VfGH vom 03.10.1990, g44/90

VfGH vom 03.10.1990, g44/90

Sammlungsnummer

12481

Leitsatz

Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch die Ermächtigung zur generellen Festlegung verbindlicher Mindestgebühren für jegliche Ziviltechnikerleistung; sachliche Rechtfertigung eines solchen Eingriffs in die Erwerbsausübungsfreiheit aufgrund des öffentlichen Interesses an der Gewährleistung eines Sicherheitsstandards oder an besonderen schöpferischen oder kulturellen Leistungen nur hinsichtlich mancher Leistungen

Spruch

1. Folgende Bestimmungen des Bundesgesetzes vom über die Ingenieurkammern (Ingenieurkammergesetz), BGBl. Nr. 71, werden als verfassungswidrig aufgehoben:

a) die Worte "und verbindlich erklärten Gebührenordnungen (§31)" in § 6 Abs 3;


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b)
der Wortteil "Mindest" im ersten Satz des § 31 Abs 1;
c)
der zweite Satz des § 31 Abs 1;
d)
der Absatz 2 des § 31;
e)
der Absatz 3 des § 31.


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Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

2. Das Verfahren betreffend § 48 Abs 1 Z 2 Ingenieurkammergesetz wird eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B398/87, B623/87 und B228/89 drei Beschwerden von Zivilingenieuren gegen Bescheide der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer anhängig, mit denen die Beschwerdeführer jeweils für schuldig erkannt wurden, durch Unterschreitung einer verbindlich erklärten Gebührenordnung gegen Punkt 3,6. der Standesregeln verstoßen und ein Diziplinarvergehen gemäß § 48 Abs 1 Z 2 Ingenieurkammergesetz, BGBl. 71/1969 (IKG), begangen zu haben, weswegen über die Beschwerdeführer jeweils eine Disziplinarstrafe nach § 49 Abs 1 IKG verhängt wurde.

2. Aus Anlaß dieser drei Beschwerdefälle beschloß der Verfassungsgerichtshof am gemäß Art 139 B-VG, die Gesetzmäßigkeit folgender Verordnungsbestimmungen von Amts wegen zu prüfen:

a) des zweiten Satzes des Punktes 2. der 26. Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom , Z 1064/75, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern am , sowie

b) der Standesregel 3,6. der Ziviltechniker, Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom , Z 1130/72, bzw. vom , Z 2090/73, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern am .

Die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens erfolgte, weil der Verfassungsgerichtshof das Bedenken hatte, daß diese Bestimmungen - welche eine disziplinäre Sanktion bei Unterschreitung der verbindlichen Mindestgebühren festlegen - bei verfassungskonformer Interpretation des Gesetzes der gesetzlichen Deckung entbehren (s. hiezu im einzelnen die im Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , B398/87, 623/87, angeführten Erwägungen).

In seiner Äußerung im Verordnungsprüfungsverfahren vertrat der Kammertag der Bundes-Ingenieurkammer zusammengefaßt die Auffassung, daß einerseits die in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen lediglich zutreffende und zulässige Hinweise auf gesetzliche Regelungen ohne selbständige normative Bedeutung darstellten und daß andererseits die diesen Verordnungsstellen zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen (§6 Abs 3 Satz 1, § 31 und § 48 Abs 1 Z 2 IKG) verfassungsrechtlich unbedenklich seien (sodaß die vom Verfassungsgerichtshof vorgenommene Interpretation nicht verfassungsrechtlich geboten sei).

3. Aus Anlaß dieses Verordnungsprüfungsverfahrens beschloß der Verfassungsgerichtshof am , die Verfassungsmäßigkeit folgender Bestimmungen des Bundesgesetzes vom über die Ingenieurkammern (Ingenieurkammergesetz, IKG), gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen zu prüfen:

a) der Worte "und verbindlich erklärten Gebührenordnungen (§31)" in § 6 Abs 3;


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b)
des Wortteiles "Mindest" im ersten Satz des § 31 Abs 1;
c)
des zweiten Satzes des § 31 Abs 1;
d)
des Absatzes 2 des § 31;
e)
des Absatzes 3 des § 31;
f)
der Z 2 des § 48 Abs 1.

In der Begründung dieses Beschlusses legte der Verfassungsgerichtshof im wesentlichen dar, entgegen seinen ursprünglichen Annahmen könne er - nicht zuletzt entsprechend den Ausführungen des Kammertages der Bundes-Ingenieurkammer - seine vorläufige Annahme, das Ingenieurkammergesetz sei einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend zugänglich, daß es eine disziplinäre Verfolgung der Unterschreitung von Mindestgebühren nicht ermögliche (die "Verbindlicherklärung" habe bloß vertrags- und wettbewerbsrechtliche Folgen), anscheinend nicht aufrecht erhalten: Bei einer solchen verfassungskonformen Auslegung entstehe ein unauflösbarer Wertungswiderspruch, weil ein Verstoß gegen die Berufspflichten, Standesregeln und verbindlich erklärten Gebührenordnungen aus dem ersten Satz des § 6 Abs 3 IKG sanktionslos bleiben würde, anders als bloße Ordnungswidrigkeiten darstellende Pflichtverletzungen nach dem zweiten und dritten Satz des § 6 Abs 3 IKG.

Diese Annahme führte den Verfassungsgerichtshof aber zu dem - ihn vorerst (bloß) zu einer verfassungskonformen Interpretation veranlassenden - Bedenken, daß die gesetzliche Regelung mit Art 6 StGG nicht vereinbar sei. Auf die nähere Begründung dieser Bedenken wird im folgenden noch einzugehen sein.

4. Im Gesetzesprüfungsverfahren gaben die Bundesregierung und die Bundes-Ingenieurkammer Äußerungen ab, in denen sie die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen verteidigten und im übrigen meinten, nicht § 48 Abs 1 Z 2 IKG, sondern bloß die anderen vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogenen Bestimmungen seien Sitz der von ihm angenommenen Verfassungswidrigkeit.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die hier maßgeblichen Vorschriften des IKG lauten in ihrem Zusammenhang (die zu prüfenden Gesetzesstellen sind hervorgehoben):

"§6. Rechtsstellung der Mitglieder

(1) Die Mitglieder sind nach Maßgabe der Bestimmungen des § 34 aktiv und passiv wahlberechtigt.

(2) Die Wohlfahrts-, Unterstützungs- und anderen Einrichtungen der nach diesem Bundesgesetz errichteten Kammern stehen den Mitgliedern nach Maßgabe der Vorschriften dieses Bundesgesetzes zur Verfügung.

(3) Die Mitglieder sind verpflichtet, die ihnen durch das Ziviltechnikergesetz auferlegten Berufspflichten sowie die Standesregeln (§30) und verbindlich erklärten Gebührenordnungen (§31) einzuhalten. Sie sind weiters verpflichtet, die Beschlüsse der Kammerorgane zu befolgen, die vorgeschriebenen Umlagen und sonstigen Beiträge zu entrichten und die Länderkammer sowie die Bundeskammer in ihren Aufgaben zu unterstützen. Die Mitglieder sind ferner verpflichtet, Hilfskräfte, deren praktische Betätigung für eine Anrechnung nach § 10 Ziviltechnikergesetz in Betracht kommt, bei der Länderkammer anzumelden."

"§31. Gebührenordnungen

(1) Die Bundeskammer hat Mindestgebührensätze für Ziviltechnikerleistungen sowie Grundsätze über die Honorarabrechnung in Gebührenordnungen festzulegen. Sie kann deren Einhaltung nach Maßgabe des Abs 2 für die Ziviltechniker verbindlich erklären. Bei Festlegung der Gebührenordnungen ist der Leistung und dem Aufwand sowie den gesamtwirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen.

(2) Gebührenordnungen, deren Verbindlicherklärung beabsichtigt ist, hat die Bundeskammer dem Bundesministerium für Bauten und Technik vorzulegen. Das Bundesministerium für Bauten und Technik kann die Verbindlicherklärung einer Gebührenordnung binnen drei Monaten nach Vorlage untersagen, wenn den im Abs 1, letzter Satz, angeführten Grundsätzen nicht Rechnung getragen wurde. Die Verbindlicherklärung ist nur zulässig, wenn binnen dieser Frist keine Untersagung erfolgt oder das Bundesministerium für Bauten und Technik schon früher bekanntgibt, daß es die Verbindlicherklärung nicht untersage.

(3) Gebührenordnungen, die für die Ziviltechniker verbindlich erklärt wurden, sind in den Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern kundzumachen. Sie treten, wenn darin kein späterer Tag bestimmt ist, mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."

"§48. Disziplinarvergehen

(1) Ziviltechniker machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie

1. das Ansehen oder die Würde des Standes durch ihr Verhalten, insbesondere der Öffentlichkeit, den Auftraggebern oder den Kollegen gegenüber, beeinträchtigen oder

2. die Berufs- oder Standespflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich durch Ablegung des Eides (§18 Ziviltechnikergesetz) verpflichtet haben, oder zu deren Einhaltung sie nach dem Ziviltechnikergesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.

(2) Die Tatsache, daß dieselbe Handlung oder Unterlassung auch von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde zu ahnden ist, schließt die disziplinäre Verfolgung nicht aus.

(3) Die Bundesbehörden sowie die Organe der nach diesem Bundesgesetz gebildeten Körperschaften, die von Disziplinarvergehen eines Ziviltechnikers Kenntnis erhalten, haben dies der Länderkammer mitzuteilen.

(4) Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ist ausgeschlossen, wenn die Handlung oder Unterlassung mehr als fünf Jahre zurückliegt."

2.a) Das Verfahren hat nichts ergeben, was daran zweifeln ließe, daß sowohl die zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren als auch das zugrundeliegende Verordnungsprüfungsverfahren zulässig sind.

b) Weder die Bundesregierung noch die Bundes-Ingenieurkammer stellen in Frage, daß sämtliche in Prüfung gezogene Bestimmungen für das Bescheid- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren präjudiziell sind (sie meinen bloß, nicht alle Bestimmungen seien Sitz der vom Verfassungsgerichtshof angenommenen Verfassungswidrigkeit, hiezu unten 4.). Da auch alle übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

3.a) Der Verfassungsgerichtshof findet seine vorläufige Annahme, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen seien keiner verfassungskonformen Auslegung zugänglich, bestätigt. Nach dem Regelungssystem wollte der Gesetzgeber zweifelsfrei ermöglichen, daß die Bundeskammer verbindliche Mindestgebührensätze für Ziviltechnikerleistungen festlegt und die Unterschreitung dieser Mindestgebührensätze als Disziplinarvergehen verfolgt wird. Jede andere Auslegung würde zu unüberwindbaren Wertungswidersprüchen führen.

b) Unbestrittenermaßen greift das durch die in Prüfung gezogene Regelung in ihrer Gesamtheit normierte Verbot, festgelegte Gebühren zu unterschreiten, in den Schutzbereich des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Erwerbsfreiheit ein.

Dieses Grundrecht steht unter Gesetzesvorbehalt. Da der Gesetzesvorbehalt aber nicht zu jedweder Einschränkung der grundrechtlich gewährleisteten Freiheit ermächtigt, ist zu prüfen, ob sich die angefochtene Regelung zu Recht auf den Gesetzesvorbehalt in Art 6 StGG zu stützen vermag.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, daß der Gesetzgeber dem Art 6 StGG zufolge ermächtigt ist, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und unter bestimmten Umständen verboten ist, sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechts nicht verletzt und auch sonst der Verfassung entspricht. Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hat dies dahin ergänzt und präzisiert, daß eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsfreiheit beschränkt, nur zulässig ist, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist. Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsausübungsfreiheit zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, daß Ausübungsregeln bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (vgl. VfSlg. 11558/1987 mwH, , 148/88).

c) In seinem Einleitungsbeschluß hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht mit Art 6 StGG vereinbar seien. In den Erläuternden Bemerkungen zu § 31 IKG (1067 der Blg.Sten.Prot.NR XI. GP. S. 25) heiße es (lediglich), Standesregeln und Gebühren sollten einen gegenseitigen kommerziellen Wettbewerb der mit vielen treuhänderischen Aufgaben betrauten Ziviltechniker vermeiden helfen und sollten "die Austragung des Wettbewerbs der Ziviltechniker untereinander auf der geistigen Ebene fördern". Der Verfassungsgerichtshof meine vorläufig, daß weder der "Wettbewerb auf der geistigen Ebene" (der durch einen Wettbewerb auf der Ebene des Entgelts anscheinend nicht ausgeschlossen wäre), noch die in den Erläuterungen angeführten "treuhänderischen Aufgaben" oder die besondere berufliche Stellung von Ziviltechnikern als Urkundspersonen ausreichen dürften, um den Eingriff in die Erwerbsfreiheit als (noch) verhältnismäßig bezeichnen zu können. Auch ein Schutzeffekt von Mindestpreisen scheine hier nicht geboten zu sein. Selbst wenn aber ein solcher Schutzeffekt hier an sich gerechtfertigt wäre, scheine er durch die in Prüfung gezogenen Normen nicht erreicht zu werden.

d) Die Bundesregierung verweist in ihrer Äußerung hiezu bloß auf das in den Materialien wiedergegebene Argument des "Schutzes des geistigen Wettbewerbes" und behauptet ohne nähere Darlegung, dieser Schutz des geistigen Wettbewerbes sichere die hohe Qualität der Leistungen von Ziviltechnikern, welches Ziel von der Rechtsordnung in vielfacher Hinsicht anerkannt sei. Als weiteres Ziel von Mindestgebühren nennt die Bundesregierung den Zweck, "die Allgemeinheit und die Kunden der Ziviltechniker über die Angemessenheit des Entgelts zu informieren", und damit sowohl "der Sicherung des Vertrauens der Allgemeinheit in diesen Berufsstand als auch dem Interesse der Verbraucher" zu dienen. Die Adäquanz des Eingriffes in die Erwerbsfreiheit sieht die Bundesregierung darin, daß nach § 31 Abs 1 letzter Satz IKG bei Festlegung der Mindestgebühren der Leistung und dem Aufwand sowie den gesamtwirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen ist.

e) Zum Vorbringen der Bundesregierung und der Bundes-Ingenieurkammer ist folgendes festzuhalten:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das von der Bundesregierung genannte - sicherlich im öffentlichen Interesse liegende - Ziel des Verbraucherschutzes die Festlegung verbindlicher Mindestgebühren, deren Unterschreitung sanktioniert wird, nicht rechtfertigt. Dem Verbraucherschutz in dem von der Bundesregierung angeführten Sinne ist schon dann Rechnung getragen, wenn die Bundeskammer Gebührenordnungen erläßt, die bloß Empfehlungscharakter haben. Anhand dieser Gebührenordnungen könnte sich der Verbraucher über die üblichen Preise von Ziviltechnikerleistungen informieren und feststellen, ob der von ihm gewählte Ziviltechniker ein normales, besonders billiges oder auch besonders teures Angebot gestellt hat, sodaß der Verbraucher daraus seine Schlüsse ziehen kann (im Sinne des von der Bundesregierung Gemeinten auch den, daß bei einem besonders billigen Angebot möglicherweise auch Abstriche in der Leistung hinzunehmen sind). Keinesfalls kann es aber im Sinne der Verbraucher gelegen sein, wenn Ziviltechniker grundsätzlich daran gehindert werden, bei Erbringung ein und derselben Leistung einander zu unterbieten.

Inwieweit allerdings die Festlegung eines Mindestentgeltes in bestimmter Hinsicht der Aufrechterhaltung der - auch in der Äußerung der Bundesregierung bezogenen - Qualität von (bestimmten) Ziviltechnikerleistungen dienen und deren Festlegung als im öffentlichen Interesse gelegener Eingriff in die Erwerbsfreiheit sachlich gerechtfertigt sein kann, machen die Ausführungen der Bundes-Ingenieurkammer deutlich (insbesondere die Wiedergabe von Debattenbeiträgen im Plenum des Bundestages der Bundesrepublik Deutschland anläßlich der Wiedereinführung von Mindestgebühren für Architekten und Ingenieurleistungen, in denen am Beispiel der Architekten und Stadtplaner hervorgehoben wird, inwiefern Mindestgebühren die Erbringung schöpferischer und kulturell hochstehender Leistungen im allgemeinen Interesse sichern können).

Der Verfassungsgerichtshof stellt somit nicht in Abrede, daß die Festlegung verbindlicher Mindestgebühren für (manche) Ziviltechnikerleistungen zur Sicherung eines im öffentlichen Interesse liegenden Standards geeignet sein und daher einen sachlich gerechtfertigten Eingriff in die Erwerbsfreiheit bilden kann; dies auch im Hinblick darauf, daß es sich hiebei nicht um eine Beschränkung des Erwerbsantrittes, sondern der Erwerbsausübung handelt, für welche nach der bereits wiedergegebenen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dem Gesetzgeber ein größerer Gestaltungsspielraum offen steht.

Die in Prüfung gezogene Regelung ist aber zu weitgehend, um (bloß) der Verfolgung dieser Ziele zu dienen. Sie ermächtigt nämlich - völlig undifferenziert - für jegliche Art von Ziviltechnikerleistung zur Festlegung von verbindlichen Mindestgebühren und zur disziplinären Ahndung im Falle ihrer Unterschreitung. Der Gerichtshof zieht, wie bereits betont wurde, nicht in Zweifel, daß bei manchen Ziviltechnikerleistungen öffentliche Interessen - etwa an der Gewährleistung eines besonderen Sicherheitsstandards oder an besonderen schöpferischen oder kulturellen Leistungen - die Vorschreibung von Mindestgebühren rechtfertigen können. Die gesetzliche Ermächtigung zur Festlegung verbindlicher Gebühren für schlechthin alle Arten von Ziviltechnikerleistungen geht aber über das durch solche öffentliche Interessen gerechtfertigte und allgemein im wirtschaftlichen Leben zur Sicherung dieser Interessen notwendige Maß hinaus.

Es ist nun nicht Aufgabe des Gerichtshofes zu untersuchen, bei welchen der vielfältigen Ziviltechnikerleistungen mit der Einführung von Mindestgebühren zulässigerweise öffentliche Interessen im oben beschriebenen Sinn verfolgt werden; es liegt am Gesetzgeber, insofern den Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit so zu umschreiben, daß Mindestgebühren nur in jenen Fällen vorgesehen werden können, in denen dies tatsächlich dem öffentlichen Interesse dient. Die Möglichkeit, für jegliche Ziviltechnikerleistung verbindliche Mindestgebühren vorzusehen, verletzt jedenfalls die verfassungsrechtliche Garantie der Erwerbsfreiheit.

4. Die aus der Verfassungswidrigkeit resultierende Aufhebung hat sich jedoch aus folgenden Gründen nicht auch auf § 48 Abs 1 Z 2 IKG zu erstrecken:

Nach Wegfall der aufgehobenen Bestimmungen in den §§6 und 31 ist es (auch im Zusammenhalt mit den zur Aufhebung führenden Gründen) nach dem IKG nicht (mehr) zulässig, für Leistungen von Ziviltechnikern verbindliche Mindestgebühren festzusetzen. Eine Verpflichtung zur Einhaltung solcher Vorschriften im Sinne des § 48 Abs 1 Z 2 IKG kann somit nicht (mehr) eintreten. § 48 Abs 1 Z 2 leg.cit. ist daher nicht mehr mit Verfassungswidrigkeit belastet, weshalb das Gesetzesprüfungsverfahren insoweit einzustellen ist.

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.