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VfGH vom 19.06.1998, G454/97

VfGH vom 19.06.1998, G454/97

Sammlungsnummer

15201

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der im EnergiewirtschaftsG idF der VereinfachungsV vorgesehenen Möglichkeit jederzeitiger Untersagung angezeigter Gasversorgungsanlagen durch den Bundesminister; Umdeutung des ausdrücklich festgelegten Untersagungsrechts in einen Genehmigungstatbestand nicht möglich; keine sachliche Rechtfertigung für die eingeräumte Gestaltungs- und Eingriffsbefugnis fast unbegrenzten Ausmaßes; Gleichheitswidrigkeit der Regelung auch im Vergleich zum gewerberechtlichen Konzessionssystem nach dem RohrleitungsG für Gasfernleitungen; kein Vertrauensschutz für das sein Investitionsvorhaben anzeigende Gasversorgungsunternehmen; Zulässigkeit der Beschwerde im Anlaßfall

Spruch

§ 4 des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz) vom , DRGBl. I, S. 1451 (eingeführt im Lande Österreich mit Verordnung vom , GBlÖ Nr. 156/1939), in der Fassung der Verordnung über die Vereinfachung des Verfahrens nach § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes vom , DRGBl. I, S. 1950, GBlÖ Nr. 1381/1939, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine auf Art 144 B-VG gestützte, zu B2782/96 protokollierte Beschwerde der Rohöl-Aufsuchungs-Aktiengesellschaft (RAG) gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom , Z 556.115/41-VIII/6/96, anhängig. Mit diesem Bescheid wurde auf Antrag der mitbeteiligten Partei (Oberösterreichische Ferngas Aktiengesellschaft, "OÖF") "im Sinne des § 4 EnWG 1935 GBlfdLÖ Nr. 156/1939 sowie gemäß § 56 AVG 1950 i.d.g.F." festgestellt, "daß dem Grunde nach das Projekt einer Erdgashochdruckleitung 'Nord-Süd-Leitungssystem; Nordanbindung 1 A Oberkappl-Haag-Puchkirchen; System Nr. 039, Teilabschnitt Andorf-Haag-Puchkirchen' mit den für die generelle Trasse bestimmten Trassierungsräumen dann dem öffentlichen Versorgungsinteresse unter Berücksichtigung aller anderen berührten öffentlichen Interessen bestmöglich entspricht, wenn in diesem Trassierungsraum die Detailprojektierung in konkreter Ausführung der vorgenannten generellen Trasse dieses Teilabschnittes den ... (nachfolgend angeführten) Trassierungs- und Bauauflagen des gegenständlichen Bescheides im Interesse der sicheren und wirtschaftlichen öffentlichen Landesversorgung im Konzessionsrahmen der OÖ. Ferngas AG gemäß § 5 lec cit.

vorgenommen wird". Unter der Überschrift "Spezielle Forderungen"

wird ua. festgelegt, daß "(d)ie Leitungsprojekte der OMV, RAG und

OÖ. Ferngas ... zu koordinieren (sind), sodaß nicht mehrere

parallele Leitungen gebaut werden" (Nr. 21), "(e)ine

Koordinierung der projektierten Gasleitungen der OMV, der RAG und

der OÖ. Ferngas AG in der Form (anzustreben ist), daß nur eine

Leitungstrasse gebaut wird" (Nr. 22), eine "rasche Kooperation

RAG - OÖ. Ferngas AG ... zur Hintanhaltung von Parallelleitungen

vorzusehen (ist)" (Nr. 32) sowie "(a)ufgrund der gemeinsamen

Forderung der betroffenen Gemeinden ... nur eine Trasse für eine

Gemeinschaftsleitung oder für 2 parallele Leitungen in technisch möglichem Mindestabstand geplant werden (darf)" und "die Errichtung in einem Bauvorgang erfolgen (soll)" (Nr. 34). Im Spruchpunkt III des genannten Bescheides wurden "(d)ie energiewirtschaftsrechtlichen Anträge der RAG gegen eine Genehmigung des gegenständlichen generellen Leitungsprojektes ... als sachlich unbegründet abgewiesen".

Der Beschwerdeführerin waren bereits mit zwei Bescheiden des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom jeweils gemäß § 3 Abs 1 iVm. § 5 Rohrleitungsgesetz, BGBl. Nr. 411/1975 idF BGBl. Nr. 127/1993, (im folgenden: Rohrleitungsgesetz) die Konzessionen für die gewerbsmäßige Beförderung von Erdgas in der Austrian-Bavarian-Gasline ("ABG") sowie in der als RAG-Speicher-Pipeline bezeichneten Gasfernleitung ("RSP"), deren geplante Trasse im Streckenabschnitt Puchkirchen bis Haag praktisch ident mit jener des vom bekämpften Bescheid umfaßten Projektes verläuft, erteilt worden.

2. In der auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der als verfassungswidrig erachteten Bestimmung des § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes vom , DRGBl. I, S. 1451, (im folgenden: EnWG), in Kraft gesetzt mit Verordnung über die Einführung des Energiewirtschaftsrechts im Lande Österreich vom , DRGBl. I, S. 83, GBlÖ Nr. 156/1939, in der Fassung der Verordnung des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft vom über die Vereinfachung des Verfahrens nach § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes, DRGBl. 1939 I, S. 1950, GBlÖ Nr. 1381/1939, (im folgenden: Vereinfachungsverordnung), und der als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen des § 4 EnWG iVm.

§1 Abs 2 Z 2, § 2 Abs 4 und § 43 Abs 6 Rohrleitungsgesetz, soweit diese den Anwendungsbereich dieser Gesetze regeln, die Gleichheitswidrigkeit von "zwei völlig unterschiedliche(n) Bewilligungsverfahren (nach Energiewirtschaftsgesetz zum einen und nach Rohrleitungsgesetz zum anderen) ... für - in Wahrheit - völlig gleichartige Projekte" sowie die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gerügt.

§4 EnWG hatte in seiner ursprünglichen Fassung vom auszugsweise folgenden Wortlaut:

"(l) Die Energieversorgungsunternehmen sind verpflichtet, vor

dem Bau, der Erneuerung, der Erweiterung oder der Stillegung von

Energieanlagen dem ... (nunmehr gemäß Bundesministeriengesetz

1986, Anlage zu § 2 Teil 2 C.: Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) Anzeige zu erstatten.

(2) Der ... (BMwA) kann den Bau, die Erneuerung, die Erweiterung

oder die Stillegung von Energieanlagen der

Energieversorgungsunternehmen innerhalb einer Frist von einem

Monat nach Eingang der Anzeige beanstanden. Beanstandete Vorhaben

kann er innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten nach der

Beanstandung untersagen, wenn Gründe des Gemeinwohls es

erfordern. Der Untersagung geht ein Untersuchungsverfahren

voraus.

(3) Der ... (BMwA) bestimmt den Umfang der Anzeigepflicht nach Abs 1. Er erläßt die Vorschriften über Formen und Fristen für die Anzeige und das Untersagungsverfahren. Er kann die im Abs 2 bezeichnete Frist für die Untersagung verlängern.

(4) Der ... (BMwA) kann die Auskunfts- und Mitteilungspflicht nach § 3 sowie die Anzeigepflicht nach Abs 1 auch auf Energieanlagen erstrecken, die zum Betrieb anderer Unternehmen als Energieversorgungsunternehmen gehören."

Durch die Vereinfachungsverordnung wurde die Bestimmung des § 4 EnWG abgeändert. Die Vereinfachungsverordnung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"§1

(1) Die Vorschriften des § 4 Abs 2 des Energiewirtschaftsgesetzes ... über die Fristen für die Beanstandung und Untersagung energiewirtschaftlicher Vorhaben und über das Untersagungsverfahren werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Dies gilt auch für Fristen, die zur Zeit des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits laufen.

(2) Der ... (BMwA) kann energiewirtschaftliche Vorhaben auch ohne vorherige Beanstandung untersagen.

..."

Die Präambel des EnWG hat folgenden Wortlaut:

"Um die Energiewirtschaft als wichtige Grundlage des wirtschaftlichen und sozialen Lebens im Zusammenwirken aller beteiligten Kräfte der Wirtschaft und der öffentlichen Gebietskörperschaften einheitlich zu führen und im Interesse des Gemeinwohls die Energiearten wirtschaftlich einzusetzen, den notwendigen öffentlichen Einfluß in allen Angelegenheiten der Energieversorgung zu sichern, volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen des Wettbewerbs zu verhindern, einen zweckmäßigen Ausgleich durch Verbundwirtschaft zu fördern und durch all dies die Energieversorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten, hat die Reichsregierung das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:"

3. Die mitbeteiligte Partei hat im Beschwerdeverfahren eine Äußerung erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben, die belangte Behörde hat unter Aktenvorlage eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, in eventu die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. 1. Der Verfassungerichtshof hat aus Anlaß der zu B2782/96 protokollierten Beschwerde am beschlossen, § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung auf seine Verfassungsmäßigkeit gemäß Art 140 Abs 1 B-VG zu prüfen.

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, daß der beschwerdeführenden Gesellschaft die Beschwerdelegitimation zukomme und daß der Gerichtshof bei seiner Überprüfung des angefochtenen Bescheides den diesen tragenden § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung anzuwenden habe.

1.1.1. Der Gerichtshof nahm vorläufig an, daß die beschwerdeführende Gesellschaft nicht nur im Verwaltungsverfahren als Partei beigezogen wurde, sondern daß der von ihr angefochtene Bescheid jedenfalls auch - und zwar gleichgültig ob zu Recht oder zu Unrecht auf § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung gestützt - ihre Rechtsposition betreffe und in diese eingreife: dem Inhalt des angefochtenen Bescheides sei nämlich deutlich zu entnehmen, daß mit diesem ein Abspruch über konkurrierende gaswirtschaftliche Projekte beabsichtigt sei.

Der Verfassungsgerichtshof vertrat ferner die Auffassung, daß dem § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung zufolge - mag diese Bestimmung auch lediglich auf die Prüfung öffentlicher Interessen an der Errichtung einer Energieanlage abstellen - andere Unternehmen neben dem anzeigenden Unternehmen dann (nicht nur wirtschaftlich, sondern auch) rechtlich betroffen seien, wenn das angezeigte Vorhaben nur unter Einbeziehung konkurrierender Projekte daraufhin beurteilt werden kann, ob es im öffentlichen Interesse liegt. Die belangte Behörde dürfte im angefochtenen Bescheid über Fragen des öffentlichen Interesses an geplanten Erdgashochdruckleitungen derart abgesprochen haben, daß dieser Bescheid im Hinblick auf die von ihm begründete Koordinations- und Kooperationsverpflichtung auch die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Gesellschaft betroffen habe, sodaß der Verfassungsgerichtshof vorläufig von deren Beschwerdelegitimation ausging.

1.1.2. § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung, der nach § 2 Rechts-Überleitungsgesetz, StGBl. Nr. 6/1945, als österreichische Rechtsvorschrift im Rang eines Staatsgesetzes (VfSlg. 3640/1959) und aufgrund der in den §§2 bis 6 V-ÜG 1920 idF BGBl. Nr. 269/1925 aufgestellten Grundsätze als bundesgesetzliche Vorschrift in Geltung stünde, soweit er sich auf die Energieform "Gas" beziehe (vgl. VfSlg. 5801/1968), dürfte vom Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung ebenso wie von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides im Anlaßbeschwerdeverfahren anzuwenden sein.

1.2. In der Sache äußerte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung gleichheitswidrig sei.

1.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hielt es vorläufig (- auch im Vergleich zum Regelungsregime nach dem Rohrleitungsgesetz -) für unsachlich, die gaswirtschaftsrechtliche Entscheidung über Investitionsvorhaben von wirtschaftlich großer Tragweite in Gestalt eines Anzeigeverfahrens mit unbefristeter Untersagungsmöglichkeit treffen zu lassen. Eine derart nicht an demokratisch-rechtsstaatliche Gemeinwohlvorstellungen gebundene, ursprünglich zu staatsdirigistischen Zwecken eingeräumte Gestaltungs- und Eingriffsbefugnis weitreichenden, ja praktisch fast unbegrenzten Ausmaßes dürfte sich auch im Weg einer Umdeutung kaum verfassungskonform mit den Sachlichkeitsvorstellungen des Gleichheitsgebotes vereinbaren lassen.

Jedenfalls zeige der mit dem Rohrleitungsgesetz für Gasfernleitungen verwirklichte Gesetzesstandard, daß die besonders weitreichenden Lenkungsbefugnisse nach § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung für die Gasversorgung der sachlichen Notwendigkeit entbehrten, zumal die Befristung des Untersagungsrechtes durch § 1 Abs 1 Vereinfachungsverordnung nur "bis auf weiteres" beseitigt wurde.

1.2.2. Die Gleichheitswidrigkeit des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung scheine sich überdies daraus zu ergeben, daß die gesetzlich vorgesehene Untersagung, "wenn Gründe des Gemeinwohls es erfordern", die wirtschaftsrechtlichen Anforderungen an die Errichtung von Gasversorgungsanlagen, die eine Untersagung von vornherein ausschließen, nicht einmal mit annähernder Deutlichkeit benenne und daß daher die Regelung des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung keinen entsprechenden Vertrauensschutz für das anzeigende Unternehmen begründe.

Der mit der Investitionskontrolle betraute Bundesminister sei nach § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung nicht gehindert, unbefristet - und zwar auch nach Errichtung einer Energieanlage - ursprünglich als nicht stichhaltig angesehene Überlegungen des Gemeinwohls, etwa die gaswirtschaftliche Bevorzugung eines Konkurrenzunternehmens, dazu zu benutzen, eine Untersagung auszusprechen.

Insbesondere hielt es der Verfassungsgerichtshof vorläufig für unsachlich, daß die Möglichkeit der Untersagung eines angezeigten gaswirtschaftlichen Vorhabens unbefristet bestehe. Soweit in der Lehre eine Verpflichtung der Behörde angenommen werde, "eine angemessene Prüfungsfrist nicht zu überschreiten", werde der Umstand vernachlässigt, daß die Vereinfachungsverordnung die ursprünglich vorgesehene Prüfungsfrist beseitigt habe. Dies dürfte mit dem aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Prinzip des Vertrauensschutzes nicht zu vereinbaren sein.

1.2.3. Dem Verfassungsgerichtshof erschien weiters vorläufig gleichheitswidrig, daß die Untersagung einer Gasversorgungsanlage zulässig sei, "wenn Gründe des Gemeinwohls es erfordern", ohne daß eine zumindest demonstrative Auflistung der wichtigsten öffentlichen Interessen, aus denen sich entsprechend gewichtet die Erforderlichkeit einer Untersagung ergeben kann, vom Gesetzgeber vorgenommen wurde. In der Literatur (Steffek, Das Recht der Gas- und Fernwärmeversorgung, in: Beiträge zum Wirtschaftsrecht, Festschrift Wenger 1983, 813) werde unter Heranziehung der Präambel zum EnWG, der dem Erkenntnis VfSlg. 8203/1977 zufolge normative Bedeutung zukomme, verlangt, daß bei der Entscheidung "ausschließlich energiewirtschaftliche Ziele" verfolgt werden. Es sei aber wohl von der Sache her bedenklich, Großbauvorhaben dieser Art lediglich auf ihre energiewirtschaftlichen Aspekte zu überprüfen.

1.2.4. Für unsachlich erachtete der Verfassungsgerichtshof § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung vorläufig auch dann, wenn diese Vorschrift - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meinte - dahin auszulegen wäre, daß konkurrierenden Unternehmen keine entsprechende Rechtsposition im Verfahren eingeräumt ist. Wenn einander ausschließende, weil ganz oder teilweise identische Projekte von zwei oder mehreren Unternehmen nach § 4 EnWG angezeigt werden oder eines auf andere Weise - etwa nach dem Rohrleitungsgesetz - bewilligt wurde, dürfte es das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes erfordern, daß alle Projektwerber in das Verfahren unter Gewährung einer entsprechenden Parteistellung miteinzubeziehen sind.

1.3. Der Verfassungsgerichtshof hegte schließlich auch das Bedenken, daß § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG verletze. Der Gesetzgeber sei gemäß Art 6 StGG verpflichtet, Voraussetzungen für verwaltungsbehördliche Eingriffe in die Erwerbsfreiheit derart anzuordnen und zu regeln, daß festgestellt werden kann, aus welchen konkreten öffentlichen Interessen eine Erwerbsbetätigung zu untersagen sei, wobei eine Prüfung möglich sein müsse, ob die Untersagung zur Zielerreichung geeignet und adäquat sowie auch sonst sachlich gerechtfertigt ist.

Der Gerichtshof vertrat vorläufig die Auffassung, daß die gesetzliche Regelung der Untersagung der Errichtung einer Gasversorgungsanlage, "wenn Gründe des Gemeinwohls es erfordern", nicht, wie dies Art 6 StGG nach der neueren Judikatur des Verfassungsgerichtshofs fordere (vgl. VfSlg. 14179/1995 sowie ua.), so formuliert sei, daß die öffentlichen Interessen bzw. Voraussetzungen, unter denen nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Untersagung der Errichtung einer angezeigten Gasversorgungsanlage erforderlich und adäquat wäre, genügend konkret bezeichnet seien.

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet.

2.1. In dieser Äußerung bestreitet sie das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen.

2.1.1. Gegenstand der in Prüfung genommenen Bestimmungen des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung seien ausschließlich Gasversorgungsanlagen, während für die Errichtung einer Gasfernleitung eine Konzession nach § 3 Abs 1 iVm. § 5 Rohrleitungsgesetz erforderlich sei. Die mitbeteiligte Partei (OÖF) des Anlaßbeschwerdeverfahrens habe einen Antrag im Sinne des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung für die Errichtung einer Gasversorgungsleitung eingebracht, wohingegen die Beschwerdeführerin (RAG) des Anlaßbeschwerdeverfahrens lediglich die Erteilung einer Konzession nach dem Rohrleitungsgesetz für eine Gasfernleitung beantragt habe, zumal sie auch keine Gasversorgungsleitung, sondern eine Gasfernleitung zu errichten beabsichtige. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß der Beschwerdeführerin die Beschwerdelegitimation im Anlaßbeschwerdeverfahren fehle, sodaß das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen sei.

Die Errichtung von Energieanlagen werde im Verfahren nach § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung ausschließlich unter dem Aspekt des öffentlichen Interesses geprüft, sodaß Dritten ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung keine Parteistellung zuerkannt werden könne. Die Beschwerdeführerin habe sich lediglich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gegen das Projekt der OÖF ausgesprochen, da sie offenbar bezweifelte, daß das Projekt der OÖF tatsächlich vorwiegend Zwecken der Gasversorgung dienen sollte, sodaß dieses in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu dem von ihr selbst verfolgten Projekt einer Gasfernleitung stünde und eigentlich einem Verfahren nach dem Rohrleitungsgesetz zu unterziehen wäre.

Entgegen der Annahme des Verfassungsgerichtshofes stelle der bekämpfte Bescheid gemäß § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung keine "Entscheidung zwischen konkurrierenden Projekten" dar. Bei den Projekten der OÖF sowie der RAG handle es sich um solche unterschiedlicher Zielsetzungen, die nach jeweils anderen Rechtsvorschriften zu beurteilen seien. Selbst wenn man der Ansicht der Beschwerdeführerin im Anlaßbeschwerdeverfahren folgte, wäre nicht vom Vorliegen von "'Konkurrenzprojekte(n)', die nach § 4 EnWG ... zu beurteilen wären," auszugehen, sondern hätte die belangte Behörde lediglich den Antrag der Konsenswerberin OÖF zurückweisen müssen. Eine "Konkurrenzsituation" bestünde auch diesfalls erst im Verfahren nach dem Rohrleitungsgesetz.

Daran ändere auch nichts, daß die Beurteilung von Projekten wie jenem der OÖF in einem Verfahren nach § 4 EnWG aus in der Natur der Sache gelegenen Gründen auch auf Leitungsprojekte im betroffenen Bereich insgesamt Bedacht nehme. Auch scheine es gerade im Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren, die zu komplexen Großprojekten durchgeführt werden, "sachlich geradezu geboten, positive Bescheide mit Nebenbestimmungen zu verknüpfen", die ua. auf ganz konkrete (volks-)wirtschaftliche und umweltpolitische Belange hin formuliert werden. In diesem Lichte richte sich die im Bescheid vorgesehene "Koordinierungspflicht" einzig und allein an die Konsenswerberin OÖF. Auf das Ob und das Wie der Durchführung des Projektes durch die Beschwerdeführerin könne und wolle der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten als Energieaufsichtsbehörde nach dem EnWG keinerlei Einfluß nehmen. Die Beschwerdeführerin könne daher durch den angefochtenen Bescheid nicht belastet werden. Im übrigen habe der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in den beim damaligen Bundesminister für Wirtschaft und Verkehr über Antrag der Beschwerdeführerin nach dem Rohrleitungsgesetz durchgeführten Verfahren im Rahmen der Herstellung des gemäß § 5 Abs 1 Z 5 iVm.

§5 Abs 7 Rohrleitungsgesetz erforderlichen Einvernehmens die Leitungsprojekte der Beschwerdeführerin ausdrücklich befürwortet.

2.1.2. Falls der Verfassungsgerichtshof überdies sein im Prüfungsbeschluß geäußertes Bedenken aufrecht erhalten sollte, daß § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung eine "derart nicht an demokratisch-rechtsstaatlichen Gemeinwohlvorstellungen gebundene, ursprünglich zu staatsdirigistischen Zwecken eingeräumte Gestaltungs- und Eingriffsbefugnis weitreichenden, ja praktisch fast unbegrenzten Ausmaßes" darstelle, müßte ein Widerspruch zu Art 18 B-VG angenommen werden. Damit aber wäre § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung durch das neuerliche Wirksamwerden des B-VG im Jahre 1945 derogiert worden (VfSlg. 7151/1973; 14715/1996). Weiters erschiene fraglich, ob die Bestimmung des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung in der ihr vom Verfassungsgerichtshof beigemessenen Bedeutung - in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung (VfSlg. 2932/1955, 3409/1958, 3640/1959, 4320/1962, 5801/1968, 8203/1977, 8434/1978) - nicht doch mit den Grundsätzen einer echten Demokratie unvereinbar wäre oder gar typisches Gedankengut des Nationalsozialismus enthalte, sodaß sie nach § 1 R-ÜG aufgehoben wurde. In beiden Fällen wäre das Gesetzesprüfungsverfahren mangels Präjudizialität einzustellen.

2.2. In der Sache geht die Bundesregierung zunächst auf den "Inhalt des § 4 EnWG" ein und stellt hiezu die verschiedenen, in der deutschen Judikatur und Literatur sowie in der österreichischen Literatur vertretenen Meinungen zu der Frage dar, ob § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung einen Genehmigungstatbestand vorsieht (und anzeigepflichtige Projekte erst dann in Angriff genommen werden dürfen, wenn die zuständige Energieaufsichtsbehörde eine förmliche und rechtskräftige Genehmigung erlassen hat), oder ob § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung nach wie vor (bloß) einen Untersagungstatbestand normiert (und bei Nichtvorliegen einer Untersagung die Projektarbeiten in Angriff genommen werden dürfen und die Energieaufsichtsbehörde auch noch nach Inangriffnahme des Projektes - innerhalb angemessener Prüfungsfrist - ein Beanstandungs- und Untersagungsrecht hat).

Der Bundesregierung selbst erscheint - "unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Auslegungsmöglichkeiten und insbesondere im Sinne des Grundsatzes der verfassungskonformen Interpretation von Gesetzen" eine Auslegung des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung "im Sinne eines Genehmigungserfordernisses" als zutreffend.

Eine historische Analyse zeige, daß der Verordnungsgeber die Vorschrift des § 4 EnWG über die Abschaffung der Fristen hinaus auch inhaltlich habe ändern wollen. Die Vereinfachungsverordnung habe nämlich bezweckt, "alle anzeigepflichtigen Energieversorgungsprojekte vorerst - bis zur formellen 'Freigabe' durch die Energieaufsichtsbehörde - zu sperren". Auch die nachfolgende Vorgangsweise der zuständigen Behörden, derart gesperrte Projekte ausdrücklich freizugeben, spreche für dieses Auslegungsergebnis, sodaß das Gegenargument, der Wille des Normsetzers lasse sich nicht mehr eruieren, nicht stichhaltig erscheine. Vielmehr sei der Charakter eines Genehmigungsverfahrens durch den Erlaß des Reichswirtschaftsministers vom , ZII En 1620/40, ausdrücklich bestätigt worden.

Im genannten Erlaß (wiedergegeben in: Obernolte/Danner, Energiewirtschaftsrecht, Stand November 1996, Band I, Erl. 3c zu § 4 EnWG) heißt es auszugsweise,

" ... daß die Energieversorgungsunternehmen nach wie vor verpflichtet sind, in jedem Falle der Anzeigepflicht gemäß § 4 EnWG in Verbindung mit der Dritten DurchfVO z EnWG vor Inangriffnahme des beabsichtigten Bauvorhabens nachzukommen. ...

Die Aufhebung der Fristen gemäß § 4 EnWG bietet sofortige

Entscheidungsmöglichkeit, so daß die Berufung auf eine zu lange

Dauer des Verfahrens nicht anerkannt werden kann. ... Soweit mir

in Zukunft Fälle bekannt werden, in denen EVU anzeigepflichtige

Bauvorhaben ohne die erforderliche Genehmigung des

Reichswirtschaftsministers ... in Angriff genommen haben, werde

ich gemäß § 15 EnWG Strafantrag stellen."

Von Keller (in: Pfundtner-Neubert, Das neue Deutsche Reichsrecht, Ausgabe Österreich (Loseblattausgabe), III. Wirtschaftsrecht a, S. 30a f) werde als Begründung für die "Umgestaltung" des Verfahrens nach § 4 EnWG angegeben, es sollte "die Möglichkeit geschaffen werden, binnen kürzester Frist endgültige Entscheidungen über energiewirtschaftliche Bauvorhaben zu treffen ...". Ferner werde in Anm. 1 zu § 1 der Vereinfachungsverordnung ausgeführt, es müßten "nunmehr die Energieversorgungsunternehmen und die Besitzer von Energieeigenanlagen einen ausdrücklichen Bescheid ... abwarten, der entweder das Bauvorhaben freigibt oder aber die Untersagung ausspricht. Die Fiktion einer Genehmigung durch Fristablauf gibt es also nicht mehr. ...".

Während vor Inkrafttreten der Vereinfachungsverordnung ein Energieversorgungsunternehmen, das eine Anzeige gemäß § 4 EnWG erstattet hat, davon habe ausgehen können, daß gegen das von ihm angezeigte Vorhaben kein Einwand bestehe, wenn innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat keine Beanstandung erfolgte, und der Baubeginn ohne Vorliegen eines besonderen Bescheides zulässig gewesen sei, müsse nach Ansicht der Bundesregierung seither ein besonderer Bescheid abgewartet werden, der das Vorhaben entweder freigebe oder untersage. Eine vorherige Beanstandung könne, müsse aber nicht der Untersagung vorausgehen.

Zur Stützung ihrer Annahme verweist die Bundesregierung auch auf den sogenannten "Bauerlaß", der vom Reichswirtschaftsminister zum "Verfahren bei Bauvorhaben, die einer Genehmigung gemäß § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes in Verbindung mit der Dritten Durchführungsverordnung zum Energiewirtschaftsgesetz vom sowie den Ausführungsbestimmungen vom unterliegen", unter ZII En 1428/40 ergangen und im VABl. für den Reichsgau Niederdonau 1940, 141, kundgemacht worden sei. Dieser spreche von einer "Genehmigung" nach § 4 EnWG, die nach Abschluß der energiewirtschaftlichen Prüfung des Projektes in eine "Freigabe" münde, und sehe sodann eine weitere Behandlung des Vorhabens über Details des Projektes vor.

Diese Rechtslage habe in die österreichische Rechtsordnung Eingang gefunden, wobei zu vermerken sei, daß der sogenannte "Bauerlaß" aufgrund seiner Kundmachungsweise wohl als partikuläres Bundesrecht in Geltung stehe.

Da über die Frist, innerhalb der der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über eine gemäß § 4 Abs 1 EnWG zugegangene Anzeige durch "Nichtuntersagung", "Freigabe" bzw. "energiewirtschaftliche Betriebsanlagengenehmigung" zu entscheiden habe, im EnWG nichts Näheres bestimmt sei, gelte gemäß ArtII Abs 4 EGVG die im AVG vorgesehene Entscheidungsfrist.

2.3.1. Unter der Annahme, daß § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung einen Genehmigungstatbestand normiere, bestehe für Gasversorgungsleitungen keine unsachliche Schlechterstellung gegenüber Gasfernleitungen, die dem Konzessions- und Bewilligungssystem des Rohrleitungsgesetzes unterliegen. Die Unterscheidung verschiedener Arten von Rohrleitungen, die nach jeweils verschiedenen Gesetzen zu beurteilen seien, falle in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Die nach dieser Sichtweise nicht ins Gewicht fallenden Unterschiede zwischen dem Verfahren nach § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung und den nach dem Rohrleitungsgesetz durchzuführenden Verfahren verletzten nach Auffassung der Bundesregierung "noch nicht" den Gleichheitssatz.

2.3.2. Unter der Annahme eines im § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung begründeten Genehmigungstatbestandes ergebe sich für Gasversorgungsanlagen überdies auch kein unbefristeter Schwebezustand, der dem geschützten Vertrauen des Projektwerbers zuwiderliefe.

2.3.3. Dem Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung führe lediglich "Gründe des Gemeinwohls" als ausschlaggebendes Kriterium einer Untersagung an, ohne zumindest die wichtigsten öffentlichen Interessen demonstrativ aufzuzählen, entgegnet die Bundesregierung, daß sich die Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes des "Gemeinwohls" am Zweck der jeweiligen Rechtsnorm, in der er vorkomme, zu orientieren habe.

Die "Geltung des Gemeinwohls" habe für den historischen Gesetzgeber in dem "alle Meinungsverschiedenheiten überbrückende(n) Grundsatz ..., in dessen Interesse alle beteiligten Kräfte einheitlich zu führen und einzusetzen sind", bestanden (Darge, Das Energiewirtschaftsgesetz, DJZ 1936, 26 ff). So werde in der "Amtlichen Begründung zum Energiewirtschaftsgesetz" hervorgehoben, daß es Aufgabe der Energiewirtschaftsführung sei, drei Grundforderungen der Volkswirtschaft zu erfüllen, nämlich möglichst wirtschaftliche Produktion, möglichst soziale Verteilung des Produktionsertrages und möglichste Sicherstellung der Energieversorgung, und zwar sowohl in ihrer technischen als auch in ihrer wirtschaftlichen Ausgestaltung.

Die deutschen Autoren führten den Gemeinwohlbegriff des § 4 EnWG überwiegend auf die "Zwecksetzung des EnWG im allgemeinen und seines § 4 im besonderen" zurück und seien der Ansicht, daß nur "energiewirtschaftliche Ziele" Untersagungsmaßnahmen rechtfertigen (vgl. auch Evers, Investitionsaufsicht vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1986, 249) bzw. daß Gemeinwohlgesichtspunkte des Naturschutzes, des Umweltschutzes oder der Raumordnung zurückzutreten hätten, wenn sie mit der Sicherheit und Preisgünstigkeit der Versorgung kollidierten (vgl. Ludwig/Odenthal, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, Band 1, Stand Dezember 1996, Rnr. 36 zu § 4 EnWG).

Anders als in Deutschland werde in Österreich zufolge VfSlg. 8203/1977 auch der Präambel zum EnWG normativer Charakter beigemessen. Im genannten Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof § 10 EnWG deswegen für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, weil durch ihn in Verbindung mit der Präambel das Verhalten der Behörde bei der Erteilung oder der Versagung der Genehmigung der Einfuhr von Gas auf festen Leitungswegen in einer Art 18 B-VG genügenden Weise bestimmt werde. Dies müsse nach Ansicht der Bundesregierung aber für § 4 EnWG umsomehr gelten, als § 10 leg.cit. selbst keinerlei Anhaltspunkte für behördliches Verhalten aufweise. Überdies werde bei Wirtschaftsgesetzen "notwendigerweise von einem 'elastischeren Verständnis' des Art 18 B-VG ausgegangen".

Das EnWG selbst bilde sohin lediglich "die Konkretisierung dessen, was in der Präambel programmatisch vorgegeben wird". Dies lasse deutlich erkennen, daß "die Sicherheit der Energieversorgung allgemein, somit auch die technische Ausgestaltung einer Anlage", im öffentlichen Interesse liege. Weiters nehme die Präambel gleichrangig neben dem wirtschaftlichen Leben auf das "soziale Leben" Bezug, was auf eine "umfassende Bedachtnahme auf alle naheliegenden, dem sozialen Leben förderlichen öffentlichen Interessen" schließen lasse.

Nach Ansicht der Bundesregierung sei von einem "dynamischen Gemeinwohlbegriff" auszugehen, wolle man nicht auf die für ein derartiges Gesetz notwendige Flexibilität verzichten (vgl. Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, Stand Juli 1996, Anm. 3a Rz 5 zur Präambel). Wenn auch ursprünglich nur die Preisgünstigkeit und die Sicherheit der Energieversorgung im Zentrum gestanden seien, so beinhalte das vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten als Energieaufsichtsbehörde heute zu beachtende "Gemeinwohl" (nicht zuletzt aufgrund des zwischenzeitig erlassenen BVG über den umfassenden Umweltschutz) weitere öffentliche Interessen, die durch ein Energieversorgungsprojekt betroffen sein können, wie beispielsweise die Interessen des "Umwelt- und Naturschutzes oder der rationellen Energieverwendung". Im Falle der Kollision einzelner öffentlicher Interessen sei jedoch - schon aus Kompetenzgründen - der Erwägung der Vorzug zu geben, die eine Sicherung preisgünstiger Energieversorgung gewährleiste (zur Berücksichtigung materienfremder Interessen im Bewilligungsverfahren vgl. Oberndorfer, Rechtsfragen der Genehmigung von Energieversorgungsanlagen, in: Aicher (Hrsg.), Rechtsfragen der öffentlichen Energieversorgung, 1987, 123 ff). Die Durchsetzung der anderen von der Energieaufsichtsbehörde (mit-)zubeachtenden öffentlichen Interessen sei in erster Linie anderen Verwaltungsbehörden überlassen, welche die Verwaltungsverfahren zur Erlangung der sonstigen für die Projektverwirklichung notwendigen Bewilligungen durchführen (Tegethoff/Büdenbender/Klinger, aaO, Anm. 3d Rz 3; Danner in:

Obernolte/Danner, aaO, Erl. 3f ee zu § 4 EnWG, folge zum Teil dieser Ansicht, verweise aber auf einen "Abfärbeeffekt" des Gemeinwohlbegriffes in anderen Gesetzen; vgl. Schäffer, Kleinkraftwasserwerke - Projektierung, Errichtung und Betrieb aus rechtlicher Sicht, 1983, 47, der von einem "Optimierungs- und Harmonisierungsgebot" spreche). Gemeinsam mit diesen anderen Bewilligungen bilde die Bewilligung gemäß § 4 EnWG ein energiewirtschaftliches Gesamtkonzept, in dem der Geweinwohlbegriff zu erkennen sei (vgl. Danner in: Obernolte/Danner, aaO, Erl. 3f). Der Inhalt des Gemeinwohlbegriffes könne sich daher auch ohne Novellierung des EnWG an veränderte Rahmenbedingungen anpassen, was auch tatsächlich geschehen sei, ohne daß er zum "Einfallstor" für sachfremde Erwägungen geworden wäre (in diesem Sinne Ruyter, Die "Dynamisierung" des Gemeinwohlbegriffes in § 4 Abs 2 EnWG - Die Anwendung der rechtswissenschaftlichen Methodenlehre bei der Rechtsfortbildung des energiewirtschaftsrechtlichen Gemeinwohlbegriffs, 1994, 187). Die Entscheidung im Verfahren gemäß § 4 EnWG habe sich daher primär auf Erwägungen energietechnischer, volkswirtschaftlicher und energiewirtschaftlicher Natur - und nur subsidiär auf Gründe aus dem Bereich der sonst betroffenen öffentlichen Interessen - zu stützen.

2.3.4. Im Verfahren nach § 4 EnWG seien ausschließlich "öffentliche Interessen" hinsichtlich des eingereichten Projektes zu prüfen. Auch nach der "subsidiär heranzuziehenden Bestimmung des § 8 AVG" sei Dritten nur dann Parteistellung zu gewähren, "wenn sie selbst Projektwerber nach § 4 EnWG für ein aktuelles vergleichbares Projekt im selben Gebiet sind oder aber - im Hinblick auf die Versorgungspflicht nach § 6 leg.cit. - bereits eine rechtskräftige Bewilligung nach § 4 leg.cit. besitzen". Diese Regelung über die Gewährung der Parteistellung sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Ob und wieweit der Gesetzgeber Personen rechtlichen Schutz gewähre, sei nämlich grundsätzlich der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers anheimgestellt. In Fällen - wie dem vorliegenden -, in denen die faktischen Interessen Dritter hinter die öffentlichen Interessen zurückzutreten hätten, weil letztere von überragender Bedeutung seien, sei es sachlich gerechtfertigt, das betreffende Verfahren ohne Beteiligung dieser Dritten als Partei durchzuführen (vgl. VfSlg. 14512/1996).

2.4. Die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß zu Art 6 StGG angeführte Rechtsprechung beziehe sich auf raumplanungsrechtliche Bestimmungen, die ua. ein System der Zulassung von Wirtschaftsbetrieben eingerichtet hätten. Der Verfassungsgerichtshof habe darin ausgesprochen, daß Raumplanungsziele allein jene Kriterien nicht mit ausreichender Deutlichkeit zu benennen vermögen, die die im Sinne des Art 6 StGG gebotene Adäquanz der Verbote bestimmter Betriebsarten auf bestimmten Flächen sicherstellten.

Mit diesen raumplanungsrechtlichen Bestimmungen sei die vorliegende Bestimmung des § 4 EnWG nicht zu vergleichen. § 4 EnWG sei in ein Gesetz eingebettet, das ausschließlich Belange der Energieaufsicht und -lenkung regle und typischerweise das angesprochene Grundrecht berühre. Die Bundesregierung halte es für möglich, anhand der einzelnen sich aus § 4 EnWG in Verbindung mit der Präambel des EnWG erschließenden öffentlichen Interessen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.

2.5. Die Bundesregierung stellt abschließend den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle das Verfahren mangels Vorliegens der Prozeßvoraussetzungen einstellen, in eventu § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung nicht als verfassungswidrig aufheben. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

III.Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das über Beschwerde gemäß Art 144 B-VG eingeleitete Verfahren zu B2782/96, das den Anlaß zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bildete, ist zulässig. Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Bundesregierung die zu B2782/96 beschwerdeführende Gesellschaft zur Beschwerde legitimiert:

Der mittels Beschwerde angefochtene Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom , Z 556.115/41-VIII/6/96, greift nämlich in die Rechtssphäre der in jenem Verfahren beschwerdeführenden Gesellschaft nicht nur dadurch ein, daß er nach verfahrensrechtlicher Beiziehung der beschwerdeführenden Gesellschaft als Partei deren Anträge (mit entsprechender inhaltlicher Begründung) ab-(und nicht zurück-)weist, sondern auch Koordinations- und Kooperationsverpflichtungen der beschwerdeführenden Gesellschaft mit der OÖF begründet. Unter der Überschrift "Spezielle Forderungen" wird ua. festgelegt, daß "(d)ie Leitungsprojekte der OMV, RAG und OÖ. Ferngas ... zu koordinieren (sind), sodaß nicht mehrere parallele Leitungen gebaut werden" (Nr. 21), "(e)ine Koordinierung der projektierten Gasleitungen der OMV, der RAG und der OÖ Ferngas AG in der Form (anzustreben ist), daß nur eine Leitungstrasse gebaut wird" (Nr. 22) sowie "(a)ufgrund der gemeinsamen Forderung der betroffenen Gemeinden ... nur eine Trasse für eine Gemeinschaftsleitung oder 2 parallele Leitungen in technisch möglichem Mindestabstand geplant werden (darf)" und "die Errichtung in einem Bauvorhaben erfolgen (soll)" (Nr. 34). Auf Seite 20 des Bescheides wird - wenn auch nicht sehr deutlich - von der belangten Behörde zum Ausdruck gebracht, daß "annähernd parallel vorgesehene Leitungsbauten in diesem Raume sich an diese im öffentlichen Sinn als optimal erkannte Trasse in geeigneter Weise anlegen müssen oder sich mit ihr vereinigen müssen".

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 3409/1958 ausgesprochen hat, ist für die Beschwerdelegitimation "der Inhalt des Spruches" des angefochtenen Bescheides maßgeblich. Die belangte Behörde hat in ihrem zu B2782/96 angefochtenen Bescheid über Fragen des öffentlichen Interesses an geplanten Erdgashochdruckleitungen derart abgesprochen, daß der Bescheid, abgesehen von der Abweisung der Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft, deren Rechtssphäre durch die im Spruch des Bescheides begründeten Koordinations- und Kooperationsverpflichtungen betraf. Da neben der Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Gesellschaft auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zu B2782/96 zulässig, gleichgültig ob § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung eine entsprechende Rechtsposition der beschwerdeführenden Gesellschaft begründet und damit eine hinlängliche Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid bildet oder ob dies nicht der Fall ist (wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung vermeint).

2. Die belangte Behörde hat bei Erlassung des zu B2782/96 vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheides § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung denkmöglich angewendet. Auch der Verfassungsgerichtshof hätte diese Gesetzesbestimmung bei seiner Prüfung, ob die beschwerdeführende Gesellschaft in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde, daher anzuwenden. § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung ist daher (einschließlich der Absätze 3 und 4, welche mit den Absätzen 1 und 2 eine Einheit bilden,) auch für den Verfassungsgerichtshof präjudiziell.

Die Bedenken der Bundesregierung, daß § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung wegen Widerspruchs zu Art 18 Abs 1 B-VG durch das neuerliche Wirksamwerden des B-VG im Jahre 1945 derogiert wurde, oder daß diese Bestimmung, weil mit den Grundsätzen einer Demokratie unvereinbar und mit typischem Gedankengut des Nationalsozialismus behaftet, nach § 1 R-ÜG aufgehoben wurde, teilt der Verfassungsgerichtshof, wie schon aus seiner bisherigen Judikatur zum EnWG deutlich wurde (VfSlg. 2932/1955, 3409/1958, 3640/1959, 5801/1968, 8434/1978 ua.), nicht.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes erweisen sich auch in der Sache als berechtigt:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner, bereits im Prüfungsbeschluß vertretenen Auffassung, daß - entgegen der Meinung der Bundesregierung - das ausdrücklich festgelegte Untersagungsrecht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung nicht in einen Genehmigungstatbestand umgedeutet werden kann. § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung wird in Lehre und Praxis (vgl. Steffek, aaO, 812, mit Hinweisen auf die deutsche Literatur) zentrale Bedeutung für eine die energiewirtschaftlichen Belange der Gasversorgung betreffende staatliche "Investitionskontrolle" zugemessen. Böhm/Mayer-Maly (in: Fachverband der Gas- und Fernwärmeversorgungsunternehmungen (Hrsg.), Österreichisches Gas- und Fernwärmerecht, 1985, Anm. 1 zu § 4 Abs 1 EnWG) sprechen von der Kernbestimung des EnWG, die eine "umfassende Investitionsaufsicht durch den Bundesminister" ermöglicht. Diese Investitionskontrolle ist in Gestalt einer Anzeigeverpflichtung des Gasversorgungsunternehmens für neue Gasversorgungs-(leitungs)anlagen mit korrespondierendem Untersagungsrecht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, "wenn Gründe des Gemeinwohls es erfordern", geregelt.

Sinn der Vereinfachungsverordnung und des dadurch geänderten

§4 Abs 2 EnWG war es, das Untersagungsrecht der Behörde

unbefristet und unabhängig von einer vorhergehenden Beanstandung

einzuräumen, ohne daß dadurch gleichzeitig eine

Genehmigungspflicht eingeführt worden wäre (Obernolte/Danner,

aaO, Erl. 3c zu § 4 EnWG; Tegethoff/Büdenbender/Klinger, aaO,

Anm. 1 und 3a zu § 4 EnwG). Auch die von der Bundesregierung

angestellte historische Analyse vermag den Verfassungsgerichtshof

nicht davon zu überzeugen, daß die Anzeige gemäß § 4 Abs 1 EnWG

vom Gesetzgeber in einen Antrag umgewandelt und an Stelle der

Nichtuntersagung die Genehmigung durch die Behörde vorgesehen

wurde. In der Einführung zur Vereinfachungsverordnung wird die

Umgestaltung des Verfahrens nach § 4 EnWG nur darin gesehen, daß

die Möglichkeit geschaffen werden sollte, binnen kürzester Frist

"endgültige Entscheidungen über energiewirtschaftliche

Bauvorhaben zu treffen". Schließlich kann auch dem sogenannten

"Bauerlaß", der im übrigen schon auf Grund seiner Kundmachung in

VABl. für den Reichsgau Niederdonau 1940, 141, als partikuläres

Bundesrecht in Oberösterreich von vornherein keine Geltung

entfalten kann (s. Böhm/Mayer-Maly, aaO, Anm. 7 zu § 4 Abs 1

EnWG), keineswegs eine Änderung des Tatbestandes nach § 4 EnWG

entnommen werden, da dieser in seiner Terminologie durchaus

schwankt und nicht nur von der "Genehmigung ... gemäß § 4 des

Energiewirtschaftsgesetzes" spricht, sondern auch von der

"sogenannten Freigabe" nach Abschluß der energiewirtschaftlichen

Prüfung, "die mit der Feststellung ... endigt, daß gegen die

Durchführung des Bauvorhabens vom energiewirtschaftlichen Standpunkt Bedenken nicht zu erheben sind".

§ 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung sieht sohin neben der Verpflichtung zur Anzeige neuer Gasversorgungsanlagen die Möglichkeit jederzeitiger Untersagung derartiger Vorhaben vor, ohne einen Genehmigungstatbestand zu begründen (so auch die überwiegende Meinung in der Lehre, vgl. diese bei Böhm/Mayer-Maly, aaO, Anm. 2 zu § 4 Abs 1 EnWG; aA Steffek, aaO, 811). Mag auch in der Praxis, wie der zu B2782/96 angefochtene Bescheid zeigt, gestützt auf § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung in Gestalt eines positiven Feststellungsbescheides über die Zulässigkeit eines gaswirtschaftlichen Vorhabens vom Standpunkt öffentlicher Interessen abgesprochen werden, so ist diese Feststellung gleichwohl keiner Genehmigung gleichzusetzen.

Anders als § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung sieht das Rohrleitungsgesetz für Gasfernleitungen, ds. gemäß § 2 Abs 4 Rohrleitungsgesetz Rohrleitungsanlagen, welche nicht ausschließlich oder vorwiegend Gasversorgungszwecken dienen und die durch § 43 Abs 6 leg.cit. vom Anwendungsbereich des EnWG ausdrücklich ausgenommen wurden, eine Konzession vor, die unter bestimmten (vgl. § 5 leg.cit.) persönlichen und sachlichen Voraussetzungen, zu denen ein volkswirtschaftlicher Bedarf nach oder ein volkswirtschaftliches Interesse an der Gasbeförderung sowie eine Abwägung demonstrativ bezeichneter öffentlicher Interessen zählen, zu erteilen ist.

3.2. Es widerspricht (- auch im Vergleich zum Verfahren und den Erfordernissen für die Erlangung einer Rohrleitungskonzession nach § 5 Rohrleitungsgesetz für Gasfernleitungen -) dem, aus dem Gleichheitssatz ableitbaren Sachlichkeitsgebot, die gaswirtschaftsrechtliche Entscheidung über Gasversorgungsleitungen, also über Investitionsvorhaben von wirtschaftlich großer Tragweite in Gestalt eines Anzeigeverfahrens mit unbefristeter Untersagungsmöglichkeit treffen zu lassen. Dies umso mehr, als für derartige Gasversorgungsanlagen und -leitungen gemäß § 11 EnWG "die Entziehung oder Beschränkung von Grundeigentum oder Rechten am Grundeigentum im Wege der Enteignung" "für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung" vorgesehen ist, im Ergebnis sohin für den Bau einer angezeigten, nicht untersagten Gasversorgungsanlage weitreichende Eingriffe in privates Eigentum für zulässig erklärt werden. Die durch § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung zu staatsdirigistischen Zwecken eingeräumte Gestaltungs- und Eingriffsbefugnis praktisch fast unbegrenzten Ausmaßes in die Gasversorgungswirtschaft ist von der Sache her nicht zu rechtfertigen. Die in der Praxis vorgenommene, wenn auch mit Wortlaut und Sinn des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung nicht vereinbare Umdeutung dieser Bestimmung von einer Ermächtigung zur Untersagung angezeigter energiewirtschaftlicher Vorhaben in die Ermächtigung zur Durchführung eines "Bewilligungsverfahrens dem Grundsatz nach" (vgl. nur den Betreff des zu B2782/96 angefochtenen Bescheides) erweist bereits, daß Investitionsentscheidungen dieser sowohl wirtschafts- als auch unternehmenspolitischen Bedeutung und Notwendigkeit für die Bevölkerung, aber auch ihrer für die betroffenen Grundeigentümer möglicherweise belastenden Art und Schwere nicht ohne eine rechtzeitige, rechtskraftfähige und damit vom Vertrauensschutz für jedermann getragene verwaltungsbehördliche Entscheidung stattfinden können.

Es sei hier dahingestellt, ob angesichts der gerade auf dem Sektor der Energiewirtschaft besonders problematischen Nachkriegsverhältnisse die unveränderte (- gemäß § 2 R-ÜG aber nur "in vorläufige Geltung gesetzt(e)" -) Überleitung der Lenkungsermächtigung des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung ursprünglich sachlich gerechtfertigt war. Wie nämlich spätestens der mit dem Rohrleitungsgesetz für Gasfernleitungen verwirklichte Gesetzesstandard zeigt, sind ab diesem Zeitpunkt die besonders weitreichenden Lenkungs- und Eingriffsbefugnisse des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung (in Verbindung mit § 11 EnWG) für die Gasversorgung sachlich nicht mehr zu rechtfertigen, zumal die Befristung des Untersagungsrechtes durch § 1 Abs 1 Vereinfachungsverordnung nur "bis auf weiteres" beseitigt wurde. Es widerspricht sohin dem Gleichheitssatz, für die überwiegend Gasversorgungszwecken dienenden Anlagen durch § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung dem zuständigen Bundesminister ein mindestens zeitlich, weitgehend aber auch von den Voraussetzungen her betrachtet unbegrenztes Lenkungsinstrument in Gestalt eines Untersagungsrechtes zur Verfügung zu stellen, die volkswirtschaftlich wohl mindestens gleich bedeutsamen Gasfernleitungen aber einem nach Voraussetzungen und Verfahren gesetzlich begrenzten, sozusagen herkömmlich-gewerberechtlichen Bewilligungssystem zu unterwerfen.

3.3. Die Regelung des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung läßt aber auch keinen, vom Gleichheitssatz geforderten Vertrauensschutz für das sein Investitionsvorhaben anzeigende Gasversorgungsunternehmen zu. Der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 12186/1989, 12944/1991, 14149/1995 ua.) hat bereits bisher in seiner Judikatur zur Gleichheitswidrigkeit rückwirkend belastender gesetzlicher Regelungen darauf abgestellt, ob die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden und nicht etwa besondere Umstände eine solche Rückwirkung verlangen. Verfassungsrechtlich ist demzufolge aus Sachlichkeitserwägungen faktisch (im Hinblick auf eine entsprechende Rechtslage) getroffenen Dispositionen von Privatpersonen Vertrauensschutz gewährt (vgl. VfSlg. 12485/1990 und 12944/1991 zu einem Nachtfahrverbot; VfSlg. 13177/1992 zur Umwandlung eines freien in ein konzessioniertes Gewerbe). Es ist daher nur folgerichtig, von einer gesetzlichen Regelung, die wie § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung zu wirtschaftlich besonders schwerwiegenden und weitreichenden privaten Dispositionen nötigt, in Anbetracht des dem Gleichheitssatz innewohnenden Sachlichkeitsgebotes zu fordern, daß ein möglicher Eingriff von hoher Hand in jene Dispositionen vom Gesetzgeber mit solcher Eindeutigkeit, was Voraussetzungen und Verfahren anlangt, geregelt wird, daß ein Projektwerber darauf vertrauen kann, daß seine Investitionen nicht im Wege einer behördlichen Untersagung im nachhinein frustriert werden.

Der mit der Investitionskontrolle betraute Bundesminister ist nach § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung nicht gehindert, unbefristet - und zwar auch nach Errichtung einer Energieanlage - ursprünglich als nicht stichhaltig angesehene Überlegungen des Gemeinwohls, etwa die gaswirtschaftliche Bevorzugung eines Konkurrenzunternehmens, dazu zu benutzen, eine Untersagung auszusprechen. Zwar nimmt die Lehre eine Verpflichtung der Behörde an, "eine angemessene Prüfungsfrist nicht zu überschreiten" (Böhm/Mayer-Maly, aaO, Anm. 2 zu § 4 Abs 1 EnWG). Die Rechtsfolgen unangemessen später Beanstandung bzw. Untersagung werden jedoch als "fraglich" bezeichnet, während in der Bundesrepublik Deutschland § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung so ausgelegt wird, daß als "angemessen" die ursprüngliche Drei-Monats-Frist des § 4 EnWG angenommen wird (Obernolte/Danner, aaO, Erl. 3c zu § 4 EnWG). Dabei wird jedoch der Umstand vernachlässigt, daß die Vereinfachungsverordnung gerade diese Frist beseitigte. Der durch die Anzeige eines gaswirtschaftlichen Vorhabens nach § 4 Abs 1 EnWG ausgelösten behördlichen Überprüfung des Vorhabens entspricht nach § 4 Abs 2 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung weder eine Verpflichtung zur behördlichen Reaktion noch deren Befristung. Dies ist dem Projektwerber gegenüber nicht zu vertreten. § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung widerspricht damit dem aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Prinzip des Vertrauensschutzes, wie es anhand der Judikatur oben dargestellt wurde.

3.4. Da § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung schon aus den dargestellten Überlegungen dem Gleichheitssatz widerspricht und als verfassungswidrig aufzuheben war, erübrigt sich ein Eingehen auf die sonstigen, vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß aus dem Gleichheitssatz und dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG abgeleiteten Bedenken. Weil ferner die Beschränkung der verfassungsgerichtlichen Aufhebung auf die Vereinfachungsverordnung die Unsachlichkeit der Regelung des § 4 EnWG im Vergleich zum Rohrleitungsgesetz, was die Voraussetzungen einer Untersagung anlangt, nicht beseitigen würde, war § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.

4. Entsprechend der Anregung der Bundesregierung hat der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten des § 4 EnWG idF der Vereinfachungsverordnung eine Frist bis bestimmt, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

Der Ausspruch, daß sonstige gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, stützt sich auf Art 140 Abs 6 B-VG, die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung auf Art 140 Abs 5 B-VG.

Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.