VfGH vom 14.10.1998, G439/97
Sammlungsnummer
15305
Leitsatz
Abweisung des zulässigen Individualantrags eines Handelsbetriebes auf Aufhebung von Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Samstagen; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit aufgrund der verfassungsrechtlich unbedenklichen Verfolgung gesundheits-, sozial- und familienpolitischer Ziele durch die angefochtene Regelung; Schutz des betroffenen Personenkreises nur durch ein generelles Verbot; keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung aufgrund der weitergehenden Ausnahmen vom Verbot der Wochenendarbeit für bestimmte Verkaufsstellen (zB Flughäfen, Bahnhöfe) und bestimmte Arbeiten
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. In das Arbeitsruhegesetz, BGBl. 144/1983, wurde durch die Novelle BGBl. I 5/1997 als Abschnitt 5b unter der Überschrift "Sonderbestimmungen für Arbeitnehmer in Verkaufsstellen" folgendes eingefügt:
"§22d. (1) Arbeitnehmer in Verkaufsstellen gemäß § 1 Abs 1 bis 3 des Öffnungszeitengesetzes 1991, BGBl. Nr. 50/1992, dürfen an Samstagen nach 13 Uhr beschäftigt werden, soweit die jeweils geltenden Öffnungszeitenvorschriften das Offenhalten dieser Verkaufsstellen zulassen.
(2) Wird ein Arbeitnehmer gemäß Abs 1 an einem Samstag nach 13 Uhr beschäftigt, hat der folgende Samstag zur Gänze arbeitsfrei zu bleiben, soweit die Abs 3 bis 5 nicht anderes bestimmen.
(3) Ein Arbeitnehmer darf am folgenden Samstag beschäftigt werden, wenn er nach 13 Uhr beschäftigt wurde mit
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1. | Verkaufstätigkeiten, die nach den §§17 und 18 oder einer Verordnung gemäß § 12 zulässig sind, | |||||||||
2. | Verkaufstätigkeiten an den letzten vier Samstagen vor dem 24. Dezember, | |||||||||
3. | der Kundenbedienung nach § 8 des Öffnungszeitengesetzes 1991, | |||||||||
4. | Abschlußarbeiten gemäß § 3 Abs 2. |
(4) Die Betriebsvereinbarung, in Betrieben, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, die schriftliche Einzelvereinbarung kann zulassen, daß innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen die Beschäftigung an zwei Samstagen zulässig ist. In diesem Fall haben die übrigen Samstage dieses Zeitraumes arbeitsfrei zu bleiben.
(5) Der Kollektivvertrag kann weitere Abweichungen zulassen.
(6) Abs 1 bis 5 gelten auch für Tätigkeiten gemäß § 7 des Öffnungszeitengesetzes 1991."
1. Mit dem vorliegenden Antrag begehren eine im Möbelhandel tätige, mehrere Verkäufer beschäftigende GesmbH und ein bei ihr beschäftigter Verkäufer die Aufhebung der Abs 2 bis 5 des § 22d ARG. Sie seien durch diese Vorschriften unmittelbar betroffen; angesichts der Gefahr von Verwaltungsstrafen und Klagen von Mitunternehmern wegen unerlaubten Wettbewerbes im Falle einer Übertretung sei der antragstellenden Gesellschaft ein anderer Weg, die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, nicht zumutbar; während der antragstellende Verkäufer, dessen Entgelt zu wesentlichen Teilen aus Provisionen bestehe, durch das vom Arbeitgeber zu befolgende Beschäftigungsverbot gehindert sei, an mehr als 2 Samstagen innerhalb von 4 Wochen auch nachmittags zu arbeiten.
In der Sache bringen die Antragsteller folgendes vor:
"4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 22 d Abs 2 - 5 ARG:
Die gesetzliche Regelung des § 22 d ARG hat in der Praxis sowohl aus der Sicht des Arbeitgebers als auch aus der Sicht des Arbeitnehmers gerade im Bereich des Handels mit Möbeln als doch größere Investitionen für den Kunden massive Probleme gebracht. Das Kundenverhalten ist vielfach so, daß potentielle Kunden an einem Samstag Nachmittag die Verkaufsstelle eines Möbelhändlers aufsuchen, sich dort über Preise, Lieferzeiten etc. im Detail informieren und ein Angebot erstellen lassen. Zur Vermeidung übereilter Kaufentschlüsse kommt es vielfach dazu, daß Kunden zunächst wiederum mit dem erstellten Anbot das Geschäft verlassen, dies mit der Ankündigung, sich den Geschäftsabschluß noch zu überlegen. Aufgrund der für den Großteil der Bevölkerung üblichen Beschäftigungszeiten ist der darauffolgende Samstag aus der Sicht vieler Kunden ein sehr geeigneter Zeitpunkt, den Geschäftsabschluß dann tatsächlich zu tätigen. Aufgrund des § 22 d ARG ist es jenem Verkäufer, der den Verkaufsabschluß vorbereitet hat, nicht möglich, den endgültigen Kaufvertrag tatsächlich abzuschließen, da eine Beschäftigung am darauffolgenden Samstag durch § 22 d Abs 2 ARG ausgeschlossen ist. Es kommt daher vielfach dazu, daß vom Zweitantragsteller vorbereitete Geschäftsabschlüsse letztlich von einem anderen Verkäufer abgeschlossen werden, wodurch dieser andere Verkäufer und nicht jener, der wesentliche Vorarbeiten geleistet hat, den Provisionsanspruch erwirbt. Es kann dem auch nicht entgegengesetzt werden, daß es vermutlich den Arbeitskollegen des Zweitantragstellers ähnlich geht, weil eben die Tüchtigkeit des einzelnen Verkäufers stark unterschiedlich ist und daher ein weniger tüchtiger Verkäufer von der Regelung des § 22 d ARG eher profitiert, während ein besserer Verkäufer dadurch massiv geschädigt wird. Der Eingriff in die Erwerbsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers ist deshalb besonders massiv, weil der Kollektivvertragslohn eher gering ist und die Provisionsansprüche aus abgeschlossenen Geschäften - arbeitsrechtlich zulässig - die Haupteinnahmequelle darstellen.
Aus der Sicht des Arbeitgebers besteht zunächst ebenfalls das bereits angesprochene Problem, daß jener Verkaufsberater, der das Erstgespräch geführt hat, am nächstfolgenden Samstag dem Kunden nicht zur Verfügung steht, sodaß der Kunde bei diesem als geradezu typisch zu bezeichnenden Kaufverhalten einen anderen Verkaufsberater vorfindet, dem er einerseits seine Wünsche neuerlich darlegen muß und wobei andererseits es so ist, daß ein Kunde, der aufgrund der Beratungstätigkeit eines Mitarbeiters wiederkommt, wünscht und erwartet, daß auch der Verkaufsabschluß selbst mit diesem Mitarbeiter durchgeführt wird. Eine 'Steuerung' des Käuferverhaltens dahingehend, daß eben zB schon während der folgenden Arbeitswoche die Kaufverträge zustande kommen, hat sich in der Praxis als unmöglich erwiesen, weil sich Kunden durch 'Vorschriften' über Verkaufsabschlußzeitpunkte eingeengt und belästigt fühlen.
Dazu kommt, daß die vom Käuferpublikum sehr gerne aufgenommene Öffnung der Verkaufsstätten am Samstag Nachmittag her jene Zeiten sind, in denen die Kundenfrequenz am höchsten ist. Unter diesen Gesichtspunkten verbietet § 22 d ARG die Beschäftigung von 50 % des an sich vorhandenen Verkaufspersonals, es kann also durch § 22 d ARG in den Zeiten mit der höchsten Kundenfrequenz nur das halbe Verkaufspersonal eingesetzt werden. Berücksichtigt man weiters noch Krankenstände, Urlaube etc., vermindert sich dieser Prozentsatz noch erheblich weiter nach unten.
Aufgrund dieser Unzukömmlichkeiten haben wir Univ.-Prof Dr. F M gebeten, in einem Rechtsgutachten zu klären, inwieweit § 22 d Abs 2 - 5 ARG verfassungskonform sind. Prof M kommt in seinem Rechtsgutachten, das in der Fachzeitschrift ASoK November 1997 veröffentlicht werden soll, zum Ergebnis, daß § 22 d Abs 2 ARG einen Verstoß gegen die Erwerbsfreiheit gem. Art 6 StGG und einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 7 B-VG, Art 2 StGG darstellt.
a) Verstoß gegen die Erwerbsfreiheit:
Gegenstand der Erwerbsfreiheit ist jede Tätigkeit, die auf einen wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet ist, unabhängig davon, ob sie selbständig oder unselbständig ausgeübt wird. Der Gesetzgeber darf aufgrund des Gesetzesvorbehaltes regelnd in die Erwerbsfreiheit eingreifen, es darf dadurch der Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt werden oder sonst wie gegen einen den Gesetzgeber bindenden Verfassungsgrundsatz verstoßen werden. Jedenfalls seit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg 10179 verlangt der VfGH, daß allfällige Einschränkungen 'durch das öffentliche Interesse geboten und sachlich gerechtfertigt' sind. In der Folgejudikatur wurde insbesondere auch die Frage gestellt, inwieweit die eingesetzten Mittel zur Zielerreichung adäquat sind (zB VfSlg 10718, 10932, 11276 und 11483; dazu auch Binder, ÖZW 1988, 1 ff; Öhlinger, Verfassungsrecht, 3. Auflage, 353 f ua). Die Bestimmung des § 22 d Abs 2 ARG stellt einen Eingriff in die Erwerbsausübung (und nicht in den Zugang zum Erwerb) dar. Es wird dem einzelnen Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen, jeden Samstag seiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, zum anderen kann der Arbeitgeber auch nicht an beliebig vielen aufeinanderfolgenden Samstagen seine Verkaufsstelle mit seiner gesamten Belegschaft führen, dies obwohl das Öffnungszeitengesetz das Offenhalten gestattet. Aus gesundheits-, familien- und sozialpolitischen Gründen ist wohl das öffentliche Interesse an einer Regelung im Sinn des § 22 d ARG grundsätzlich gegeben, es ist aber eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs in die Erwerbsfreiheit einerseits und dem Gewicht der Gründe, die diesen Eingriff rechtfertigen sollen, andererseits vorzunehmen.
Durch das Verbot einer Erwerbstätigkeit am Samstag Nachmittag aus der Sicht des Arbeitnehmers und durch das Verbot an den Arbeitgeber, bei voller Belegschaft Samstag im Rahmen der erlaubten Öffnungszeiten seine Verkaufsstelle offenzuhalten, wird massiv in die Erwerbsfreiheit eingegriffen. Der Gesundheitsschutz allein rechtfertigt nur den Kernbereich einer Wochen(end)ruhe, bei dessen Verletzung die Gesundheitsgefährdung beginnt, nicht jedoch weitergehende Beschränkungen (Rebhahn, WBl 1996, 56 ff). Einer Gesamtbetrachtung des ARG kann die Wertung entnommen werden, daß bei einer ununterbrochenen Wochenruhe von 36 Stunden keine Gesundheitsgefährdung vorliegt. Dieser Kernbereich des Ruhebedürfnisses ist aber auch dann nicht beeinträchtigt, wenn gem. § 22 d Abs 1 ARG jeden Samstag Nachmittag die Beschäftigung zulässig wäre. Bei der Beschäftigung am Samstag bis 17.00 Uhr vergeht bis zum frühestmöglichen Öffnungszeitpunkt am darauffolgenden Montag um 06.00 Uhr immer noch ein Zeitraum von 37 Stunden, häufig jedoch auch mehr. Der Gesundheitsschutz allein vermag daher die Beeinträchtigung der Erwerbsfreiheit durch § 22 d Abs 2 ARG nicht zu rechtfertigen.
Soweit auch sozial- und familienpolitische Ziele verfolgt werden (etwa die Möglichkeit, an einem Samstag Nachmittag soziale Kontakte oder familiäre Kontakte zu pflegen) ist dies jenen Zwecken gegenüberzustellen, die durch die Verlängerung der Öffnungszeiten am Samstag erreicht werden soll. Durch die Verlängerung sollte der Kaufkraftabfluß ins Ausland verhindert werden, der Wirtschaftsstandort Österreich attraktiv gestaltet werden und auch verbraucherfreundliche Einkaufszeiten ermöglicht werden. Dieses Ziel wird durch eine gesetzliche Regelung, die den Samstag im Gegensatz zu jedem anderen Wochentag mit einem zumindest 50 %igen Beschäftigungsverbot versieht, verhindert. Es nützen dem Kunden verlängerte Öffnungszeiten nicht, wenn die Kundenbetreuung am Haupteinkaufstag nur sehr eingeschränkt möglich ist. Bei der erforderlichen Interessensabwägung sind zwar die durch das Arbeitszeitrecht verfolgten Ziele in die Interessensabwägung mit einzubeziehen, sie sind aber aufgrund der engen Verbundenheit mit den Öffnungszeiten ebenso in der Gesamtabwägung mit dem mit letzteren verbundenen Zielen in Relation zu setzen. Dazu kommt, daß das Ziel der Gesetzgebung eine Harmonisierung zwischen arbeitszeitrechtlichen und gewerberechtlichen Vorschriften waren, die durch die nun betroffene Regelung aber nicht erreicht wird. Dazu kommt noch die arbeitsmarktpolitische Bedeutung der Arbeitszeitregelung. Durch die Verlängerung der Öffnungszeiten könnten bzw. sollten zusätzliche Arbeitsplätze im Einzelhandel geschaffen werden. Dies läßt sich an folgendem Beispiel belegen:
Ein Kaufhaus benötigt während der Öffnungszeiten, um ordnungsgemäß und kundengerecht geführt zu werden, 30 anwesende Mitarbeiter. Um Urlaubsansprüche und Krankheiten auszugleichen und die Höchstarbeitszeiten einhalten zu können, werden insgesamt 40 Mitarbeiter eingestellt. Durch die Verlängerung der Öffnungszeiten von 13.00 Uhr auf 17.00 Uhr entstünde bei 30 erforderlichen Mitarbeitern ein Mehrbedarf von 120 Stunden Arbeitszeit, dies entspricht bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden 3 Vollzeitarbeitskräften. Auch wenn der Unternehmer nun drei Vollzeitarbeitskräfte einstellt, kann er für einen Samstag noch immer nicht das erforderliche Personal aufbringen. Es stehen ihm nämlich nur 43 Mitarbeiter zur Verfügung, die er jedoch Samstag ganztägig nur jedes zweite Mal einsetzen kann. Tatsächlich stehen ihm daher an einem Samstag nur
21,5 Arbeitskräfte zur Verfügung. Folge dieser gesetzlichen Regelung ist daher, daß der Unternehmer gezwungen wird, keine Vollzeitbeschäftigten für die zusätzlichen Öffnungszeiten einzustellen, sondern er muß versuchen, an Samstagen mit Aushilfskräften bzw. geringfügig Beschäftigten über die Runden zu kommen. Dies führt natürlich dazu, daß den Kunden am Samstag weniger qualifiziertes Personal als sonst zur Verfügung steht. Auch hier widerspricht § 22 d Abs 2 ARG der Zielsetzung der Verlängerung der Öffnungszeiten. Auch arbeitsmarktpolitisch wird das Ziel des Arbeitsruhegesetzes verfehlt, die Förderung von stundenweiser Aushilfsarbeit zu Lasten von langfristigen Arbeitsverträgen ist arbeitsmarktpolitisch nicht sinnvoll. Eine flexiblere Ausgleichsregelung als die des § 22 d Abs 2 ARG wäre möglich und könnte gleichzeitig mit einer etwas flexibleren Regelung auch am Samstag die Verkaufsstelle mit 30 Arbeitnehmern (in obigem Beispiel) offengehalten werden. Das Arbeitsruhegesetz selbst kennt auch noch andere Ausgleichsmöglichkeiten (Wochenruhe statt Wochenendruhe). Insbesondere bei Berücksichtigung des Umstandes, daß die Wochenendruhe als solche in ihrem 36-stündigen Kernbereich durch § 22 d Abs 1 ARG nicht beschränkt wird, ist § 22 d Abs 2 ARG ein inadäquates Mittel zur Durchsetzung der sozial- und familienpolitischen Ziele. Der dadurch bewirkte Eingriff in die Erwerbsfreiheit ist daher nicht gerechtfertigt.
Der Schutz des Arbeitnehmers ist darüber hinaus dadurch gewährleistet, daß § 19 c AZG idF BGBl I 1997/46 und ArtV Z 2 des KV des Handelsangestellten ebenso wie § 22 d Abs 4 ARG eine Beschäftigung aufgrund einseitiger Anordnung des Dienstgebers ausschließen.
Auch die - nicht näher definierte - Möglichkeit, abweichende Regelungen in den Kollektivvertrag aufzunehmen (§22 d Abs 5 ARG) kann zu keiner anderen Beurteilung führen, weil es nicht Aufgabe der Kollektivvertragsparteien sein kann, gesetzgeberische Fehler 'auszubügeln'. Im übrigen zeigt auch diese Bestimmung, daß offenbar dem Gesetzgeber selbst bei der Erlassung des § 22 d Abs 2 ARG 'nicht wohl' war, weil offenbar schon in der Phase der Gesetzesentstehung gesehen wurde, daß eine derartig starre und unflexible Regelung praktisch nicht handhabbar sein wird.
b) Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:
Der Gleichheitsgrundsatz verlangt vom Gesetzgeber, nur sachlich gerechtfertigte Regelungen zu treffen und verpflichtet somit den Gesetzgeber, an gleiche Tatbestände die gleiche Rechtsfolge zu knüpfen bzw. an im wesentlichen ungleiche Tatbestände unterschiedliche Rechtsfolgen zu knüpfen (VfSlg 5727, 8217, 8806, 12641 ua).
§ 22 d ARG ist mit jenen Regelungen des ARG bzw. aufgrund des ARG erlassenen Rechtsvorschriften vergleichend in Verbindung zu setzen, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Wochenendruhe darstellen. Dies betrifft insbesondere § 18 ARG sowie die aufgrund des § 12 ARG erlassene ARG-Verordnung, die eine Vielzahl von Tätigkeiten vom Verbot der Wochenendbeschäftigung ausnimmt. Im Gegensatz zu § 22 d ARG sehen diese Regelungen als Ausgleich für die Wochenendarbeit nicht zwingend vor, daß der darauffolgende Samstag bzw. das darauffolgende Wochenende zur Gänze freizugeben ist. Vielmehr beschränken sich diese Vorschriften auf die allgemeinen Vorschriften der §§4 ff ARG, die einen viel weiterreichenden Spielraum bei der Personalplanung eröffnen. Durch § 22 d Abs 1 ARG setzt der Gesetzgeber selbst die von den Änderungen des Öffnungszeitengesetzes betroffenen Verkaufsstellen allen anderen Ausnahmetatbeständen des ARG gleich. Zugleich wird aber durch Abs 2 diese Gleichsetzung mit den übrigen Ausnahmetatbeständen des ARG eingeschränkt und durchbrochen. Dafür fehlt eine sachliche Rechtfertigung. Dies wird insbesondere bei einem Vergleich des § 22 d mit § 18 ARG deutlich. Beide Regelungen entsprechen dem gleichen Schema und stellen das arbeitszeitrechtliche Korrelat zu einer Ausnahmeregelung der Öffnungszeiten dar. § 22 d ARG paßt das Arbeitsruhegesetz an § 3 Abs 1 ÖZG an, gleiches tut § 18 ARG hinsichtlich § 5 lita und e ÖZG.
Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach den Vorschriften des ARG das Verständnis unterstellt, daß während der Zeiten, innerhalb deren Verkaufsstellen auch Samstag nachmittags geöffnet halten dürfen, die Beschäftigung von Arbeitnehmern ebenfalls zugelassen ist. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern am Wochenende sei im Hinblick auf die Einkaufsgewohnheiten der Bevölkerung zur Befriedigung dringender Lebensbedürfnisse notwendig und daher sachlich gerechtfertigt (zB VfSlg 11558; 13567).
Auch der aufgrund des § 12 ARG erlassene Ausnahmekatalog enthält keine zwingende Vorschrift bezüglich des Ausgleiches für die Erbringung der Arbeitsleistung an einem Samstag Nachmittag. Wenn der Gesetzgeber den Bedarf und die wirtschaftspolitischen Gründe, die die Einführung des § 22 d Abs 1 ARG rechtfertigen, mit den Gründen, die die anderen Ausnahmen vom ARG rechtfertigen, gleich gewichtet, verlangt der Gleichheitsgrundsatz auch eine gleiche Rechtsfolge und besteht keine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung, die § 22 d Abs 2 ARG bewirkt. Der pauschale Verweis auf den durch die Verlängerung der Öffnungszeiten erlittenen Freizeitverlust des Arbeitnehmers rechtfertigt dies ebenfalls nicht, da dieser auch in den anderen Fällen der Ausnahmen vom ARG auf andere Art und Weise als Dienstfreistellung am darauffolgenden Samstag erreicht werden kann. Der familien- und sozialpolitische Schutz, den ein Verkäufer von Reiseproviant, Reisebedarf etc auf Flughäfen hat ist nicht anders zu beurteilen, als das Freizeitbedürfnis des Verkäufers der gleichen Artikel in der Wiener Innenstadt. Gleiches gilt etwa für Berufstätigkeiten des Frisörs oder Kellners. Warum gerade im Einzelhandel ein 'Sonderschutz' eingeführt werden soll, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen und auch ansonsten nicht zu erkennen. § 22 d Abs 2 ARG erweist sich daher als gleichheitswidrige, nicht verhältnismäßige gesetzliche Bestimmung."
(Das erwähnte Rechtsgutachten ist in der Arbeits- und Sozialrechtskartei 1998, 42 ff, unter dem Titel "Arbeitsruhe im Einzelhandel verfassungswidrig" veröffentlicht).
In Eventualanträgen wird die Aufhebung der Abs 2 und 3 oder 2 bis 4, des Abs 2 und 4 oder der Abs 2 bis 6 beantragt.
2. Die Bundesregierung zieht die Antragslegitimation beider Einschreiter in Zweifel und verteidigt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.
Die antragstellende GesmbH lege weder ihre rechtliche Betroffenheit durch die bekämpften Regelungen noch die gegen ihre Verfassungsmäßigkeit sprechenden Bedenken im einzelnen dar. Sie berufe sich nur auf die Einschränkung der Möglichkeit der Beschäftigung von Arbeitnehmern und die Unzufriedenheit der Kunden; bloße Reflexwirkungen genügten aber nicht. Sollten sich schlüssige und überprüfbare Bedenken aus dem nicht beigefügten Gutachten ergeben, sei auf sie nicht einzugehen.
Der antragstellende Arbeitnehmer sei nicht Adressat des Arbeitsruhegesetzes. Im Vergleich zur Lage der durch ein Nachtarbeitsverbot betroffenen Arbeitnehmerinnen
(VfSlg. 13038/1992) seien die Auswirkungen der hier in Rede stehenden Vorschriften von entscheidend geringerem Gewicht. Im übrigen würde die Zulässigkeit der Beschäftigung jeden Samstag Nachmittag angesichts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nur eine Verschiebung der Arbeitszeiten bewirken; die ins Treffen geführte Auswirkung trete daher jedenfalls ein.
Zum behaupteten Verstoß gegen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit führt die Bundesregierung im wesentlichen aus:
"Die Antragsteller gestehen ausdrücklich zu, daß aus gesundheits-, familien- und sozialpolitischen Gründen ein öffentliches Interesse an einer Regelung im Sinne des § 22d ARG (ohne Einschränkung auf bestimmte Absätze) gegeben ist und machen lediglich geltend, daß die Maßnahmen zur Verwirklichung des Zieles bei einer Gesamtabwägung zwischen Schwere des Eingriffs und Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe nicht verhältnismäßig seien.
In der Entscheidung VfSlg. 11558 anerkennt der VfGH, daß die gesetzliche Limitierung der Ladenöffnungszeiten an sich ein taugliches Mittel sind, die Ziele zu erreichen, denen die Ladenschlußregelungen dienen (Bedachtnahme auf Verbraucherinteressen, wettbewerbsordnende und sozialpolitische Funktion; zum Gewicht der Arbeitnehmerinteressen vgl. Grabenwarter, Ladenschlußrecht, Wien 1992, 206). Er weist jedoch darauf hin, daß die sozialpolitische Funktion, also die Regelung und Begrenzung der Arbeitszeit, primär Aufgabe des AZG und des ARG ist. Ähnlich wird in den Entscheidungen VfSlg. 12094 und 12492 argumentiert. In der Entscheidung VfSlg. 13328 betreffend die Öffnungszeiten von Apotheken gesteht der VfGH dem Gesetzgeber zu, die Interessen der Verbraucher, der Gewerbetreibenden und der Arbeitnehmer gegeneinander abzuwägen.
Die Regelung des § 22d ARG entspricht exakt diesen Vorgaben. Wenn der VfGH schon hinsichtlich des Öffnungszeitengesetzes, dem primär eine wettbewerbsordnende und erst sekundär eine sozialpolitische Funktion zuerkannt wurde, ausgesprochen hat, daß Beschränkungen der Öffnungszeit verhältnismäßig sind, so muß dies aufgrund eines Größenschlusses umso mehr für jene Gesetze (AZG, ARG) gelten, denen der VfGH primär diese sozialpolitische Funktion zuerkannt hat. Hat doch die Beurteilung, ob eine grundrechtsbeschränkende Maßnahme ein taugliches und adäquates Mittel ist, im Hinblick auf das für relevant erklärte öffentliche Interesse zu erfolgen (z.B. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. Aufl. 1996, 509, Rz 1387). Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist zu entnehmen, daß das Ziel dieser Gesetzesänderung ein Ausgleich für die wesentliche Einschränkung der Freizeit der Arbeitnehmer im Handel durch die Novelle zum Öffnungszeitengesetz war (374 BlgNR XX. GP, S. 2). Nur an diesem als relevant erkannten öffentlichen Interesse ist daher die Verhältnismäßigkeit zu prüfen.
Die Erstantragstellerin sieht sich in ihrem Grundrecht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit darin beeinträchtigt, daß es ihr nicht möglich sei, bei voller Belegschaft am Samstag im Rahmen der erlaubten Öffnungszeiten ihre Verkaufsstelle offen zu halten. Dem ist - wie bereits dargelegt - entgegenzuhalten, daß es der Erstantragstellerin auch ohne die Einschränkungen des § 22d Abs 2 ARG nicht möglich wäre, während der gesamten Öffnungszeit alle Arbeitnehmer zu beschäftigen, da die Öffnungszeiten wesentlich länger als die individuellen Höchstgrenzen der Arbeitszeit sind und diese Differenzierung nach der genannten Rechtsprechung des VfGH jedenfalls zulässig ist. Damit reduziert sich aber die Frage der Verhältnismäßigkeit auf die Tatsache, daß die Erstantragstellerin gezwungen ist, während eines bestimmten Teils der Öffnungszeiten, nämlich am Samstag Nachmittag nur die Hälfte der Verkäufer zu beschäftigen bzw. für diesen Zeitraum Ersatzarbeitskräfte aufzunehmen. Dieser Eingriff ist jedoch keinesfalls so schwer, daß er im Vergleich zur Zielsetzung des ARG unverhältnismäßig wäre.
Zweck des Arbeitsruhegesetzes ist nicht nur die Sicherstellung einer regelmäßigen Wochenendruhe von 36 Stunden zur Verhinderung allfälliger Gesundheitsgefährdungen. Vielmehr werden durch die ausdrückliche Regelung in § 3 Abs 2, wonach die Wochenendruhe spätestens am Samstag um 13.00 Uhr zu beginnen habe, auch sozial- und familienpolitische Ziele, insbesondere die Sicherstellung sozialer und familiärer Kontakte sowie die Ermöglichung einer uneingeschränkten Nutzung der Freizeit, verfolgt. Die Antragsteller stellen diese Ziele dem Zweck der Änderung des Öffnungszeitengesetzes gegenüber, durch die Verlängerung der Öffnungszeiten am Samstag einen Kaufkraftabfluß ins Ausland zu verhindern, den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiv zu gestalten und verbraucherfreundliche Einkaufszeiten zu ermöglichen. Dieser Vergleich geht im vorliegenden Fall jedoch ins Leere, da die Antragsteller hiermit den Zielen der Novelle zum Öffnungszeitengesetz eine höhere Wertigkeit unterstellen, indem sie davon ausgehen, daß Einschränkungen dieser Ziele durch die Novelle des ARG unzulässig wären.
Aus der gleichzeitigen Beschlußfassung der Novelle zum Öffnungszeitengesetz und der Novelle zum Arbeitsruhegesetz im Nationalrat sowie dem gleichzeitigen Inkrafttreten ergibt sich jedoch, daß die Ziele dieser Novellen in einer Gesamtschau zu betrachten sind. Zweck der Regelungen war es daher, die Verhinderung des Kaufkraftabflusses und die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich unter gleichzeitiger Wahrung von Arbeitnehmerschutzinteressen sicherzustellen. Selbst wenn man davon ausgeht, daß durch die Einschränkungen des Arbeitsruhegesetzes die Ziele des Öffnungszeitengesetzes nicht zur Gänze erreicht werden können (der VfGH hat nach ständiger Judikatur allerdings nicht zu beurteilen, ob eine Regelung zweckmäßig ist, vgl. VfSlg. 9583, 11369, 12227 u.a.), kann es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein, selbstgesteckte Ziele durch die Beachtung anderer notwendiger Ziele einzuschränken.
Die Behauptung der Antragsteller, durch die Regelung des ARG würden arbeitsmarktpolitische Ziele verfehlt, ist im vorliegenden Zusammenhang irrelevant, da weder mit dem Öffnungszeitengesetz noch mit dem AZG derartige Ziele verfolgt werden.
Der Zweitantragsteller sieht sich in seinem Grundrecht auf Erwerbsfreiheit offensichtlich dadurch beeinträchtigt, daß ihm durch die Möglichkeit, an zwei aufeinander folgenden Samstagnachmittagen zu arbeiten, Provisionsansprüche entgehen. Der behauptete Eingriff ergibt sich daher nicht unmittelbar aus § 22d Abs 2 ARG, sondern aus dem Zusammentreffen der gesetzlichen Regelung und der Provisionsvereinbarung.
Abgesehen davon, daß durch eine Änderung der Provisionsregelung, etwa durch ein Abstellen auf die Erstbedienung, dieses Problem verhindert werden könnte, hat auch der Gesetzgeber selbst den Betrieben ein adäquates Instrumentarium zur Verhinderung bzw. Minimierung solcher Härtefälle gegeben. Gemäß § 22d Abs 4 ARG kann durch Betriebsvereinbarung, in Betrieben in denen kein Betriebsrat errichtet ist, durch schriftliche Einzelvereinbarung geregelt werden, daß innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen die Beschäftigung an zwei Samstagen zulässig ist. In diesem Fall haben die übrigen Samstage dieses Zeitraumes arbeitsfrei zu bleiben. Weiters ist noch darauf zu verweisen, daß vom Grundsatz der beschränkten Beschäftigung am Samstag Nachmittag die - belegtermaßen - umsatzstärkste Zeit des Jahres, nämlich die vier Adventsamstage, gemäß § 22d Abs 3 Z 2 ARG ausgenommen sind. Darüber hinaus bietet auch die Kollektivvertragsermächtigung des § 22d Abs 5 leg. cit. die Möglichkeit, für einzelne Bereiche des Handels, in denen sich die Einschränkungen stärker auswirken, Erleichterungen vorzusehen.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß der VfGH die Zulässigkeit von arbeitszeitrechtlichen Sondervorschriften zum Öffnungszeitengesetz grundsätzlich bejaht hat und daher die Verfassungskonformität des § 8a Öffnungszeitengesetz bestätigt hat (VfSlg. 13321)."
Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitssatz:
"Die Antragsteller vergleichen die Regelung des § 22d ARG mit all jenen Regelungen des ARG (insbesondere § 18) und der Verordnung gemäß § 12 ARG, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Wochenendruhe darstellen und behaupten ohne jede nähere Begründung, daß alle Ausnahmen vom ARG den gleichen Tatbestand betreffen würden und daher gleiche Rechtsfolgen nach sich zu ziehen hätten. Da § 22d ARG als einzige Bestimmung eine Beschäftigung nur an jedem zweiten Samstag vorsehe, sei sie bereits verfassungswidrig.
Mit dem Erkenntnis VfSlg. 13567, mit dem bestätigt wurde, daß eine Ausnahme des Großhandels vom Öffnungszeitengesetz keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darstellt, wurde jedoch auch die Zulässigkeit einer Differenzierung innerhalb des Handels für zulässig erklärt. Begründet wurde dies mit der besonderen Funktion des Großhandels. Überträgt man diesen funktionellen Ansatz auf das Arbeitnehmerschutzrecht, ergeben sich auch hier für die einzelnen Bereiche des Handels unterschiedliche Funktionen, die unterschiedliche Rechtsfolgen rechtfertigen.
So tritt z.B. bei Verkaufsstellen in Bahnhöfen etc. (§18 ARG) die Bedeutung für die Aufrechterhaltung des Verkehrs und des Fremdenverkehrs hinzu. Überdies besteht bei derartigen Einrichtungen eine Betriebspflicht, die sich aus dem Vertragsverhältnis zur ÖBB ergibt (Schwarz, Arbeitsruhegesetz, 3. Aufl. 1993, 411). Die Ausnahme des § 22d ARG ist jedoch ausschließlich mit der Notwendigkeit zur Befriedigung dringender Lebensbedürfnisse begründet. Darüber hinausgehende Ausnahmen, die auch im Interesse des Fremdenverkehrs notwendig sind, werden nach dem System des ARG durch Verordnung der Landeshauptleute gemäß § 13 geregelt. Daraus ergibt sich, daß den Ausnahmen der §§18 und 22d ARG unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen, die auch eine unterschiedliche Rechtsfolge zulassen. Ähnliches gilt für das Verhältnis zu § 16 und § 17 ARG sowie zu den Tätigkeiten nach Abschnitt XVII der ARG-VO.
Ein entscheidender Grundsatz des gesamten Arbeitnehmerschutzrechtes ist, Ausnahmen möglichst eng zu gestalten, also nur im unbedingt notwendigen Ausmaß zuzulassen. Damit ist der Gesetzgeber gezwungen, bei jeder einzelnen Ausnahme zu überprüfen, wie weit nach dem jeweiligen Sachverhalt eine Ausnahme unbedingt notwendig ist. So wurde bei der Ausnahme des § 18 ARG das zulässige Warenangebot eingeschränkt, bei der Ausnahme des § 17 wurden die zulässigen Tätigkeiten während der Wochenend- und Feiertagsruhe im Detail angegeben und auch in der Verordnung gemäß § 12 leg. cit. wurden zahlreiche zeitliche Einschränkungen vorgenommen. Auch § 22d Abs 2 ARG trägt diesem Gesichtspunkt Rechnung, indem er eine Beschäftigung grundsätzlich nur an jedem zweiten Samstag für zulässig erklärt. Es handelt sich somit um eine auch im Arbeitsruhegesetz durchaus übliche Regelung, nach der Einschränkungen des Arbeitnehmerschutzes möglichst gering zu halten sind und deren sachliche Rechtfertigung sich jeweils aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergibt.
Die Antragsteller behaupten, der VfGH habe in den Erkenntnissen VfSlg. 11558 und 13567 dem gesamten ARG unterstellt, daß die Beschäftigung von Arbeitnehmern am Wochenende im Hinblick auf die Einkaufsgewohnheiten der Bevölkerung zur Befriedigung dringender Lebensbedürfnisse notwendig und daher sachlich gerechtfertigt sei. Daraus ziehen die Antragsteller offensichtlich den Schluß, daß die Beschäftigung aller Arbeitnehmer während der gesamten Öffnungszeiten zugelassen werden muß und jede Einschränkung verfassungswidrig sei. Abgesehen davon, daß erst zu begründen wäre, inwieweit dieses Argument im Zusammenhang mit dem Gleichheitsgrundsatz stehen soll, ist dem entgegenzuhalten, daß durch die Regelung des § 22d jedenfalls sichergestellt ist, daß dem Kunden auch Arbeitnehmer als Verkäufer zur Verfügung gestellt werden können. Daß dies aber nicht während der gesamten Öffnungszeiten dieselben Verkäufer sein können, ergibt sich - wie bereits erwähnt - schon aus den Arbeitszeitbeschränkungen im AZG.
Schließlich bezeichnen die Antragsteller die Regelung des § 22d Abs 2 ARG als nicht verhältnismäßig, ohne dies näher zu erläutern. Unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird das ausgewogene Verhältnis zwischen der vom Gesetzgeber vorgesehenen Rechtsfolge und dem erfaßten Sachverhalt verstanden (vgl. Mayer, Kommentar zum B-VG, 2. Aufl. 1997, 472, Anmerkung V.2 zu
Artikel 2 Staatsgrundgesetz). In der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes findet sich auch zunehmend häufiger die Überlegung, ob das zu einer bestimmten Zielerreichung gewährte Mittel geeignet und adäquat ist (vgl. Bernegger in Grund- und Menschenrechte in Österreich III, Kehl 1997 723). Der Gleichheitssatz ist aber nur dann verletzt, wenn die Mittel völlig ungeeignet sind oder geeignete Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen. Im vorliegenden Fall ist weder zu erkennen, daß die angefochtenen Bestimmungen exzessiv wären, noch vermögen die Antragsteller auch nur ansatzweise darzulegen, daß die Regelungen zur Zielerreichung völlig ungeeignet wären. Auch führen diese Regelungen - wie eingehend dargelegt wurde - zu keiner sachlich nicht begründbaren Differenzierung. Gerade in bezug auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darf im Hinblick auf den Zweck von § 22d Abs 2 ARG, die Wochenendruhe zu schützen, abschließend darauf hingewiesen werden, daß auch nach Meinung des VfGH 'das Wochenende für Freizeit, Erholung und die soziale Integration der Arbeitnehmer von erheblichem Gewicht ist' (VfSlg. 13567)."
Demgemäß beantragt die Bundesregierung die Zurückweisung des Antrages, für den Fall seiner Zulässigkeit den Ausspruch, daß die bekämpften Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufzuheben seien, und für den Fall der Aufhebung die Setzung einer Frist von 18 Monaten für deren Inkrafttreten (ohne allerdings die Notwendigkeit einer solchen Fristsetzung und des Ausschöpfens der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten näher zu begründen).
II. Der Antrag ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Auffassung der Antragsteller, daß die Abs 2 bis 5 eine zusammenhängende Regelung bilden; jedenfalls der in erster Linie angegriffene Abs 2 kann nicht herausgebrochen werden, ohne die folgenden Absätze unverständlich zu machen oder einen mehrdeutigen Gegenschluß nahezulegen. Auch den von der Bundesregierung geäußerten Zweifeln an der Zulässigkeit des Antrages kann der Gerichtshof nicht beipflichten: es ist offenkundig und keiner weiteren Darlegung bedürftig, daß das an den Arbeitgeber gerichtete Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern in Verkaufsstellen während der Offenhaltezeit an bestimmten Samstagen in die Rechtssphäre der antragstellenden GesmbH im Verhältnis zu dem dazu bereiten antragstellenden Verkäufer eingreift, und daß dieses Verbot sich durch seinen Zweck und Inhalt auch auf die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner (Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen) derart auswirkt, daß damit nicht nur ihre wirtschaftliche Lage, sondern auch ihre Rechtssphäre unmittelbar gestaltet wird. Dem Einwand der Bundesregierung, es würden keine hinreichenden Bedenken vorgetragen, widerspricht schon die Tatsache, daß sie sich mit solchen Bedenken näher auseinandersetzt.
2. Begründet sind die Bedenken allerdings nicht.
a) Den Eingriff in die Erwerbsfreiheit sieht die antragstellende GesmbH darin, daß sie nicht die gesamte Belegschaft, sondern nur die Hälfte der Arbeitnehmer an Samstag Nachmittagen einsetzen kann, und der antragstellende Verkäufer, weil er nicht jeden Samstag Nachmittag tätig sein und wieder erscheinende Kunden weiter bedienen kann. An diesen in der Tat eintretenden Folgen ändert die in § 22d Abs 4 vorgesehene Möglichkeit, durch Betriebsvereinbarung oder - mangels eines Betriebsrates - durch schriftlichen Einzelvertrag innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen die Beschäftigung an zwei (aufeinanderfolgenden) Samstagen zuzulassen (während die restlichen zwei Samstage arbeitsfrei bleiben), nichts Wesentliches.
Der Antrag hält die Regelung für unverhältnismäßig, nicht durch das öffentliche Interesse geboten und sachlich nicht gerechtfertigt, jedenfalls aber für zu weitgehend. Er übersieht dabei, daß der Verfassungsgerichtshof schon das Verbot des Offenhaltens an Samstag Nachmittagen angesichts der besonderen Funktion des Wochenendes für Freizeit, Erholung und soziale Integration als verfassungsmäßig erkannt und nur Regelungen als verfassungswidrig aufgehoben hat, die selbst im Falle einer besonders gelegenen Nachfragesituation das Offenhalten über die Sperrzeit hinaus verboten und die Entscheidung über die vom Gesetz als notwendig anerkannte Möglichkeit der Verlängerung der Offenhaltezeit einem Verwaltungsorgan (dem Landeshauptmann) übertragen hatten (VfSlg. 12094/1989 und 13318/1992). Im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Begrenzungen der Ladenöffnungszeiten ist der Gerichtshof davon ausgegangen, daß mit solchen Regelungen (keineswegs nur gesundheitspolitische, sondern) in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auch sozial- und familienpolitische Ziele verfolgt werden (VfSlg. 12094/1989 und 13567/1993), wobei dem Ladenschlußrecht in sozialpolitischer Hinsicht nur eine Hilfsfunktion zukommt und die Regelung und Begrenzung der Arbeitszeit - über den Ladenschluß hinaus - in erster Linie Aufgabe arbeits(zeit)rechtlicher Regelungen ist
(VfSlg. 11558/1987). Es ist also nicht entscheidend, daß das gesundheitspolitische Anliegen des Gesetzgebers auch durch eine Wochenruhe erreicht werden kann, die den Samstag Nachmittag nicht einschließt, und es kann dahingestellt bleiben, ob - wie der Antrag meint - ein Kernbereich von 36 Stunden Arbeitsruhe von Samstag 17 Uhr bis Montag 6 Uhr früh unter diesem Blickwinkel ausreichen könnte.
Vorschriften über die Begrenzung der Arbeitszeit und die Gewährung einer Wochenruhe dienen ganz allgemein dem Schutz der Arbeitnehmer vor einer übermäßigen Beanspruchung durch den Arbeitgeber, dessen wirtschaftlich begründetem Verlangen sie regelmäßig keinen hinreichenden Widerstand entgegensetzen können. Ein solcher Schutz ist nur durch ein generelles Verbot möglich, und dieses Verbot wird jenen, die ein Interesse an der Arbeit an Samstag Nachmittagen haben, aus Gründen der Solidarität zugemutet (vgl. VfSlg. 13038/1992). Wie für die tägliche Ruhezeit ist aber auch für die Wochenruhe die Lage der Ruhezeit von Bedeutung. Da die Wochenruhe ganz allgemein Wochenendruhe ist, die den Sonntag einschließt und Samstags um 13 Uhr beginnt (§§2, 3 ARG) - weshalb die antragstellende GesmbH ja gerade an einem Offenhalten an Samstag Nachmittagen besonders interessiert ist und ein Wunsch nach Sondervorschriften für Arbeitnehmer in Verkaufsstellen überhaupt erst auftritt -, entsteht ein besonderer Interessenkonflikt zwischen den in Verkaufsstellen beschäftigten Arbeitnehmern, die diese Zeit mit anderen, gleichzeitig Freizeit genießenden Familienangehörigen verbringen und an dem für das Wochenende kennzeichnenden gesellschaftlichen Leben teilnehmen wollen, auf der einen, und den wirtschaftlichen Interessen der die Nachfrage nützenden Gewerbetreibenden auf der anderen Seite. Die Interessen der Gewerbetreibenden und der Arbeitnehmer (sowie der Verbraucher) gegeneinander abzuwägen, ist jedoch - wie gleichfalls schon in der Rechtsprechung zum Ladenschluß betont wurde - nicht der Verfassungsgerichtshof, sondern der Gesetzgeber berufen (VfSlg. 13328/1993). Das gilt auch für die Regelung der Arbeitsruhe, wobei zusätzlich ins Gewicht fällt, daß es dabei ohnedies nur um jenen Teil der Erwerbstätigkeit des Unternehmers geht, die er mit Hilfe von anderen (dem Gesetzgeber eben schutzbedürftig erscheinenden) Personen entfaltet.
Dem Umstand schließlich, daß die Abwägung durch die beteiligten Kreise in bezug auf die Lage der Wochenruhe vielleicht in bestimmten Wirtschaftszweigen zu einem anderen Ergebnis führen könnte, hat der Gesetzgeber ohnedies durch die Ermächtigung der Kollektivvertragspartner in § 22d Abs 5 ARG Rechnung getragen.
Insgesamt hat der Gesetzgeber damit den ihm offenstehenden rechtspolitischen Spielraum nicht überschritten und das Recht auf Erwerbsfreiheit nicht verletzt.
b) Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung sieht der Antrag im Vergleich mit der Lage bei den Ausnahmen vom Verbot der Wochenendarbeit für Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Autobusbahnhöfen, auf Flugplätzen und Schiffslandeplätzen und in Zollfreiläden (§18 ARG) sowie der durch Verordnung für bestimmte Tätigkeiten zugelassenen Wochenendarbeiten (§12 ARG).
Diese Bedenken vergleichen jedoch die Ausnahmen mit der Regel. Während es sich nämlich bei den verglichenen Fällen um eng begrenzte, durch besondere Erfordernisse gerechtfertigte Ausnahmen (vom Gebot der Wochenendruhe und daher auch vom Verbot der Samstag-Nachmittagarbeit) handelt, bei denen eine Begrenzung der Verwendung von Arbeitnehmern nach Art der hier bekämpften Bestimmungen des § 22d den gewünschten Wochenendbetrieb möglicherweise nicht gewährleistet, steht das Offenhalten von Verkaufsstellen an Samstag Nachmittagen jedem Unternehmer ohne besondere Voraussetzungen frei. In bezug auf die große Zahl der in Verkaufsstellen Beschäftigten, deren Einsatz an Samstag Nachmittagen anders als in der übrigen Wirtschaft zulässig ist, enthält § 22d daher die Regel für die Arbeit an Samstag Nachmittagen. Läßt aber der Gesetzgeber in besonderen Ausnahmefällen eine Wochenendarbeit zu, so kann er doch für den Regelfall, in dem keine besonderen Gründe vorliegen brauchen, auf die Interessen der Arbeitnehmer stärker Rücksicht nehmen und den Arbeitgeber verhalten, einen Ausgleich zu gewähren.
Damit erweist sich auch dieses Bedenken als unbegründet (vgl. inzwischen auch Jabornegg/Resch, Keine Verfassungswidrigkeit der Arbeitsruhe im Einzelhandel, DRdA 1998, 165 ff).
Der Antrag ist daher abzuweisen.
Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da sie eine weitere Klärung der Rechtslage nicht erwarten ließ (§19 Abs 4 Satz 1 VerfGG).