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VfGH vom 30.06.2017, G53/2017

VfGH vom 30.06.2017, G53/2017

Leitsatz

Abweisung des Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Gesetzes über die Enteignung des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau am Inn; Zulässigkeit eines Individualgesetzes; kein Rechtsformenmissbrauch; völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs zur Verhinderung nazistischer Tätigkeit und Propaganda; besondere Verantwortung der Staatsorgane im Umgang mit der Unterbindung von (neo-)nationalsozialistischem Gedankengut; Liegenschaft als "Pilger"- oder Identifikationsstätte geeignet; Enteignung im öffentlichen Interesse gelegen, nicht unverhältnismäßig und nicht entschädigungslos, keine Verletzung des Eigentums- und des Gleichheitsrechtes

Spruch

Der Antrag, das Bundesgesetz über die Enteignung der Liegenschaft Salzburger Vorstadt Nr 15, Braunau am Inn, BGBl I Nr 4/2017, zur Gänze aufzuheben, wird hinsichtlich § 1, § 3 Abs 3 und § 5 dieses Gesetzes abgewiesen, im Übrigen zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Antrag

Mit ihrem auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, das Bundesgesetz über die Enteignung der Liegenschaft Salzburger Vorstadt Nr 15, Braunau am Inn, BGBl I 4/2017, zur Gänze, in eventu "§1, § 2 Abs 1 erster Satz, § 2 Abs 2 und § 3 Abs 3 des Gesetzes BGBl I Nr 4/2017", in eventu "§1 und § 3 Abs 3 des Gesetzes BGBl I Nr 4/2017", in eventu "§1 des Gesetzes BGBI I Nr 4/2017" als verfassungswidrig aufzuheben.

II.Rechtslage

Das Bundesgesetz über die Enteignung der Liegenschaft Salzburger Vorstadt Nr 15, Braunau am Inn, BGBl I 4/2017 (im Folgenden: Enteignungsgesetz), in seiner in Geltung stehenden Stammfassung lautet:

"Enteignung

§1. Zur dauerhaften Unterbindung der Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus nimmt der Bund das Eigentum lastenfrei an der Liegenschaft EZ 217 KG 40005 Braunau am Inn in Anspruch.

Verpflichtung der Republik Österreich

§2. (1) Der Bund verpflichtet sich, die enteignete Liegenschaft in seinem Eigentum zu behalten und diese einer Nutzung zuzuführen, die der dauerhaften Unterbindung der Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus dient. Den Maßnahmen, die für eine solche Nutzung der Liegenschaft erforderlich sind, stehen gesetzliche und behördliche Beschränkungen zur unveränderten Erhaltung der darauf errichteten Gebäude, die auf bundesgesetzlichen Grundlagen beruhen, nicht entgegen.

(2) Wenn bestimmte Teile der Liegenschaft für die Erfüllung des Zweckes gemäß Abs 1 nicht oder nicht mehr benötigt werden, sind diese dem bisherigen Eigentümer oder dessen Rechtsnachfolger zum Erwerb anzubieten.

(3) Dem Bundesministerium für Inneres obliegt die Verwaltung der Liegenschaft.

Festsetzung und Leistung der Entschädigung

§3. (1) Die Höhe der Entschädigung ist vom Bundesminister für Inneres gegenüber demjenigen, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bücherlicher Eigentümer gemäß § 1 ist, durch Bescheid festzusetzen.

(2) Bei der Festsetzung der Entschädigung und deren Leistung sind hinsichtlich

1. des Gegenstands und Umfangs der Entschädigung die §§4 bis 10,

2. des verwaltungsbehördlichen Verfahrens die §§16, 18 und 19,

3. der Festsetzung der Entschädigung durch das Gericht die §§22 bis 32,

4. der Leistung der Entschädigung die §§33 und 34 und

5. der Verfahrenskosten die §§44 und 45

des Eisenbahn-EnteignungsentschädigungsgesetzesEisbEG, BGBl Nr 71/1954, sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Übertragung des Eigentums der Liegenschaft im Grundbuch ist amtswegig durch das Grundbuchsgericht mit dem Datum des Inkrafttretens des Gesetzes im Rang der Vormerkung einzuverleiben. Sobald der Bundesminister für Inneres dem Grundbuchsgericht die Leistung der rechtskräftig festgelegten Entschädigung nachgewiesen hat, hat dieses das Eigentum einzuverleiben.

Vollziehung

§4. Die Vollziehung dieses Bundesgesetzes obliegt hinsichtlich des § 3 Abs 3 dem Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz, im Übrigen dem Bundesminister für Inneres.

Inkrafttreten

§5. Dieses Bundesgesetz tritt mit dem Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft."

III.Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.Mit Beschluss vom bewilligte das Bezirksgericht Braunau am Inn auf Grund des oben näher bezeichneten Enteignungsgesetzes amtswegig die Vormerkung des Eigentumsrechts für die Republik Österreich ob der Liegenschaft EZ 217 KG 40005 Braunau am Inn. Gegen diesen Beschluss erhob die Antragstellerin Rekurs und stellte den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG gestützten Antrag.

2.Die Antragstellerin bringt darin vor, Eigentümerin der Liegenschaft EZ 217 KG 40005 Braunau am Inn gewesen zu sein, auf dessen Teilfläche (Grundstück .326/1) das Haus Salzburger Vorstadt Nr 15 errichtet sei. Mit dem seit in Geltung stehenden Enteignungsgesetz nehme der Bund das Eigentum an besagter Liegenschaft in Anspruch und verletze dadurch die Antragstellerin in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten insbesondere auf Unversehrtheit des Eigentums.

Wörtlich führt die Antragstellerin u.a. Folgendes aus (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"1. Dass es sich bei gegenständlicher Enteignung, nämlich der Entziehung des Eigentums an einem Grundstück samt darauf errichteten Gebäuden (arg.§ 1: 'Nimmt der Bund das Eigentum lastenfrei an der Liegenschaft EZ 217, KG 40005 Braunau am Inn, in Anspruch') um einen Eingriff in den Kernbereich des 'Zivilrechts' im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK, Eigentum im Sinne des Art 5 StGG, Art 1 1. ZP zur EMRK sowie Art 17 GRC handelt, bedarf keiner weiteren Begründung. Das vorliegende Gesetz sieht daher eine Enteignung im engeren Sinne vor, nämlich den Entzug des zivilrechtlichen Eigentums an der Liegenschaft EZ 217, KG 40005 Braunau am Inn.

2. Aufgrund des Art 5 StGG und Art 1 1. ZP zur EMRK wurde bislang angenommen, dass der zuständige Gesetzgeber (Adhäsionsprinzip) Enteignungen entweder unmittelbar vornehmen oder durch Verwaltungsakt vorsehen kann (VfSlg 2680, 3118, 9911).

Nach Art 17 GRC darf niemandem sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und 'unter den Bedingungen', die in einem Gesetz vorgesehen sind.

Sofern daher die sogenannte Legalenteignung (wie im Antragsfall) als Individualgesetz überhaupt als zulässig angenommen wird, ist des ungeachtet die Sachlichkeit des Gesetzes, nämlich die konkrete Einzelfallentscheidung durch Gesetz (sogenanntes Maßnahmegesetz) zu hinterfragen, weil auch das antragsgegenständliche Gesetz unter Missachtung der Gewaltentrennung und des Legalitätsprinzips ausschließlich für die Antragstellerin als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 217, KG 40005 Braunau am Inn gilt und zur Anwendung kommen kann. Der Adressat des Gesetzes ist eindeutig bestimmt, nämlich der Eigentümer der Liegenschaft, also die Antragstellerin; das Gesetz kann nur für die Enteignung dieser einen Liegenschaft zur Anwendung gelangen. Es wird damit unzulässig in den Bereich der Vollziehung eingegriffen (vgl VfGH G64/88). Nach herrschender Lehre darf die Bindung der Vollziehung an das einfache Gesetz nicht durch eine unmittelbare Anwendung allgemeinerer und damit unbestimmterer verfassungsrechtlicher Vorschriften überspielt werden […]. Für die hier gegenständliche Enteignung gilt dies umso mehr, als Art 6 EMRK und Art 17 GRC, die Enteignung nur durch ein Gericht aufgrund der Gesetze (welche für eine Enteignung weiteren Anforderungen entsprechen müssen) erlauben, womit nach Auffassung der Antragstellerin die vorliegende Legalenteignung, weil einem Vollzugsakt nicht zugänglich, verfassungswidrig ist. Wie schon ausgeführt, verlangt Art 17 GRC für eine Enteignung die gesetzliche Festlegung von Bedingungen. Das antragsgegenständliche Individualgesetz verfügt den Entzug des Eigentums jedoch 'bedingungslos', woran die erst nach rechtskräftig festgelegter und geleisteter Entschädigung erfolgende bücherliche Einverleibung, weil an keine weiteren Bedingungen geknüpft, nichts ändert.

Das verfassungsrechtliche Problem des Maßnahmegesetzes (hier: Legalenteignung) besteht ja auch deshalb, weil eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte Enteignung durch ein Gesetz dem Enteigneten (der Antragstellerin) jegliche Möglichkeit nimmt, an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken, Erhebungen und Meinungen (hier zB der Sachverständigenkommission), nicht den Tatsachen entsprechenden Behauptungen (der Sachverständigenkommission, in den Gesetzesmaterialien wiedergegebenen Meinungen) entgegenzutreten und unter Beweis zu stellen. Schon deshalb muss ein Maßnahmegesetz (wie hier) neben einem Verstoß gegen Art 6 EMRK, Art 17 GRC und Art 47 GRC auch dem Rechtsstaatsprinzip widersprechen, weil jegliches Recht auf Gehör dadurch ausgeschlossen wird!

Die nunmehrige Antragstellerin hatte daher auch in dem mit Ministerialentwurf vom und nachfolgender Regierungsvorlage (1250 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP) initiierten Gesetzgebungsverfahren keinerlei rechtlich relevante und beachtliche Möglichkeit, unrichtige Sachverhaltsannahmen wirksam und effektiv zu bekämpfen. Sie hatte damit im 'Enteignungsverfahren' nicht die Möglichkeit, dass 'ihre Sache iSd Art 6 EMRK' in 'billiger Weise öffentlich und in angemessener Frist' vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gehört wurde; sondern wurde ihr das Eigentum ex lege ohne jegliche effektive Mitwirkungsmöglichkeit entzogen. Auch aus diesen Gründen ist die gegenständliche Legalenteignung verfassungswidrig.

3. Selbst wenn aber die Legalenteignung, also die Enteignung durch den einfachen Gesetzgeber nach herrschender Lehre und Judikatur zulässig sein sollte, darf diese (wie jede Enteignung) nur zum allgemeinen Besten, d. h. im öffentlichen Interesse erfolgen. Das öffentliche Interesse muss zufolge ständiger Rechtsprechung die Enteignung geradezu gebieten; die Enteignung ist daher nichts anderes als ultima ratio und darf nur durch das Gesetz verfügt werden, wenn der Eingriff auch verhältnismäßig ist. In diesem Sinne prüft die Rechtsprechung streng, ob für die Enteignung ein konkreter Bedarf vorliegt, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, ob das Objekt der Enteignung geeignet ist, diesen Bedarf unmittelbar zu decken und ob es unmöglich ist, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken. Auch das ist ständige Rechtsprechung. Die Verhältnismäßigkeit der Enteignung wird dann jedenfalls verneint, wenn die Enteignung nicht 'ultima ratio' war, nicht nur weil ein privatrechtlicher Rechtserwerb nicht (ernsthaft) versucht wurde, sondern wohl auch dann, wenn es gelindere Mittel zur Erreichung desselben Zwecks gibt. Gibt es nämlich gelindere Mittel, beispielsweise anstelle des Eigentumsentzuges die immer zu prüfende Möglichkeit der Eigentumsbeschränkung, ist die Enteignung nicht mehr ultima ratio, dann ist die Enteignung auch unverhältnismäßig. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, dass eine Enteignung auf Vorrat, also eine Enteignung, ohne dass ein konkreter, aktueller Bedarf an der enteigneten Sache vorliegt, verfassungswidrig und damit unzulässig ist (vgl nur VfSlg 8981, 11.017, 11.828, 13.166, 15.768).

Bereits vor diesen hier zusammengefassten Aussagen des Verfassungsgerichtshofs in ständiger Rechtsprechung zeigt sich, dass das vorliegende Gesetz den vom Verfassungsgerichtshof und der herrschenden Lehre zur Verfassungsmäßigkeit einer Enteignung entwickelten Kriterien nicht entspricht.

4. Wie im Sachverhalt dargestellt worden ist, ist die Liegenschaft EZ 217, KG 40005 Braunau am Inn, seit dem Jahr 1972, also seit nahezu 45 Jahren, an den Bund (teilweise, und zwar das Haus Salzburger Vorstadt Nr 15) vermietet. Der Bund hätte in diesen nahezu 45 Jahren des aufrechten Mietverhältnisses aufgrund weitestgehender Nutzungsbefugnisse bis zum heutigen Tag die Liegenschaft und die darauf errichteten Gebäude längst dem § 2 des angefochtenen Gesetzes entsprechend nutzen können und bis zum heutigen Tag auch jegliche andere Nutzung als die bisherige konzipieren können. Insbesondere auch die neuerliche Nutzung durch den Verein Lebenshilfe ist weiterhin möglich und bestätigt aus Sicht der Antragstellerin, dass die Enteignung zur Erreichung des vorgeschützten Enteignungszwecks gar nicht notwendig ist. In Wahrheit handelt es sich somit um eine verfassungsrechtlich verpönte Enteignung auf Vorrat, nach dem Motto: 'Vielleicht fällt dem Bund in seiner Funktion als neuer Eigentümer irgendwann eine andere Nutzung ein'. Dies wäre aber bereits aufgrund des langfristig abgeschlossenen und bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des angefochtenen Gesetzes noch aufrechten Mietvertrages möglich gewesen und wäre bei Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses weiterhin möglich.

5. Es entspricht auch nicht der Tatsache, dass die gegenständliche Liegenschaft (wie im Abschlussbericht der Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers, Oktober 2016, ausgeführt) 1952 an die Mutter der Antragstellerin 'restituiert' worden ist, und das Haus 'trotzdem' zu einem der zentralen Objekte neonazistischer 'Gedenkpflege' etc geworden ist. Es entspricht auch nicht den Tatsachen, dass das Bestreben der Republik Österreich 'vor allem durch den Kündigungsversuch des Mietvertrages durch die Eigentümerin sowie potentielle Eigentumsübertragungen' an Dritte gefährdet worden wäre. Der Sachverständigenkommission zufolge soll (gemeint wohl: durch die Enteignung) sichergestellt werden, 'dass mit dem Objekt in einer Weise verfahren wird, die auf Dauer einer nationalsozialistisch geprägten Vereinnahmung entgegenwirkt'. Die Sachverständigenkommission empfiehlt zu einem Zeitpunkt, als das Gesetzesvorhaben bereits im Nationalrat behandelt worden ist, verschiedene Nutzungen, insbesondere 'einer sozial-karitativen oder behördlich-administrativen Nutzung der Liegenschaft den Vorzug zu geben, dieses Objekt keiner Nutzung zuzuführen, die eine weitere Assoziierung mit der Person Hitlers oder Identifikation mit dem Nationalsozialismus in irgendeiner Form begünstigen könnte, wie dies insbesondere durch eine Musealisierung oder auf andere Weise durch eine dauerhaft betonte Verbindung mit der Person Hitlers der Fall sein kann und eine tiefgreifende architektonische Umgestaltung vorzunehmen, die dem Gebäude den Wiedererkennungswert und damit die Symbolkraft entzieht'.

Mit Ausnahme der 'tiefgreifenden architektonischen Umgestaltung' sind sämtliche von der Sachverständigenkommission angesprochenen Nutzungen schon bisher möglich gewesen (teilweise wurde die Liegenschaft auch tatsächlich den nunmehrigen Vorschlägen entsprechend genutzt) und sind sie aus Sicht der Antragstellerin aufgrund des bestehenden Mietvertrages — allenfalls kann der Mietvertrag jederzeit modifiziert werden — möglich.

Auch die Sachverständigenkommission übersieht, dass die Unterdenkmalschutzstellung des Gebäudes mit Bescheid vom Juli 1938, ZI Lv-3.2178/Dsch/1938, ausschließlich aus dem Grund erfolgt ist, dass 'die unveränderte Erhaltung dieses Hauses als der Geburtsstätte des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler für das deutsche Volk von höchster öffentlicher Bedeutung ist' (Rechtsgrundlage: § 3 Denkmalschutzgesetz, BGBI Nr 533/1923), auch die Unterschutzstellung des Hauses als Teil des Ensembles Salzburger Vorstadt mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom nicht nur durch die zuständige Behörde aufgehoben werden kann (hinsichtlich des Einzelschutzes ja ganz unbestreitbar, weil im Bescheid aus 1938 nicht einmal besondere bauliche, also denkmalschutzwürdige Besonderheiten des Hauses erfasst waren) und die weiteren Vorschläge der Sachverständigenkommission der tatsächlichen Nutzung des Hauses jedenfalls in den 60er, 70er, 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts entsprechen. Dass das Gebäude seit Auszug der Lebenshilfe, nämlich im Jahr 2011, leer steht, kann nicht die Grundlage für eine Enteignung sein. Hier wäre es vielmehr Sache des Mieters, also des Bundes gewesen, entsprechend dem Mietvertrag für eine sinnvolle Nutzung Sorge zu tragen. Dass dies nicht geschehen ist, kann ebenfalls nicht als Rechtfertigung für eine Enteignung angesehen werden.

Schließlich verkennt die Sachverständigenkommission auch, dass die gegenständliche Liegenschaft EZ 217, KG 40005 Braunau am Inn, keineswegs im Jahr 1952 restituiert worden ist, vielmehr wurde die Liegenschaft von der Mutter der nunmehrigen Antragstellerin 1954 aus der Konkursmasse des Martin Bormann um den Betrag von ATS 150.000,00 rückgekauft (Anm.: 1938 wurde die Liegenschaft von den Großeltern der Antragstellerin, welche diese 1913 käuflich erworben hatten, an Martin Bormann um RM 150.000,00 — ob mehr oder weniger freiwillig, kann hier dahingestellt bleiben — verkauft).

6. Dem Protokoll der Besprechung im Innenministerium am über Nutzungsüberlegungen (nach Auszug der Lebenshilfe) ist zu entnehmen, dass die nunmehrige Antragstellerin einerseits bemängelt, nicht in den Entwicklungsprozess der Nutzungsüberlegungen eingebunden worden zu sein, der mediale Druck (insbesondere in Oberösterreich und Braunau) auf die Eigentümerin und nunmehrige Antragstellerin sehr hoch war, die Eigentümerin sich über die Notwendigkeit des Umfangs der Baumaßnahmen verwundert gezeigt hat, vorgebracht hat, dass die Freifläche hinter dem Gebäude (Parkplätze) nie an den Bund mitvermietet gewesen sei und sie eine Grundstücksteilung vornehmen lassen wolle. Eine Außenstiege sehe sie als problematisch, da sie über einem darunter liegenden Kanal vorgesehen sei und die Schönheit der Arkaden des Hauses (von der Salzburger Straße aus nicht einsehbar) beeinflusse und weist die Eigentümerin auf die aus ihrer Sicht bestehende Möglichkeit einer zweiten Stiege im Inneren des Hauses hin. Durchaus sachlich lehnte die Eigentümerin — im Falle einer Außenstiege zusätzlich noch in jedem Geschoß einzurichtende — Notausgänge an der Rückseite des Gebäudes grundsätzlich ab, zumal diese nach Grundstücksteilung nicht mehr realisierbar wären, ohne direkt in die abgeteilte Liegenschaftsfläche zu führen und erfahrungsgemäß auch zu unerwünschten Aufenthalten der Nutzer in Arbeitspausen (Rauchpausen) auf ihrer dann (nach Abtrennung) verbleibenden Liegenschaft führten.

Auch dem Protokoll vom ist nicht zu entnehmen, dass sich die Eigentümerin und nunmehr Antragstellerin vernünftigen Nutzungen entziehen wollte und vernünftigen Baumaßnahmen widersprochen hätte.

7. Nach den im Frühjahr 2014 geführten Besprechungen erfolgte als nächster Schritt ein Kaufanbot, die Entschädigung sollte auf Grundlage eines Verkehrswert- und nicht eines Nutzwertgutachtens erfolgen, ernsthafte Kaufverhandlungen erfolgten nicht. Der Entschädigungswert (Verkehrswert) in Höhe von errechnet EUR 315.600,00 war für die nunmehrige Antragstellerin nicht akzeptabel und bezog sich nur auf das Haus, nicht auf die restlichen Grundflächen; über die restlichen Grundflächen wurde nie ein Kaufanbot gelegt. Sodann kam es zur Gesetzesinitiative.

8. Die in den Gesetzesmaterialien und im Gesetzestext erkennbaren Intentionen des Gesetzgebers sind jedenfalls und letztlich sogar offensichtlich durch gelindere Mittel erreichbar. Ein Bestandsverhältnis kann grundbücherlich gesichert werden, bestehender Denkmalschutz kann geändert werden, Bau- und Sanierungsmaßnahmen sind bei vernünftiger Planung, selbstredend mit Zustimmung der Grundeigentümerin, möglich. Das Interesse der Grundeigentümerin und nunmehrigen Antragstellerin besteht ja seit 1972 an einem funktionierenden Mietverhältnis und einer funktionierenden Nutzung des Gebäudes. Etwas Anderes hat die Antragstellerin nie angestrebt.

9. Am Gebäude selbst befindet sich keinerlei Gedenktafel, der Mahnstein wurde von der Gemeinde Braunau am Inn auf öffentlichem Grund vor dem Gebäude gelegt, die Grundeigentümerin und nunmehrige Antragstellerin hat dazu nichts beigetragen.

10. Schließlich muss noch einmal betont werden, dass der Bund (Republik Österreich) bis zum heutigen Tag und im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Nationalrat und den Bundesrat (Einspruchsverzicht) sowie der Beschlussfassung durch die Bundesregierung (Regierungsvorlage) kein konkretes Nutzungskonzept für die durch § 1 des Gesetzes enteignete Liegenschaft aufweisen kann. Es handelt sich somit um eine Enteignung auf Vorrat bzw um eine Enteignung ohne konkreten Enteignungsbedarf. Die Verfassungswidrigkeit wird damit geradezu offenkundig, allein die Zielsetzung des § 1 und die bloße Selbstbindungsverpflichtung des Bundes in § 2 Abs 1 vermag den fehlenden konkreten Bedarf im Sinn der Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie nicht zu substituieren.

11. Dieser so begründete verfassungswidrige Eigentumseingriff zeigt sich auch darin, dass durch § 1 der Bund das Eigentum an der Liegenschaft EZ 217, KG 40005 Braunau am Inn, zur Gänze in Anspruch nimmt, das Gesetz in § 2 Abs 2 ausführt, 'wenn bestimmte Teile der Liegenschaft für die Erfüllung des Zweckes gemäß Abs 1 nicht oder nicht mehr benötigt werden, sind diese dem bisherigen Eigentümer oder dessen Rechtsnachfolger zum Erwerb anzubieten'.

Auch dabei übersieht der Gesetzgeber, dass jedenfalls seit (VfSlg 8981) der Verfassungsgerichtshof von dem richtigen Verständnis ausgeht, dass jeder Enteignung 'in der Wurzel der Vorbehalt (anhaftet), dass sie erst endgültig wirksam ist, wenn der vom Gesetz als Enteignungsgrund normierte öffentliche Zweck verwirklicht ist, dass sie aber rückgängig zu machen ist, wenn dieser Zweck nicht verwirklicht wird'. Der Enteignung ist also ein Rückübereignungsanspruch immanent, wenn der Enteignungszweck nicht verwirklicht wird. Es ist daher auch die oben zitierte Bestimmung des § 2 Abs 2 für sich genommen verfassungswidrig, allerdings nicht nur deshalb, weil der Enteignungszweck selbst nicht feststeht, jedenfalls der konkrete Bedarf mangels Vorliegen eines konkreten Nutzungskonzeptes nicht gegeben ist, auch die gänzliche oder teilweise Rückübereignung ist nicht dem Legalitätsprinzip entsprechend normiert. Auch in dieser Hinsicht ist auf das die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs im Einzelnen darlegende Erkenntnis vom , VfSlg 8981 zu verweisen. In VfSlg 11.160 (, B227/85) sagt der Verfassungsgerichtshof unter Bezugnahme auf VfSlg 8981, dass die Aufrechterhaltung einer einmal verfügten Enteignung verfassungsrechtlich unzulässig ist, wenn der öffentliche Zweck, zu dessen Verwirklichung das Gesetz eine Enteignungsmöglichkeit vorgesehen hat, tatsächlich nicht verwirklicht wird. Der Verfassungsgerichtshof sagt weiters, dass in der Eigentumsgarantie des Art 5 StGG auch die Rückgängigmachung der Enteignung für den Fall grundgelegt ist, dass die enteignete Sache dem vom Gesetz als Enteignungsgrund genannten öffentlichen Zweck nicht zugeführt wird, sei es, weil dieser Zweck überhaupt nicht, sei es, weil er nicht in dem ursprünglich beabsichtigten Umfang verwirklicht wird.

Im hier gegenständlichen Fall ist der Enteignungszweck umschrieben mit der 'dauerhaften Unterbindung der Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus', dieser Zweck wird mit einer in § 2 Abs 1 formulierten Verpflichtung des Bundes zu einer Nutzung, die der (hier wird § 1 wiederholt) 'dauerhaften Unterbindung der Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus' dient, wiederholt, ohne dass konkret gesagt wird, wie diese Nutzung auszusehen hat. Aus Sicht der Antragstellerin ist daher nicht nur der Enteignungszweck nicht bestimmt genug iSd notwendigen Konkretisierung des öffentlichen Enteignungsinteresses, es wird auch nicht gesagt, wie der Enteignungszweck erreicht werden soll und gibt es somit keinen 'ursprünglich beabsichtigten Enteignungszweck' iSd Erkenntnisses VfSlg 8981. Zudem ist kein nach der Eigentumsgarantie des Art 5 StGG geforderter Rückübereignungsanspruch bei 'zweckverfehlender Enteignung' normiert.

12. Schließlich ist festzuhalten, dass das auf Grundstück .326/1 errichtete Haus Salzburger Vorstadt Nr 15 nur einen Teil der Gesamtfläche der Liegenschaft EZ 217 in Anspruch nimmt, wenn daher der Gesetzgeber das öffentliche Interesse an der Enteignung des Hauses Salzburger Vorstadt Nr 15 als gegeben annimmt und dies verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein sollte, so bildet dies keine Grundlage für die Enteignung der gesamten Liegenschaft.

13. Es fehlt damit iSd vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Eigentumsformel jedenfalls nicht nur am konkreten öffentlichen Interesse, sondern auch am konkreten Bedarf sowie, bei Annahme des öffentlichen Interesses, am gelinderen Mittel zur Erreichung des Enteignungszweckes. Die in § 1 normierte Enteignung ist auch überschießend, weil mehr Eigentum in Anspruch genommen wird, als unbedingt notwendig."

3.Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den vorgebrachten Bedenken Folgendes entgegenhält (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"1. und 2. […]

3. Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen die Art 17 und Art 49 Grundrechtecharta behauptet, weist die Bundesregierung darauf hin, dass diese schon mangels Bezug des Sachverhalts zum Unionsrecht nicht anwendbar sind (vgl. VfSlg 19.632/2012).

4. Zur Behauptung des unzulässigen Individualgesetzes:

4.1.1. Die Bundesregierung weist dazu zunächst darauf hin, dass weder dem B-VG noch dem sonstigen Bundesverfassungsrecht ein generelles Verbot zu entnehmen ist, bestimmte Angelegenheiten, die üblicherweise durch Akte der Vollziehung geregelt werden, (unmittelbar) durch Gesetz zu regeln. Im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip und den Grundsatz der Gewaltentrennung hat der Verfassungsgerichtshof bereits erkannt, dass er keine Einwände gegen Individualgesetze hegt. Entsprechenden Bedenken ist er in dieser Judikatur zum einen mit einem Verweis auf die von der Bundesverfassung nicht näher bestimmte Form des Gesetzes begegnet; zum anderen hat er darauf hingewiesen, dass die Bundesverfassung die Staatsfunktionen nach organisatorischen (formellen) Gesichtspunkten voneinander abgrenzt (vgl. VfSlg 3118/1956 sowie VfSlg 6697/1972 und 13.738/1994).

Das entsprechende Vorbringen der Antragstellerin geht daher insoweit von vornherein ins Leere.

4.1.2. Soweit die Antragstellerin mit ihrem Verweis auf Art 6 EMRK und die Notwendigkeit eines dazwischentretenden Aktes der Vollziehung – samt Teilnahme an einem diesem Vollziehungsakt vorausgehenden Verwaltungsverfahren – Bedenken unter Rechtsschutzgesichtspunkten geltend macht, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

Hätte die Gesetzgebung die Enteignung nicht selbst verfügt, sondern einer Behörde aufgetragen, wäre das Ergebnis kein anderes gewesen: Die Rechtsschutzeinrichtungen, die der Antragstellerin in diesem Fall zur Verfügung gestanden wären, hätten lediglich die Gesetzesmäßigkeit der administrativ verfügten Enteignung gewährleistet. Die Rechtsstellung der Antragstellerin wurde daher dadurch, dass die Enteignung unmittelbar durch Gesetz vorgenommen wurde, nicht verschlechtert (vgl. dazu VfSlg 13.738/1994).

Soweit es aber um Rechtsschutz gegen eine – behauptete – Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geht, steht der Antragstellerin – wie oben unter Punkt III. dargelegt – zum einen die Möglichkeit eines Parteiantrags auf Normenkontrolle offen; zum anderen kann sie im Verfahren zur Festsetzung der Entschädigung vor dem Landesgericht die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens anregen. Der Verfassungsgerichtshof ist in Normenprüfungsverfahren ein Gericht mit voller Kognitionsbefugnis iSv. Art 6 EMRK (vgl. VfSlg 19.307/2010).

4.2. Die Bundesregierung kann auch nicht erkennen, dass der Gleichheitsgrundsatz aus dem Grund verletzt wäre, dass das EnteignungsG ausschließlich für die Antragstellerin gilt und nur für die Enteignung einer einzigen Liegenschaft zur Anwendung gelangen kann:

4.2.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch die Gesetzgebung (vgl. VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001) und setzt ihr insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem (vgl. VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005) sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl. VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001, 19.698/2012).

Innerhalb dieser Schranken ist es der Gesetzgebung jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, ihre politischen Zielvorstellungen auf die ihr geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl. VfSlg 13.576/1993, 13.743/1994, 15.737/2000, 16.176/2001, 16.504/2002).

4.2.2. Die Enteignung der Liegenschaft EZ 217, KG 40005 Braunau am Inn, erfolgt gemäß § 1 EnteignungsG zum Zweck der dauerhaften Unterbindung der Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus. Das Ziel ist damit die dauerhafte Verhinderung entsprechend verpönter und unerwünschter Verhaltensweisen an diesem Ort.

4.2.3. Die Einschränkung auf die betroffene Liegenschaft ergibt sich aus der – aus historischer und politikwissenschaftlicher Sicht – besonderen Stellung des Geburtshauses Hitlers. Die Interdisziplinäre Kommission hat darauf hingewiesen, dass Geburtshäuser von Diktatoren eine hohe emotionale Aufgeladenheit aufweisen, die auch mit irrationalen Vorstellungen über den Geburtsvorgang zusammenhängt. Ebenso wird das Geburtshaus Hitlers in besonderer Weise mit diesem in Verbindung gebracht. Diese Assoziation mit der Person Hitlers begründet, gemeinsam mit dem Führerkult des Nationalsozialismus und der bis in die Gegenwart wirkenden Mythisierung der Person Hitlers, das besondere Identifikationspotential dieses Ortes mit dem Nationalsozialismus. Dies qualifiziert diesen Ort auch in besonderer Weise als einschlägige Kult- bzw. Pilgerstätte. Das Geburtshaus Hitlers ist insofern auch nicht mit anderen, im nationalsozialistischen Kontext gleichfalls als belastet anzusehenden, Objekten vergleichbar, da an diesen Orten kein derartiger Personenkult stattfindet. Das Geburtshaus Hitlers weist aus diesen Gründen ein besonderes Alleinstellungsmerkmal auf; ein vergleichbares Objekt mit dieser speziellen historischen, staatspolitischen und auch globalen Bedeutung existiert in Österreich nicht.

4.2.4. Die Einschränkung auf die betroffene Liegenschaft liegt daher in deren Einzigartigkeit begründet, die sie von anderen – einschlägig vorbelasteten – Objekten unterscheidet.

Zwar betrifft das angefochtene Gesetz also konkretes Eigentum nur einer einzelnen Person; dies ist jedoch im vorliegenden Fall im Hinblick auf den konkreten Regelungsgegenstand – Unterbindung unerwünschter Verhaltensweisen an diesem historisch in besonderer Weise vorbelasteten Ort – in der Natur der Sache gelegen. Wenn die Gesetzgebung für die Enteignung dieser Liegenschaft eine eigene Regelung erlässt, ist dies daher sachlich gerechtfertigt und führt zu keiner unsachlichen Ungleichbehandlung der Antragstellerin.

4.2.5. Bei der Festsetzung der Entschädigung und deren Leistung sind gemäß § 3 Abs 2 EnteignungsG näher bestimmte Regelungen des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes (im Folgenden: EisbEG) sinngemäß anzuwenden. Diese Regelungen des EisbEG gelangen – über entsprechende Verweise – auch in einer Reihe anderer Enteignungs- bzw. (sonstigen) Entschädigungsverfahren (vgl. etwa § 154 Gaswirtschaftsgesetz 2011; § 99 Luftfahrtgesetz; § 97 Seilbahngesetz; § 118 Wasserrechtsgesetz 1959) zur Anwendung.

Für das Verfahren der Festsetzung und Leistung der Entschädigung sind damit jene spezifischen Regelungen anzuwenden, die auch sonst in Enteignungsfällen für die Entschädigung gelten und – hinsichtlich der Höhe der Entschädigung – den Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleisten. Die Gesetzgebung stellt damit sicher, dass die Antragstellerin insofern die gleiche Behandlung erfährt, wie die sonst von einer Enteignung betroffenen Personen.

4.3. Zusammenfassend geht die Bundesregierung daher davon aus, dass das EnteignungsG im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kein unzulässiges Individualgesetz darstellt.

5. Zum behaupteten Verstoß gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums:

5.1. Die Antragstellerin behauptet im Wesentlichen, dass die Enteignung verfassungswidrig sei, weil ein konkreter Bedarf nicht bestehe, die Enteignung unverhältnismäßig sei und in unzulässiger Weise 'auf Vorrat' erfolgt sei.

5.2. Gemäß Art 5 StGG und Art 1 (1.) ZPEMRK bedarf jede Enteignung einer gesetzlichen Grundlage. Die Enteignung selbst kann dabei entweder unmittelbar durch das Gesetz oder durch Verwaltungsakt auf Grund dieses Gesetzes erfolgen (vgl. VfSlg 3118/1956, 9111/1983). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin (Antrag S 13) sind Legalenteignungen daher grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig.

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes muss eine Enteignung des Weiteren durch das öffentliche Interesse geboten sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein konkreter Bedarf vorliegt, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, das Objekt der Enteignung geeignet ist, diesen Bedarf unmittelbar zu decken und es unmöglich ist, diesen Bedarf anders als durch die Enteignung zu decken (vgl. VfSlg 3666/1959, 13.579/1993, 15.044/1997, 16.753/2002, 18.890/2009).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt:

5.3. Zum konkreten Bedarf:

5.3.1. § 1 Abs 1 EnteignungsG legt fest, dass der Bund das Eigentum an der Liegenschaft zum Zweck der 'dauerhaften Unterbindung der Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus' in Anspruch nimmt. Ziel der Enteignung ist also die dauerhafte Verhinderung verpönter und unerwünschter Verhaltensweisen an diesem speziellen Ort, wie etwa eine Nutzung des Gebäudes als 'Nazi-Kultstätte' oder für sonstige (neo)nationalsozialistisch motivierte Agitation, wobei dieser Bedarf nur durch Hitlers Geburtshaus gedeckt werden kann. Die Enteignung dient daher der Abwehr der Gefahren, die auf Grund einer strafgesetzwidrigen Nutzung oder einer sonstigen verpönten Vereinnahmung durch (neo)nazistische oder rechtsextremistische Kreise von diesem Objekt für die Gesellschaft und das Ansehen Österreichs ausgehen.

Durch die Enteignung soll die Republik Österreich – bzw. der Bund – in die Lage versetzt werden, mit dem Objekt in historisch korrekter Weise zu verfahren; dabei soll insbesondere – den Empfehlungen der Interdisziplinären Kommission folgend – die 'besondere Aura' dieses Ortes dekonstruiert und entmystifiziert werden (vgl. ErlRV 1250 BlgNR 25. GP 2). Dieses Ziel soll, wie auch die Nutzungskommission in ihrem Abschlussbericht herausgearbeitet hat, zum einen durch eine entsprechende – lebensbejahende oder neutrale – Nutzung erreicht werden; zum anderen soll eine tiefgreifende architektonische Umgestaltung vorgenommen werden, die dem Gebäude dauerhaft seinen Wiedererkennungswert und damit seine Symbolkraft nimmt […].

5.3.2. Diese Zielsetzungen und entsprechende Vorkehrungen liegen im öffentlichen Interesse:

5.3.2.1. Die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen Republik Österreich (vgl. VfSlg 12.646/1991, 18.405/2008). Des Weiteren ergeben sich aus dem in Verfassungsrang stehenden Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs (im Folgenden: StV von Wien), insbesondere dessen Art 9 und 10, konkrete Verpflichtungen für die Republik Österreich. Gemäß Art 9 Ziffer 1 StV von Wien setzt Österreich die Bemühungen fort, 'aus dem österreichischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu entfernen, um zu gewährleisten, daß die […] [nationalsozialistische Partei und die ihr angegliederten und von ihr kontrollierten Organisationen, einschließlich der politischen, militärischen und paramilitärischen] nicht in irgendeiner Form wieder ins Leben gerufen werden, und um alle nazistische und militaristische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern'.

Nach Auffassung der Bundesregierung kommt der Gesetzgebung bei der Beurteilung, ob und welche Vorkehrungen zur Erreichung dieses Zieles jeweils zu treffen sind, daher ein weiter rechtspolitischer Entscheidungsspielraum zu. Das öffentliche Interesse an entsprechenden Maßnahmen zeigt sich schon daran, dass der StV von Wien im Rang von Bundesverfassungsrecht steht (vgl. ua).

5.3.2.2. Wie bereits oben unter Punkt 3.2.2. und 4.2.3. dargelegt wurde, hat das Geburtshaus Hitlers sowohl aus historischer, als auch aus politikwissenschaftlicher Sicht eine besondere Stellung. Es wird in besonderer Weise mit der Person Hitlers und der Ideologie des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht; ihm wird, insbesondere auch auf Grund des Führerkults des Nationalsozialismus, eine besondere Symbolik und Aura zugeschrieben, die von (neo)nationalsozialistischen Gruppierungen – oder einschlägig eingestellten Einzelpersonen – genutzt wird, um sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren.

Zudem ist aus der Dokumentation des Dokumentationsarchivs des öffentlichen Widerstands (vgl. Beilage 11) ersichtlich, dass das Geburtshaus Hitlers immer wieder Ziel einschlägiger (neo)nazistischer 'Pilgerreisen' war und ist. Bei der entsprechenden Dokumentation ist zu beachten, dass diese nur Zwischenfälle erfassen kann, die erhöhtes öffentliches Aufsehen erregen, etwa weil die Besucher aus eigenem Antrieb darüber berichten oder in entsprechend auffälliger Weise auftreten. Es ist davon auszugehen, dass die 'Dunkelziffer' der Besuche des Geburtshauses beträchtlich höher liegt; so weist auch die Interdisziplinäre Kommission in ihrem Abschlussbericht darauf hin, dass Besuche zumeist unauffällig erfolgen (vgl. Abschlussbericht der Interdisziplinären Kommission [Beilage 39] S 3). Die vom Dokumentationsarchiv des öffentlichen Widerstands dokumentierten Fälle zeigen jedenfalls, dass die Attraktivität des Ortes für einschlägig eingestellte Gruppierungen und Einzelpersonen ungebrochen ist.

5.3.2.3. Die Republik Österreich trifft daher, nicht zuletzt auf Grund der oben genannten, im Rang von Bundesverfassungsrecht stehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen, eine besondere Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass dieses Objekt nicht in (neo)nazistischer Weise missbraucht wird.

5.3.3. Die ungebrochene Attraktivität dieses Ortes als Pilger- und Identifikationsstätte (vgl. oben Punkt 5.3.2.2.) zeigt auch, dass ein konkreter Bedarf an einer derartigen Maßnahme[…] besteht.

Die Enteignung der Liegenschaft ist auch geeignet, diesen Bedarf zu decken.

5.4. Verhältnismäßigkeit der Enteignung

5.4.1. Eine Enteignung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur zulässig, wenn es keine gleichwertige Alternative gibt, mittels derer der im öffentlichen Interesse liegende konkrete Bedarf in gleicher Weise erreicht werden kann. Die Verhältnismäßigkeit einer Enteignung ist dementsprechend nur dann gegeben, wenn die Enteignung 'ultima ratio' war, weil insbesondere auch ein privatrechtlicher Rechtserwerb nicht möglich war (VfSlg 13.579/1993, 16.753/2002, 18.890/2009).

5.4.2. Die Antragstellerin bestreitet die Verhältnismäßigkeit der Enteignung und bringt dazu auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes vor:

[…]

5.4.3. Wie unter Punkt 4.2. ausführlich dargelegt wurde, liegt der Zweck der Enteignung in der dauerhaften Unterbindung unerwünschter Verhaltensweisen; dieses Ziel soll durch eine diesen Tendenzen bewusst entgegengesetzte Nutzung des Objekts sowie eine tiefgreifende Änderung seiner Substanz erreicht werden.

5.4.4.1. Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass das Recht, mit der Substanz und Nutzung einer Sache 'nach Willkühr zu schalten', gemäß § 354 ABGB ausschließlich dem Eigentümer zusteht. Tiefgreifende (architektonische) Änderungen der Substanz kann daher nur der Eigentümer vornehmen. Demgegenüber war der Bund als Hauptmieter verpflichtet, die Substanz zu schonen. Eine tiefgreifende architektonische Umgestaltung, wie sie von der Nutzungskommission in ihrem Abschlussbericht als zentraler Aspekt für den weiteren Umgang mit dem Gebäude empfohlen wird, war daher – worauf ja auch die Antragstellerin selbst hinweist (Antrag S 15) – bisher nicht möglich und wäre bei Aufrechterhaltung des bestehenden Mietverhältnisses – an Stelle der Eigentumsübertragung auf den Bund – auch weiterhin nicht möglich gewesen. Die bauliche Umgestaltung mittels tiefgreifender Änderung der Substanz bildet aber einen ganz wesentlichen Aspekt bei der Erreichung des Ziels der dauerhaften Unterbindung unerwünschter Verhaltensweisen.

5.4.4.2. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin (Antrag S 15) bot das bestehende Mietverhältnis nicht die Möglichkeit, das Gebäude sonst in einer den in § 1 EnteignungsG bezeichneten Zielen entsprechenden – (neo)nazistischen Tendenzen bewusst entgegengesetzten – Weise zu nutzen:

5.4.4.2.1. Zunächst hält die Bundesregierung fest, dass die Antragstellerin im Jahr 1984 schon das bloße Anbringen einer Mahntafel, deren Zweck darin bestand, der unerwünschten Nutzung des Gebäudes als Pilgerstätte ein klares und unmissverständliches Zeichen entgegenzusetzen, verhinderte (vgl. dazu oben Punkt I. 2.4.).

5.4.4.2.2. Wie unter Punkt I 3.1. dargelegt, endete das (Unter)Mietverhältnis mit dem Verein Lebenshilfe, der in dem Haus Menschen mit Behinderung unterbrachte, weil die Antragstellerin die notwendige Zustimmung für die – für die weitere Nutzung erforderliche – Vornahme baulicher Maßnahmen für eine barrierefreie Umgestaltung verweigerte. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin (Antrag S 14) ist eine neuerliche Nutzung durch den Verein Lebenshilfe damit gerade nicht möglich gewesen.

In den auf die Beendigung des Untermietverhältnisses mit der Lebenshilfe folgenden Verhandlungen hinsichtlich der Nachnutzung des Gebäudes sprach sich die Antragstellerin auch gegen eine gemeinsame Nachnutzung durch die Volkshochschule und die Volkshilfe aus (vgl. oben Punkt I. 3.5.): Sie erklärte, lediglich die Volkshochschule als Nachmieterin zu akzeptieren und mit einer Mitnutzung durch die Volkshilfe nicht einverstanden zu sein (vgl. oben Punkt I.3.6.). Im Zuge der weiteren Verhandlungen sprach sich die Antragstellerin des Weiteren auch gegen eine Nutzung des Gebäudes in einem zeitgeschichtlichen Kontext aus (vgl. oben Punkt I. 3.9.). Die bereits weit fortgeschrittene Planung für die Nachnutzung des Gebäudes durch die Volkshochschule und die Volkshilfe scheiterte letztlich auch daran, dass die Antragstellerin ihre Zustimmung zu erforderlichen baulichen Adaptierungsmaßnahmen nicht gab (vgl. oben Punkt I. 3.9. und I. 3.10.).

Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin (Antrag S 16) hat der Bund, vertreten durch den Bundesminister für Inneres, daher wiederholt ernsthafte Versuche unternommen, das Gebäude im Rahmen des bestehenden Mietvertrages in einer, (neo)nazistischen Tendenzen bewusst entgegengesetzten Weise zu nutzen.

5.4.4.3. Aus den vorgenannten Gründen waren daher auch die von der Antragstellerin vorgebrachten gelinderen Maßnahmen – grundbücherliche Absicherung des Bestandverhältnisses, Abänderung des Denkmalschutzes, Bau- und Sanierungsmaßnahmen bei vernünftiger Planung (Antrag S 8) – nicht zur Zielerreichung geeignet. Auch dingliche Nutzungsrechte fordern den schonenden Umgang mit der Substanz; als Mieter wäre der Bund daher weiterhin jeweils auf die Zustimmung der Antragstellerin angewiesen gewesen; diese hat die für Bau- und Sanierungsmaßnahmen erforderliche Zustimmung jedoch, wie gezeigt, wiederholt, unsubstantiiert und kategorisch verweigert.

5.4.4.4. Abgesehen davon hätten auch weder ein aufrechter Mietvertrag noch eine etwaige grundbücherliche Absicherung des Bestandsverhältnisses ausreichend Gewähr dafür geboten, dass die Liegenschaft auch in Zukunft nicht entgegen den in § 1 EnteignungsG festgelegten, im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken genutzt wird: Die Möglichkeit künftiger rechtsgeschäftlicher Verfügungen durch die Antragstellerin – oder einen ihrer Rechtsnachfolger – wäre als Unsicherheitsfaktor weiterhin bestehen geblieben; die Antragstellerin selbst hat einen potentiellen Verkauf an Dritte in der Vergangenheit auch wiederholt angekündigt (vgl. oben Punkt I 2.3.).

Zuletzt ist die latente Unsicherheit bezüglich der künftigen Nutzung der Liegenschaft durch das Verhalten der Antragstellerin besonders deutlich geworden: Nachdem die Antragstellerin im Februar 2014 Verkaufsbereitschaft signalisiert hatte (vgl. oben Punkt I. 3.5.), erklärte sie zuerst nach nur zwei Wochen, ihre Meinung geändert zu haben (vgl. oben Punkt I. 3.6.) und sprach schließlich wenige Monate später – mit einer angestrebten Wirksamkeit ab dem – sogar eine Kündigung wegen angeblichen Eigenbedarfs aus (vgl. oben Punkt I.3.13.). In weiterer Folge ließ sie das Bundesministerium für Inneres, das mehrmals mit Verkaufs- und Verhandlungsangeboten an die Antragstellerin herantrat (sh. dazu sogleich Punkt 4.3.5.), über ihre weiteren Absichten im Unklaren, war zum Teil mehrere Monate – auch für ihren Rechtsvertreter (vgl. oben Punkt I. 3.16. und 3.18.) – nicht erreichbar (vgl. oben Punkt I. 3.13., I. 3.15., I. 3.17. und I. 3.19.) und gab auch in Gesprächen und Besprechungen mit Vertretern des Bundesministeriums für Inneres keine eindeutigen Erklärungen ab (vgl. oben Punkt I. 3.20. und I. 3.21.).

5.4.5. Soweit die Antragstellerin schließlich vorbringt, dass der in § 1 EnteignungsG umschriebene Enteignungszweck keine Aussage über eine konkrete Nutzung trifft, das öffentliche Enteignungsinteresse daher nicht bestimmt genug sei (Antrag S 20) und ein konkretes Nutzungskonzept nicht vorliege, hält die Bundesregierung ihr Folgendes entgegen:

5.4.5.1. Zunächst ergibt sich das öffentliche Interesse an der Enteignung – die dauerhafte Unterbindung unerwünschter Verhaltensweisen, zu der der Bund bereits gemäß Art 9 Ziffer 1 StV von Wien verfassungsrechtlich verpflichtet ist – klar aus dem Wortlaut des § 1 EnteignungsG.

5.4.5.2. Zur zeitnahen Erstellung eines konkreten Nutzungskonzepts wurde außerdem noch vor Erlassung des Gesetzes eigens eine Nutzungskommission eingesetzt, deren Aufgabe es war, Empfehlungen zur konkreten Weiternutzung abzugeben.

Wie oben unter Punkt I. 5. ausgeführt, haben sich der Bundesminister für Inneres, der Landeshauptmann von Oberösterreich und der Bürgermeister der Stadt auf Basis dieser Empfehlungen auch bereits auf eine sozial-karitative Nutzung durch eine soziale Hilfsorganisation geeinigt. Hinsichtlich der von der Nutzungskommission empfohlenen tiefgreifenden architektonischen Umgestaltung wird derzeit die Ausschreibung eines Architekturwettbewerbes vorbereitet.

Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang schließlich noch darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein angemessener Zeitraum für die Verwirklichung des Enteignungszwecks besteht (vgl. VfSlg 16.838/2003 mwN).

Auch dieses Vorbringen der Antragstellerin geht daher ins Leere.

5.4.5.3. Die Bundesregierung weist abschließend auf Folgendes hin:

Wie oben dargelegt, dient die Enteignung und die Übertragung des Eigentums an der gegenständlichen Liegenschaft an den Bund der Abwehr von Gefahren, die auf Grund möglicher strafgesetzwidriger oder sonst unerwünschter Nutzungen von diesem Objekt ausgehen (vgl. oben Punkt 5.2.4.). Vergleichbare Eigentumseingriffe zur Abwehr von Gefahren, die von einem bestimmten Objekt bzw. Gegenstand ausgehen, kennt die Rechtsordnung auch sonst an unterschiedlichen Stellen: So sehen etwa § 52 des Waffengesetzes und § 41 des Sprengmittelgesetzes den Verfall von Waffen, Munition und Knallpatronen bzw. von Schieß- und Sprengmittel zur Abwehr von Gefahren vor, die mit dem missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch von Waffen oder unsicherer Verwahrung bzw. dem rechtswidrigen Besitz von Schieß- und Sprengmitteln oder deren unsicherer Verwahrung verbunden sind. Die betreffenden Gegenstände gehen jeweils ins Eigentum des Bundes über. Ein solcher Eingriff stellt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Sicherungsmaßnahme im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Geringhaltung der von entsprechenden Gegenständen ausgehenden Gefahren dar (vgl. VwSlg 13165 A/1990).

5.4.6. Wenn die Antragstellerin schließlich behauptet, dass ein zu niedriges Kaufangebot gelegt wurde und ernsthafte Kaufverhandlungen nicht erfolgt seien (Antrag S 17), gibt sie die Tatsachen unzutreffend wieder:

Bereits in den Jahren 1984 bis 1986 wurde erstmals versucht, in Verkaufsverhandlungen mit der Antragstellerin zu treten. Diese blieben jedoch mangels Verkaufswillen der Antragstellerin ohne Erfolg (vgl. dazu oben Punkt I. 2.5.). Das Bundesministerium für Inneres hat die Antragstellerin – nachdem diese selbst im Februar 2014 einen Verkauf ins Spiel gebracht hatte (sh. oben Punkt I. 3.5. sowie Beilage 24) – schließlich beginnend mit November 2014 mehrmals aufgefordert, in Verkaufsverhandlungen zu treten (sh. dazu oben Punkt I. 3.11., I. 3.17). Nach Einholung eines Schätzgutachtens über den Verkehrswert – den die Antragstellerin im Februar 2014 noch selbst für einen etwaigen Verkauf als maßgeblich nannte (vgl. wiederum oben Punkt I. 3.5. sowie Beilage 24) – wurde der Antragstellerin im Juni 2015 auch ein konkretes Kaufangebot unterbreitet und sie wurde eingeladen, in Verkaufsverhandlungen zu treten und ihre Preisvorstellung zu nennen (sh. dazu oben Punkt I. 3.17.). Die Antragstellerin ist auf dieses Angebot nie eingegangen, war in weiterer Folge mehrere Monate nicht erreichbar und nannte auch nach Fortsetzung der Gespräche im Oktober 2015 sowie bei einem Folgetermin im Jänner 2016 trotz mehrmaliger Aufforderung keine Preisvorstellung (sh. dazu oben Punkt I. 3.18. bis I. 3.21).

Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin sind daher mehrere ernsthafte Versuche unternommen worden, in konkrete Verkaufsverhandlungen zu treten. Dass konkrete Verkaufsverhandlungen nicht stattgefunden haben, lag vielmehr in der Sphäre der Antragstellerin selbst begründet, da sie es – trotz mehrmaliger Aufforderung – unterlassen hat, ihre Preisvorstellung zu nennen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es trotz intensiver Bemühungen des Bundesministeriums für Inneres nicht möglich war, das Eigentum auf privatrechtlichem Weg auf den Bund zu übertragen.

5.4.7. Zusammenfassend geht die Bundesregierung daher davon aus, dass die vorliegende Enteignung im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verhältnismäßig ist.

5.5. Mit dem Vorbringen, der verfassungswidrige Eigentumseingriff zeige sich auch in § 2 Abs 2 iVm. § 1 EnteignungsG, da übersehen werde, dass nach der Rechtsprechung jede Enteignung rückgängig zu machen sei, wenn der Enteignungszweck nicht erfüllt sei, geht die Antragstellerin offenbar davon aus, dass eine vollständige Rückübereignung der Liegenschaft gesetzlich ausgeschlossen ist. Damit verkennt sie die Rechtslage:

Wie die Antragstellerin zutreffend ausführt (Antrag S 19 f) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits in der Eigentumsgarantie des Art 5 StGG die Rückgängigmachung der Enteignung für den Fall grundgelegt, dass die enteignete Sache dem als Enteignungsgrund genannten öffentlichen Zweck nicht zugeführt wird (vgl. VfSlg 8981/1980; 15.768/2000; 16.652/2002 jeweils mwN). Der Eigentumsgarantie ist damit ein Anspruch auf Rückübereignung immanent; einer gesonderten gesetzlichen Anordnung bedarf es nicht (vgl. VfSlg 8981/1980). Angesichts des Gesetzesvorbehalts des Art 5 StGG kann die Gesetzgebung aber nähere Regelungen über die Rückgängigmachung vorsehen (vgl. Korinek, Art 5 StGG, in Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht [5. Lfg. 2002], Rz 36).

§2 Abs 2 EnteignungsG konkretisiert demgemäß lediglich den bereits in Art 5 StGG grundgelegten Rückübereignungsanspruch. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin schließt § 2 Abs 2 EnteignungsG eine Rückübereignung der gesamten Liegenschaft auch keineswegs aus; eine verfassungskonforme Auslegung der Regelung im Lichte des Art 5 StGG führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass bei Nichtverwirklichung des Enteignungszweckes allenfalls auch die gesamte Liegenschaft zum Rückerwerb anzubieten ist (zu einer verfassungskonformen Interpretation gesetzlicher Regelungen des Rückübereignungsanspruchs vgl. VfSlg 15.768/2000)."

4.Die Antragstellerin erstattete eine Replik.

5.Der Verfassungsgerichtshof hat am eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der sowohl dem Vertreter der Antragstellerin als auch der Bundesregierung ausführlich Gelegenheit gegeben worden ist, ihre Standpunkte zu Sachverhaltsaspekten und Rechtsfragen darzulegen.

IV.Erwägungen

1.Zur Zulässigkeit:

1.1.Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", somit eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz (vgl. VfSlg 20.001/2015; ). Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden. Für den Rechtsmittelwerber ist dabei die Frist zur Einbringung des Rechtsmittels maßgebend (vgl. ; , G62/2016).

Der vorliegende Antrag wird aus Anlass eines Rekurses gemäß § 122 iVm § 123 des Allgemeinen Grundbuchsgesetzes 1955 gegen einen Beschluss des Bezirksgerichts Braunau am Inn gestellt; die Zulässigkeit des erhobenen Rechtsmittels wurde auch vom Bezirksgericht Braunau am Inn bestätigt. Ausweislich der Aktenlage wurde der Parteiantrag am selben Tag mit dem Rekurs ebenso innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht und ist daher auch rechtzeitig.

1.2.Ein Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG kann gemäß § 62 Abs 2 VfGG nur gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der Antragsteller wäre. Ein Antrag gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG ist demnach mangels Präjudizialität zurückzuweisen, wenn die angefochtene Gesetzesbestimmung keine Voraussetzung der Entscheidung über das Rechtsmittel, aus Anlass dessen der Antrag gestellt wurde, bildet ( ua.).

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl. VfSlg 13.965/1994, 16.542/2002, 16.911/2003). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass im Normenprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. VfSlg 17.220/2004, 19.933/2014).

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrags nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.933/2014).

Hingegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014, 20.013/2015; ua.; , G286/2016). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem ordentlichen Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages ( ua.; , G63/2016). Soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht (mehr) zur Zurückweisung des gesamten Antrages ( ua.).

1.3.Mit ihrem Hauptantrag begehrt die Antragstellerin die Aufhebung des Enteignungsgesetzes zur Gänze.

Dabei übersieht die Antragstellerin jedoch, dass – schon gar beim Verfahren zur Vormerkung der Übertragung des Eigentums im Grundbuch – jedenfalls nicht alle normativen Anordnungen des zur Gänze angefochtenen Gesetzes im Verfahren anzuwenden sind. Die Verpflichtungen der Republik Österreich gemäß § 2 des Enteignungsgesetzes – gegen die im Antrag für sich betrachtet auch keine substantiierten Bedenken vorgetragen werden – sind vom Gericht im Vormerkungsverfahren nicht anzuwenden. Die Frage, ob und wann die Legalenteignung stattgefunden hat, wird allein durch § 1 und § 5 entschieden, § 3 Abs 3 des Enteignungsgesetzes verpflichtet das Gericht sodann zur Vormerkung. Die angefochtenen Bestimmungen, die die Verpflichtung des Bundes nach dem Eigentumsübergang regeln, sind auch trennbar.

Der auf Aufhebung des Enteignungsgesetzes zur Gänze gerichtete Hauptantrag ist daher, soweit er § 1, § 3 Abs 3 und § 5 des Enteignungsgesetzes betrifft, zulässig, im Übrigen zurückzuweisen.

1.4.Da der Hauptantrag teilweise zulässig ist, ist auf die Eventualanträge nicht mehr weiter einzugehen.

2.In der Sache:

2.1.Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2.Vorerst bestreitet die Antragstellerin unter Bezugnahme auf Art 6 EMRK und Art 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dass die Enteignung der Liegenschaft EZ 217 KG 40005 Braunau am Inn überhaupt unmittelbar durch ein Gesetz erfolgen dürfe, da die Antragstellerin "keinerlei rechtlich relevante und beachtliche Möglichkeit [hatte], unrichtige Sachverhaltsannahmen wirksam und effektiv zu bekämpfen. Sie hatte damit im 'Enteignungsverfahren' nicht die Möglichkeit, dass 'ihre Sache' iSd Art 6 EMRK in 'billiger Weise öffentlich und in angemessener Frist' vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gehört wurde; sondern wurde ihr das Eigentum ex lege ohne jegliche effektive Mitwirkungsmöglichkeit entzogen. Auch aus diesen Gründen ist die gegenständliche Legalenteignung verfassungswidrig."

Diese Bedenken der Antragstellerin treffen nicht zu; der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung beginnend mit der Entscheidung VfSlg 3118/1956 gegen "den Gebrauch der von der Bundesverfassung nicht näher bestimmten Form des Gesetzes (Zulässigkeit des Individualgesetzes)" mit näherer Begründung weder unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit noch unter dem Gesichtspunkt der Gewaltentrennung Bedenken dagegen gehegt, dass die Rechtsform des Gesetzes auch für die Enteignung genutzt wird. Der Verfassungsgerichtshof vermag im vorliegenden Fall auch keinen Missbrauch der Gesetzesform zu erkennen, wurde doch die Rechtsstellung der Antragstellerin durch die unmittelbar aus dem Enteignungsgesetz folgenden Maßnahmen im Vergleich zur andernfalls zu überprüfenden Gesetzmäßigkeit der Enteignung in Form einer administrativen Maßnahme nicht verschlechtert (vgl. VfSlg 13.738/1994). Auch ist das Vorliegen eines verfassungsrechtlich verpönten Sonderopfers auszuschließen, steht doch außer Frage, dass das Geburtshaus Hitlers – wie die Mitglieder der Interdisziplinären Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers wiederholt hervorheben – gegenüber anderen historisch belasteten Objekten "besonderes Identifikationspotential" mit sich bringe, weshalb ein Vergleich mit Enteignungen anderer Objekte von vornherein ins Leere geht. Eine unsachliche Ungleichbehandlung ist daher ebenfalls auszuschließen.

2.3.Was das Vorbringen betrifft, das Enteignungsgesetz greife in den Kernbereich des Zivilrechts iSd Art 6 EMRK ein, weshalb die Sache in billiger Weise öffentlich und in angemessener Frist vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht hätte gehört werden müssen, ist ihr bloß zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof im Normprüfungsverfahren ein Gericht mit voller Kognitionsbefugnis iSd Art 6 EMRK ist (vgl. VfSlg 19.307/2011 zum Verfahren nach Art 139 B-VG).

2.4.Die Berufung auf Art 17 und 47 GRC geht ins Leere, da die Enteignung nicht in Durchführung des Rechts der Union gemäß Art 51 GRC erfolgt. Die vom Vertreter der Antragstellerin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof vorgebrachte Behauptung, es gebe unterschiedliche Schutzniveaus, weshalb zu untersuchen sei, ob Art 17 GRC möglicherweise ein höheres Schutzniveau als Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK gewährleiste, greift schon deshalb nicht.

2.5.Zu Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK:

2.5.1.Den Schutz des Art 5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht (vgl. zB VfSlg 8201/1977, 9887/1983, 10.322/1985 und 16.636/2002). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu VfSlg 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art 5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art 1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. zB VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl. etwa VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

Eigentumseingriffe in Gestalt von Enteignungen sind nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg 3666/1959) auch durch Gesetz (vgl. VfSlg 9911/1983) zulässig, wenn die Enteignung durch das öffentliche Interesse geboten ist; dies ist nur dann der Fall, wenn ein konkreter Bedarf vorliegt, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, das Objekt der Enteignung überhaupt geeignet ist, den Bedarf unmittelbar zu decken, und es unmöglich ist, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken. Ist eine Enteignung nicht im Sinne eines derart verstandenen öffentlichen Interesses notwendig, so liegt eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes vor (vgl. zB VfSlg 18.890/2009).

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen Republik Österreich ist (vgl. VfSlg 12.646/1991, 18.405/2008).

Mit dem im Verfassungsrang stehenden Art 9 des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl 152/1955, idF BGBl I 2/2008 (im Folgenden: StV Wien), ist die Republik Österreich auch völkerrechtlich u.a. verpflichtet, alle Spuren des Nazismus zu entfernen, um zu gewährleisten, dass nazistische Organisationen nicht in irgendeiner Form wieder ins Leben gerufen werden; diese völkerrechtliche Verpflichtung umfasst auch die Verantwortung der Republik, alle Maßnahmen zu setzen, um nazistische Tätigkeit und Propaganda zu verhindern, um damit sicherzustellen, dass eine politische Propaganda mit diesen inhaltlichen Tendenzen nicht einmal ansatzweise ihre Ideen verbreiten kann, damit das demokratische System dadurch nicht bedroht wird.

Der Verfassungsgerichtshof ging im Lichte dessen (zwar in anderen rechtlichen Zusammenhängen, nämlich in einer Entscheidung zum Wahlrecht) in dem damals gefassten Prüfungsbeschluss () davon aus, dass das bundesverfassungsgesetzliche Wiederbetätigungsverbot des § 3 VerbotsG und das bundesverfassungsgesetzliche Verbot nazistischer Tätigkeit, wie es sich aus Art 9 Z 1 StV Wien ergibt, als umfassende Verbote zu verstehen sind, deren Übertretung zu sanktionieren ist (Art9 Z 3 StV Wien), die aber auch über die Verpflichtung zur strafrechtlichen Sanktion hinaus von weitergehender rechtlicher Bedeutung sind. Diese weitergehende Bedeutung korrespondiert mit der Verpflichtung der Republik Österreich, wie sie auch in Art 10 StV Wien als Auftrag an den Gesetzgeber enthalten ist, die insbesondere in Art 9 StV Wien festgelegten Grundsätze aufrechtzuerhalten.

In seiner dieses Verfahren abschließenden Entscheidung VfSlg 10.705/1985 hat der Verfassungsgerichtshof letztlich besonders hervorgehoben, dass § 3 des im Verfassungsrang stehenden Verbotsgesetzes ein unmittelbar wirksames, von jedem Staatsorgan im Rahmen seines Wirkungsbereiches zu beachtendes Verbot enthält; jegliche Akte der Wiederbetätigung sind ausnahmslos rechtswidrig.

2.5.2.Ganz im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Beschwerdesache Perincek gegen die Schweiz (EGMR [GK], Fall Perincek, Appl. 27.510/08 [Z242 f.]) ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass der historische Kontext Österreichs den Staatsorganen eine besondere Verantwortung im Umgang mit der Unterbindung von (neo-) nationalsozialistischem Gedankengut auferlegt.

2.5.3.Bezüglich des durch Gesetz enteigneten Grundstücks ist belegt (vgl. dazu nur den Abschlussbericht der Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers, Oktober 2016, sowie den Abschlussbericht der Interdisziplinären Kommission zum verantwortungsvollen Umgang mit NS-Kultstätten mit besonderem Blick auf das Objekt Salzburger Vorstadt 15, Braunau am Inn, Dezember 2015, auf den auch die Gesetzesmaterialien mwN Bezug nehmen), dass diese Liegenschaft geeignet ist, als "Pilger"- oder Identifikationsstätte zur Pflege (neo-)nationalsozialistischen Gedankengutes besucht zu werden, ihr diesbezüglich sogar ein "Alleinstellungsmerkmal" zukommt. Die damit verbundene besondere Symbolkraft kann nachhaltig und effektiv nur beseitigt werden, wenn es – so die Empfehlung des Abschlussberichts der Kommission aus Oktober 2016 – zu einer tiefgreifenden architektonischen Umgestaltung kommt, um dem Objekt den Wiedererkennungswert und die Symbolkraft zu entziehen.

Da Besuche dieser Liegenschaft auch oder geradezu regelmäßig von rechtsextremen Gruppierungen und Personen zur Verherrlichung der in Österreich verfassungsrechtlich verpönten Ideologie des Nationalsozialismus genutzt werden bzw. werden könnten, ist der Staat dazu verpflichtet, selbst sicherzustellen, dass dieser strafrechtsbewehrte Missbrauch nicht stattfinden kann.

Dass dies von vornherein zu unterbinden im öffentlichen Interesse liegt, wurde vom Vertreter der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten. Entscheidet sich also der Gesetzgeber zur Enteignung durch Gesetz, liegt dies im öffentlichen Interesse, weil er nur so durch die uneingeschränkte Ausübung des Eigentumsrechts eine der möglichen Optionen entsprechende Nutzung der Liegenschaft iSd Empfehlung des Abschlussberichtes der Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers umsetzen kann. Dies ist Voraussetzung dafür, dass der Staat der Verpflichtung, jegliche nationalsozialistische Wiederbetätigung und bejahende Gedanken an den Nationalsozialismus dauerhaft zu unterbinden, im Sinne der Zielsetzung des Gesetzes nachkommen kann. Daher ist der Bedarf zur Enteignung gegeben.

2.5.4.Auch ist die im öffentlichen Interesse liegende Enteignung nicht schon deshalb unverhältnismäßig, weil die mit der Enteignung verfolgten Ziele allenfalls auch anders erreicht werden könnten, ist doch nur durch die Enteignung der gesamten Liegenschaft sichergestellt, dass Maßnahmen entsprechend den Nutzungsempfehlungen der Kommission überhaupt umgesetzt werden können. Nur der Eigentümer hat gemäß § 354 ABGB das Recht, mit der Substanz und Nutzung einer Sache "nach Willkühr zu schalten", was jedoch zur Umsetzung der Empfehlungen notwendig ist. Zudem musste – wie die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt hat – sichergestellt werden, dass das in Rede stehende Grundstück nicht an Dritte verkauft wird. Auch ist belegt, dass die Republik Österreich – wie die Chronologie der sowohl von der Antragstellerin als auch von der Bundesregierung übereinstimmend vorgebrachten Ereignisse zeigt – sich mehrfach erfolglos um einen käuflichen Erwerb bemüht hat (vgl. nur die Aufnahme von Verhandlungen vom 19. Februar bis zum sowie die Kaufanbote vom sowie vom ).

Auch ist die Enteignung nicht entschädigungslos (vgl. § 3 des Enteignungsgesetzes). Die angefochtenen Regelungen verletzen die Antragstellerin in ihrem Recht auf Unversehrtheit des Eigentums daher nicht.

2.6.Aus den oben bereits angeführten Gründen liegt eine Verletzung des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht vor.

V.Ergebnis

Der Antrag, das Bundesgesetz über die Enteignung der Liegenschaft Salzburger Vorstadt Nr 15, Braunau am Inn, BGBl I 4/2017, zur Gänze aufzuheben, ist daher hinsichtlich § 1, § 3 Abs 3 und § 5 dieses Gesetzes abzuweisen und im Übrigen zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2017:G53.2017
Schlagworte:
Nationalsozialismus, Nationalsozialistengesetzgebung, Enteignung, Individualgesetz, Tribunal, EU-Recht, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Prüfungsumfang

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