater Fuhrlohn oder eine offenbar auch gemeint adäquate Gegenleistung erfolgt ist, sich keine 'unrechtmäßige Bereicherung' ergeben würde. Dies ist dem Gesetzestext jedoch nicht zu entnehmen, sondern wurde erstmalig im Rahmen einer Interpretation durch den OGH festgelegt. Offenbar wurde dies auch bis zur genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von den diversesten mit dieser Materie befassten Straflandesgerichten anders judiziert, sodass nicht nur nicht den Rechtsunterworfenen, sondern auch den damit befassten Strafgerichten, Verteidigern, etc. die nunmehr erfolgte Gesetzesinterpretation bis damals unzugänglich war. Die Begriffe 'fördert', 'Entgelt' und 'unrechtmäßig bereichert' entsprechen daher nicht den gemäß Art 18 B VG vorgegebenen Determinierungsgrad und sind daher verfassungswidrig.

2. Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:

§114 FPG unterscheidet nicht zwischen selbstlosen oder aus humanitären Gründen erbrachten Tatbestandsverwirklichungen, wenn z.B. gegen eine geringfügige Naturalleistung eine Förderungshandlung gesetzt wird und der Tathandelnde zumindestens mit bedingtem Vorsatz davon ausgeht, dass eine dritte Person hiedurch bereichert wird, mit z.B. dem tatsächlich gewerbsmäßig handelnden Täter. Rein nach dem Wortlaut würde in beiden genannten Varianten das Tatbild erfüllt werden. Eine solche Unterscheidung wäre jedoch aus sachlichen Gründen gemäß dem Gleichheitsgrundsatz erforderlich, sodass die einzelnen Tatbestandsmerkmale hier auch dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Dies umso mehr, dass aus den Materialien zu entnehmen ist, dass sich § 114 FPG gegen das Schleppereiunwesen richtet."

3. In dem zu G532/2015 protokollierten Antrag bringt der (Zweit-)Antragsteller Folgendes vor:

"[…]

Begründung der Verfassungswidrigkeit

Das Gesetz, dessen Aufhebung begehrt wird, und zwar § 114 FPG, ist aus folgenden Gründen verfassungswidrig:

1.)

Das Bestimmtheitsgebot, welches aus dem in Art 18 Abs 1 B VG genannten Legalitätsprinzip abgeleitet wird, normiert, dass ein Gesetz, dem keine ausreichende Determinierung entnommen werden kann, verfassungswidrig ist. Insbesondere im Strafrecht muss für die Normunterworfenen klar erkennbar sein, welche konkreten Handlungen strafbar sind und welche Folgen mit einem bestimmten Tun verbunden sind. Widrigenfalls liegt unter Umständen ein Verstoß nach Art 7 EMRK vor. Auch Art 49 GRC normiert diese Grundsätze.

§114 Abs 1 FPG, welcher den Grundtatbestand der Schlepperei normiert, lautet:

Wer die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. In Ermangelung einer gesetzlichen Definition des Begriffes 'fördert' ist für die Rechtsunterworfenen nicht klar erkennbar, welches Verhalten verboten ist bzw. welches Verhalten ein 'Fördern' iSd § 114 Abs 1 FPG darstellt. Der Gesetzgeber lässt offen, ob als 'Fördern' bereits jedes aktive Tun oder Unterlassen gesehen werden kann, welches für die 'rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs' kausal sein kann. Laut Tipold in WK 2 FPG § 114 RZ10 ist unter 'Fördern' 'jede Leistung, die dem Geschleppten den rechtswidrigen Grenzübertritt bzw. die Durchreise durch Österreich ermöglicht oder erleichtert und dafür in irgendeiner Weise kausal wird [...] bzw. kausal werden soll' zu verstehen.

Dieser Mangel einer gebührenden Definition bzw. klaren Formulierung stellt einen Verstoß gegen das in der Bundesverfassung normierte Legalitätsprinzip sowie gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege) dar.

2.)

Als weiteres für die Erfüllung des Tatbestands des § 114 FPG notwendiges Element nennt dessen Abs 1 die 'unrechtmäßige Bereicherung' durch ein für 'die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs' geleistetes 'Entgelt'. Auch hier fehlt eine klare Definition des Begriffs des 'Entgelts' sowie des Tatbestands der 'unrechtmäßigen Bereicherung'. Während das Landesgericht Wiener Neustadt im anlassgebenden Strafverfahren lediglich feststellte, der Ast. habe für die inkriminierten Förderungshandlungen Entgelt lukriert bzw. verlangt und einen auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz gehabt, und dies unter § 114 FPG subsumierte, stellt die jüngere Rechtsprechung des OGH darauf ab, ob ein nach § 114 FPG Beschuldigter für eine bestimmte Dienstleistung ein Entgelt bezog oder verlangte, welches für eine derartige Dienstleistung als überhöht anzusehen wäre, und dabei einen entsprechenden Bereicherungsvorsatz hatte. Konkret hielt der OGH in seiner Entscheidung zu 13 Os 9/14v vom (unter Bezugnahme auf Tipold in WK 2 FPG § 114 RZ12) fest, dass im Fall eines wegen der Beförderung Fremder von Italien nach Österreich Verurteilten nicht allein auf die Entgeltlichkeit der Beförderung der Fremden abzustellen sei, sondern vielmehr das lukrierte oder verlangte Entgelt (bzw. der darauf gerichtete Bereicherungsvorsatz) einem für eine derartige Beförderung angemessenen Fuhrlohn gegenüberzustellen sei. Nur im Fall einer Überzahlung könne von einer unrechtmäßigen Bereicherung ausgegangen werden. Die Entscheidung des OGH zu 13 Os 9/14v vom stellt bis dato eine einzelne Entscheidung dar. Ob sich die darin vertretene Rechtsansicht zur ständigen Judikatur entwickeln wird, ist nicht absehbar. Wenngleich der Ast. die in der zitierten Entscheidung vertretene Rechtsansicht hinsichtlich des Begriffs der 'Unrechtmäßigkeit' einer Bereicherung für zutreffend erachtet, ist dennoch zu konstatieren, dass diese Interpretation nicht klar aus dem Gesetz hervorgeht, sodass im Ergebnis trotz der genannten Entscheidung des OGH von einem unzureichend determinierten Begriff und dementsprechend von einem Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich normierte Legalitätsprinzip, sowie gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot auszugehen ist.

3.)

Auch der in § 114 Abs 1 FPG enthaltene Begriff der Rechtswidrigkeit ('rechtswidrige Einreise oder Durchreise') ist angesichts der Komplexität des von zahllosen Novellen geprägten Fremdenrechts nicht ausreichend determiniert.

Das Gesetz selbst erklärt den Begriff der rechtswidrigen Einreise nicht, sondern setzt ihn voraus. Tipold in WK 2 FPG § 114 RZ9 führt dazu aus: 'Die Rechtswidrigkeit der Einreise nach Österreich und der Durchreise durch Österreich richten sich nach verwaltungsrechtlichen Bestimmungen. In Betracht kommen ein Verstoß gegen die Passpflicht (§15 Abs 1 FPG), gegen die Sichtvermerkspflicht (§15 Abs 2 FPG) oder die Umgehung von Grenzkontrollen (§15 Abs 3 FPG)'. Im anlassgebenden Strafverfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt wurde allerdings mehrfach geltend gemacht, dass Personen, welche den Ast. bzw. Mitangeklagte um Unterstützung bei ihrer Weiterreise ersucht hatten, diesen gegenüber angegeben hatten, asylrechtliche Bescheide erhalten zu haben, welche sie zur Ausreise verpflichteten.

Tatsächlich sind Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (bzw. im Tatzeitraum: des Bundesasylamtes), mit welchen die Unzuständigkeit Österreichs anhand der Kriterien der Dublin-III-Verordnung (bzw. im Tatzeitraum: Dublin-II-Verordnung) festgestellt und der entsprechende Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen wird, mit einer Rückkehrentscheidung (bzw. im Tatzeitraum: Ausweisung) in den jeweils zuständigen EU-Mitgliedstaat zu verbinden. Der Ast. vertritt den Rechtsstandpunkt, dass grenzüberschreitende Reisebewegungen zwischen EU-Mitgliedstaaten, welche nicht unter Umgehung von (innerhalb des Schengenraums regelmäßig nicht mehr vorgesehenen) Grenzkontrollen und in Entsprechung einer im Rahmen eines 'Dublin-Verfahrens' ergangenen Ausweisung bzw. Rückkehrentscheidung erfolgen, nicht als rechtswidrig anzusehen sind. Wird etwa ein Asylwerber, welcher über das Mittelmeer nach Europa gelangte und in Lampedusa, Italien, erstmals europäischen Boden betrat, nach Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich (mangels naher Familienangehöriger in anderen EU-Ländern und mangels eines Visums) aufgrund der Dublin-Verordnung im Zuge der Zurückweisung seines Antrages von Österreich nach Italien ausgewiesen und befolgt er die entsprechende Ausreise-Verpflichtung, indem er (wenngleich ohne Reisepass und Sichtvermerk) nach Italien ausreist, so wird dieser Grenzübertritt nicht als rechtswidrig zu werten sein.

Gleiches wird auch zu gelten haben, wenn ein derartiger asylrechtlicher Bescheid samt Ausweisung nicht in Österreich, sondern in einem anderen EU-Mitgliedstaat, etwa Ungarn, erlassen wurde, und ein Asylwerber in Entsprechung der im ungarischen Bescheid enthaltenen Verpflichtung, nach Italien zurückzukehren, über Österreich nach Italien reist.

Diese Komplexität des Begriffs der 'Rechtswidrigkeit' eines Grenzübertritts zwischen EU-Mitgliedstaaten geht allerdings aus § 114 FPG nicht hervor und wird durch die – in der Regel nicht mit komplexen asyl- und fremdenrechtlichen Fragen befassten – Strafgerichte bis dato nicht erkannt. Im Ergebnis ist daher auch der in § 114 Abs 1 FPG enthaltene Begriff 'rechtswidrige Einreise oder Durchreise' nicht ausreichend determiniert, weshalb ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip vorliegt.

4.)

Nach dem Wortlaut des § 114 FPG macht sich wegen Schlepperei nicht nur strafbar, wer sich selbst durch die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig bereichert (bzw. wessen Vorsatz darauf gerichtet ist), sondern auch, wer die unrechtmäßige Bereicherung eines Dritten in Kauf nimmt.Die Folge ist, dass Personen, die selbst aus Freundschaft oder familiärer Verbundenheit unentgeltlich Förderungshandlungen iSd § 114 FPG unternehmen und dabei eine unrechtmäßige Bereicherung eines gewerblichen Schleppers durch die Unterstützung eines geschleppten Angehörigen oder einer befreundeten geschleppten Person ernstlich für möglich halten, gleich behandelt werden wie jene, die dadurch selbst bereichert werden.

Der Freund F eines Geschleppten G, welcher den G zu dessen Treffpunkt mit dem Schlepper S bringen und an S den für die Beförderung des G vereinbarten Schlepperlohn zahlen würde, wäre daher ebenso gemäß § 114 FPG zu bestrafen, wie der Schlepper S, zumal er die Bereicherung des S nicht nur ernsthaft für möglich hält, sondern wohl für gewiss halten muss, und diese in Kauf nimmt (wenngleich der Freund F wohl in der Regel eine kostenlose Beförderung des Geschleppten G bevorzugen würde). Hier zeigt sich eine Gleichbehandlung zweier Verhaltensweisen, welche ihrem Wesen und ihrer Intention nach jedoch gänzlich unterschiedlich sind. Der Freund F wäre bei einer Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern in Wahrheit eher als 'Mit-Opfer' anzusehen, denn als 'Mit-Täter'. Die unterschiedslose Verfolgung selbst der Angehörigen der Geschleppten, sofern diese die Reisebewegung des Geschleppten nur in irgendeiner Weise unterstützen und es dabei in Kauf nehmen, dass ein Schlepper unrechtmäßig bereichert wird, erscheint nicht zuletzt deshalb gleichheitswidrig, weil eine Strafbarkeit wegen der unentgeltlichen wissentlichen Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise nach § 120 Abs 3 FPG gemäß Abs 9 leg. cit. ausgeschlossen ist, wenn die Tat in Bezug auf einen Ehegatten, einen eingetragenen Partner, Kinder oder Eltern begangen wird, während § 114 FPG keinen derartigen Strafausschließungsgrund kennt.

§114 FPG ist daher wegen Verstoßes gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig.

5.)

Auch aus einem weiteren Grund verstößt die geltende Fassung des § 114 FPG gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dessen Abs 1 pönalisiert die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise 'in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs'. Die Förderung der rechtswidrigen Ein-oder Durchreise in oder durch andere Staaten ist hingegen nicht erfasst und bleibt daher straffrei.

Während diese Unterscheidung zwischen EU-Mitgliedstaaten und Nachbarstaaten Österreichs einerseits und allen anderen Staaten andererseits in Hinblick auf die übrigen EU-Mitgliedstaaten durch die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt, den Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom sowie den Beschluss des Rates 2006/616/EG vom gerechtfertigt erscheint, ist nicht ersichtlich, worin die sachliche Unterscheidung zwischen einer rechtswidrigen Einreise in die Schweiz oder Liechtenstein einerseits und Staaten wie die USA oder Kanada andererseits liegen sollte.

§114 FPG ist daher auch wegen der in dessen Abs 1 enthaltenen, sachlich nicht gerechtfertigten Unterscheidung zwischen der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise in oder durch die Schweiz oder Liechtenstein ('oder Nachbarstaat Österreichs') einerseits und der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise in oder durch alle anderen Nicht-EU-Mitgliedstaaten andererseits, sohin wegen Verstoßes gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz, verfassungswidrig."

4. Die Bundesregierung erstattete zu dem zu G532/2015 protokollierten Antrag eine Äußerung (die ausdrücklich für alle anhängigen sowie für alle zukünftigen Verfahren zur Prüfung derselben Gesetzesbestimmung gilt), in der sie Folgendes festhält:

"[…]

III.

Zur Zulässigkeit:

Der Antragsteller stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof 'möge § 114 FPG als verfassungswidrig aufheben' (vgl. auch das Deckblatt des Antrages: 'wegen § 114 FPG'). Der Antrag enthält an keiner Stelle eine Konkretisierung (etwa durch Angabe einer Fundstelle), welche Fassung des – zur Gänze angefochtene – § 114 FPG 2005 bekämpft wird. Auch wird die bekämpfte Gesetzesbestimmung im Antrag nicht wörtlich wiedergegeben.

Die der Verurteilung im Anlassverfahren zu Grund liegenden Schleppereihandlungen wurden zwischen Mai und Juni 2013 gesetzt, als § 114 FPG 2005 in der Fassung des FrÄG 2009 in Kraft stand (vgl. oben Pkt. I.7.). Die Verurteilung des Antragstellers im Anlassverfahren erfolgte mit Urteil vom , als § 114 FPG 2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 144/2013 in Kraft stand (vgl. oben Pkt. I.8.). Der Antrag an den Verfassungsgerichtshof ist mit datiert, als § 114 FPG 2005 in der – geltenden – Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 121/2015 in Kraft stand (vgl. oben Pkt. I.9.).

Dem Antrag mangelt es an der konkreten Bezeichnung der Fassung des – im maßgeblichen Zeitraum mehrfach novellierten – § 114 FPG 2005 und daher an einem hinreichend spezifizierten Aufhebungsbegehren. Er ist daher nach Auffassung der Bundesregierung zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

IV.

In der Sache:

Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl. zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

1. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot:

1.1. Der Antragsteller hegt das Bedenken, dass die angefochtene Bestimmung dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B VG und dem strafrechtlichen Bestimmtheits und Klarheitsgebot des Art 7 EMRK widerspricht. Begründend führt er aus, dass die Begriffe 'fördern', 'Entgelt' und 'unrechtmäßige Bereicherung' in § 114 Abs 1 FPG 2005 in Ermangelung einer gesetzlichen Definition bzw. klaren Formulierung nicht ausreichend determiniert seien; des Weiteren sei der Begriff der 'rechtswidrigen Einreise oder Durchreise' angesichts zahlloser Novellen des Fremdenrechts nicht ausreichend determiniert.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind Normen des Straf- und des Strafprozessrechts im Hinblick auf das in Art 18 Abs 1 B-G verankerte Rechtsstaatsprinzip sowie das in Art 7 EMRK eingeschlossene Gebot, Strafvorschriften so klar zu gestalten, dass es dem Einzelnen möglich ist, sein Verhalten am Gesetz zu orientieren. Die Gesetzgebung hat klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, wo gestraft werden soll und muss dem Einzelnen damit die Möglichkeit geben, sich dem Recht gemäß zu verhalten (vgl. VfSlg 11.520/1987; 11.776/1988; 14.606/1996; 16.926/2012; jeweils mwN; vgl. auch Rill , Art 18 B VG, in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.] Rill-Schäffer-Kommentar, Bundesverfassungsrecht [1. Lfg. 2001] Rz. 65).

Diesem Erfordernis wird dann Genüge getan, wenn dem Wortlaut und Zweck der betreffenden Vorschrift, soweit erforderlich auch mit Hilfe der Auslegung durch die Gerichte, zu entnehmen ist, für welche Handlungen oder Unterlassungen der Einzelne strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann (vgl. Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 5 [2012] § 24 Rz. 141; vgl. auch Lewisch , Verfassung und Strafrecht [1993] 128 ff; zur Maßgeblichkeit des Zwecks der Vorschrift vgl. VfSlg 18.013/2006).

Nach Auffassung der Bundesregierung entspricht § 114 Abs 1 FPG 2005 vor diesem Hintergrund dem Bestimmtheits- und Klarheitsgebot des Art 18 Abs 1 B VG und des Art 7 EMRK:

1.3. Gemäß § 114 Abs 1 FPG 2005 ist zu bestrafen, 'wer die rechtswidrige Ein und Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern'.

1.3.1. Das nach § 114 Abs 1 FPG 2005 strafbare 'Fördern' erfasst jede Handlung oder Unterlassung, welche die rechtswidrige Ein- oder Durchreise eines Fremden ermöglicht oder erleichtert und dafür in irgendeiner Form kausal ist. Ein solches weites Verständnis ergibt sich schon aus dem üblichen Sprachgebrauch des Wortes 'fördern'. Es ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zu § 114 FPG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP 111; siehe oben Pkt. I.6.2.) sowie aus jenen zu den – hinsichtlich des Tatbestandselementes des 'Förderns' inhaltsgleichen –Vorgängerbestimmungen des FPG (IA 322/A 17. GP 23) und FrG 1997 (ErlRV110 BlgNR 21. GP 9). In den Gesetzesmaterialien werden etwa die Beförderung des Fremden, das Verschaffen gefälschter Reisedokumente oder die Bereitstellung und Vermittlung von Informationen für das Passieren der Grenze genannt. Aber auch aus einer systematischen Interpretation ergibt sich ein solches weites Verständnis des Begriffes 'Fördern', der strukturell einer Beitragstäterschaft entspricht: Die Tathandlungen der Schleppereidelikte sind nämlich der Sache nach Beitragshandlungen zur – wenngleich strafrechtlich nicht pönalisierten – rechtswidrigen Ein- oder Ausreise (sie begründen jedoch formal unmittelbare Täterschaft; Tipold , in WK 2 FPG § 114 Rz 2). Für die Beitragstäterschaft (§12 StGB) genügt es, dass die Handlung des Beitragstäters für den Tatablauf kausal ist, also zwischen der Beitragshandlung und der Verwirklichung des Tatbildes ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Eine solche Kausalität kann schon in der geringsten Hilfe liegen, welche die Ausführung der Tat durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert (mwN Fabrizy in Höpfel/Ratz WK 2 StGB § 12 Rz. 82 f).

Darüber hinaus stehen die Tatbestandselemente des § 114 Abs 1 FPG 2005 in gegenseitiger Abhängigkeit zueinander: Eine Handlung, mit der die rechtswidrige Ein- oder Durchreise auf welche Art und Weise immer 'gefördert' wird, führt nur dann zur (gerichtlichen) Strafbarkeit gemäß § 114 Abs 1 FPG 2005, wenn sie mit dem Vorsatz gesetzt wird, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern. Es führt somit nicht jegliche Förderhandlung zur gerichtlichen Strafbarkeit, sondern nur eine solche, die mit dem Vorsatz einer damit verbundenen unrechtmäßigen Bereicherung gesetzt wird.

Diese Auslegung liegt auch der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu Grunde: Unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FPG 2005 stellt der Gerichtshof fest, dass 'Fördern' […] auf keine bestimmte Handlungsmodalität eingeschränkt [ist]. Tatbestandlich ist alles, was Ein- oder Durchreise eines Fremden in irgendeiner Weise unterstützt.' Das Fördern sei je nach Lage des Falles deliktspezifisch zu interpretieren. Durch eine 'tatplanorientierte Differenzierung kann im Zusammenhang mit dem gesetzlich vorgegebenen Erfordernis eines Vorsatzes auf unrechtmäßige Bereicherung rechtsstaatlich (Art18 B VG, § 1 Abs 1 StGB) einwandfrei tatbestandsmäßiges Fördern von straflosen (Vorbereitungs-)Handlungen abgegrenzt werden' ().

1.3.2. Hinsichtlich des Begriffes des 'Entgelts' verweisen die Gesetzesmaterialien zu § 114 FPG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP 111; […]) sowie jene zu den – hinsichtlich dieses Tatbestandselementes inhaltsgleichen – Vorgängerbestimmungen des § 104a StGB (RV 33 BlgNR 20. GP 46 f; […]) und des FrG 1997 (ErlRV 110 BlgNR 21. GP 9; […]) auf die Legaldefinition des § 74 Abs 1 Z 6 StGB: Unter den Begriff des Entgelts fällt nach jener Bestimmung 'jede einer Bewertung in Geld zugängliche Gegenleistung, auch wenn sie einer anderen Person zugute kommen soll als der, der sie angeboten oder gegeben wird'.

1.3.3. Das Tatbestandselement der 'Entgeltlichkeit' der Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise steht in direktem Zusammenhang mit jenem der 'unrechtmäßigen Bereicherung'. Schon der Wortlaut, aber auch der Zweck des § 114 Abs 1 FPG 2005 schließen somit eine pauschale Erfassung aller gegen Entgelt erbrachten Förderhandlungen aus. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen, ob das Entgelt, auf dessen Leistung der Vorsatz gerichtet ist, zu einer unrechtmäßigen Bereicherung – im Sinne eines ungebührlichen, eine adäquate Gegenleistung übersteigenden Vermögensvorteils – führt. Dieses Verständnis ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 114 FPG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP 111; siehe oben Pkt. I.6.2.) sowie jenen zur – hinsichtlich dieses Tatbestandselementes inhaltsgleichen […] – Vorgängerbestimmung des FrG 1997 (ErlRV 110 BlgNR 21. GP 9; […]). Diese sprechen wortgleich von der 'Risikoprämie' des Täters für die Förderung der rechtswidrigen Einreise, weshalb etwa ein adäquater Fuhrlohn für eine Taxifahrt straflos bleibe. Ein Entgelt, auf das ein Anspruch besteht, vermag daher den Begriff der unrechtmäßigen Bereicherung nicht zu erfüllen.

Dieses Verständnis liegt auch der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 13 Os 9/14v zu Grunde, in der dieser das für einen Transportdienst geleistete Entgelt dem adäquaten Fuhrlohn für eine solche Leistung gegenüberstellte: 'Nur wenn aus dieser Gegenüberstellung eine Überzahlung resultiert, kann wohl von einem auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz ausgegangen werden.'

Soweit der Antragsteller schließlich eine Diskrepanz zwischen der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshof und jener des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht im Anlassverfahren behauptet, weist die Bundesregierung darauf hin, dass hierdurch keine Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung dargelegt werden, sondern sich der Antragsteller lediglich gegen ihre Anwendung durch das entscheidende Gericht wendet. Der Antragsteller macht insoweit aber lediglich Vollziehungsfehler geltend, welche kein zulässiges Bedenken in einem Gesetzesprüfungsverfahren darstellen (vgl. ).

1.3.4. Soweit der Antragsteller schließlich vorbringt, der Begriff der 'rechtswidrigen Einreise oder Durchreise' sei nicht ausreichend determiniert, weil die 'Komplexität des Begriffes […] durch die – in der Regel nicht mit komplexen asyl- und fremdenrechtlichen Fragen befassten – Strafgericht bis dato nicht erkannt' worden sei […], richtet sich dieses Bedenken nicht gegen die angefochtene Bestimmung, sondern gegen die Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzes durch das entscheidende Gericht und stellt kein zulässiges Bedenken dar.

§114 Abs 1 FPG 2005 knüpft für die Strafbarkeit einer Förderhandlung als 'Schlepperei' an die Voraussetzungen der (un-)rechtmäßigen Einreise oder Durchreise eines Fremden an. Die Rechtmäßigkeit einer konkreten Reisebewegung ist, je nachdem ob sie in oder durch Österreich, einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen sonstigen Nachbarstaat Österreichs erfolgt bzw. erfolgen soll, jeweils nach den die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Ein- oder Durchreise regelnden (verwaltungsrechtlichen) Vorschriften des betreffenden Staates zu beurteilen. (Dabei ist zu beachten, dass die rechtswidrige Einreise oder Durchreise durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen sonstigen Nachbarstaat gemäß § 114 Abs 7 FPG 2005 nur dann strafbar ist, wenn durch die Tat österreichische Interessen verletzt worden sind.) Bei Missachtung der in diesen Vorschriften für eine rechtmäßige Ein- oder Durchreise normierten Bedingungen liegt eine rechtswidrige Einreise oder Durchreise vor, deren Förderung – mit dem Vorsatz sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern – mit Strafe bedroht ist. Für Österreich kommen ein Verstoß gegen die Passpflicht (§15 Abs 1 FPG 2005), gegen die Visumspflicht (§15 Abs 2 FPG 2005), gegen die Umgehung der Grenzkontrollen (§15 Abs 3 FPG 2005) und gegen die Einreisevoraussetzungen für Drittstaatsangehörige nach Art 5 Schengener Grenzkodex (VO 562/2006) in Betracht.

Eine solche Rechtstechnik verstößt aber nicht gegen das Bestimmtheitsgebot: Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg14.606/1996 den erst im Wege der Nachzeichnung einer Verweisungskette eindeutig zu ermittelnden Normgehalt einer Rechtsvorschrift als ausreichend bestimmt erachtet: Dieses Vorgehen wäre zwar für den Normunterworfenen mühsam, erfordere aber keinen derartigen Aufwand, dass die Rechtsvorschrift im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur hinreichenden Bestimmtheit von Strafvorschriften mit Verfassungswidrigkeit belastet sei. Auch die Ermittlung des Begriffsgehalts des § 114 Abs 1 FPG 2005 führt durch den Rückgriff auf die besonderen, spezifisch die Rechtmäßigkeit der Ein- oder Durchreise regelnden Vorschriften des (Verwaltungs-)Rechts zu einem eindeutigen Ergebnis. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass § 114 Abs 1 FPG 2005 daher auch hinsichtlich des Tatbestandselements der 'rechtswidrigen Einreise oder Durchreise' hinreichend bestimmt ist.

1.4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass sich hinsichtlich der im Antrag problematisierten Tatbestandselemente des § 114 FPG 2005 – 'rechtswidrige Einreise oder Durchreise', 'fördern', 'Entgelt' und 'unrechtmäßige Bereicherung' – bei Anwendung aller Auslegungsregeln mit hinreichender Bestimmtheit ergibt, welche Handlungen der gerichtlichen Strafbarkeit unterliegen, sodass diese nach Auffassung der Bundesregierung dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B VG und des Art 7 EMRK entsprechen.'

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz:

2.1.1. Der Antragsteller behauptet weiters, § 114 FPG 2005 verstoße gegen den Gleichheitssatz, weil nicht nur die eigene Bereicherung, sondern auch die Bereicherung eines Dritten für die Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise strafbar sei. Es würden dadurch Personen, die aus Freundschaft oder familiärer Verbundenheit unentgeltliche Förderhandlungen vornähmen, dabei aber die unrechtmäßige Bereicherung eines Schleppers zumindest in Kauf nähmen, strafrechtlich gleich behandelt wie der Schlepper selbst, obwohl diese Verhaltensweisen ihrem Wesen und ihrer Intention nach ganz unterschiedlich seien. Dies sei nicht zuletzt deshalb gleichheitswidrig, da § 114 FPG 2005 keinen Strafausschließungsgrund vorsehe, wenn die Tat in Bezug auf nahe Familienangehörige begangen wird, wie dies durch § 120 Abs 9 FPG 2005 hinsichtlich der (verwaltungsbehördlich strafbaren) wissentlichen, aber unentgeltlichen Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise der Fall sei.

Nach Auffassung der Bundesregierung treffen diese Bedenken nicht zu:

2.1.2. § 114 Abs 1 FPG 2005 pönalisiert mit der in Bereicherungsabsicht vorgenommenen Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise ein mit spezifischem Unrechtsgehalt behaftetes Verhalten: Dieses Verhalten unterläuft nicht nur das gesetzliche Einreise- und Migrationsregime, es ist auch mit der Ausbeutung eines in einer Notlage befindlichen Menschen verbunden. Es liegt daher im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Strafrechtsgesetzgebung, aus generalpräventiven Gründen solche unerwünschten Verhaltensweisen möglichst weitgehend zurückzudrängen. Dieser Wertung kommt etwa in den oben (Pkt. I.5.2.) zitierten Gesetzesmaterialien zu § 104 FrG 1997 idF BGBl I Nr 34/2000 zum Ausdruck, wonach etwaige Strafausschließungsgründe für Angehörige 'wegen der damit verbundenen Signalwirkung zur Umgehung der österreichischen Zuwanderungsbestimmungen nicht zielführend' seien (RV 110 BlgNR 21. GP 10). Unterschieden in der Strafwürdigkeit der Tat und der Schwere des Verschuldens kann im Rahmen der Strafbemessung (vgl. zu den §§14 f FrG 1954 den oben Pkt. I.2.1.wiedergegebenen IA 322/A 17. GP 23 f) oder durch das Instrument des Rücktritts von der Verfolgung (Diversion) gemäß §§198 ff StPO angemessen Rechnung getragen werden.

Soweit der Antragsteller das Fehlen eines dem § 120 Abs 9 StGB vergleichbaren Strafausschließungsgrundes für den gerichtliche Straftatbestand der Schlepperei geltend macht, ist ihm zunächst allgemein entgegen zu halten, dass das gerichtliche und das verwaltungsbehördliche Strafrecht nicht schematisch miteinander verglichen werden können. Es liegt vielmehr grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, das gerichtliche Strafrecht anders zu regeln als das verwaltungsbehördliche Strafrecht: Weder bilden die für das verwaltungsbehördliche Strafrecht geltenden Regelungen einen indirekten Maßstab für die Gleichheitskonformität der für das gerichtliche Strafrecht geltenden Regelungen noch ist dies umgekehrt der Fall; es kommt lediglich darauf an, dass die Regelungen des jeweiligen Bereiches in sich sachlich sind. Selbst wenn man aber eine solche Vergleichbarkeit annehmen würde, würden die Unterschiede zwischen den gerichtlich und den verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen der Schlepperei und die unterschiedlichen Zielsetzungen von gerichtlichem und verwaltungsbehördlichem Strafrecht den hier gegenständlichen Unterschied rechtfertigen. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass gemäß § 120 Abs Z 1 FPG 2005 die wissentliche Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise auch ohne Vermögensvorteil strafbar ist, der spezifische Unwertgehalt der unrechtmäßigen Bereicherung also für die verwaltungsbehördliche Strafbarkeit – im Unterschied zur gerichtlichen Strafbarkeit – nicht erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund ist es nicht gleichheitswidrig, dass nur hinsichtlich des insoweit weitergehenden Verwaltungsstraftatbestandes ein Strafausschließungsgrund besteht, wenn die Tat in Bezug auf nahe Angehörige erfolgt ist.

2.2.1. Der Antragsteller behauptet schließlich, es gebe keinen sachlichen Grund dafür, dass die Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise durch die Schweiz oder Liechtenstein als Nachbarstaaten Österreichs, nicht aber durch alle anderen Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, strafbar sei.

2.2.2. Der Antragsteller hegt somit keine Bedenken dagegen, dass § 114 Abs 1 FPG 2005 nicht nur die Einreise nach oder die Durchreise durch Österreich, sondern auch die Einreise nach oder die Durchreise durch die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Nachbarstaaten Österreichs als strafbar erklärt. Die Verfassungswidrigkeit erblickt er lediglich darin, dass zwar die Einreise und Durchreise in oder durch die genannten Staaten, nicht aber auch die Einreise oder Durchreise in oder durch andere Staaten, wie etwa die Vereinigten Staaten oder Kanada (Antrag S 9), vom Straftatbestand erfasst sind.

Damit ist der Antragsteller nicht im Recht: Das Delikt der Schlepperei wird ganz überwiegend durch eine auf dem Landweg erfolgende rechtswidrige Einreise oder Durchreise verwirklicht (vgl. RV 110 BlgNR 21. GP 9). Aus diesem Grund ist es sachlich gerechtfertigt, hinsichtlich der Strafbarkeit – neben Reisebewegungen in oder durch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Einbeziehung auf Grund der Personenfreizügigkeit erfolgt (vgl. wiederum RV 110 BlgNR 21. GP 9) – lediglich auf die rechtswidrige Einreise oder Durchreise in oder durch Nachbarstaaten Österreichs abzustellen: Von diesen aus kommend kann Österreich auf dem Landweg erreicht werden, ebenso wie umgekehrt diese Länder von Österreich aus auf dem Landweg zu erreichen sind. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 2002/90/EG zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt verpflichtet sind, Sanktionen für diejenigen festzulegen, die Drittstaatsangehörigen vorsätzlich dabei helfen, in das Hoheitsgebiet – nur – eines Mitgliedstaats unrechtmäßig ein- oder durchzureisen.

3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass § 114 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat in den in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Verfahren erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1. Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG idF BGBl I 114/2013 erkennt der Verfassungsgerichtshof seit (Art151 Abs 54 Z 5 B VG) über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Nach § 62a Abs 1 erster Satz VfGG idF BGBl I 92/2014 kann eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und wegen Anwen-dung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, gleichzeitig einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

Die vorliegenden Anträge werden jeweils aus Anlass ein gegen die Antragsteller erlassenes Strafurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht erster Instanz gestellt.

Es ist nicht zweifelhaft, dass durch dieses Urteil die Strafsachen der Antragsteller in erster Instanz entschieden wurden, sohin jeweils eine in erste Instanz entschiedene Rechtsache iSd Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG vorliegt.

Die Parteianträge wurden – ausweislich der Aktenlage – am selben Tag wie die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und damit jedenfalls gleichzeitig iSd § 62a Abs 1 erster Satz VfGG eingebracht.

1.2. Ein Antrag, der sich bloß gegen eine Vorschrift richtet, ohne diese durch genaue Angaben der Fundstelle der Vorschrift, der einschlägigen Novelle oder zumindest durch deren wörtliche Wiedergabe zu bezeichnen, erweist sich als unzulässig, wenn sich aus dem Blickwinkel des Ausgangsverfahrens die Fassung der bekämpften Bestimmung nicht mit hinreichender Deutlichkeit ersehen lässt (VfSlg 14.040/1995). Dem Verfassungsgerichtshof ist es verwehrt, eine Bestimmung auf Grund bloßer Vermutungen darüber, welche Stellen der Aufhebungsantrag im Auge haben könnte, in Prüfung zu ziehen (zB ua.).

1.2.1. Die vorliegenden Anträge bezeichnen die Fassung des angefochtenen § 114 FPG nicht. Auf Grund dieser mangelnden konkreten Bezeichnung der Fassung der angefochtenen Bestimmung in den Anträgen zieht die Bundesregierung in ihrer Äußerung die Zulässigkeit der (Partei-)Anträge in Zweifel.

Obwohl die angefochtene Bestimmung seit ihrer Stammfassung bis zur erstinstanzlichen Verurteilung der Antragsteller zwei Mal novelliert wurde, besteht für den Verfassungsgerichtshof aus dem Blickwinkel des strafgerichtlichen Ausgangsverfahrens kein Zweifel, in welcher Fassung die Bestimmung des § 114 FPG angefochten wird:

1.2.2. Im Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt, mit welchem die Antragsteller wegen Schlepperei verurteilt wurden, wird die Fassung des § 114 FPG nicht angegeben. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass das Landesgericht Wiener Neustadt § 114 FPG, BGBl I 100/2005, idF BGBl I 122/2009, angewendet hat, weil nach den Feststellungen im Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt die den Antragstellern vorgeworfenen Taten im Zeitraum zwischen Mai und Juli 2013 erfolgten. In diesem (Tat-)Zeitraum galt § 114 FPG 2005 idF BGBl I 122/2009.

1.2.3. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass im strafgerichtlichen Verfahren die (später erlassenen) Novellen BGBl I 144/2013 und BGBl I 121/2015 nicht anwendbar sind:

Der mit der Novelle BGBl I 144/2013 dem § 114 FPG 2005 angefügte Abs 7 hat in den Anlassfällen keine Bedeutung, weil nach den Feststellungen des Erstgerichts die angelasteten Straftaten nicht im Ausland begangen wurden.

Das Landesgericht Wiener Neustadt hat in seinem Strafurteil (auch) § 114 Abs 3 Z 2 FPG 2005 idF BGBl I 122/2009 ("in Bezug auf eine größere Anzahl von Fremden") angewendet, der durch BGBl I 121/2015 ("in Bezug auf mindestens drei Fremde") geändert wurde. Es scheidet nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes aus, dass § 114 Abs 3 Z 2 FPG 2005 in der novellierten Fassung des BGBl I 121/2015 auf Grund des im Strafrecht gebotenen Günstigkeitsvergleichs (§61 und § 1 StGB) im weiteren Verfahren angewendet werden kann. In den vorliegenden Fällen stellt § 114 FPG idF der Novelle BGBl I 121/2015 im Vergleich zur vorher geltenden Fassung BGBl I 122/2009 keine vorteilhaftere Regelung für die Antragsteller dar.

1.2.4. Der Verfassungsgerichtshof geht sohin davon aus, dass die Antragsteller § 114 FPG 2005 idF BGBl I 122/2009 anfechten.

1.3. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.3.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002).

Eine zu weite Fassung des Antrags macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013; ua.). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrags (siehe VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl. noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrags).

1.3.2. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes stehen sämtliche Absätze des § 114 FPG 2005 idF BGBl I 122/2009 in einem Zusammenhang, sodass der zu G532/2015 protokollierte Antrag auf Aufhebung des (gesamten) § 114 leg.cit. zulässig ist. Es ist auch der zu G531/2015 protokollierte, bloß auf die Aufhebung des § 114 Abs 1 FPG 2005 idF BGBl I 122/2009 gerichtete Antrag zulässig, zumal die Absätze des § 114 leg.cit. zwar in einem Zusammenhang stehen, nicht aber in einem untrennbaren Zusammenhang, der eine Anfechtung des gesamten § 114 FPG 2005 erforderlich macht.

1.4. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, sind die Anträge zulässig. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf den Eventualantrag des Erstantragstellers einzugehen.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Ob die Gerichte die angefochtene Bestimmung gesetzmäßig vollziehen, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.

2.1. Zum Bestimmtheitsgebot gemäß Art 18 B VG und Art 7 EMRK

2.1.1. Die Antragsteller äußern zunächst das Bedenken, die angefochtene Bestimmung verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B VG und das strafrechtliche Bestimmtheits- und Klarheitsgebot des Art 7 EMRK. Die Begriffe "fördert", "Entgelt" und "unrechtmäßig zu bereichern" in § 114 Abs 1 FPG 2005 seien nicht ausreichend determiniert; dasselbe gelte für den Begriff der "rechtswidrige[n] Einreise oder Durchreise" angesichts zahlreicher Novellierungen des Fremdenrechts.

2.1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip ausgesprochen, dass der Gesetzgeber klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen hat, wo er strafen will, und die Rechtsordnung dem Einzelnen die Möglichkeit geben muss, sich dem Recht gemäß zu verhalten (VfSlg 12.947/1991 mwN). Auch Art 7 EMRK schließt das Gebot in sich, Strafvorschriften so klar zu gestalten, dass es dem Einzelnen möglich ist, sein Verhalten am Gesetz zu orientieren (vgl. zB VfSlg 16.926/2012; jeweils mwN). Die Verwendung sogenannter unbestimmter Gesetzesbegriffe ist mit Art 18 B VG und Art 7 EMRK dann vereinbar, wenn die Begriffe einen soweit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann und die Anwendung der Begriffe durch das Gericht auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann (zB VfSlg 19.771/2013 mwN). Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen sein können, ist ganz allgemein – und zwar auch im Zusammenhang mit Straftatbeständen – davon auszugehen, dass Art 18 B VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (VfSlg 13.785/1994, 16.993/2003, 18.895/2009).

2.1.3. Gemäß § 114 Abs 1 FPG 2005 idF BGBl I 122/2009 ist zu bestrafen, "wer die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern".

Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller widerspricht der angefochtene § 114 FPG 2005, insbesondere durch Verwendung der Begriffe "rechtswidrige Einreise oder Durchreise", "fördert", "Entgelt" und "unrechtmäßig zu bereichern" in § 114 Abs 1 FPG 2005, nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B VG und des Art 7 EMRK.

Bei den vom Gesetzgeber verwendeten Begriffen handelt es sich um Begriffe, die es dem Einzelnen ermöglichen, sein Verhalten nach dem Gesetz zu richten.

2.1.4. Gemäß § 114 Abs 1 FPG 2005 ist eine Voraussetzung für die Strafbarkeit die "rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs".

Die Frage, ob die Einreise oder Durchreise rechtmäßig oder rechtswidrig ist, muss anhand der einschlägigen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen in der österreichischen Rechtsordnung und gegebenenfalls in der Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines sonstigen Nachbarstaats beurteilt werden (vgl. auch § 114 Abs 7 FPG 2005).

Das Anknüpfen an diese einschlägigen Bestimmungen, welche die rechtmäßige Einreise und Durchreise regeln, verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Da es für den Einzelnen nicht mit einem übermäßigen Aufwand verbunden ist, den normativen Gehalt des Begriffs der "rechtswidrigen Einreise oder Durchreise" zu ermitteln (vgl. zB VfSlg 14.606/1996), widerspricht dieses Tatbestandselement in § 114 Abs 1 FPG 2005 nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B VG und Art 7 EMRK.

2.1.5. Das in § 114 Abs 1 FPG 2005 als weiteres Tatbestandselement enthaltene "fördert" verstößt ebenso wenig gegen Art 18 B VG und Art 7 EMRK. Mit diesem Begriff wird jede Handlung oder Unterlassung erfasst, welche die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden ermöglicht oder erleichtert und dafür in irgendeiner Form kausal ist (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 111, sowie die Materialien zu den insoweit gleichen Vorgängerbestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005: IA 322/A 17. GP, 23, und RV 110 BlgNR 21. GP, 9; ; zB Tipold in Höpfel/Ratz, WK² FPG § 114, Rz 10 [Stand: ]).

2.1.6. Die Bedeutung des Begriffes "Entgelt" ergibt sich aus der Legaldefinition des § 74 Abs 1 Z 6 StGB. Darunter ist "jede einer Bewertung in Geld zugängliche Gegenleistung, auch wenn sie einer anderen Person zugute kommen soll als der, der sie angeboten oder gegeben wird" zu verstehen (vgl. auch RV 952 BlgNR 22. GP, 111, zu § 114 FPG 2005). Auch hier liegt somit kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B VG und Art 7 EMRK vor.

2.1.7. Letztlich widerspricht auch das Tatbestandselement "unrechtmäßig zu bereichern" nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B VG und Art 7 EMRK: Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, ist dieses Tatbestandselement mit dem Tatbestandselement des Entgelts zu lesen. Es ist jeweils zu prüfen, ob das Entgelt, auf dessen Leistung der Vorsatz gerichtet ist, zu einer unrechtmäßigen Bereicherung – im Sinne eines eine für den durchgeführten Transport adäquate Gegenleistung übersteigenden Vermögensvorteils – führt (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 111, zu § 114 FPG 2005; ).

2.2. Zum Gleichheitssatz gemäß Art 2 StGG und Art 7 B VG

2.2.1. Nach Auffassung der Antragsteller verletzt § 114 FPG 2005 den Gleichheitssatz gemäß Art 2 StGG und Art 7 B VG, weil nicht nur die eigene Bereicherung, sondern auch die Bereicherung eines Dritten für die Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise strafbar sei. Es würden dadurch Personen, die aus Freundschaft oder familiärer Verbundenheit unentgeltliche Förderhandlungen vornähmen, dabei aber die unrechtmäßige Bereicherung eines Schleppers zumindest in Kauf nähmen, strafrechtlich gleich behandelt wie der Schlepper selbst, obwohl diese Verhaltensweisen ihrem Wesen und ihrer Intention nach ganz unterschiedlich seien. Es sei gleichheitswidrig, dass § 114 FPG 2005 keinen Strafausschließungsgrund vorsehe, wenn die Tat in Bezug auf nahe Familienangehörige begangen werde, wie dies durch § 120 Abs 9 FPG 2005 hinsichtlich der (verwaltungsbehördlich strafbaren) wissentlichen, aber unentgeltlichen Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise der Fall sei.

Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken der Antragsteller nicht:

Zum Ersten liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ob er für bestimmte Fälle einen Strafausschließungsgrund vorsieht oder (etwa aus generalpräventiven Gründen) nicht (vgl. zB VfSlg 12.151/1989; ).

Zum Zweiten können ganz allgemein strafrechtliche Regelungen – so auch hier die Regelungen über das Verbot der Schlepperei – im Verwaltungs- und Justizstrafrecht nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden (vgl. zB VfSlg 11.795/1988). Es ist vielmehr im konkreten Fall lediglich zu prüfen, ob die strafrechtlichen Regelungen im Verwaltungs- und Justizstrafrecht in sich sachlich sind. Eine solche Unsachlichkeit liegt bei den angefochtenen Bestimmungen des § 114 FPG 2005 nicht vor.

2.2.2. Letztlich kann der Verfassungsgerichtshof auch keine Gleichheitswidrigkeit darin erkennen, dass die Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise durch die Schweiz oder Liechtenstein als Nachbarstaaten Österreichs und durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, nicht aber auch die Einreise oder Durchreise in oder durch andere Staaten, wie etwa die Vereinigten Staaten oder Kanada, strafbar ist:

Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass das Strafdelikt der Schlepperei überwiegend durch eine auf dem Landweg erfolgende rechtswidrige Einreise oder Durchreise verwirklicht wird (vgl. RV 110 BlgNR 21. GP, 9). Aus diesem Grund ist es sachlich gerechtfertigt, hinsichtlich der Strafbarkeit – neben Reisebewegungen in oder durch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Einbeziehung auf Grund der Personenfreizügigkeit erfolgt (vgl. RV 110 BlgNR 21. GP, 9) – lediglich auf die rechtswidrige Einreise oder Durchreise in oder durch Nachbarstaaten Österreichs abzustellen. Von diesen aus kommend kann Österreich auf dem Landweg erreicht werden, ebenso wie umgekehrt diese Länder von Österreich aus auf dem Landweg zu erreichen sind.

2.2.3. Die geltend gemachte Gleichheitswidrigkeit des § 114 FPG liegt sohin nicht vor.

V. Ergebnis

1. Die Anträge sind daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:G531.2015