VfGH vom 10.10.1985, g45/85
Sammlungsnummer
10620
Leitsatz
UStG 1972 § 10 Abs 2 Z 4; Änderung des Steuersatzes erst ab Zustellung des Einheitswertbescheides; Abhängigkeit des Wegfalls bzw. des Eintritts einer steuerlichen Begünstigung wesentlich von rein manipulativen Umständen (wie Erlassung des Bescheides) führt zu sachlich nicht mehr begründbarer Unterscheidung zwischen abgabenpflichtigen Unternehmern in materiell gleicher Lage; Verstoß der Worte "die Lieferungen und" in § 10 Abs 2 Z 4 gegen das Gleichheitsgebot
Spruch
Die Worte "die Lieferungen und" im § 10 Abs 2 Z 4 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. 223, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. § 10 Abs 2 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. 223, (mit der im folgenden gebrauchten Kurzbezeichnung "UStG 1972" ist stets dieses Gesetz in seiner Stammfassung gemeint) bestimmt Fälle, in denen sich die Umsatzsteuer vom Normalsteuersatz auf 8 vH der Bemessungsgrundlage ermäßigt, darunter für
"4. die Lieferungen und den Eigenverbrauch von Wein aus frischen Weintrauben (Nummer 22.05 B des Zolltarifes), der innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes im Inland erzeugt wurde, soweit der Einheitswert der weinbaumäßig genutzten Fläche 250.000 S nicht übersteigt und der Erzeugung den Wein im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes liefert. ..."
Zwischen der Bf. in den Rechtssachen B545/78 und B395/83 (welche Eigentümerin eines Weingärten umfassenden Gutsbetriebes ist) und der dort belangten Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. ist die Auslegung der wiedergegebenen Vorschrift (auch) dahin strittig, ab welchem Zweitpunkt die Umsätze mit dem höheren Steuersatz zur Umsatsteuer heranzuziehen sind, wenn der Einheitswertbescheid, gemäß dem ein bisher unter 250000 S liegender Einheitswert der weinbaumäßig genutzten Fläche diesen Wert übersteigt, innerhalb des Veranlagungszeitraumes oder erst nach dessen Ablauf zugestellt wird:
Während der Einheitswertbescheid nach Auffassung der Bf. die in § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 umschriebenen Wirkung erst mit der Zustellung herbeiführt, ist nach Meinung der Finanzlandesdirektion der Stichtag maßgebend, auf den der Einheitswertbescheid lautet. (In den bezeichneten Beschwerdefällen, in denen es um die Besteuerung der Umsätze der Jahre 1975 und 1976 geht, wurde der eine weinbaumäßig genutzte Fläche im Wert von mehr als 250000 S betreffende Einheitswertbescheid auf den der Bf. am zugestellt.)
2. Aus Anlaß der bezeichneten Beschwerde gegen die im Instanzenzug ergangenen Umsatzsteuerbescheide für 1975 und 1976 beschloß der VfGH, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der im § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 enthaltenen Worte "die Lieferungen und" einzuleiten. Er ging davon aus, da ß den Beschwerden Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen sowie daß er bei seinen Entscheidungen die erwähnte Wortfolge anzuwenden hätte. Der Gerichtshof äußerte das Bedenken, daß die bezogene Gesetzesstelle in beiden Auslegungsvarianten mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot nicht vereinbar sei, und ließ es dahingestellt, welcher Auslegung der Vorzug zu geben wäre. Im einzelnen legte er die Bedenken folgendermaßen dar:
"Folgt man der von der Finanzlandesdirektion vertretenen Ansicht, so ist der Unternehmer anscheinend nicht in der Lage, den Umsatzsteuersatz in der Rechnung richtig anzuführen (insbesondere auch dann nicht, wenn er im Sinne des § 11 Abs 1 UStG 1972 gegenüber einem anderen Unternehmer zur Rechnungsausstellung verpflichtet ist) und dadurch einen richtigen Vorsteuerabzug herbeizuführen. Der Unternehmer wäre (sofern es ihm nicht gelänge, den Inhalt eines erst zu erlassenden Einheitswertbescheides mit zureichender Gewißheit vorweg festzustellen) anscheinend auch nicht in der Lage, den richtigen Umsatzsteuersatz seiner Kalkulation zugrundezulegen. In beiden Richtungen unterscheide sich diese Lage eines Weinbautreibenden von jener im Regelfall, daß Gewißheit über das Bestehen oder Nichtbestehen der Begünstigung und damit über den Steuersatz besteht, darart intensiv, daß diese unterschiedliche Behandlung von Unternehmern durch das Erfordernis einer Bewertung allein wohl nicht gerechtfertigt werden kann.
Tritt man hingegen dem Auslegungsvorschlag der Beschwerdeführerin bei, daß sich der Steuersatz erst ab der Zustellung des Einheitswertbescheides ändert, so hätte diese Rechtslage eine verschieden hohe Besteuerung von Abgabepflichtigen in gleicher Lage zur Folge, die auf mannigfaltige manipulative Umstände bei der Erlassung des Einheitswertbescheides zurückzuführen wäre. Der bloße Umstand, daß ein Einheitswertbescheid erlassen wird, erscheint dem Verfassungsgerichtshof diese weitreichenden Unterschiede sachlich nicht zu begründen (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg. 5411/1966 S. 741 f).
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich der Gesetzgeber anscheinend eines die Höhe der Umsatzbesteuerung bestimmenden technischen Instumentes bedient hat, das jedenfalls in der vorgesehenen Weise nicht sachgerecht in das System der Umsatzbesteuerung eingefügt wurde und daher - wie der Gerichtshof verläufig annimmt - zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führt."
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in welcher sie begehrt, die in Prüfung gezogene Wortfolge nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Sie erklärt ausdrücklich, zur Frage, welche Auslegung dieser Bestimmung zutrifft, nicht Stellung zu nehmen und meint zu den Bedenken - differenziert nach beiden Auslegungsvarianten - folgendes:
"2. Die Auslegung der Finanzlandesdirektion
Von der Finanzlandesdirektion wird im Anlaßverfahren die Auffassung vertreten, für die in § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 umschriebene Wirkung des Einheitswertbescheides sei der Stichtag maßgebend, auf den der Einheitswertbescheid lautet. Wie auch der VfGH in seinem oz Beschluß zum Ausdruck bringt, wäre der (beispielsweise im Sinne des § 11 Abs 1 UStG 1972 betroffene) Unternehmer dann nicht in der Lage, den richtigen Umsatzsteuersatz seiner Kalkulation zugrundezulegen bzw. gemäß § 11 Abs 1 UStG 1972 in der Rechnung richtig anzuführen, 'sofern es ihm nicht gelänge, den Inhalt eines erst zu erlassenden Einheitswertbescheides mit zureichender Gewißheit vorweg festzustellen'. Hiezu ist nun zunächst zu bemerken, daß die materiell-rechtlichen Bewertungsregelungen in einem solchen Ausmaß genau und ausreichend determiniert sind, daß der festzusetzende Einheitswert bereits ohne Vorliegen eines Einheitswertbescheides für den Abgabepflichtigen bei bloßer Kenntnis des Bewertungsgegenstandes erkenn- bzw. errechenbar ist.
Insbesondere wird eine derartige - diesfalls prozentuelle - Erhöhung des Einheitswertes zu den jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkten bereits aufgrund des dem Abgabepflichtigen bekannten, bescheidmäßig festgestellten Einheitswertes anhand der einschlägigen, die Erhöhungssätze regelnden Bestimmungen ohne weiteres möglich und auch zumutbar sein.
Aber auch für den Fall einer Wertfortschreibung, wie sie den gegenständlichen Anlaßfällen zugrundeliegt, ist das gesetzlich determinierte Ausmaß der Änderung des Einheitswertes für den Steuerpflichtigen in aller Regel voraussehbar. Beispielsweise hätte in den Anlaßfällen die Beschwerdeführerin, die ihre Weinanbaufläche im Jahre 1974 von 6,27 ha auf 7,96 ha erhöht hatte, unter Anwendung des gleichgebliebenen Hektarsatzes von 34.500 S jedenfalls leicht errechnen können, daß der Einheitswert der weinbaumäßig genutzten Fläche statt 216.315 S (Hauptfeststellung ) zum 274.620 S betragen würde. Die Beschwerdeführerin wäre daher ohne weiteres in der Lage gewesen, den Inhalt des erst zu erlassenden Einheitswertbescheides mit zureichender Gewißheit vorweg festzustellen und somit ihrer Kalkulation den richtigen Steuersatz gemäß § 10 UStG 1972 zugrundezulegen. Dies muß umsomehr als durchaus zumutbar angesehen werden, als ja die Begünstigung nach der umsatzsteuerrechtlichen Regelung des § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 ihrerseits unmittelbar wirksam ist und keinen eigens zu erlassenden begünstigenden Bescheid voraussetzt.
In den von § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 erfaßten Fällen ergibt sich die Höhe des gesetzlichen Einheitswertes jedenfalls bereits rein rechnerisch aus dem Ausmaß der weinbaumäßig genutzten Fläche, die dem Unternehmer von vornherein bekannt ist. Der Unternehmer kann daher gerade in den von der prüfungsgegenständlichen Wortfolge erfaßten Fällen mit zureichender Gewißheit den Inhalt des möglicherweise erst zu erlassenden Einheitswertbescheides vorweg feststellen. Somit trifft aber gerade in den von § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 angesprochenen Fällen der Einheitswertfeststellung das für die hier in Rede stehende Auslegungsvariante formulierte Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht zu: Denn gerade im vorliegenden Zusammenhang unterscheidet sich die Lage eines Weinbautreibenden keineswegs von jener im Regelfall - daß nämlich Gewißheit über das Bestehen oder Nichtbestehen der Begünstigung und damit über den Steuersatz besteht - 'derart intensiv', daß sich daraus eine durch das Erfordernis einer Bewertung allein nicht mehr zu rechtfertigende unterschiedliche Behandlung von Unternehmern ergäbe.
3. Die Auslegung der Beschwerdeführerin
Wenn man der von der Beschwerdeführerin in den Anlaßfällen vorgeschlagenen Auslegungsvariante folgt, kann den diesfalls vom VfGH geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nach Ansicht der Bundesregierung folgendes entgegengehalten werden:
Im Sinne des vom VfGH in ständiger Judikatur vertretenen Grundsatzes der verfassungskonformen Interpretation setzt diese Auslegungsvariante voraus, daß die Feststellung des Einheitswertes im Zusammenhang mit der in Prüfung gezogenen Wortfolge lediglich Tatbestandswirkungen entfaltet.
Die Bundesregierung verkennt nun nicht, daß verschiedene Faktoren zu einer tatsächlich zeitlich unterschiedlichen Erlassung von - im Geltungsbereich des § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 Tatbestandswirkungen im erwähnten Sinne entfaltenden - Einheitswertbescheiden führen könnten, jedoch darf dieser Umstand im gegebenen Zusammenhang nicht unbedingt und allein als gleichheitswidrige Unsachlichkeit gedeutet werden:
Zunächst ist nämlich darauf hinzuweisen, daß - ungeachtet allfälliger, im folgenden noch zu erwähnender, lediglich indirekter wirtschaftlicher Konsequenzen - mit der Anwendbarkeit des Tatbestandes des § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 allein tatsächlich kein (unmittelbarer) Vermögensnachteil für den betreffenden Unternehmer verbunden ist. Vielmehr ist die Umsatzsteuer verrechnungstechnisch lediglich ein Durchlaufposten, der - je nach dem zur Anwendung gelangenden gesetzlichen Steuersatz gemäß § 10 UStG 1972 - in den Preis einzurechnen und uneingeschränkt an die Abgabenbehörde abzuführen ist. Ob der Umsatzsteuer nun - wie im Anlaßfall - 8 vH der Bemessungsgrundlage beträgt, oder ob der - demgegenüber erhöhte - Normalsteuersatz zu verrechnen und abzuführen ist, macht, was die (unmittelbaren) finanziellen Auswirkungen für den abgabepflichtigen Unternehmer anlangt, daher keinen Unterschied. Gleichviel, ob nun der Begünstigungstatbestand nach § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 zur Anwendung kommt oder nicht: die Besteuerung des abgabepflichtigen Unternehmers bleibt bei einer Verkehrssteuer von der Art der Umsatzsteuer jedenfalls insofern kosten- und damit einkommensmäßig neutral, als sie für ihn lediglich einen rechnungsmäßigen Durchlaufposten ohne einkommensmäßige Konsequenz darstellt.
Anders stellt sich hingegen die Sachlage in dem vom VfGH angesprochenen Erkenntnis VfSlg. 5411 dar: Hier ging es - im Zusammenhang mit dem Einkommenssteuerrecht - um die Frage des Rechtsanspruches auf (unmittelbar einkommenswirksame) verfahrensrechtliche Vorteile, die letztlich zu einer abgabenrechtlich bedingten vermögensmäßigen Besserstellung führen konnten. In diesem vom VfGH angesprochenen Fall hätte ein bloßes Anknüpfen an den Veranlagungszeitpunkt tatsächlich zu einer für den Unternehmer verschieden hohen Besteuerung und damit zu einer unterschiedlichen finanziellen Belastung von abgabepflichtigen Unternehmern in gleicher Lage geführt. Gerade in dieser Hinsicht unterscheidet sich aber, wie dargelegt, das hier zugrundegelegte Verständnis der prüfungsgegenständlichen Bestimmung von der im Erkenntnis VfSlg. 5411 als gleichheitswidrig verworfenen Rechtsauffassung der Behörde.
Die Bundesregierung verkennt freilich nicht, daß mit dem Vorliegen eines Einheitswertbescheides - im Sinne der Zielsetzungen des § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 - im Einzelfall gewisse indirekte wirtschaftliche Folgen für den betroffenen Unternehmer verbunden sein könnten. Im besonderen könnte der jeweils maßgebliche Umsatzsteuersatz kalkulationsmäßige Konsequenzen nach sich ziehen, die in Relation zu anderen Unternehmern allenfalls auch zu einer unterschiedlichen Preisbildung und damit zu einer Beeinflussung der Konkurrenzfähigkeit auf dem Markt führen.
Es trifft nun sicher zu, daß der Zeitpunkt der Zustellung des Einheitswertbescheides für diese indirekten wirtschaftlichen Folgen insoferne von Bedeutung sein kann, als diese wirtschaftlichen Konsequenzen früher oder später eintreten können. Die Bundesregierung meint jedoch, daß dieser Umstand im Rahmen der gleichheitsrechtlichen Beurteilung insoweit irrelevant ist, als nicht im Einzelfall nachgewiesen werden kann, daß die Behörde 'in Vollziehung der Gesetze' willkürlich (vgl. ua. VfSlg. 2470 und 3468) vorgegangen ist. Keinesfalls kann aber - nach Auffassung der Bundesregierung - aus diesem Grunde die Übereinstimmung einer generell-abstrakten Regelung, wie hier des § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972, mit dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz in Zweifel gezogen werden. Daran könnte nicht einmal die erhebliche Verzögerung bei der Zustellung des Einheitswertbescheides in den Anlaßfällen etwas ändern."
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Es ist offenkundig und wird auch von der Bundesregierung nicht bezweifelt, daß der VfGH in beiden Beschwerdeverfahren die in Prüfung gezogene Wortfolge anzuwenden hätte. Hieran ändert der von der Beteiligten geltend gemachte Umstand nichts, daß aus der Sicht der Anlaßfälle noch ein weiterer Tatbestand im § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 in Betracht zu ziehen sei. Die übrigen Prozeßvoraussetzungen des eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens liegen ebenfalls vor.
b) Im gegebenen Zusammenhang bemerkt der VfGH noch, daß er dem Vorschlag der Beteiligten nicht folgen kann, (im Gegensatz zum Einleitungsbeschluß) die in § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 enthaltene Wortfolge "(soweit) der Einheitswert der weinbaumäßig genutzten Fläche 250.000 S nicht übersteigt" als präjudiziell anzusehen. Ihr Hinweis auf den letzten Satz im Art 140 Abs 3 B-VG (der ua. die Berücksichtigung der Interessen der Partei des Anlaßverfahrens vorsieht) versagt, weil dieser Satz nur eine Regel für den Aufhebungsumfang bei bereits feststehender Verfassungswidrigkeit der geprüften Gesetzesstelle enthält und daher nicht sinngemäß auf das vorangehende Stadium übertragen werden kann, in dem der Prüfungsumfang erst abzugrenzen ist.
2. Die Bedenken des Gerichtshofs erweisen sich als begründet.
a) Der Gerichtshof ging im Prüfungsbeschl. - wie schon erwähnt wurde - zunächst von der Auslegung aus, welche die Finanzlandesdirektion dem § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 gibt; ihr zufolge wäre der Stichtag des Einheitswertbescheides maßgebend. Diese Auslegung erscheint jedoch bei näherer Betrachtung als nicht zutreffend.
Die Bundesregierung meint in ihrer Äußerung, daß die Änderung des Einheitswerts für den Steuerpflichtigen "in aller Regel" voraussehbar sei. Damit räumt sie im Ergebnis aber selbst ein, daß es eine nicht vernachlässigbare Anzahl von Fällen gibt, in denen die Berechnung nicht möglich ist, etwa weil sich die Berechnungsgrundlagen in einer auch nicht annähernd voraussehbaren Weise ändern. Zu bedenken ist auch, daß dem Abgabepflichtigen nicht die Last einer für ihn nicht vorhersehbaren Änderung der Gesetzeslage überbürdet werden kann, wozu - beispielsweise - auf das Bewertungsänderungsgesetz 1979, BGBl. 318, hingewiesen sei, dessen ArtI (ua.) den Hektarsatz für das Weinbauvermögen erhöhte.
b) Der Gerichtshof sieht sohin die Auslegung der Bf. als zutreffend an, daß sich der Steuersatz erst ab der Zustellung des Einheitswertbescheides ändert. Die Einwendungen der Bundesregierung gegen die Konsequenzen dieser Auffassung kommen nicht darüber hinweg, daß die Erhöhung des Einheitswertes über den maßgeblichen Betrag (oder im entgegengesetzten Fall: dessen Herabsetzung) zum Wegfall (im entgegengesetzten Fall: zum Eintritt) einer Steuerbegünstigung führt. Hierin muß nämlich Zweck und Effekt der Regelung erblickt werden, deren wirtschaftliche Bedeutung weder unter dem Aspekt des Wesens der Umsatzsteuer noch mit dem Argument diminuiert werden kann, "daß mit dem Vorliegen eines Einheitwertbescheides - im Sinne der Zielsetzungen des § 10 Abs 2 Z 4 UStG 1972 - im Einzelfall gewisse indirekte wirtschaftliche Folgen für den betroffenen Unternehmer verbunden sein könnten". Hängt aber der Wegfall (und in prinzipiell gleicher Weise auch der Eintritt) einer steuerlichen Begünstigung ganz wesentlich von rein manipulativen Umständen wie der Erlassung eines Bescheides ab, so führt dies - unter Bedachtnahme darauf, daß der bis zur Bescheiderlassung verstreichende Zeitraum verhältnismäßig lang sein kann (wie etwa 1 3/4 Jahre in den Anlaßbeschwerdefällen) - zu einer durch das Erfordernis einer behördlichen Entscheidung allein sachlich nicht mehr begründbaren Unterscheidung zwischen abgabenpflichtigen Unternehmern in materiell gleicher Lage.
c) Die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle war daher wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot als verfassungswidrig aufzuheben, das dem Gesetzgeber sachlich nicht begründbare Differenzierungen verwehrt (zB VfSlg. 6410/1971).
3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.
Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.