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VfGH vom 17.06.1992, g45/91

VfGH vom 17.06.1992, g45/91

Sammlungsnummer

13102

Leitsatz

Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des AbfallwirtschaftsG betreffend die Verpflichtung der Abfallsammler zur Entgegennahme gefährlicher Abfälle oder Altöle; Inpflichtnahme der Abfallsammler im Wege eines Kontrahierungszwanges zum Zweck der für den Umweltschutz bedeutsamen Abfallentsorgung im öffentlichen Interesse gelegen, adäquat und sachlich gerechtfertigt; kein Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz

Spruch

Das Verfahren über den Antrag wird eingestellt, soweit der Antrag von der H H GesmbH & Co KG gestellt wurde. Im übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Sechs als Abfallsammler im Sinne des § 15 in Verbindung mit § 45 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. 325/1990 (AWG), berechtigte und tätige Unternehmungen beantragen beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 B-VG, § 16 Abs 1 AWG zur Gänze wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben. Eine weitere antragstellende Gesellschaft, die H H GesmbH & Co KG hat ihren Antrag mit Schriftsatz vom zurückgezogen. Insoweit war das Verfahren gemäß § 19 Abs 3 Z 3 VerfGG einzustellen.

Die Antragsteller weisen darauf hin, daß sie auf Grund ihrer Berechtigung gefährliche Abfälle oder Altöle in Vorarlberg und Oberösterreich abholen, entgegennehmen, verwerten, ablagern und behandeln. Für eine größere Zahl der von ihnen gesammelten gefährlichen Abfälle, die sie im einzelnen beschreiben, gebe es im Gebiet der Republik Österreich keine Entsorgungsmöglichkeiten, sodaß diese Abfälle in ausländische Staaten gebracht werden müßten, ohne daß es Abnahmegarantien ausländischer Unternehmen oder ausländischer Staaten gebe. Die Entsorgungsmöglichkeit stehe daher nicht im Einflußbereich der Abfallsammler, sondern sei abhängig von internationalen unternehmerischen, politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten.

2. § 16 Abs 1 AWG bestimmt:

"Wer nach § 15 zur Sammlung von gefährlichen Abfällen oder Altölen befugt ist, ist im Rahmen seiner Berechtigung verpflichtet, nicht bloß geringfügige Mengen von gefährlichen Abfällen oder Altölen von deren Besitzer über Aufforderung abzuholen, wenn kein Standort (Betriebsstätte) eines anderen Trägers einer solchen Berechtigung näher gelegen ist."

Die Erläuterungen zur RV zum AWG (1274 BlgNR 17. GP, 37) führen dazu aus:

"Abs1 übernimmt im grundsätzlichen die bestehende Abholungsverpflichtung der Altölsammler. Diese Abhol- und Übernahmeverpflichtung wurde auch auf gefährliche Abfälle erstreckt, da es sinnvoll erscheint, einen Kontrahierungszwang entstehen zu lassen, um die Entsorgung der gefährlichen Abfälle zu gewährleisten.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß sich der Besitzer der gefährlichen Abfälle den Entsorger frei wählen kann. Mit dieser Bestimmung soll jedoch gewährleistet werden, daß subsidiär - sollte sich kein Sammler und Behandler gefährlicher Abfälle zur Annahme bzw. Behandlung derartiger Abfälle bereit erklären - ein Annahme- und Behandlungszwang für denjenigen Sammler und Behandler gefährlicher Abfälle normiert wird, der an dem nächstgelegenen Standort seine Tätigkeit ausübt. Eine Einschränkung erfolgt dahingehend, daß diese Verpflichtung nur die Sammler und Behandler gefährlicher Abfälle betrifft, die im Sinne der GewO überhaupt zur Gänze über eine Berechtigung für derartige Abfälle verfügen."

3. Die Antragsteller begründen ihren Antrag damit, daß beim Abfallsammler kraft § 16 Abs 1 AWG die Situation eintreten könne, daß er verpflichtet sei, Abfälle entgegenzunehmen, die er nicht weiter verbringen könne, weil für diese keine Entsorgungsmöglichkeit bestehe.

Zu ihrer Antragslegitimation führen die Antragsteller aus, daß ihnen durch die bekämpfte Gesetzesbestimmung eine Pflicht auferlegt wird, die ihre Rechtssphäre unmittelbar und aktuell betrifft, ohne daß es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedarf. Im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen des § 16 Abs 1 AWG sehe § 39 Abs 1 litb Z 9 AWG eine Verwaltungsstrafe vor. Eine derartige Bestrafung sei nicht zumutbar.

Nach Meinung der Antragsteller verletzt § 16 Abs 1 AWG das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG sowie den Gleichheitssatz.

Selbst wenn man davon ausginge, daß der im Gesetz vorgesehene Kontrahierungszwang einem öffentlichen Interesse, nämlich der Sicherstellung der Entsorgung von gefährlichen Abfällen und Altölen diene, so sei dieser Weg zur Zielerreichung dennoch nicht geeignet, adäquat und auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Verfügung eines - im Gegensatz zu § 16 Abs 2 AWG unbeschränkten - Kontrahierungszwanges für Abfallsammler könne nicht die zur Erreichung des Zieles der umweltgerechten Entsorgung von gefährlichen Abfällen erforderlichen Voraussetzungen schaffen. Die Verpflichtung der Abfallsammler, gefährliche Abfälle abzuholen und entgegenzunehmen, könne die fehlende Entsorgungsmöglichkeit nicht ersetzen. Abfallsammler hätten es auch nicht in der Hand, entsprechende Entsorgungsmöglichkeiten selbst zu schaffen. Dazu führen die Antragsteller aus:

"Die Probleme, welche mit der Suche eines Standortes für eine Entsorgungsanlage für gefährliche Abfälle verbunden sind, brauchen nicht dargetan werden. Es liegt keinesfalls im Ermessen des Unternehmens, ob ein Entsorgungsbetrieb errichtet wird oder nicht. Es zeigt sich, daß der verfügte Kontrahierungszwang nicht geeignet ist, die verfolgten Ziele zu erreichen. Da die getroffene Maßnahme nicht geeignet ist, kann sie auch nicht geboten sein. Geboten wäre die Schaffung von Entsorgungsmöglichkeiten, nicht die Verfügung eines Kontrahierungszwanges für Unternehmen, welche in massive Schwierigkeiten geraten können. Aus diesen Gründen kann die verfügte Abnahmepflicht auch nicht sachlich gerechtfertigt werden. Entgegen der in den erläuternden Bemerkungen vertretenen Auffassung, wonach durch den Kontrahierungszwang die Entsorgung gewährleistet werde, ist es so, daß das Problem der Entsorgung lediglich auf die Sammler und Behandler abgeschoben wird. Diese sind jedoch nicht in der Lage, die Entsorgung zu gewährleisten und werden damit einseitig mit den Problemen der gefährlichen Abfälle belastet. Die Sammler und Behandler werden dadurch unsachlich diskriminiert."

§ 16 AWG stehe auch im Widerspruch zum Gleichheitssatz, "da der Eingriff in die Sphäre der Antragsteller eine unsachliche Diskriminierung darstellt. Nicht nur die Entsorgung gefährlicher Abfälle stellt ein öffentliches Interesse dar, sondern etwa auch die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Lebensmitteln oder Kleidung."

4. Die Bundesregierung hält in ihrer Äußerung den Antrag für unzulässig. Gemäß § 16 Abs 1 AWG sei nur derjenige Abfallsammler zur Abholung gefährlicher Abfälle oder Altöle verpflichtet, der von deren Besitzer hiezu aufgefordert worden sei und dessen Standort dem Ort der Abholung näher liege als der Standort eines anderen Trägers einer derartigen Berechtigung. Da die Antragsteller nicht einmal behaupten, daß diese Voraussetzungen auf sie zutreffen (würden), hätten sie keine konkreten, gegenwartsbezogenen Umstände dargetan, aus denen ihre aktuelle Betroffenheit durch die von ihnen bekämpfte Gesetzesstelle ersichtlich wäre. Im übrigen stehe den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, den von ihnen behaupteten Eingriff in ihre Rechte abzuwenden. Sie hätten nämlich die Möglichkeit, ihre Tätigkeit als Abfallsammler auf jene Arten von gefährlichen Abfällen oder Altölen einzuschränken, zu deren Abholung und Behandlung sie willens und tatsächlich in der Lage sind. Sie könnten dies erreichen, indem sie den Antrag von vornherein nach § 15 AWG entsprechend einschränken. Nach erteilter Erlaubnis bräuchten sie bloß eine entsprechende Mitteilung gemäß § 15 Abs 7 in Verbindung mit Abs 4 AWG an die Behörde richten, womit auch ihre Verpflichtung gemäß § 16 Abs 1 AWG - in dem von ihnen gewünschten Ausmaß - wegfiele.

In der Sache selbst vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß § 16 Abs 1 AWG weder dem Gleichheitssatz noch der Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art 6 StGG widerspreche.

Zu dem von den Antragstellern gezogenen Vergleich zwischen der Entsorgung gefährlicher Abfälle und der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern verweist die Bundesregierung auf die Versorgungspflicht von Wasserversorgungsunternehmen sowie auf die Versorgungspflicht gemäß den §§4 und 5 des Nahversorgungsgesetzes, "die - entgegen den Ausführungen im Prüfungsantrag - sehr wohl einen Kontrahierungszwang in Bezug auf diese Waren, die den notwendigen Bedürfnissen des täglichen Lebens dienen, vorsehen."

§ 16 Abs 1 AWG diene dem Ziel der Sicherstellung einer geordneten und kontrollierten Behandlung von gefährlichen Abfällen und Altölen und damit dem verfassungsrechtlich (BVG BGBl. 491/1984) in den Rang eines Staatszieles erhobenen umfassenden Umweltschutz. Besitzer von gefährlichen Abfällen oder Altölen, die zu einer umweltgerechten Behandlung ihrer Abfälle nicht in der Lage seien, seien gemäß § 17 Abs 3 AWG verpflichtet, die gefährlichen Abfälle und Altöle einem zu einer entsprechenden Sammlung oder Behandlung Befugten zu übergeben. § 16 Abs 1 AWG solle sicherstellen, daß in einem solchen Fall gefährliche Abfälle und Altöle tatsächlich von hiezu geeigneten Abfallsammlern abgeholt werden. Damit sollen Abfallströme kontrolliert und es soll andererseits sichergestellt werden, daß gefährliche Abfälle und Altöle in geeignete Behandlungsanlagen gelangten. Schon die durch die unsachgemäße Behandlung von gefährlichen Abfällen und Altölen, insbesondere durch deren Ablagerung zum Teil auf nicht genehmigten Deponien bewirkten erheblichen Umweltgefährdungen sollten mit Hilfe von § 16 Abs 1 AWG verhindert werden.

Wenn auch durch § 16 Abs 1 AWG mangelnde Entsorgungsmöglichkeiten im Inland nicht ersetzt werden könnten, trage § 16 Abs 1 AWG doch zur Erreichung des Zieles einer geordneten Behandlung von gefährlichen Abfällen und Altölen sowie zur Verbesserung der Entsorgungsstrukturen bei. Sollte § 16 Abs 1 AWG allein kein hinreichendes Mittel zur Erreichung dieses Zieles darstellen, so ist die Bestimmung dennoch zur Zielerreichung geeignet.

Die Bundesregierung bezweifelt, daß § 16 Abs 1 AWG eine Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit von Abfallsammlern enthält. Aus dem AWG ergebe sich keinesfalls, "daß die gemäß § 16 Abs 1 leg. cit. Verpflichteten für die Abholung von gefährlichen Abfällen oder Altölen kein Entgelt in der üblichen bzw. angemessenen Höhe verlangen dürften". Da die Regelung den Zugang zur Erwerbsbetätigung nicht beschränke, genieße der Gesetzgeber in bezug auf § 16 Abs 1 AWG einen "größeren rechtspolitischen Gestaltungsspielraum". § 16 Abs 1 AWG diene dem Ziel, bedeutenden schädlichen Folgen für die Umwelt, für die Gesundheit von Menschen und damit auch für die Volkswirtschaft vorzubeugen und rechtfertige damit auch den Eingriff in die durch das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit geschützte betriebswirtschaftliche Disposition des Unternehmers. Durch die nähere Begrenzung des Kontrahierungszwanges in § 16 Abs 1 AWG, nämlich durch die bloße "subsidiäre Abholpflicht für jenen Fall ..., daß der Standort des Verpflichteten dem Ort der Abholung am nächsten gelegen und ein anderer Sammler zur Abholung nicht bereit ist" und durch die fehlende Regelung für die Preisbildung auf diesem Wirtschaftssektor, sei in geringstmöglicher Weise in das Grundrecht eingegriffen worden.

Dem Hinweis auf die mangelnden Entsorgungsmöglichkeiten begegnet die Bundesregierung mit dem Verweis auf VfSlg. 2586/1953, wonach der Staat nicht verpflichtet ist, "jedem Staatsbürger die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Ausübung des von ihm gewählten Berufes oder Erwerbszweiges zu schaffen". Sehe sich ein Sammler von gefährlichen Abfällen nicht in der Lage, die Verpflichtung gemäß § 16 Abs 1 AWG zu erfüllen, so bestehe für ihn die Möglichkeit, seine Sammlertätigkeit einzustellen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß Art 140 Abs 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist.

Nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988 u.v.a.).

Durch § 16 Abs 1 AWG werden Abfallsammler gemäß § 15 Abs 1 AWG verpflichtet, unter bestimmten Bedingungen gefährliche Abfälle von deren Besitzern abzuholen oder entgegenzunehmen. Die Verpflichtung zum Abschluß entsprechender zivilrechtlicher Verträge erwächst den Antragstellern, die sämtliche Abfallsammler im Sinne des Gesetzes sind, ohne Konkretisierung durch eine gerichtliche Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides aus dem Gesetz selbst. Sie trifft daher die Antragsteller als Abfallsammler gemäß § 15 Abs 1 AWG in ihrer Rechtssphäre, weil sie ihre Vertragsfreiheit beschränkt (vgl. z.B. VfSlg. 10313/1984, 11558/1987, ).

Anders als die Bundesregierung meint, sind die Antragsteller durch die Verpflichtung, gefährliche Abfälle über Aufforderung abzuholen, auch unmittelbar und aktuell betroffen. Für die aktuelle Betroffenheit ist es nämlich nicht erforderlich, daß sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen einer gesetzlich begründeten Verpflichtung bereits eingetreten sind, solange der Verpflichtete nur mit der jederzeitigen Verwirklichung des ihn speziell verpflichtenden Tatbestandes - ohne Dazwischentreten eines Bescheides oder eines richterlichen Urteiles - zu rechnen hat. Daß eine derartige aktuelle Betroffenheit der Abfallsammler durch § 16 Abs 1 AWG vorliegt, ergibt sich daraus, daß ein Abfallsammler, der trotz Aufforderung zur Abholung gefährlicher Abfälle dieser seiner Verpflichtung nicht nachkommt, unabhängig von einer gerichtlichen Durchsetzung des durch § 16 Abs 1 AWG verfügten Kontrahierungszwanges gemäß § 39 Abs 1 litb Z 9 AWG straffällig wird.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 9826/1983 ausgesprochen hat, greift eine die Vertragsfreiheit eines Gewerbeberechtigten einschränkende Norm unmittelbar in dessen Rechtssphäre ein, ohne daß es dem Gewerbeberechtigten als Antragsteller zuzumuten ist, gegen die angefochtene Norm zu verstoßen und sich dabei der Gefahr von Strafsanktionen auszusetzen (vgl. auch ).

Aber auch die von der Bundesregierung aufgezeigte Möglichkeit der Antragsteller, ihre Tätigkeit als Abfallsammler aufzugeben oder einzuschränken, um dadurch der Verpflichtung nach § 16 Abs 1 AWG zu entkommen, ändert nichts am aufrechten Bestand der Verpflichtung für jene Abfallsammler, die ihre entsprechende berufliche Befugnis im Umfang ihrer Berechtigung auszuüben gedenken. Der aktuelle Eingriff in die Rechtssphäre der Abfallsammler wird durch die rechtliche Möglichkeit zur Einstellung der Tätigkeit gemäß § 15 Abs 7 AWG nicht berührt. Ist es doch schlechterdings mit Art 140 Abs 1 B-VG unvereinbar, die Anfechtbarkeit unmittelbar wirksamer gesetzlicher Bestimmungen durch die davon Betroffenen deswegen auszuschließen, weil sich diese einer gesetzlichen Verpflichtung auch durch Preisgabe der mit dieser Verpflichtung verbundenen Berechtigung entledigen könnten.

Der Antrag ist daher zulässig.

2. Der Antrag ist aber in der Sache nicht berechtigt.

a. § 16 Abs 1 AWG greift in die durch Art 6 StGG geschützte Erwerbsausübungsfreiheit der Abfallsammler ein. Durch die Festlegung eines Kontrahierungszwanges wird der Abfallsammler nämlich von Rechts wegen verpflichtet, eine bestimmte Erwerbsbetätigung - durch Abholung oder Entgegennahme gefährlicher Abfälle oder Altöle gemäß § 15 Abs 1 AWG im Umfang seiner Berechtigung - auszuüben.

Mag aber die Freiheit zur Ausübung eines Erwerbszweiges gemäß Art 6 StGG auch das Recht einschließen, von einer derartigen Ausübung in Einzelfällen Abstand zu nehmen, so erweist sich die an bestimmte Voraussetzungen gebundene Einschränkung dieses Rechtes durch Anordnung eines Kontrahierungszwanges in § 16 Abs 1 AWG als vom Gesetzesvorbehalt des Art 6 StGG gedeckt.

Unbestrittenermaßen besteht ein erhebliches, durch das BVG über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491/1984, verfassungsrechtlich verfestigtes öffentliches Interesse an einer gehörigen Entsorgung gefährlicher Abfälle, das auch von den Antragstellern nicht in Abrede gestellt wird. Gefährliche Abfälle sind demgemäß kraft § 17 Abs 1 AWG "jedenfalls so zu lagern und zu behandeln ..., daß Beeinträchtigungen" der in § 1 Abs 3 AWG näher definierten öffentlichen Interessen vermieden werden. Dies hat der Gesetzgeber dadurch sichergestellt, daß gemäß § 17 Abs 3 AWG jeder Besitzer gefährlicher Abfälle verpflichtet wird, diese "einem zu einer entsprechenden Sammlung oder Behandlung Befugten zu übergeben", soweit er selbst zu einer entsprechenden Behandlung nicht befugt oder imstande ist. Der Übergabeverpflichtung an einen Abfallsammler oder -behandler muß aber zwangsläufig die Verpflichtung dieses speziell dazu befugten und dafür verantwortlichen Personenkreises entsprechen, gefährliche Abfälle von deren Besitzer über Aufforderung und gegen angemessenes Entgelt zu übernehmen.

Zu Recht führt die Bundesregierung aus, daß die gesetzliche Verankerung eines Kontrahierungszwanges nicht nur im geschilderten öffentlichen Interesse gelegen, sondern auch geeignet ist, dem im besonderen öffentlichen Interesse gelegenen Ziel zu dienen, daß gefährliche Abfälle und Altöle tatsächlich nur von hiezu befähigten und dafür rechtlich verantwortlichen Abfallsammlern abgeholt oder entgegengenommen werden. Kann doch nur auf diese Weise von Rechts wegen verhindert werden, daß sich Besitzer gefährlicher Abfälle dieser durch unsachgemäße Ablagerung entledigen und daß diese dadurch die Umwelt gefährden.

Der Kontrahierungszwang gemäß § 16 Abs 1 AWG bildet schließlich auch ein adäquates, sachlich zu rechtfertigendes Mittel, um das dargestellte Ziel zu erreichen.

Zwar wenden die Antragsteller ein, daß durch den Kontrahierungszwang für Abfallsammler gemäß § 16 Abs 1 AWG die zur Erreichung des Zieles der umweltgerechten Entsorgung von gefährlichen Abfällen erforderlichen Voraussetzungen deswegen nicht geschaffen würden, weil auch den Abfallsammlern entsprechende Entsorgungsmöglichkeiten im Inland zum Teil überhaupt fehlten und im Ausland keineswegs sichergestellt seien. Der sie betreffende Kontrahierungszwang sei daher nicht geeignet, die verfolgten Ziele zu erreichen.

Den Antragstellern ist zuzugestehen, daß das System der Abfallentsorgung entsprechende Entsorgungsmöglichkeiten im Inoder/und Ausland zur Voraussetzung hat.

Die Antragsteller, deren Abfallsammlererlaubnisse ganz unterschiedliche Arten von gefährlichen Abfällen und Altölen umfassen, übersehen aber mit ihrem Einwand, daß sie mit der Erwirkung der Erlaubnis nach § 15 Abs 1 AWG für die von der jeweiligen Erlaubnis umfaßten und kraft dieser zu sammelnden Abfallstoffe jedenfalls auch die Verantwortung und das wirtschaftliche Risiko für die gehörige Entsorgung dieser Stoffe übernommen haben. Das ergibt sich schon daraus, daß die Abfallsammlererlaubnis gemäß § 15 Abs 1 in Verbindung mit Abs 4 AWG erforderlichenfalls nur für bestimmte Abfall- oder Altölarten zu erteilen ist, wenn dies für die Ausübung der Tätigkeit oder nach Maßgabe der gemäß § 1 Abs 3 AWG zu schützenden öffentlichen Interessen geboten ist. Im Umfang der von ihnen selbst beantragten und sohin angestrebten Erlaubnis wurden sohin die als Abfallsammler tätigen Unternehmungen vom Staat für geeignet befunden, ihre im besonderen öffentlichen Interesse liegende wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben und in Übereinstimmung mit den Zielen des AWG wahrzunehmen. Sehen sich Abfallsammler faktisch außerstande, für eine gehörige Entsorgung gefährlicher Abfälle weiterhin die Verantwortung und das wirtschaftliche Risiko zu übernehmen, so ist es ihnen gemäß § 15 Abs 4 AWG unbenommen, ihre Abfallsammlererlaubnis auf bestimmte Abfall- oder Altölarten einschränken zu lassen bzw. ihre Tätigkeit dauernd oder befristet gemäß § 15 Abs 7 AWG einzustellen.

Der Kontrahierungszwang nach § 16 Abs 1 AWG erweist sich als adäquates Mittel zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Zieles der Verhinderung einer unsachgemäßen Abfallsammlung, -entsorgung und -behandlung durch dazu nicht befugte Personen, weil er den jeweiligen Abfallsammler lediglich "im Rahmen seiner Berechtigung" trifft. Dieser wird dadurch verpflichtet, seine wirtschaftliche Tätigkeit in Übereinstimmung mit dem besonderen öffentlichen Interesse an einer gehörigen Abfallentsorgung auszuüben. Wenn der Verfassungsgerichtshof (in seinem Erk. v. , B802/89) die ungleich intensiver in die Erwerbsfreiheit eingreifenden gewerberechtlichen Berufszugangsbeschränkungen für Rauchfangkehrer mit Rücksicht auf deren öffentliche Inpflichtnahme im Interesse des vorbeugenden Brandschutzes und des Umweltschutzes für angemessen und sachlich gerechtfertigt erkannte, so erscheint die im Wege des Kontrahierungszwanges, - also einer bloßen Erwerbsausübungsregelung - , bewirkte Inpflichtnahme von Abfallsammlern zum Zwecke der für den Umweltschutz besonders bedeutsamen gehörigen Abfallentsorgung umsomehr verfassungsrechtlich unbedenklich.

Der ansonsten auf dem Verbot sittenwidriger Schädigung der Rechtsgenossen durch Unterlassen eines Vertragsabschlusses beruhende Kontrahierungszwang (vgl. Rummel in Rummel2, ABGB, 1990, RZ. 10 zu § 861) ist auch dann sachlich gerechtfertigt, wenn dadurch die Schädigung eines Allgemeingutes, wie es in verfassungsrechtlich anerkannter Weise die Umwelt bildet, hintangehalten werden soll. Entsprechend der in der Literatur (Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180, 1980, 41 f) erarbeiteten Begründung ist ein Kontrahierungszwang, wie er in § 16 Abs 1 AWG für Abfallsammler gesetzlich ausdrücklich festgelegt wurde, schon deswegen sachlich gerechtfertigt, weil dadurch ein Unternehmer, der die Leistung bestimmter Sachen oder Dienste (wie hier die Abfallsammlung zum Zwecke gehöriger -entsorgung) öffentlich in Aussicht gestellt hat, verhalten wird, einem zum angesprochenen Personenkreis gehörigen Interessenten, wenn diesem zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen, die zur Befriedigung seines Bedarfes nötige, einschlägige (Entsorgungs-)Leistung zu erbringen.

Da die Verpflichtung des Abfallsammlers, gemäß § 16 Abs 1 AWG gefährliche Abfälle oder Altöle von deren Besitzer über Aufforderung abzuholen, demnach sowohl im verfassungsrechtlich durch das BVG über den umfassenden Umweltschutz bestätigten öffentlichen Interesse gelegen, ferner geeignet ist, einer unsachgemäßen Entledigung von Abfällen durch deren Besitzer vorzubeugen und im Hinblick auf die den Abfallsammlern erteilte Erlaubnis gemäß § 15 Abs 1 AWG auch adäquat sowie sachlich zu rechtfertigen ist, verstößt § 16 Abs 1 AWG (jedenfalls aus den von den Antragstellern geltend gemachten Bedenken) nicht gegen die Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art 6 StGG.

b. § 16 Abs 1 AWG verstößt aber auch nicht gegen den Gleichheitssatz.

Zum einen gilt der Kontrahierungszwang, wie die Bundesregierung den Antragstellern richtig entgegenhält, unter bestimmten Voraussetzungen auch für die Versorgung der Bevölkerung mit deren Normalbedarf. Zum anderen ist es jedenfalls von der Sache her gerechtfertigt, Abfallsammler, zu deren rechtlichen Aufgabenbereich die Sammlung bestimmter gefährlicher Abfälle zählt, zur Entgegennahme und Entsorgung jener gefährlichen Abfälle gegen eine angemessene wirtschaftliche Gegenleistung jedenfalls dann gesetzlich zu verhalten, wenn es dem Besitzer derartiger gefährlicher Abfälle an anderen zumutbaren Ausweichmöglichkeiten fehlt. Dadurch, daß für den Kontrahierungszwang kraft § 16 Abs 1 AWG auf den nächstgelegenen Standort des Abfallsammlers abgestellt wird, ist in sachlich gerechtfertigter Weise jener Abfallsammler zur Abholung oder Entgegennahme verpflichtet, dem die Entsorgung (immer im Rahmen seiner von ihm selbst erwirkten Sammelberechtigung) am ehesten zumutbar ist.

Auch die von den Antragstellern aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes gegen § 16 Abs 1 AWG vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken treffen sohin nicht zu.

Der Antrag war daher abzuweisen.

Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.