zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 09.03.2011, G53/10 ua

VfGH vom 09.03.2011, G53/10 ua

19351

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen über Mindeststrafen im Fremdenpolizeigesetz; keine hinreichende Differenzierung zwischen Verstößen unterschiedlicher Gravität, keine Berücksichtigung von Unterschieden möglich

Spruch

I. Die Wortfolge "von 1 000 Euro" in Abs 1 und die Wendung "1," in Abs 4 des § 120 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die aufgehobenen Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (im Folgenden: UVS Vorarlberg) und beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark (im Folgenden: UVS Steiermark) sind Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts der Übertretung nach § 120 Abs 1 (iVm § 31 Abs 1) Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I 100 idF BGBl. I 122/2009, (im Folgenden: FPG) bzw. wegen des Verdachts der Übertretung nach § 120 Abs 4 (iVm Abs 1) FPG anhängig.

1.2. Der UVS Vorarlberg stellte aus Anlass der Berufungsverfahren die auf Art 140 Abs 1 B-VG gestützten - zu G126/10, G128/10, G148/10, G149/10 und G183/10 protokollierten - Anträge, die Wortfolge "von 1.000 Euro" in § 120 Abs 1 FPG als verfassungswidrig aufzuheben; in den - zu G53/10, G108/10, G109/10, G110/10, G127/10, G129/10, G130/10 und G182/10 protokollierten - Verfahren beantragte er, die Wortfolge "von 1.000 Euro" in § 120 Abs 1 FPG und die Wendung "1,", in eventu die Wortfolge "von 5.000 Euro" in § 120 Abs 4 FPG, als verfassungswidrig aufzuheben.

Der UVS Steiermark stellte den auf Art 140 Abs 1 B-VG gestützten - zu G200/10 protokollierten - Antrag, die Wendung "1," in § 120 Abs 4 FPG als verfassungswidrig aufzuheben.

1.3. All diese Verfahren haben zum Inhalt, dass erstinstanzlich Verwaltungsstrafen über Fremde verhängt wurden, weil diese erstmals oder erneut nach bereits einmal erfolgter rechtskräftiger Bestrafung dabei betreten wurden, nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist zu sein oder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Auf die Wiedergabe aller der den Anträgen zu Grunde liegenden unterschiedlichen Sachverhalte kann hier verzichtet werden.

1.4. Zur Zulässigkeit der Anträge führt der UVS Vorarlberg aus, dass in den erstinstanzlichen Straferkenntnissen über den jeweiligen Beschuldigten gemäß § 120 Abs 1 FPG die Mindeststrafe von je € 1.000,- (G126/10, G128/10 und G148/10) oder € 1.600,- (G183/10) bzw. gemäß § 120 Abs 4 FPG die Mindeststrafe von je € 5.000,- (G108/10 und G109/10) verhängt worden sei, wobei er in den beiden letztgenannten Anträgen darauf hinwies, dass nach der (keine Mindeststrafen vorsehenden) alten Rechtslage lediglich Geldstrafen iHv € 150,- bzw. € 300,- verhängt worden seien. In den den zu G149/10 und G53/10, G127/10 protokollierten Anträgen zugrundeliegenden erstinstanzlichen Straferkenntnissen sei in Anwendung der Regelung des § 20 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG) in Unterschreitung der Mindeststrafe des Abs 1 bzw. Abs 4 des § 120 FPG eine Geldstrafe von € 500,- bzw. je € 2.500,- verhängt worden.

Diese Ausführungen werden - entsprechend den zugrunde liegenden Sachverhalten - insofern ergänzt, als der UVS Vorarlberg in den zu G110/10, G129/10 und G130/10 protokollierten Anträgen anführt, dass die Mindeststrafe des Abs 1 und 4 des § 120 FPG - im Gegensatz zu der in den jeweiligen erstinstanzlichen Straferkenntnissen vertretenen Rechtsauffassung - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur maßgeblichen Rechtslage bei Dauerdelikten auch bei jenen Taten anzuwenden sei, in denen die Tat bereits im Jahr 2009 begonnen und bis zur erstinstanzlichen Bestrafung des Beschuldigten im Jahr 2010 fortgedauert habe. In dem zu G182/10 protokollierten Antrag führt der UVS aus, dass bei der erstinstanzlichen Verhängung der Geldstrafe übersehen worden sei, dass der Beschuldigte bereits einmal gemäß § 120 Abs 1 Z 2 FPG bestraft worden sei, weshalb über den Beschuldigten "eine Mindeststrafe in der Höhe von 5.000 Euro zu verhängen" gewesen wäre. Zwar könne in den genannten Fällen auf Grund der Bestimmung des § 51 Abs 6 VStG in der Berufungsentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden als im erstinstanzlichen Strafbescheid (gegenständlich: je € 500,- bezügl. G110/10, G129/10 sowie G130/10 und € 1.000,- bezügl. G182/10), jedoch führe die Bestimmung über die Mindeststrafe von € 5.000,- in § 120 Abs 4 FPG dazu, dass eine Herabsetzung der Geldstrafe in der jeweiligen Berufungsentscheidung nicht möglich sei. Daraus ergebe sich, dass der Erfolg der Berufungen davon abhänge, ob die in den Anträgen genannte Gesetzesstelle verfassungsmäßig sei oder nicht.

Hinsichtlich der Zulässigkeit seines zu G200/10 protokollierten Antrages führte der UVS Steiermark zur Präjudizialität aus, dass er bei seiner Entscheidung über die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis § 120 Abs 4 FPG anzuwenden habe, da die erstinstanzliche Behörde § 120 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 FPG angewendet und die Mindeststrafe von € 5.000,- verhängt habe.

Die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen in § 120 Abs 1 und 4 FPG begründet der UVS Vorarlberg in dem zu G53/10 protokollierten Antrag wörtlich wie folgt:

"Mit der Novelle des FPG, BGBl I Nr 122/2009, wurden die im § 120 Abs 1, 2, 3 und 4 FPG nun vorgesehenen Mindeststrafen eingeführt. Die Abs 2 und 3 des § 120 FPG normieren nun einen verwaltungsrechtlichen Straftatbestand. Vor dieser Novelle handelte es sich bei den in § 120 Abs 2 und 3 FPG pönalisierten Delikten um gerichtliche Straftatbestände (vgl dazu 330 BlgNR 24. GP, §§120 samt Überschrift und 121).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes begrenzt das Sachlichkeitsgebot den Spielraum des Gesetzgebers bei der Festlegung von Sanktionen für rechtswidriges Verhalten. Der Verfassungsgerichtshof hat es insbesondere für unzulässig angesehen, wenn eine absolute Strafdrohung unabhängig vom Grad des Verschuldens und unabhängig von der Höhe des durch eine Gesetzesübertretung bewirkten Schadens vorgesehen ist (VfSlg 9901/1983 zur Strafe des Verfalls), mit der Folge, dass eine Regelung ihrem System nach ein exzessives Missverhältnis zwischen der Höhe der Strafe einerseits und dem Grad des Verschuldens und der Höhe des verursachten Schadens andererseits einschließt (vgl ua).

Der Verfassungsgerichtshof hat außerdem ausgesprochen, dass das Sachlichkeitsgebot auch den Fall verpöne, in dem ein exzessives Missverhältnis zwischen dem unter Strafsanktion gestellten Verhalten und der als primäre Rechtsfolge vorgesehenen Geldstrafe gegeben ist (VfSlg 12.151/1989). Dagegen sei es nicht unsachlich, wenn sich die Strafhöhe vor allem am Strafzweck orientiere (VfSlg 7967/1976), welcher nur dann erreicht werden könne, wenn die für den Fall des vorsätzlichen rechtswidrigen Verhaltens vorgesehene Strafe derart empfindlich sei, dass ein in der Regel normgemäßes Verhalten durchgesetzt werden könne. Im Erkenntnis VfSlg. 15.677/1999 hielt der Verfassungsgerichtshof fest, dass die Strafdrohung (20 000 S) noch keine betragsmäßige Höhe erreicht hätte, die mit den hergebrachten der Rechtsordnung immanenten Zwecken der Verwaltungsstrafe nicht mehr vereinbar wäre.

Im Erkenntnis VfSlg 13.790/1994 hielt der Verfassungsgerichtshof die Strafsätze des § 28 Abs 1 Z 1 AusIBG idF BGBl. Nr. 231/1988 von (damals) 5 000 S bis zu 60 000 S für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer sowie im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 10 000 S bis zu 120 000 S und - bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern - für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer von 10 000 S bis zu 120 000 S für verfassungsrechtlich unbedenklich. Er hielt fest, dass der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Strafdrohung für Verwaltungsübertretungen dieser Art, insbesondere für Fälle einer lang andauernden Fortsetzung oder wiederholten Begehung der Straftat, den möglichen wirtschaftlichen Nutzen in Betracht ziehen dürfe, den der Täter durch das verbotene Verhalten erziele. Andernfalls könne es bei ausreichend hohem wirtschaftlichem Interesse dazu kommen, dass der Strafbetrag als bloßer Preis des erwarteten Nutzens kalkuliert werde, und die Strafdrohung ihren Zweck verfehle. Der Verfassungsgerichtshof konnte nicht erkennen, dass das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Vorschriften über die Kontrolle der Ausländerbeschäftigung Strafen dieser Höhe nicht rechtfertigen würde. Von einem Exzess könne in Ansehung der Strafsätze angesichts des möglichen Nutzens einer länger dauernden Beschäftigung und im Hinblick darauf, dass im einzelnen Strafsatz auch sehr lange Zeit hindurch fortgesetzte Straftaten erfasst werden müssen, nicht die Rede sein.

Die oben wiedergegebenen Bestimmungen des § 120 Abs 1 bis 4 FPG führen dazu, dass das Erschleichen eines rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet (§120 Abs 2 FPG) und die Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt (§120 Abs 3 FPG), welche einen schwerwiegenderen Unrechtsgehalt aufweisen und deshalb bisher gerichtlich strafbare Tatbestände waren, mit derselben Mindeststrafe von 1.000 bzw 5.000 Euro bedroht sind wie jenes Delikt, das der Berufungswerber begangen hat. Eine sachliche Rechtfertigung dafür ist für den vorlegenden UVS nicht erkennbar und wird auch in den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle nicht genannt. Zu berücksichtigen ist im Hinblick auf diese Mindeststrafdrohungen nämlich, dass unter diese Bestimmungen auch Fälle mit geringem Unrechtsgehalt fallen, wie etwa:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Der EWR-Bürger, der ohne gültigen Reisepass einreist.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Der abgewiesene Asylwerber, der im Bundesgebiet aufhältig ist und für den kein Heimreisezertifikat erwirkt werden kann.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Der Fremde, der die Verlängerung seines Sichtvermerks versäumt.

Diese Erwägungen begründen nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der obgenannten Bestimmungen. Auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G143/02 ua, sowie auf die dort zitierte Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes wird verwiesen.

Aus diesem Grunde wird der oben ersichtliche Antrag gestellt."

Dieses Antragsvorbringen erneuert der UVS Vorarlberg - leicht modifiziert - in den weiteren Anträgen. In dem zu G182/10 protokollierten Antrag führt er - ebenso wie in G183/10 - überdies Folgendes aus:

"Weiters ist die vorgesehene Mindeststrafe [aus] Sicht des vorlegenden UVS auch deshalb unsachlich, da Übertretungen des § 120 Abs 1 FPG typischerweise von Personen mit (sehr) ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen begangen werden. Die vorgesehenen Mindeststrafen werden daher in einer nicht unbeachtlichen Zahl der Fälle - da mangels Vermögen die Ersatzfreiheitsstrafe angetreten werden muss - wie primäre Freiheitsstrafen wirken."

Der UVS Steiermark begründet die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Wendung in § 120 Abs 4 FPG in seinem zu G200/10 protokollierten Antrag - nach Wiedergabe der Materialen zu § 120 FPG (RV 330 BlgNR, 24. GP, 37) - wörtlich wie folgt:

"2. Die nach der Geschäftsverteilung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark zuständige Kammer hat das Bedenken, dass die angefochtene Bestimmung gegen das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus dem Gleichheitssatz, der auch den Gesetzgeber bindet, abgeleitete allgemeine Sachlichkeitsgebot verstößt. Danach müssen (unter anderem) wesentlich ungleiche Tatbestände zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen (Mayer, B-VG, 4. Auflage, [2007] Art 2 StGG III.1.).

So begrenzt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu Art 7 Abs 1 B-VG das Sachlichkeitsgebot den Spielraum des Gesetzgebers bei der Festlegung von Sanktionen für rechtswidriges Verhalten. Der Verfassungsgerichtshof hat es insbesondere für unzulässig angesehen, wenn eine absolute Strafdrohung unabhängig vom Grad des Verschuldens und unabhängig von der Höhe des durch eine Gesetzesübertretung bewirkten Schadens vorgesehen ist (VfSlg 9901), sodass eine Regelung ihrem System nach ein exzessives Missverhältnis zwischen der Höhe der Strafe einerseits und dem Grad des Verschuldens und der Höhe des verursachten Schadens andererseits einschließt (VfSlg 10904). Danach ist es insbesondere verpönt, dass ein exzessives Missverhältnis zwischen dem unter Strafsanktion gestellten Verhalten und der als primäre Rechtsfolge vorgesehenen Geldstrafe gegeben ist (VfSlg 12151). Hingegen ist es nicht unsachlich, wenn sich die absolute Strafhöhe vor allem am Strafzweck orientiert, da dieser nur dann erreicht werden kann, wenn die für den Fall des vorsätzlichen rechtswidrigen Verhaltens vorgesehene Strafe derart empfindlich ist, dass ein in der Regel normgemäßes Verhalten durchgesetzt wird (VfSlg 7967).

3. Der nicht in Ziffern zu messende Unrechtsgehalt des Tatbestandes nach § 120 Abs 1 Z 2 FPG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes 'hoch'. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 36 Abs 2 Z 2 FRG 1997 ist die Übertretung des Fremdengesetzes durch den unrechtmäßigen Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung (, 2000/18/0095; , 98/18/0125). Da dies auf § 60 Abs 2 Z 2 FPG 2005 übertragen werden kann, scheint es grundsätzlich mit dem Sachlichkeitsgebot vereinbar, dass der Gesetzgeber für den Fall wiederholter Tatbegehung eine höhere Mindeststrafe normiert als bei erstmaliger Tatbegehung.

4. Der nach § 120 Abs 1 bzw. Abs 4 FPG sanktionierte Verstoß gegen § 31 Abs 1 FPG, der bei Fehlen einer von sechs möglichen Alternativen nach § 31 Abs 1 FPG begangen wird, stellt ein Ungehorsamsdelikt im Sinn des § 5 Abs 1 VStG dar, weil zum Tatbestand dieser Übertretung nicht der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört, wobei unterstellt wird, dass die Tat fahrlässig begangen wurde, wenn der Täter nicht im Sinn des § 5 Abs 1 VStG glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung des § 31 Abs 1 FPG kein Verschulden trifft. Demgegenüber setzt die Begehung der Übertretungen nach § 120 Abs 2 Z 1 und 2 FPG und § 120 Abs 3 Z 1 und 2 FPG voraus, dass der Täter wissentlich, also vorsätzlich handelt. Entsprechend hoch waren die Strafen für die betreffenden Taten: Die bis vor der Novelle BGBl I 2009/122 in § 119 Abs 1 und 2 geregelten Tatbestände (nunmehr § 120 Abs 2 FPG), waren vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Die nunmehrigen Tatbestände des § 120 Abs 3 Z 1 und 2 FPG, die bis vor der genannten Novelle in § 114 Abs 1 bzw. § 115 Abs 1 geregelt waren, waren vom Gericht im erstgenannten Fall mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, im zweitgenannten Fall mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Unbeschadet des Umstandes, dass die genannten vier ehemals gerichtlich zu ahndenden Straftatbestände nun verwaltungsrechtliche Straftatbestände bilden und nicht mehr mit primärer Freiheitsstrafe bedroht sind, unterscheidet sich § 120 Abs 1 Z 2 FPG aber insofern nach wie vor von den vier in den Absätzen 2 und 3 geregelten Tatbeständen, als im erstgenannten Fall die Tat fahrlässig begangen werden kann bzw. es in der Regel bei der Annahme fahrlässiger Tatbegehung bleibt, im zweitgenannten Fall aber die Taten nur in der schweren Verschuldensform der Wissentlichkeit begangen werden können.

Scheint, wie bereits erwähnt, im Wiederholungsfall grundsätzlich eine höhere Mindeststrafdrohung zulässig als im Fall einer erstmaligen Übertretung, erweckt die Verfünffachung der Mindeststrafe bei wiederholter Tatbegehung im Vergleich zur erstmaligen Tatbegehung jedoch den Eindruck, überschießend bzw. exzessiv zu sein, weil dabei außer Betracht bleibt, dass Übertretungen, die nur wissentlich begangen werden können, nach der neu eingeführten Regelung des § 120 Abs 4 FPG der gleichen Sanktion unterworfen werden wie Übertretungen nach § 120 Abs 1 Z 2 FPG, zu deren Begehung Fahrlässigkeit genügt. Da der Gesetzgeber trotz gravierender Unterschiede im Grad des Verschuldens die gleiche Mindeststrafe vorgesehen hat und somit ungleiche Sachverhalte gleich behandelt hat, liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor.

5. Auch scheint der Gesetzgeber Folgendes nicht bedacht zu haben: Nach § 120 Abs 1 Z 2 zweiter Satz FPG gilt als Tatort der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes. Wird im Fall einer Bestrafung der Ort der Betretung als Tatort bezeichnet, hat das zur Folge, dass in der Regel die Tatzeit im Sinn des § 44a Z 1 VStG mit dem Zeitpunkt der Betretung bestimmt wird, auch wenn der illegale Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet - etwa im Fall einer Ausweisung seit deren rechtskräftiger Erlassung - wesentlich länger gedauert hat. Die Androhung einer Mindeststrafe von € 5.000,00 nach Abs 4 differenziert aber nicht danach, ob der Fremde sich nur zu einem bestimmten Zeitpunkt oder über einen langen Zeitraum illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat. Hält man sich vor Augen, dass es sich beim illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet um ein fortgesetztes Delikt handelt, ist die Bezirksverwaltungsbehörde, sollte sich der Fremde nach seiner erstmaligen Bestrafung weiterhin - oder neuerlich - im Bundesgebiet aufhalten, nur durch die Erfassungswirkung der ersten Bestrafung, die bis zur Erlassung des Straferkenntnisses reicht, darin beschränkt, den Fremden nach erstmaliger Tatbegehung ein weiteres Mal bzw. weitere Male zu bestrafen, wobei die Bestrafung dann immer nach § 120 Abs 4 FPG erfolgen kann. Auch in Fällen, in denen sich die Tatzeit (wie im gegenständlichen Fall) auf den Zeitpunkt der Betretung beschränkt, scheint die Mindeststrafe bei wiederholter Tatbegehung daher überschießend bzw. exzessiv.

Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Ersatzfreiheitsstrafe häufig zu vollziehen sein wird, weil Fremde, zumal wenn es sich um ehemalige Asylwerber handelt, die in Grundversorgung standen, kein Einkommen haben und dann der Vollzug der Freiheitsstrafe sogar zum Regelfall wird.

Nach Ansicht der zuständigen Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ist daher die Wendung '1,' in § 120 Abs 4 FPG verfassungswidrig, weshalb deren Aufhebung beantragt wird."

2. Die Bundesregierung erstattete im Verfahren G53/10 eine Äußerung. Darin bestreitet sie die Zulässigkeit des Antrages des UVS Vorarlberg einerseits mit dem Argument, dass dieser nicht hinreichend klar sei und daher den Formerfordernissen des § 62 VfGG nicht genügen würde. Des weiteren vertritt sie die Auffassung, dass "die beantragte Aufhebung der Zahl '1,' in § 120 Abs 4 FPG" bloß dazu führen würde, dass "eine Bestimmung, die die Straftat gemäß Abs 1 im Wiederholungsfall unter strengere Strafen stellt, … im Gesetz nicht mehr enthalten" wäre. Da dies dem Willen des Gesetzgebers nicht entspräche und im Antrag nicht ausgeführt werde, ob sich die Bedenken auf Art 7 B-VG und Art 2 StGG oder auf das Bundesverfassungsgesetz über die Beseitigung rassischer Diskriminierung stütze, wäre der Antrag auch schon aus diesen Gründen als unzulässig zurückzuweisen. Ergänzend vertritt die Bundesregierung zur möglichen Aufhebung der in § 120 Abs 4 FPG vorgesehenen Mindeststrafe folgende Auffassung:

"Zu beachten ist aber, dass mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (BGBI. I Nr. 122/2009) ua. eine Neustrukturierung der Strafbestimmungen im FPG vorgenommen wurde. Zum Einen wurden Tatbestände aus der Systematik der Gerichtsstrafen herausgelöst und nunmehr bei diesen Delikten Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen. Zum Anderen wurden neue gerichtliche Tatbestände geschaffen. Weiters wurden in den Verwaltungsstraftatbeständen die Strafsätze adaptiert sowie Mindeststrafen eingeführt; insbesondere enthält der geltende § 120 Abs 1 und 4 FPG nunmehr angehobene Strafsätze. Diese Novelle trat mit in Kraft. Die Übergangsbestimmungen (§125 Abs 12 FPG idF BGBI. I Nr. 122/2009) regeln, dass die §§114 bis 121 FPG idF BGBI. I Nr. 29/2009 für strafbare Handlungen, die vor dem begangen worden sind, weiterhin gelten.

Der angefochtene § 120 Abs 4 FPG regelt explizit die Wiederholungsfälle des § 120 Abs 1 bis 3 FPG. Ausschlaggebend für die Anwendung dieser Norm ist, dass der Täter wegen 'einer solchen Tat' bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde. Eine solche (Erst )Tat kann nach Auffassung der Bundesregierung nur eine Tat sein, die nach Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009 verübt wurde. Demgemäß würden ältere - noch mit geringerer Strafdrohung bewehrte - Verwaltungsübertretungen als qualifizierende Vortat ausscheiden. Für ein solches Verständnis kann eine systematische Wortsinninterpretation der Strafbestimmung des § 120 Abs 1 und 4 und der Übergangsbestimmung des § 125 Abs 12 FPG idgF ins Treffen geführt werden. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass - wie gezeigt - die Strafbestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 eine vollkommen neue Systematik erhalten haben. Auch wenn die Straftatbestände inhaltlich oft unverändert geblieben sind, ist aus Sicht der Bundesregierung eine direkte Vergleichbarkeit nicht gegeben, sodass sich im Hinblick auf Wiederholungstäter eine 'kombinierte' Anwendung der alten und neuen Rechtslage verbietet (vgl. dazu auch die Verwaltungsstraftatbestände des § 120 Abs 2 und 3 FPG, die bis zum Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009 noch gerichtliche Straftatbestände darstellten [§§114 Abs 1 und 115 Abs 1 FPG idF BGBI. I Nr. 29/2009] und sich daher von vornherein einer Eingliederung in die neue Systematik der Wiederholungstaten gemäß § 120 Abs 4 FPG entziehen; die alleinige Anwendbarkeit des § 120 Abs 4 FPG auf die Fälle des jetzigen § 120 Abs 1 leg. cit. würde insofern einen Systembruch bedeuten).

Wie dem Sachverhalt zu entnehmen ist, wurde gegen den Berufungswerber bereits im Jahr 2006, also zeitlich vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009, eine Verwaltungsstrafe gemäß § 120 Abs 1 Z 1 FPG idF BGBI. I Nr. 100/2005 verhängt. Die - zu einer Schlechterstellung des Berufungswerbers führende - Wertung der Tat aus dem Jahre 2010 als Wiederholungstat im Sinne des § 120 Abs 4 FPG idF BGBI. I Nr. 122/2009 ist daher im Sinne der obigen Ausführungen nicht zutreffend.

Unter Zugrundelegung der obenangeführten systematischen Wortsinninterpretation stellt sich die Anwendung des § 120 Abs 4 FPG im Anlassverfahren nach Auffassung der Bundesregierung als denkunmöglich dar, sodass es an der Präjudizialität dieser Bestimmung fehlt."

In der Sache vertritt die Bundesregierung in ihrer Äußerung die Auffassung, dass die Bedenken des antragstellenden UVS Vorarlberg nicht zutreffen, dies mit folgender wörtlicher Begründung:

"2.1. Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art 7 Abs 1 B-VG und Art 2 StGG ist grundsätzlich jedes staatliche Handeln den Maximen der Gleichbehandlung und Sachlichkeit unterworfen. Für den Gesetzgeber bedeutet dies, dass er an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen knüpfen muss; wesentlich ungleiche Tatbestände müssen zu entsprechend unterschiedlichen Rechtsfolgen führen (z.B. VfSlg. 11.190/1986, 11.641/1988, 13.477/1993, 14.521/1996; Berka, in:

Rill/Schäffer [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Kommentar, Art 7 B-VG, S. 26 ff; Mayer, B-VG4, 2007, Art 2 StGG, S. 570 ff mwH). Im Rahmen des durchzuführenden Normenvergleichs ist zu fragen, ob die jeweils erfassten Sachverhalte so unterschiedlich sind, dass sie die unterschiedlichen Rechtsfolgen zu tragen vermögen (z.B. VfSlg. 16.635/2002, 17.309/2004) oder ob die verschiedenen Sachverhaltselemente es trotz ihrer Verschiedenheit zulassen, mit der gleichen Rechtsfolge bedacht zu werden (z.B. VfSlg. 13.965/1994, 16.176/2001). Auf Grund des Bundesverfassungsgesetzes über die Beseitigung rassischer Diskriminierung gelten diese aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Grundsätze auch im Verhältnis von Fremden untereinander.

In Bezug auf die Festsetzung der Höhe einer Strafe sind dem Gleichheitssatz keine absoluten Vorgaben zu entnehmen. Gewisse Grenzen sind durch die Freiheitsrechte gesetzt, in die die Strafdrohung eingreift; diese Grenzen sind allerdings weit gesteckt, denn wie hoch das Gewicht des jeweils geschützten Rechtsgutes veranschlagt wird, unterliegt dem Wertungsspielraum des Gesetzgebers (vgl. Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz, 2008, S. 513).

Der Verfassungsgerichtshof nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass Strafen in einem angemessenen Verhältnis zum Grad des Verschuldens und zur Höhe des durch das Vergehen bewirkten Schadens stehen müssen (VfSIg. 9901/1983, 10.597/1985, 10.904/1986, 11.587/1987, 12.240/1989, 12.763/1991, 15.785/2000, 16.633/2002, 17.719/2005). Um Gefahren für gewichtige Ziele abzuwehren, sind strenge Strafdrohungen folglich gerechtfertigt (z.B. VfSIg. 15.785/2000). Die Strafhöhe darf sich auch direkt am Strafzweck selbst (VfSlg. 7967/1976, 15.677/1999) bzw. an externen Zwecken orientieren. In Betracht kommt hier neben legistisch bedingten Typisierungen auch der Strafzweck der Generalprävention. Dieses kollektive Ziel kann es rechtfertigen, dass Personen in gleicher Lage ungleich und solche in ungleicher Lage gleich behandelt werden (vgl. Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz, 2008, S. 511).

2.2. Die Aufgaben der Fremdenpolizei werden in § 2 Abs 2 FPG definiert. Dazu gehören die Überwachung der Einreise Fremder in das Bundesgebiet sowie die Verhinderung der rechtswidrigen Einreise, die \berwachung des Aufenthalts Fremder im Bundesgebiet, die Beendigung des rechtswidrigen Aufenthaltes sowie die Verhinderung und Beendigung strafbarer Handlungen nach diesem Bundesgesetz.

Die detaillierten Regelungen, die das Fremdenpolizeigesetz, aber auch das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz in diesem Zusammenhang treffen, zeigen deutlich, welche Bedeutung der Gewährleistung einer rechtmäßigen Einreise und eines rechtmäßigen Aufenthalts vom Gesetzgeber beigemessen wird. So wird eine der Kernaufgaben der Fremdenpolizei mit der Regelung des § 120 Abs 1 FPG festgeschrieben, wodurch ein geeignetes Mittel geschaffen wurde, um der illegalen Einreise und dem illegalen Aufenthalt Fremder entgegenzuwirken.

Die in § 120 Abs 1 FPG angeführten Übertretungen stellen - offenbar entgegen der Auffassung des antragstellenden UVS - einen schwerwiegenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar und laufen einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens zuwider. Ein solcher geordneter Vollzug liegt im öffentlichen Interesse, um insbesondere die öffentliche Ordnung und Sicherheit aufrecht erhalten zu können. Der nicht rechtmäßige Aufenthalt Fremder in Österreich hat in seinen Auswirkungen wesentlich an Bedeutung zugenommen und beeinflusst unter anderem auch nachhaltig das Sicherheitsgefühl der Wohnbevölkerung.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber reagiert und u.a. in den Verwaltungsstraftatbeständen die Strafsätze adaptiert bzw. den Strafrahmen angehoben. In den Erläuterungen zum angefochtenen § 120 Abs 1 und 4 FPG wird ausgeführt, dass die vorgesehene Höhe auf Grund des Unrechtsgehalts dieser Tat und in Bezug auf die Systematisierung der Verwaltungsstrafen im Fremdenrecht geboten sei bzw. dass sich die zu verhängenden Strafen am neuen System der Verwaltungsstrafen im Fremdenrecht orientieren (RV 30 BIgNR 24. GP). Auch generalpräventive Erwägungen sind dabei eingeflossen, zumal die illegale Einreise und der illegale Aufenthalt häufig weitere die öffentliche Sicherheit gefährdende Handlungen nach sich ziehen.

2.3. Somit stellt sich - ausgehend vom Antragsvorbringen - die verfassungsrechtliche Frage, ob der Gesetzgeber bei der Schaffung der Mindeststrafe in § 120 Abs 1 (und Abs 4) FPG in vertretbarer Weise das verpönte Verhalten als einen so gravierenden Verstoß ansehen durfte, dass - im Hinblick auf die Bedeutung der mit der übertretenen Vorschrift geschützten Rechtsgüter und ihre Erforderlichkeit zum Schutz derselben unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums - die gleiche Mindeststrafdrohung wie bei Übertretungen nach § 120 Abs 2 und 3 FPG gerechtfertigt ist.

Diese Frage ist nach Auffassung der Bundesregierung zu bejahen, dient doch die mit der in Rede stehenden Mindeststrafe sanktionierte Verwaltungsvorschrift dem Schutz eines geordneten Fremden- und Zuwanderungswesens und somit einem zentralen öffentlichen Interesse. Gesamtsystematisch stellen die in § 120 Abs 2 und 3 FPG normierten Übertretungen ebenfalls schwerwiegende Verstöße dar, die aber nicht a priori schwerer oder leichter wiegen als die in § 120 Abs 1 FPG genannten (und daher konsequenterweise nicht nur mit der gleichen Mindest-, sondern auch mit der gleichen Höchststrafe bedroht sind).

Erst durch das Hinzutreten von zusätzlichen Kriterien (z.B. Entgeltlichkeit, Gewerbsmäßigkeit, größere Zahl von Fremden, kriminelle Vereinigung, unrechtmäßige Inanspruchnahme von sozialen Leistungen) erhalten die in den § 120 Abs 2 und 3 FPG normierten Übertretungen einen weitaus größeren Unrechtsgehalt. Dem hat der Gesetzgeber durch die Normierung entsprechender gerichtlicher Strafbestimmungen, nämlich in § 114 FPG (Schlepperei), § 115 FPG (Entgeltliche Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt) und § 119 FPG (Unrechtmäßige Inanspruchnahme von sozialen Leistungen), Rechnung getragen.

2.4. Auch die vom antragstellenden UVS angeführten Beispiele sind nicht geeignet, ein Missverhältnis im Unrechtsgehalt zu belegen. Insbesondere ist das auf S. 5 des Antrags unter dem zweiten Spiegelstrich angeführte Beispiel untauglich. Der abgewiesene Asylwerber, der im Bundesgebiet aufhältig ist und für den - sofern die Gründe dafür nicht von ihm zu vertreten sind - kein Heimreisezertifikat erwirkt werden kann, ist gemäß § 46a FPG geduldet. Dies stellt gemäß § 120 Abs 5 Z 2 FPG gerade keine Verwaltungsübertretung dar.

Auch die weiteren Beispiele sind für die Annahme eines differierenden Unrechtsgehalts ungeeignet, denn sie stellen ebenso schwere Verstöße im Rahmen des Fremdenrechts dar und können nicht per se - wie vom antragstellenden UVS angenommen - als leichter Verstoß gewertet werden.

Im Fall eines Fremden, der die Verlängerung seines Sichtvermerks um nur einen Tag versäumt, mag sich der Unrechtsgehalt geringer darstellen als im Falle eines Fremden, der sich mehrere Monate hindurch aufgrund fehlenden Sichtvermerks nicht rechtmäßig in Österreich aufhält.

Gerade um solchen Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden, ist es der zuständigen Behörde unbenommen, alle für den jeweiligen Sachverhalt relevanten Umstände nachträglich zu prüfen und zu beurteilen. Dabei hat sie das jeweilige Verfahren nach dem Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) zu führen. Im Rahmen der Strafbemessung (§19 VStG) hat die jeweils zuständige Behörde stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und die in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe abzuwägen. Sollten die zugrundeliegenden Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen, so kann die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe um die Hälfte unterschritten werden (§20 VStG). Weiters besteht für die Behörde die Möglichkeit, von der Verhängung einer Strafe gegen den Beschuldigten gänzlich abzusehen, wenn kumulativ die Voraussetzung der Geringfügigkeit seines Verschuldens sowie die Unbedeutsamkeit der Folgen seiner Übertretung vorliegen (§21 VStG).

Die Anwendung der §§20 und 21 VStG ist nicht durch die Festsetzung einer Mindeststrafe ausgeschlossen, wie auch der Anlassfall belegt."

In den zu G108/10, G109/10, G110/10, G126/10, G127/10, G128/10, G129/10, G130/10, G148/10 und G149/10 protokollierten Verfahren verweist das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst auf die jeweils beiliegende Äußerung der Bundesregierung in dem zu G53/10 protokollierten Verfahren.

In dem zu G182/10 protokollierten Verfahren ergänzt die Bundesregierung ihre bisherige Äußerung dahingehend, dass die Bestimmung des § 120 Abs 4 FPG nicht präjudiziell sei, da es sich bei der konkreten Anwendung des § 120 Abs 4 FPG um eine "unzulässige Auswechslung der Verwaltungsübertretung, die Gegenstand des erstinstanzlichen Strafbescheides war" handle.

In der Sache ergänzt die Bundesregierung ihre bisherige Äußerung in den zu G182/10 und G183/10 protokollierten Anträgen mit dem Vorbringen, dass der Umstand, "[d]ass Übertretungen des § 120 Abs 1 FPG - wie vom antragstellenden UVS behauptet - typischerweise von Personen mit (sehr) ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen begangen werden, so dass die vorgesehenen Mindeststrafen in einer nicht unbeachtlichen Zahl der Fälle … wie primäre Freiheitsstrafen wirken würden, … die vorgesehene Mindeststrafe auch nicht unsachlich" mache. Der Vollständigkeit halber sei zu erwähnen, so die Bundesregierung weiter, dass das Verbot der Schuldhaft iSd Art 1 4. ZP-EMRK nur in Bezug auf die Uneinbringlichkeit vertraglicher Verpflichtungen bestehe.

In dem zu G200/10 protokollierten Verfahren verweist das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst auf die beiliegenden Äußerungen der Bundesregierung in den zu G53/10 und G182/10 protokollierten Verfahren.

Schließlich stellt die Bundesregierung den Antrag, die Gesetzprüfungsanträge als unzulässig zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, für das Außerkrafttreten eine Frist von achtzehn Monaten zu bestimmen.

3. Die mitbeteiligten Parteien haben teilweise eine Äußerung erstattet, in der sie, auf das Wesentliche zusammengefasst, die Auffassung des UVS Vorarlberg bekräftigen und beantragen, den Gesetzprüfungsanträgen des UVS Vorarlberg Folge zu geben und die jeweiligen Bestimmungen des § 120 FPG als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Zur Rechtslage

§ 120 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I 100, lautet in der Fassung BGBl. I 122/2009 wie folgt (die angefochtene Wortfolge und die angefochtene Wendung sind hervorgehoben):

"Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt

§120. (1) Wer als Fremder

1. nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist oder

2. sich nicht rechtsmäßig im Bundesgebiet aufhält,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

(2) Wer als Fremder

1. in einem Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder eines Aufenthaltstitels vor der zur Ausstellung eines solchen Titels berufenen Behörde wissentlich falsche Angaben macht, um sich einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, oder

2. in einem Asylverfahren vor dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof wissentlich falsche Angaben über seine Identität oder Herkunft macht, um die Duldung seiner Anwesenheit im Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen.

(3) Wer

1. wissentlich die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs fördert, oder

2. mit dem Vorsatz, das Verfahren zur Erlassung oder die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, einem Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union wissentlich erleichtert,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen.

(4) Wer eine Tat nach Abs 1, 2 oder 3 begeht, obwohl er wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 5 000 Euro bis zu 15 000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

(5) Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs 1 Z 2 liegt nicht vor,

1. wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§50) ist;

2. solange der Fremde geduldet ist (§46a),

3. im Fall des Aufenthalts eines begünstigten Drittstaatsangehörigen ohne Visum oder

4. solange dem Fremden die persönliche Freiheit entzogen ist.

(6) Eine Bestrafung gemäß Abs 1 Z 2 schließt eine solche wegen der zugleich gemäß Abs 1 Z 1 begangenen Verwaltungsübertretung aus.

(7) Eine Verwaltungsübertretung nach Abs 1 liegt nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

(8) Der Fremde, dem eine Tat nach Abs 3 zu Gute kommt oder kommen sollte, ist wegen Anstiftung oder Beihilfe nicht strafbar.

(9) Nach Abs 3 ist nicht strafbar, wer die Tat in Bezug auf seinen Ehegatten, seine Kinder oder seine Eltern begeht.

(10) Der Versuch in den Fällen der Abs 2 und 3 ist strafbar."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Zulässigkeit

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenat an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenates im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat darüber hinaus in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass der Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen ist, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 15.599/1999, 16.195/2001).

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003).

1.3. Die Annahme des UVS Vorarlberg in den zu G126/10, G128/10, G148/10, G149/10 und G183/10 protokollierten Anträgen, dass er die Bestimmung des § 120 Abs 1 FPG und somit auch die angefochtene Wortfolge "von 1 000 Euro" bei erstmaliger Tatbegehung in den bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden habe, ist denkmöglich. Auch trifft die Annahme des UVS Vorarlberg und des UVS Steiermark in den zu G53/10, G108/10, G109/10, G110/10, G127/10, G129/10, G130/10, G182/10 und G200/10 protokollierten Anträgen zu, dass sie den Abs 4 des § 120 FPG und somit auch die angefochtene Verweisung auf Abs 1 in Abs 4 leg.cit. denkmöglich anzuwenden haben. Da § 120 Abs 1 FPG im Falle der Aufhebung der Verweisung auf Abs 1 in Abs 4 leg.cit. auch dann anzuwenden ist, wenn eine wiederholte Tatbegehung vorliegt (vgl. VfSlg. 10.617/1985), ist der Anfechtungsumfang in den zu G53/10, G108/10, G109/10, G110/10, G127/10, G129/10, G130/10 und G182/10 protokollierten Anträgen nicht zu weit. Die Anträge sind daher zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Auf das Wesentliche zusammengefasst vertritt der UVS Vorarlberg unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Festlegung von Sanktionen die Auffassung, dass der Gesetzgeber die Grenzen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes bei der Festlegung der Mindeststrafen in § 120 Abs 1 und 4 FPG überschritten habe, da seit der Novelle zum Fremdenpolizeigesetz BGBl. I 122/2009 durch die Einführung der Mindeststrafe "ein exzessives Missverhältnis zwischen der Höhe der Strafe einerseits und dem Grad des Verschuldens und der Höhe des verursachten Schadens andererseits" bestehe. Auch seien die Mindeststrafen in § 120 Abs 1 und 4 FPG im Hinblick auf die Delikte des Abs 2 und 3 des § 120 FPG, die einen schwerwiegenderen Unrechtsgehalt aufwiesen und mit derselben Mindeststrafe bedroht seien, sachlich nicht gerechtfertigt. Ähnlich vertritt der UVS Steiermark die Auffassung, dass der Gesetzgeber in unsachlicher Weise trotz gravierender Unterschiede im Grad des Verschuldens der in § 120 Abs 1, 2 und 3 FPG geregelten Delikte dieselbe Mindeststrafe in Abs 4 leg.cit. für den Fall der Wiederholung vorgesehen habe. Zudem lasse die in Abs 4 des § 120 FPG eingeführte Mindeststrafe von € 5.000,- eine Differenzierung nach der Dauer des unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht zu. Die antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenate weisen weiters darauf hin, dass die Mindest(geld)strafen auf Grund der typischen Mittellosigkeit der Normunterworfenen im Wege der Ersatzfreiheitsstrafen letztlich wie primäre Freiheitsstrafen wirken würden.

2.3. Die Bundesregierung hingegen verteidigt die neue Rechtslage unter Hinweis darauf, dass die Einführung der Mindeststrafe schon deshalb sachlich sei, "dient [sie] doch … dem Schutz eines geordneten Fremden- und Zuwanderungswesens und somit einem zentralen öffentlichen Interesse". Gesamtsystematisch würden die in § 120 Abs 2 und 3 FPG normierten Übertretungen ebenfalls schwerwiegende Verstöße darstellen, die aber nicht a priori schwerer oder leichter wiegen würden als die in § 120 Abs 1 FPG genannten und daher konsequenterweise nicht nur mit der gleichen Mindest-, sondern auch mit der gleichen Höchststrafe bedroht seien. Aus der Sicht der Bundesregierung seien die vom antragstellenden UVS Vorarlberg angeführten Beispiele nicht geeignet, ein Missverhältnis im Unrechtsgehalt zu belegen. Insbesondere erfolge gemäß § 120 Abs 5 Z 2 FPG gerade keine Bestrafung für einen gemäß § 46a FPG geduldeten "abgewiesenen Asylwerber", für den kein Heimreisezertifikat erwirkt werden könne. Für Besonderheiten des Einzelfalles, so die Auffassung der Bundesregierung weiter, sei es der zuständigen Behörde jedenfalls unbenommen, alle für den jeweiligen Sachverhalt relevanten Umstände im Rahmen der Strafbemessung gemäß § 19 VStG zu prüfen und zu beurteilen. Überdies sei die Anwendung der §§20 und 21 VStG trotz vorgesehener Mindeststrafe nicht ausgeschlossen. Auch mache der Umstand, dass die vorgesehenen Mindeststrafen in vielen Fällen wie primäre Freiheitsstrafen wirken würden, die Neuregelung des § 120 Abs 1 und 4 FPG nicht unsachlich.

2.4. Damit ist die Bundesregierung nicht im Recht.

2.4.1. Durch die am in Kraft getretene Novelle BGBl. I 122/2009 zum Fremdenpolizeigesetz 2005 wurden unter der Überschrift "Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt" mehrere Verwaltungsstraftaten, die systematisch diesem Themenkreis unterfallen, in einer Bestimmung zusammengefasst und die Strafrahmen dieser Regelungen verändert. Insbesondere wurde mit der in § 120 Abs 1 FPG angefochtenen Wortfolge eine Mindeststrafe von € 1.000,-, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, vorgesehen; im Wiederholungsfall wurde nunmehr, - wie die Erläuterungen zu dieser Novelle belegen (RV 330 BlgNR 24. GP, 37) - "um den Unrechtsgehalt der Übertretungen zu verdeutlichen und diesem Nachdruck zu verleihen", die Strafbarkeit dahingehend verschärft, dass nunmehr eine Mindestgeldstrafe von € 5.000,- oder eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen normiert wurde. Im Übrigen ergibt sich aus den Erläuterungen bloß, dass aus der Sicht des Gesetzgebers der neue Strafrahmen des § 120 Abs 1 FPG "auf Grund des Unrechtsgehalts dieser Tat und in Bezug auf die Systematisierung der Verwaltungsstrafen im Fremdenrecht" geboten sei (RV 330 BlgNR 24. GP, 37).

2.4.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes begrenzt das Sachlichkeitsgebot den Spielraum des Gesetzgebers bei der Festlegung von Sanktionen für rechtswidriges Verhalten. Der Verfassungsgerichtshof hat es insbesondere für unzulässig angesehen, wenn eine absolute Strafdrohung unabhängig vom Grad des Verschuldens und unabhängig von der Höhe des durch eine Gesetzesübertretung bewirkten Schadens vorgesehen ist (vgl. VfSlg. 9901/1983 zur Strafe des Verfalls), mit der Folge, dass eine Regelung ihrem System nach ein exzessives Missverhältnis zwischen der Höhe der Strafe einerseits und dem Grad des Verschuldens und der Höhe des verursachten Schadens andererseits einschließt (vgl. VfSlg. 10.904/1986, ähnlich bereits VfSlg. 10.597/1985). In Fortführung dieser Rechtsprechung sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass das Sachlichkeitsgebot auch den Fall verpöne, in dem ein exzessives Missverhältnis zwischen dem unter Strafsanktion gestellten Verhalten und der als primären Rechtsfolge vorgesehenen Geldstrafe gegeben ist (VfSlg. 12.151/1989). Werde hingegen der Strafzweck nur erreicht, wenn die für den Fall des vorsätzlichen rechtswidrigen Verhaltens vorgesehene Strafe derart empfindlich sei, dass ein in der Regel normgemäßes Verhalten durchgesetzt werden könne, stelle sich - so lange die Strafdrohung noch keine betragsmäßige Höhe erreicht, die mit den hergebrachten, der Rechtsordnung immanenten Zwecken der Verwaltungsstrafe nicht mehr vereinbar wäre - auch eine Mindeststrafe als verfassungsrechtlich zulässig dar. In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof in Fortführung seiner Rechtsprechung zu § 28 Abs 1 Z 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz in seinem Erkenntnis VfSlg. 18.775/2009 erneut festgestellt, dass die im Ausländerbeschäftigungsgesetz vorgesehenen Mindeststrafen aus spezial- und generalpräventiven Gründen zur effizienten Bekämpfung der illegalen Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern zulässig sei, da die Anhebung der Mindeststrafsätze noch nicht in einem Ausmaß erfolgt sei, "dass das Gewicht der Mindeststrafdrohung nunmehr außer Verhältnis zum Gewicht der damit verfolgten Ziele stünde". In diesem Erkenntnis konnte der Verfassungsgerichtshof auch nicht erkennen, dass sich die tatsächlichen Umstände derart geändert hätten, dass die mit der Mindeststrafdrohung verfolgten Ziele nicht mehr erreicht werden könnten.

2.4.3. Vor diesem Hintergrund sind die durch die Novelle BGBl. I 122/2009 zum Fremdenpolizeigesetz eingeführten Mindeststrafen von € 1.000,- in § 120 Abs 1 FPG und von € 5.000,- in Abs 4 leg.cit. verfassungsrechtlich wie folgt zu beurteilen:

Die Festsetzung einer Mindeststrafe von € 1.000,- ist unsachlich, weil die von der Mindeststrafe des § 120 Abs 1 FPG erfassten Tatbestände der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthalts auf eine Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte anzuwenden sind und damit Verstöße ganz unterschiedlicher Gravität erfassen, ohne dabei hinreichend die Berücksichtigung dieser Unterschiede zu ermöglichen; so fallen - wie die Anträge belegen - Sachverhalte wie etwa die Betretung in Österreich ohne Reisepass (wenn dieser im Niederlassungsstaat vergessen wurde) ebenso wie ein beharrlicher unrechtmäßiger Aufenthalt über mehrere Jahre unter dieselbe Mindeststrafdrohung. Diese Beispiele verdeutlichen, dass gänzlich unterschiedliche Verhaltensweisen zumindest mit derselben Mindeststrafe zu ahnden sind. Wenngleich eine (begünstigende) Rücksichtnahme auf die Umstände des konkreten Falles durch die §§20 und 21 VStG möglich ist, vermag dies die Unterlassung der (notwendigen) Differenzierung im Gesetz hinsichtlich des Unrechtsgehalts nicht zu rechtfertigen.

Dieses Bedenken des Fehlens einer gebotenen Differenzierung im Gesetz wird auch bei einer systematischen Betrachtung des § 120 FPG bestätigt: Während Abs 2 (Erschleichung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels) und Abs 3 (Beihilfe zu rechtswidriger Einreise oder unbefugtem Aufenthalt) des § 120 FPG - im Gegensatz zu dessen Abs 1 - jeweils die verstärkte Vorsatzform der Wissentlichkeit voraussetzen, differenziert der Gesetzgeber demgegenüber bei der (Mindest )Strafdrohung nicht, sondern sieht in allen genannten Regelungen jeweils eine Strafdrohung von € 1.000,- bis € 5.000,- vor.

Die Regelung der Mindeststrafe ermöglicht somit keine sachgerechte Bewertung der von § 120 Abs 1 FPG erfassten Verhaltensweisen. Die Festlegung der Mindeststrafe in § 120 Abs 1 FPG verstößt daher gegen das Gleichheitsgebot.

Diese Unsachlichkeit betrifft auch die fünffache Erhöhung der Mindeststrafe des § 120 Abs 1 FPG im Wiederholungsfall des Abs 4 leg.cit.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Es ist somit festzustellen, dass die durch BGBl. I 122/2009 eingeführten Mindeststrafen von € 1.000,- in § 120 Abs 1 FPG und für den Wiederholungsfall von € 5.000,- in Abs 4 leg.cit. unsachlich sind. Die Wortfolge "von 1 000 Euro" in Abs 1 des § 120 FPG sowie die Wendung "1," in Abs 4 des § 120 FPG sind daher als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

3. Der Verfassungsgerichtshof sah sich des Weiteren veranlasst, von der Ermächtigung des Art 140 Abs 7 B-VG Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Ansprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.