VfGH vom 24.06.1998, G462/97
Sammlungsnummer
15216
Leitsatz
Gleichheitswidrigkeit der Regelung des AuslBG über die Versagung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung infolge zweimaliger Bestrafung des Unternehmensinhabers bzw Vertretungsbefugten oder Beauftragten wegen illegaler Ausländerbeschäftigung aufgrund des damit verbundenen zwingenden Ausscheidens des Unternehmens als unzuverlässig im Verfahren der Zuschlagserteilung nach dem BundesvergabeG
Spruch
I. In § 28b Abs 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975, idF des ArtI Z 6 des Antimißbrauchsgesetzes, BGBl. Nr. 895/1995, war die Wortfolge ", im Falle des § 9 Abs 1 VStG ein zur Vertretung eines Unternehmens des Antragstellers nach außen berufenes Organ" verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. Im übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Eine Bauunternehmung beantragte die Ausstellung einer "Bestätigung betreffend Verletzung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung BGBl. Nr. 463/1993". Mit Bescheid vom stellt der Bundesminister (damals:) für Arbeit und Soziales angesichts je einer Bestrafung der beiden Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft mbH im Jahre 1995 eine wesentliche Verletzung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) durch die Bauunternehmung fest und wies den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 28b Abs 2 AuslBG "BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. 201/1996" ab.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof behauptete die beschwerdeführende Bauunternehmung, im Gleichheitsgrundsatz, in verschiedenen näher bezeichneten Gewährleistungen der EMRK sowie in Rechten wegen Anwendung von für verfassungswidrig erachteter Bestimmungen des AuslBG verletzt zu sein, und begehrte die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 28b AuslBG, BGBl. 218/1975, idF ArtI Z 6 des Antimißbrauchsgesetzes, BGBl. 895/1995. Der Gerichtshof beschloß daher, diese Bestimmung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Der Gerichtshof nahm an, daß die Beschwerde zulässig sei und er bei ihrer Behandlung § 28b AuslBG anzuwenden hätte, und zwar in der im Jahr 1996 geltenden Fassung, die die genannte Bestimmung durch das Antimißbrauchsgesetz, BGBl. 895/1995, erhalten habe. Dabei ging der Gerichtshof davon aus, daß die fünf Absätze des § 28b leg.cit. in untrennbarem Zusammenhang miteinander stünden. Er hatte das Bedenken, daß die in Prüfung genommene Bestimmung den Anforderungen des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatzes nicht entspreche.
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den Annahmen des Verfassungsgerichtshofes über die Prozeßvoraussetzungen beitritt, den rechtspolitischen Hintergrund der Regelung erläutert und die Auffassung vertritt, daß die in Prüfung genommene Bestimmung nicht verfassungswidrig sei. Sie stellte den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß die in Prüfung genommene Regelung nicht verfassungswidrig war.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. a) Mit ArtII des Bundesgesetzes BGBl. 463/1993, mit dem begleitende Bestimmungen zum Bundesvergabegesetz (BVergG), BGBl. 462/1993, erlassen wurden, wurde in das AuslBG ein § 28b eingefügt, mit dem eine zentrale Evidenz der Verwaltungsstrafen nach § 28 AuslBG eingeführt und der Bundesminister für Arbeit und Soziales (derzeit: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) verpflichtet wurde, unter bestimmten Voraussetzungen an Bieter, Bewerber und Subunternehmer für öffentliche Aufträge eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen. Diese Bestimmung wurde durch ArtI Z 6 des sogenannten Antimißbrauchsgesetzes, BGBl. 895/1995, mit Wirkung ab (§34 Abs 15 AuslBG idF des ArtI Z 8 des AntimißbrauchsG) geändert; sie blieb bis (vgl. dazu unten b)) unverändert und wurde insbesondere auch nicht durch das im Spruch des Bescheides angeführte Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201, geändert.
In der zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides geltenden Fassung der Novelle BGBl. 895/1995 lautete die Bestimmung (die nunmehr aufgehobene Wortfolge ist hervorgehoben):
"§28b. (1) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat Unternehmern als Bietern, Bewerbern oder Subunternehmern bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf deren Antrag eine Bescheinigung darüber auszustellen, daß sie nicht wegen einer wesentlichen Verletzung dieses Bundesgesetzes bestraft wurden.
(2) Eine wesentliche Verletzung dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn in einer Betriebsstätte oder auf einer auswärtigen Arbeitsstelle eines Unternehmens des Antragstellers Ausländer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes beschäftigt wurden und entweder der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Inhaber des Unternehmens, im Fall des § 9 Abs 1 VStG ein zur Vertretung eines Unternehmens des Antragstellers nach außen berufenes Organ oder ein gemäß § 28a Abs 3 für ein Unternehmen des Antragstellers von diesem bestellter verantwortlicher Beauftragter nach dem gemäß § 28 Abs 1 Z 1 rechtskräftig bestraft wurde.
(3) Für Zwecke der Ausstellung von Bescheinigungen nach Abs 1 hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales eine zentrale Evidenz der wegen wesentlicher Verletzungen dieses Bundesgesetzes (Abs2) rechtskräftig verhängten Verwaltungsstrafen zu führen.
(4) Die Ausstellung einer Bescheinigung nach Abs 1 darf wegen der ersten nach dem erfolgten rechtskräftigen Bestrafung nicht verweigert werden. Im Fall der zweiten rechtskräftigen Bestrafung sind Strafbescheide nach Ablauf eines Jahres, im Fall jeder weiteren Bestrafung nach Ablauf von zwei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft nicht mehr zu berücksichtigen.
(5) Die Verwaltungsstrafbehörden und die unabhängigen Verwaltungssenate sind verpflichtet, nach Eintritt der Rechtskraft dem Bundesminister für Arbeit und Soziales unverzüglich eine Ablichtung von Strafbescheiden, die sich auf illegale Ausländerbeschäftigung in Unternehmen (Abs2) beziehen, zu übermitteln."
Nach der bezogenen Bestimmung des § 28a Abs 3 AuslBG wird die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 VStG für die Einhaltung des AuslBG erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist.
Diese Bestimmungen stehen in folgendem vergaberechtlichen Zusammenhang:
Gemäß § 10 BVergG in der für die Beurteilung des Falles maßgeblichen Stammfassung dürfen öffentliche Aufträge nur an "befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer" vergeben werden.
Sodann bestimmte § 10 Abs 3 BVergG:
"Zum Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit ist von Bewerbern, Bietern und deren Subunternehmern in jedem Fall eine Bestätigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu verlangen, daß eine wesentliche Verletzung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 218, in der jeweils geltenden Fassung, durch sie nicht festgestellt wurde. Die Bestätigung darf nicht älter als drei Monate sein."
§ 39 BVergG bestimmte, daß vor der Wahl des Angebots für den Zuschlag die vergebende Stelle unter anderem "Angebote von Bietern, bei welchen die Befugnis oder die finanzielle, wirtschaftliche oder technische Leistungsfähigkeit oder die Zuverlässigkeit nicht gegeben ist", auszuscheiden habe.
b) Dieses System wurde durch das Bundesgesetz BGBl. 776/1996, mit dem das BVergG und das AuslBG abgeändert wurden, mit Wirkung ab (§103a BVergG idF des ArtI Z 132 der Novelle) insofern verändert, als nunmehr nicht mehr die Bieter verpflichtet sind, ihren Angeboten Unbedenklichkeitsbescheinigungen beizulegen, sondern die vergebenden Stellen dazu verpflichtet wurden, eine entsprechende Auskunft aus der zentralen Strafevidenz des Bundesministeriums einzuholen (§10 Abs 3 BVergG idF der zitierten Novelle; nunmehr § 16 Abs 3 des (wiederverlautbarten) BVergG 1997);
dementsprechend wurde (durch ArtII Z 1 des BG BGBl. 776/1996) ebenfalls mit Wirkung ab (ArtII Z 2 dieses Gesetzes) auch § 28b AuslBG neu gefaßt.
2. Die Beschwerde ist zulässig. Der mit ihr bekämpfte Bescheid stützt sich explizit und der Sache nach auf die Abs 1 und auf die aufgehobenen Worte des Abs 2 des § 28b AuslBG. Der Verfassungsgerichtshof hätte daher diese Bestimmung bei Prüfung des Bescheides anzuwenden, und zwar in der im Jahr 1996 geltenden Fassung, die die Bestimmung durch das AntimißbrauchsG, BGBl. 895/1995, erhalten hat. Die Annahme, daß diese Wortfolge mit dem übrigen Teil des Abs 2 und den weiteren Bestimmungen des § 28b AuslBG in untrennbarem Zusammenhang miteinander stünden, hat sich nicht als zutreffend erwiesen.
§ 28b Abs 2 AuslBG normiert zwei Tatbestandsvoraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit eine wesentliche Verletzung des Gesetzes im Sinne des Abs 1 vorliegt. Die zweite dieser Voraussetzungen kann in drei verschiedenen Konstellationen erfüllt werden, von denen im Anlaßverfahren nur die zweite in Betracht kam, die durch die aufgehobenen Worte beschrieben wird. Nur diese sind daher präjudiziell. Insofern ist das Gesetzesprüfungsverfahren, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.
Die Beseitigung dieser, vom übrigen Inhalt des Abs 2 trennbaren Wortfolge läßt den übrigen Inhalt unberührt; dieser bleibt weiter anwendbar und auch die übrigen Absätze des § 28b AuslBG behalten insoweit ihre Bedeutung. Es war daher das Gesetzesprüfungsverfahren, soweit es über die schließlich aufgehobene Wortfolge hinaus eingeleitet worden war, einzustellen.
3. a) Seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung genommenen Bestimmung begründete der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß folgendermaßen:
"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß nach § 28b Abs 1, 2 und 4 AuslBG idF BGBl. 895/1995 eine Bestrafung (eines Unternehmensinhabers, eines nach § 9 Abs 1 VStG 1991 zur Vertretung des Unternehmens nach außen Berufenen oder eines nach § 28a Abs 3 AuslBG verantwortlichen Beauftragten) nach § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG dazu führt, daß dem Unternehmen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht ausgestellt werden darf, was im Verfahren der Auftragsvergabe für dieses Unternehmen anscheinend zwingend zur Folge hat, daß seine Angebote vor der Zuschlagserteilung auszuscheiden sind. Es scheint, daß die Sanktion der Verweigerung der Unbedenklichkeitsbescheinigung an das bloße Faktum des Vorliegens von Bestrafungen nach § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG geknüpft ist und daß es auf die konkreten Umstände der Rechtsverletzungen, die zur Bestrafung geführt haben, nicht ankommt.
Diese zwingende Verknüpfung scheint dem Verfassungsgerichtshof angesichts der schwerwiegenden vergaberechtlichen Konsequenzen im Rahmen der hier anzustellenden vorläufigen Beurteilung unsachlich zu sein und damit das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot zu verletzen: § 28b AuslBG in der in Prüfung genommenen Fassung scheint es dem zur Erteilung und Versagung der Unbedenklichkeitsbescheinigung zuständigen Bundesminister nicht zu ermöglichen, bei seiner Entscheidung etwa das Zustandekommen der Rechtsverletzung und deren Gewicht, die Frage des Verschuldens oder andere für die Beurteilung der Zuverlässigkeit maßgebliche Umstände zu würdigen. Auf diese Weise dürfte dem Unternehmen in einem Verfahren nach § 28b AuslBG keine Möglichkeit eingeräumt sein, seine Auffassung zur Frage der Auswirkung der Bestrafung auf die Zuverlässigkeit des Unternehmens mit der Wirkung vorzutragen, daß sich die Behörde damit auseinandersetzen müßte, also darzutun, daß es trotz Vorliegens von Bestrafungen aus bestimmten Gründen (etwa weil es alle zumutbaren Vorkehrungen gegen eine Gesetzesverletzung getroffen hat) nicht unzuverlässig ist. Vielmehr scheint § 28b AuslBG in der in Prüfung genommenen Fassung davon auszugehen, daß rechtskräftig verhängte Verwaltungsstrafen stets, quasi automatisch, zur Versagung der Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung für das betroffene Unternehmen zu führen haben."
b) Die Bundesregierung legte dar, daß nicht jede Verletzung des AuslBG, sondern nur die zweimalige Verletzung der zentralen Verbotsnorm des Gesetzes, nämlich die illegale Beschäftigung von Ausländern, zu der vom Verfassungsgerichtshof geschilderten Konsequenz führt, nicht aber auch der Verstoß gegen bloße Ordnungsvorschriften und auch nicht eine Verletzung des AuslBG durch allenfalls von einem Generalunternehmer herangezogene Subunternehmer. Der Regelung liege folgender Regelungszweck zugrunde:
"Öffentliche Aufträge sollen nicht an Unternehmen ergehen, die durch die illegale Beschäftigung von Ausländern und die damit nach der allgemeinen Lebenserfahrung verbundenen niedrigen Löhne sowie den Entfall der Sozialversicherungsbeiträge Wettbewerbsvorteile erzielen, welche nur bei den Verstößen gegen § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG eintreten. Den allfälligen vergaberechtlichen Konsequenzen stehen daher schwerwiegende Wettbewerbsverzerrungen durch die illegale Beschäftigung von Ausländern gegenüber, die gerade im Vergabeverfahren zu berücksichtigen sind. Die Zulässigkeit der Kalkulation mit illegal beschäftigten Ausländern würde geradezu zu einer Bevorzugung dieser Unternehmen im Vergleich zu lauteren Wettbewerbsteilnehmern führen."
Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes meint die Bundesregierung:
"Der Verfassungsgerichtshof hegt die Bedenken, daß die Nichterteilung der sogenannten 'Unbedenklichkeitsbescheinigung' durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales bei Vorliegen einer wesentlichen Verletzung des AuslBG ohne Würdigung der Umstände der Rechtsverletzungen zu erfolgen habe, was in der Folge offenbar den Ausschluß des Angebots vor der Zuschlagserteilung nach dem Bundesvergabegesetz nach sich ziehen würde. Insbesondere hätte sich die Behörde nicht damit auseinanderzusetzen, ob ein Unternehmen 'trotz Vorliegens von Bestrafungen aus bestimmten Gründen (etwa weil es alle zumutbaren Vorkehrungen gegen eine Gesetzesverletzung getroffen hat) nicht unzuverlässig ist'.
Hierzu ist zunächst festzuhalten, daß die rechtliche Würdigung der konkreten Umstände der einzelnen Rechtsverletzungen bereits im Verwaltungsstrafverfahren erfolgt, in dem der Beschuldigte alles dartun kann, was zu seiner Entlastung führen kann. Im Hinblick auf die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, wonach es bei der in Prüfung gezogenen Regelung nicht auf die 'konkreten Umstände der Rechtsverletzungen' ankomme, ist zu betonen, daß bereits die Strafbehörde neben der objektiven insbesondere auch die subjektive Tatseite zu prüfen hat. Kann doch gemäß § 5 Abs 1 VStG nur bestraft werden, wer die Tat zumindest fahrlässig begangen hat. Maßfigur ist dabei der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat (vgl. VwSlg. (A) 1980/9710). Fahrlässig hat ein Täter demnach nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Somit dürfte es von vornherein gar nicht zu einer Bestrafung kommen, wenn der Unternehmer 'alle zumutbaren Vorkehrungen gegen eine Gesetzesverletzung getroffen hat'. Die Verwaltungsstrafbehörde hat bereits eine entsprechende Prüfung vorzunehmen, von der sie durch § 5 Abs 2 VStG nur insoweit befreit wird, 'als das entgegen dem Anschein behauptete Fehlen des Verschuldens nicht glaubhaft ist'
(VfSlg. 13790/1994).
Anzumerken ist allerdings, daß sich die in § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG genannten Tatbestandsmerkmale ausschließlich auf die Beschäftigung von Ausländern ohne das Vorhandensein bestimmter Urkunden beziehen. Diese Urkunden müssen entweder im Unternehmen selbst vorhanden sein (Beschäftigungsbewilligung, Anzeigebestätigung, Entsendebewilligung, Untersagung der Beschäftigung eines Ausländers mit Arbeitserlaubnis) oder im Besitz des zu beschäftigenden Ausländers (Befreiungsschein, Arbeitserlaubnis) stehen. Es handelt sich somit um Anforderungen, deren Einhaltung einem strafrechtlich Verantworlichen im Regelfall relativ leicht möglich und daher auch zumutbar sein dürften. Die Verwirklichung der objektiven Tatseite wird daher wohl in den meisten in Betracht kommenden Fällen zumindest fahrlässiges Verhalten voraussetzen.
Auch ist nochmals zu betonen, daß die Straftatbestände des § 28 Abs 1 Z 1 leg.cit. auf die grundlegenden Verstöße gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz abstellen, nämlich auf die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte ohne entsprechende Bewilligung.
Insgesamt erscheint somit einerseits das mit der in Prüfung gezogenen Bestimmung verfolgte Ziel - nämlich die Feststellung, daß nach Fällung von mindestens zwei rechtskräftigen Straferkenntnissen gemäß § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG durch die Strafbehörden eine wesentliche Verletzung dieses Bundesgesetzes durch das Unternehmen vorliegt (das Ziel ist nicht die Feststellung, daß die im Vergabeverfahren relevante Zuverlässigkeit nicht gegeben ist) - demnach nicht unsachlich. Die daraus entstehenden Belastungen - nämlich die Versagung einer Bestätigung, daß keine wesentliche Verletzung des AuslBG vorliege - dürften andererseits aus den dargelegten Gründen ihrer Art und Intensität nach ebenfalls zumutbar und verhältnismäßig sein. Der Gesetzgeber stellt nämlich nicht undifferenziert auf Verletzungen des AuslBG ab, sondern auf die zweimalige Bestrafung von 'Kerndelikten' dieses Bundesgesetzes, die ihrerseits freilich auch nur bei Erfüllung der subjektiven Tatseite vorliegen, bei deren Beurteilung es auf die konkreten Umstände der Rechtsverletzung ankommt."
c) Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gingen dahin, daß eine Regelung bedenklich sei, die dazu führt, daß einem Unternehmen, dessen Inhaber oder nach § 9 Abs 1 VStG Vertretungsbefugter oder nach § 9 Abs 2 VStG bestellter (und nach § 28a Abs 3 AuslBG bekanntgegebener) verantwortlicher Beauftragter zweimal wegen illegaler Ausländerbeschäftigung bestraft wurde, quasi automatisch die vergaberechtliche Zuverlässigkeit abgesprochen wird. Der Gerichtshof ging davon aus, daß eine solche Konsequenz mit der in Prüfung genommenen Regelung verbunden sei, da die Versagung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 28b AuslBG zwingend zum Ausscheiden des Bieters im Verfahren der Zuschlagserteilung nach dem BVergG führt.
Dieser Ansicht wurde im Verfahren nicht widersprochen. Auch die Bundesregierung stellt die vom Verfassungsgerichtshof angenommene zwingende Verknüpfung zwischen dem Vorliegen von Bestrafungen und der vergaberechtlichen Konsequenz des Ausschlusses des Angebots des offerierenden Unternehmens als unzuverlässig im Verfahren der Zuschlagserteilung nicht in Abrede. Sie meint jedoch, es genüge, daß die Verwaltungsstrafbehörden bei der Sanktionierung des AuslBG die objektive und subjektive Tatseite der Gesetzesverletzung zu prüfen hätten, gesteht aber andererseits zu, daß die Frage, ob ein Unternehmen trotz Vorliegens von Bestrafungen nach dem AuslBG aus bestimmten Gründen nicht als unzuverlässig anzusehen sei, von der Behörde nicht zu beurteilen sei.
Zu diesem Argument ist zum einen darauf hinzuweisen, daß die in Rede stehende Bestimmung, die erstmals durch das BG, mit dem begleitende Bestimmungen zum BVergG erlassen werden, BGBl. 463/1993, in die Rechtsordnung eingeführt wurde, ausschließlich zum Zweck der Beurteilung der Zuverlässigkeit im Vergabeverfahren geschaffen wurde, wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte unzweifelhaft ergibt (vgl. die Erläuterungen zur RV 973 BlgNR
18. GP und den AB 1107 BlgNR 18. GP sowie die Erläuterungen zur RV zu § 10 des BVergG, 972 BlgNR 18. GP); zum zweiten ist zu bedenken, daß die von der Bundesregierung selbst zugestandene zwingende Verknüpfung, derzufolge ein Bieter, der eine Bestätigung nach § 28b Abs 1 AuslBG nicht vorlegt, ohne weiteres als unzuverlässig auszuscheiden ist, es unmöglich macht, die Frage der Zuverlässigkeit im Vergabeverfahren selbständig zu beurteilen (weshalb auch in der Vergabepraxis derartige Beurteilungen nicht vorgenommen werden).
Insgesamt verkennt die Bundesregierung mit ihrer Argumentation die Stoßrichtung der Bedenken des Verfassungsgerichtshofes. Dieser bezweifelte nicht, daß Verurteilungen nach dem AuslBG an sich geeignet sind, die Zuverlässigkeit von Unternehmungen in Frage zu ziehen, und hatte auch keine Bedenken dagegen, daß eine mangelnde Zuverlässigkeit zu den im Vergaberecht vorgesehenen Konsequenzen führt. Er hielt es jedoch für unsachlich, Bestrafungen nach dem AuslBG zwingend mit der vergaberechtlichen Konsequenz des Ausscheidens im Zuschlagsverfahren zu verknüpfen, ohne daß dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt ist, darzutun, weshalb es trotz vorliegender Bestrafungen nicht als unzuverlässig anzusehen ist. Im Verfahren zur Erlangung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ist dem Unternehmen - anders als im insoweit durchaus vergleichbaren Fall eines Verfahrens zur Entrichtung einer Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs 1 Z 3 GewO 1994 - nämlich keine Möglichkeit eingeräumt, seine Auffassung zur Frage der Auswirkung der Bestrafung auf seine Zuverlässigkeit mit der Wirkung vorzutragen, daß sich die Behörde damit auseinandersetzen müßte. So kann das Unternehmen etwa nicht dartun, daß es trotz Vorliegens von Bestrafungen aus bestimmten Gründen nicht unzuverlässig ist, etwa weil es entsprechende Vorkehrungen gegen eine Übertretung getroffen hat, über die sich ein verantwortlicher Beauftragter hinweggesetzt hat. Nicht einmal dann, wenn das Unternehmen dartun und belegen könnte, daß ein Beauftragter entgegen eine arbeitsrechtliche Weisung gehandelt hat und das Unternehmen dies sogar zum Anlaß von Maßnahmen gegen den Beauftragten genommen hat, könnte das Unternehmen die vergaberechtliche Konsequenz des Fehlverhaltens abwenden. Daß eine solche zwingende Verknüpfung vor den Anforderungen des dem Gleichheitsgrundsatz innewohnenden Sachlichkeitsgebotes Bestand haben kann, konnte das Verfahren nicht dartun. Auch in der Literatur (vgl. Mayer, Auftragssperre wegen illegaler Ausländerbeschäftigung, RdW 1997, 600 ff.) wird diese Auffassung bestätigt.
Die zulässigerweise in Prüfung genommene Wortfolge widerspricht daher dem Gleichheitsgrundsatz. Da sie dem Rechtsbestand nicht mehr angehört (vgl. oben Pkt. II.1.b)), war auszusprechen, daß sie verfassungswidrig war.
3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung im Bundesgesetzblatt I ergibt sich aus Art 140 Abs 5 B-VG und § 2 Abs 1 Z 4 BGBlG; diese Bestimmung ist, worauf auch der Klammerausdruck hinweist, auch auf jene Fälle anzuwenden, in denen eine Gesetzesvorschrift nicht aufgehoben wurde, sondern festgestellt wurde, daß sie verfassungswidrig war.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.