VfGH vom 15.06.2012, G41/12

VfGH vom 15.06.2012, G41/12

19641

Leitsatz

Aufhebung der in einer Übergangsbestimmung des Asylgesetzes 2005 in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 normierten einmonatigen Frist zur Beantragung der Beistellung eines Rechtsberaters wegen Widerspruchs zum Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander

Spruch

I. Die Wortfolge "bis spätestens " in § 75 Abs 16 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein zu U52/12 protokolliertes Beschwerdeverfahren anhängig, dem folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine mongolische Staatsangehörige, reiste am unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Ihren Antrag begründend führte die Beschwerdeführerin aus, in der Mongolei in einer Apotheke als Lagerarbeiterin beschäftigt gewesen zu sein. Da sie sich geweigert hätte, dem stellvertretenden Polizeichef mangels Zuständigkeit Medikamente für dessen Vater auszufolgen und dieser daraufhin verstorben wäre, wäre sie fälschlicherweise beschuldigt worden, Medikamente illegal verkauft zu haben. Während der Anhaltung in Untersuchungshaft wäre sie von anderen Frauen geschlagen worden. Im Laufe ihres Asylverfahrens brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, in der Haft auch vergewaltigt worden zu sein.

1.2. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005, in der Fassung BGBl. I 38/2011 (im Folgenden: AsylG 2005), ab, erkannte der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 den Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zu und wies sie gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Mongolei aus.

1.3. Die dagegen erhobene Beschwerde vom wies der Asylgerichtshof mit der angefochtenen Entscheidung vom gemäß §§3 Abs 1, 8 Abs 1 Z 1 und 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 ab. Unter einem wurde der am beim Asylgerichtshof eingelangte Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters "gemäß § 75 Abs 16 iVm. § 66 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, als verspätet zurückgewiesen". In seiner Entscheidung führt der Asylgerichtshof im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin völlig unplausibel, mit Widersprüchen behaftet und überdies in der Beschwerde gesteigert worden sei. Auch aus ihrer Stellung als allein stehende Frau in der Mongolei könne nicht auf eine asylrelevante Verfolgungswahrscheinlichkeit geschlossen werden. Es seien weiters keine exzeptionellen Umstände zutage getreten, die im Rahmen einer Abschiebung der Beschwerdeführerin eine Verletzung der Art 2 oder 3 EMRK bedeuten würden, zumal sie gesund sei und sowohl über eine überdurchschnittliche Bildung als auch über langjährige Berufserfahrung verfüge. In Österreich führe die Beschwerdeführerin kein Familienleben; auf Grund vorhandener Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat sowie mangels Vorliegens überwiegender Integrationsmerkmale sei der durch die Ausweisung erfolgende Eingriff in ihr Privatleben als statthaft zu erachten. Die Beschwerdeführerin habe erst mit Schreiben vom , welches am am Asylgerichtshof eingelangt sei, die Beistellung eines Rechtsberaters beantragt. Gemäß § 66 iVm § 75 Abs 16 AsylG 2005, BGBl. I 38/2011, hätte sie diesen Antrag aber bloß bis zum stellen können, weshalb er als verspätet zurückzuweisen sei.

1.4. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nach Art 3, 6 und 8 EMRK geltend gemacht sowie die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt. Hinsichtlich des im Asylverfahren gestellten Antrages auf Beigebung eines Rechtsberaters wird "die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG" angeregt, weil die Beschwerdeführerin auf die nur bis zum laufende Frist zur Stellung eines derartigen Antrages nicht hingewiesen worden sei und "sich eine Frist von lediglich einem Monat (gerechnet ab ) bei einem mehrjährigen Verfahren ohnehin als zu kurz bemessen" erweise.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am gemäß Art 140 Abs 1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "bis spätestens " in § 75 Abs 16 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005, in der Fassung BGBl. I 38/2011, von Amts wegen zu prüfen.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, der belangte Asylgerichtshof § 75 Abs 16 AsylG 2005 bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung angewandt hat und der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung im vorliegenden Beschwerdeverfahren anzuwenden hätte.

2.2. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"2.1. In VfSlg. 18.809/2009 hat der Verfassungsgerichtshof mit Blick auf das rechtsstaatliche Prinzip klargestellt, dass es im Verfahren vor dem Asylgerichtshof keiner Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf. Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof aber ausgeführt, dass der Gesetzgeber den besonderen Bedürfnissen von Asylwerbern vor allem hinsichtlich des sprachlichen und rechtlichen Verständnisses der im Verfahren vor dem Asylgerichtshof zu berücksichtigenden (rechtlichen) Fragestellungen dadurch Rechnung getragen hätte, dass er in den §§64 ff. AsylG 2005, BGBl. I 100/2005, für das Zulassungsverfahren Rechtsberatung normiert und in § 66 leg.cit. die Einrichtung eines Flüchtlingsberaters (mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I 122/2009, wurde mit Wirksamkeit ab der Begriff 'Flüchtlingsberater' in § 66 AsylG 2005 in 'Rechtsberater' geändert; der 'Rechtsberater' in § 64 AsylG 2005 hieß ab diesem Zeitpunkt 'Rechtsberater im Zulassungsverfahren') vorgesehen habe. Die für alle Verfahren zuständigen Flüchtlingsberater hätten den rechtsschutzsuchenden Fremden auf sein Verlangen unter anderem über das Asylrecht betreffende Fragen zu informieren, bei der Einbringung von Anträgen zu unterstützen, bei der Übersetzung von Schriftstücken und Bereitstellung von Dolmetschern behilflich zu sein sowie den Fremden auch in Verfahren vor dem Asylgerichtshof zu vertreten, soweit nicht die Zuziehung eines Rechtsanwaltes gesetzlich vorgeschrieben wäre. In Zusammenschau dieser Bestimmungen wäre es daher auch einem Asylwerber möglich, in einem Verfahren vor dem Asylgerichtshof seine Interessen und Rechte entsprechend geltend zu machen, ohne dass eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich wäre.

Ausgehend von dieser Rechtsprechung behob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg. 18.847/2009 eine Entscheidung des Asylgerichtshofes, weil dieser zu Unrecht einen Antrag auf 'kostenlose Rechtsvertretung' im zugrunde liegenden Asylverfahren allein als Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigabe eines Rechtsanwaltes deutete. Wie der Verfassungsgerichtshof aussprach, war der Asylgerichtshof verpflichtet, sich mit dem darüber hinausgehenden, auch auf unionsrechtliche Vorgaben (unter Hinweis auf die Verfahrensrichtlinie) gestützten Begehren der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen, rechtliche Beratung und Vertretung (auch) durch Beistellung eines Flüchtlingsberaters gemäß § 66 AsylG 2005 zu erhalten. Das Fehlen jeglicher Erörterung des diesbezüglichen, mit dem Antrag auf Verfahrenshilfe in engem Zusammenhang stehenden (wesentlichen) Vorbringens hätte die bekämpfte Entscheidung mit in die Verfassungssphäre reichender Willkür belastet.

2.2. Mit Erkenntnis VfSlg. 19.188/2010 hob der Verfassungsgerichtshof schließlich eine Entscheidung des Asylgerichtshofes wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auf, mit welcher der belangte Gerichtshof einen Antrag auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters zurückgewiesen hatte, weil hiefür keine gesetzliche Grundlage existiert hätte. Der Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass aus § 66 AsylG 2005 (in seiner Fassung vor dem FrÄG 2011) ein Antragsrecht an den Asylgerichtshof hervorginge. Art 15 Verfahrensrichtlinie hätte zur Folge, dass in Österreich zumindest im Verfahren vor dem Asylgerichtshof eine kostenlose Rechtsberatung bzw. -vertretung bestehen muss. Den Materialien zufolge hätte der Gesetzgeber § 66 AsylG 2005 gerade 'zur Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben' geschaffen. Infolge richtlinienkonformer Interpretation wäre der Asylgerichtshof verpflichtet, einem Asylwerber auf dessen Antrag einen Flüchtlingsberater zur Vertretung im Verfahren vor dem Asylgerichtshof beizugeben bzw. über einen solchen Antrag jedenfalls meritorisch abzusprechen. Die Entscheidung über einen derartigen Antrag hätte im Wege eines verfahrensrechtlichen Bescheides zu erfolgen.

2.3. Wie unter den Pkt. II.1.2. und 1.3. dargelegt, ist nunmehr gemäß § 66 Abs 1 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 einem Asylwerber in einem Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof gegen zurück- oder abweisende Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz, die keine Folgeanträge sind, kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen. Diese Bestimmung trat gemäß § 73 Abs 9 letzter Satz AsylG 2005 am in Kraft.

Gemäß § 75 Abs 15 AsylG 2005 ist § 66 leg.cit. jedoch nur auf jene Verfahren anzuwenden, die am noch beim Bundesasylamt anhängig waren und erst nach dem entschieden wurden bzw. werden. Für alle anderen Verfahren, die - wie jenes der Beschwerdeführerin - am schon am Asylgerichtshof anhängig waren, gilt die Übergangsregelung des § 75 Abs 16 AsylG 2005, der zufolge lediglich bis das amtswegige 'Zur-Seite-Stellen' eines Rechtsberaters gemäß § 66 leg.cit. beantragt werden konnte.

3. Der Verfassungsgerichtshof erachtet es als verfassungsrechtlich unbedenklich, dass für jene Asylwerber, deren Verfahren vor dem Inkrafttreten des § 66 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 bereits am Asylgerichtshof anhängig waren, durch eine Übergangsregelung die Möglichkeit, einen Rechtsberater nach der genannten Bestimmung zu erlangen, von einem Antrag abhängig gemacht wird. Eine derartige Übergangsregelung steht weder der dargelegten Rechtsprechung noch der unionsrechtlichen Verpflichtung nach Art 15 Verfahrensrichtlinie entgegen.

3.1. Der Verfassungsgerichtshof geht allerdings vorläufig davon aus, dass die Normierung einer Frist zur Beantragung der Beistellung eines Rechtsberaters dem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander widerspricht:

Während nämlich jenen Asylwerbern, über deren Antrag auf internationalen Schutz - ausgenommen, es handelt sich um einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005 - erst nach dem durch das Bundesasylamt entschieden wird, kostenlos ein Rechtsberater amtswegig für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof zur Seite gestellt wird, haben alle anderen Asylwerber, welche die in der Übergangsregelung des § 75 Abs 16 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 normierte Frist versäumen, ihr Recht auf Beigabe eines Rechtsberaters verwirkt, ohne dass ein Unterschied in ihren besonderen Bedürfnissen hinsichtlich des sprachlichen und rechtlichen Verständnisses der im Verfahren vor dem Asylgerichtshof zu berücksichtigenden (rechtlichen) Fragestellungen (vgl. VfSlg. 18.809/2009) erkennbar wäre.

3.2. Selbst wenn im Zuge des Gesetzesprüfungsverfahrens ein sachlicher Anknüpfungspunkt hervorkommen sollte, der das Vorsehen einer Frist im Sinne der getroffenen Übergangsregelung rechtfertigt, so erscheint eine Frist in der Dauer von lediglich einem Monat ab Inkrafttreten des § 66 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 jedenfalls als zu kurz, um der Rechts- und zumeist Sprachunkundigkeit der antragstellenden Asylwerber gerecht zu werden. Der Verfassungsgerichtshof geht daher auch aus diesem Grund vorläufig von der Unsachlichkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge aus."

3. Die Bundesregierung erstattete dazu eine Äußerung, in der sie beantragt, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Im Einzelnen hält sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes Folgendes entgegen:

"1. Vorbemerkung:

Die Bundesregierung verweist zunächst auf die

ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 16.663/2002, 17.595/2005), wonach dieser im Normenprüfungsverfahren auf die Erörterung der im Prüfungsantrag (bzw. im amtswegigen Prüfungsbeschluss) dargelegten Bedenken beschränkt ist. Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken.

2. Zum Bedenken hinsichtlich der Normierung einer Frist zur Beantragung der Beistellung eines Rechtsberaters:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegt das vorläufige Bedenken, dass die Normierung einer Frist zur Beantragung der Beistellung eines Rechtsberaters im Verfahren vor dem Asylgerichtshof dem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander widerspricht: Während nämlich nach § 75 Abs 15 AsylG 2005 jenen Asylwerbern, über deren Antrag auf internationalen Schutz - ausgenommen, es handelt sich um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005 - erst nach dem durch das Bundesasylamt entschieden wird, kostenlos ein Rechtsberater amtswegig für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof zur Seite gestellt wird, haben alle anderen Asylwerber, welche die in § 75 Abs 16 AsylG 2005 normierte Frist versäumen, ihr Recht auf Beigabe eines Rechtsberaters verwirkt, ohne dass ein Unterschied in ihren besonderen Bedürfnissen hinsichtlich des sprachlichen und rechtlichen Verständnisses der im Verfahren vor dem Asylgerichtshof zu berücksichtigenden (rechtlichen) Fragestellungen erkennbar wäre (Rz. 18 des Prüfungsbeschlusses).

2.2. Dieses Bedenken trifft nach Auffassung der Bundesregierung schon deshalb nicht zu, weil es sich bei § 75 Abs 16 AsylG 2005 um eine Übergangsvorschrift handelt, welche grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt es grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob er auf einen bestimmten Sachverhalt im Fall der Änderung der Rechtslage die Anwendung des früheren oder des neuen Rechts anordnet (zB VfSlg. 18.281/2007).

2.3. Weiters erachtet es der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss ausdrücklich als verfassungsrechtlich (und im Lichte des Art 15 der Richtlinie 2005/85/EG über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft) unbedenklich, dass für jene Asylwerber, deren Verfahren vor dem Inkrafttreten des § 66 AsylG 2005 idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 bereits beim Asylgerichtshof anhängig waren, die Beistellung eines Rechtsberaters von einem Antrag abhängig gemacht wird. (Rz. 17 des Prüfungsbeschlusses).

Im vorliegenden Zusammenhang hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich um eine Übergangsbestimmung für bereits vor dem Asylgerichtshof anhängige Verfahren handelt. Anders als bei einer Antragstellung in einem Bewilligungsverfahren, in dem es in der Regel keiner Frist zur Antragstellung bedarf, wurde auf die Anhängigkeit der Verfahren und den Umstand, dass diese durch das Erkenntnis des Asylgerichtshof jederzeit enden können, Bedacht genommen. Das Vorsehen einer Frist bewirkt somit, dass alle vor dem Asylgerichtshof anhängigen Verfahren und zwar unabhängig vom jeweiligen Verfahrensstand von der Regelung erfasst werden.

Das verfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot dürfte es dem Gesetzgeber zudem nicht verwehren, im Interesse der Rechtssicherheit und einer ökonomischen Verfahrensführung von einem Interesse der Parteien am Verfahren auszugehen und ihnen ein gewisses Maß an Mitwirkung abzuverlangen. So darf der Zugang zu Behörden an die Einhaltung von (angemessenen) Fristen gebunden werden (Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz, 2008, S. 814 mwH).

Daher darf auch ein (bloßer) Antrag auf Beistellung eines Rechtsberaters für ein behördliches Verfahren an eine Frist gebunden werden.

2.4. Nach Auffassung der Bundesregierung

unterscheiden sich überdies die besonderen Bedürfnisse von Asylwerbern hinsichtlich des sprachlichen und rechtlichen Verständnisses der im Verfahren vor dem Asylgerichtshof zu berücksichtigenden (rechtlichen) Fragestellungen durchaus danach, ob deren Verfahren noch beim Bundesasylamt (am ) anhängig ist, oder ob deren Anträge vom Bundesasylamt bereits (negativ) entschieden wurden und sie den Asylgerichtshof bereits angerufen haben.

Dieser Unterschied zeigt sich an den Aufgaben der Rechtsberatung besonders deutlich: Nach § 66 Abs 2 AsylG 2005 'unterstützen und beraten [Rechtsberater] Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde gemäß Abs 1 und im Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers; Rechtsberater haben den Beratenen jedenfalls die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen und gegebenenfalls Rückkehrberatung zu veranlassen'. Die Rechtsberatung vor dem Asylgerichtshof ist demnach in erster Linie eine Beschwerdeeinbringungshilfe. Ist ein Verfahren vor dem Asylgerichtshof bereits anhängig, bedarf der Asylwerber der Rechtsberatung nur mehr in eingeschränktem Ausmaß. Dieser Unterschied im Umfang der Rechtsberatungsbedürftigkeit vermag nach Auffassung der Bundesregierung die vom Verfassungsgerichtshof vorläufig beanstandeten unterschiedlichen Rechtsfolgen (Erfordernis der Antragstellung binnen einer Frist bei bereits anhängigen Verfahren vor dem Asylgerichtshof; amtswegige Beistellung hinsichtlich noch nicht anhängiger Verfahren vor dem Asylgerichtshof) zu tragen.

3. Zum Bedenken hinsichtlich einer Frist in der Dauer von einem Monat:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hegt auch das

vorläufige Bedenken, dass eine Frist in der Dauer von lediglich einem Monat ab Inkrafttreten des § 66 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 jedenfalls als zu kurz und damit unsachlich erscheint, um der Rechts- und zumeist Sprachunkundigkeit der antragstellenden Asylwerber gerecht zu werden (Rz. 19 des Prüfungsbeschlusses).

3.2. Dieses Bedenken trifft nach Auffassung der Bundesregierung ebenfalls nicht zu.

3.2.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Bemessung einer Frist nur dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie jeglicher Erfahrung entgegenstünde (VfSlg. 5484/1967, 9314/1982, 11.900/1988, 15.661/1999). Der Umstand, dass in anderen Rechtsvorschriften - mögen sie vergleichbar sein oder nicht - längere Fristen enthalten sind, macht eine Regelung noch nicht unsachlich (VfSlg. 9314/1982). Rechtsschutzeinrichtungen müssen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Maß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen (zB VfSlg. 16.245/2001). Der Verfassungsgerichtshof hat daher für Berufungen in Asylverfahren eine Frist von einer Woche als Mindestmaß angesehen, das (auch) zur Erreichung faktisch effizienten Rechtsschutzes eingehalten werden muss (VfSlg. 15.218/1998, 15.369/1998, 15.529/1999)

3.2.2. Gemäß § 22 Abs 3 AsylG 2005 iVm § 63 Abs 5 AVG

gilt eine Beschwerdefrist von zwei Wochen. Die in § 75 Abs 16 AsylG 2005 vorgesehene Antragsfrist geht über die Beschwerdefrist weit hinaus. Wenn eine Woche das Mindestmaß für die Berufungsfrist im Asylverfahren ist, so sollte eine darüber hinausgehende Frist für einen bloßen Antrag auf Beistellung eines Rechtsberaters für ein bereits vor dem Asylgerichtshof anhängiges Verfahren nach Auffassung der Bundesregierung ausreichen.

Damit steht die in § 75 Abs 16 AsylG 2005 vorgesehene Frist auch nicht jeglicher Erfahrung entgegen, sondern leitet in das mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 neu geschaffene System der Rechtsberatung vor dem Asylgerichtshof über. Damit wird sowohl den Interessen der betroffenen Asylwerber als auch den öffentlichen Interessen der Verfahrensökonomie Rechnung getragen (vgl. Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz, 2008, S. 263, wonach die Festsetzung einer Frist das Ergebnis einer Abwägung zwischen dem Interesse des Einzelnen, eine Verfahrenshandlung so lange wie möglich vorzunehmen und dem Interesse an der Rechtssicherheit und Verwaltungsökonomie, die durch die unbegrenzte Möglichkeit einer Anfechtung beeinträchtigt würden, ist).

Für die Sachlichkeit der in § 75 Abs 16 AsylG 2005 vorgesehenen Frist spricht auch, dass ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe für die Einbringung fristgebundener Eingaben innerhalb der für die jeweilige Eingabe vorgesehenen Frist gestellt werden muss (zB VfSlg. 17.765/2006). Dies wurde vom Verfassungsgerichtshof, soweit zu ersehen, bisher nicht beanstandet.

Dass die Frist ab Inkrafttreten des § 66 AsylG 2005 idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 gilt, ist ebenfalls nicht unsachlich (in VfSlg. 15.661/1999 beurteilte der Verfassungsgerichtshof eine ab der Veröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung bemessene mehrmonatige Frist als ausreichend).

4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach Auffassung der Bundesregierung die in Prüfung gezogene Wortfolge in § 75 Abs 16 AsylG 2005 weder dem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander widerspricht noch unsachlich ist.

[...]"

4. Der Asylgerichtshof erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der er nachstehende Ausführungen erstattet:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist (s. etwa VfSlg. 18968/2009; 19214/2010).

Die zweifellos anlässlich des FrÄG 2011 eingeführte Ungleichbehandlung von Fremden dahingehend, dass jenen Asylwerbern, über deren Antrag auf internationalen Schutz - ausgenommen, es handelt sich um einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z. 23 AsylG 2005 - erst nach dem durch das Bundesasylamt entschieden wird, kostenlos ein Rechtsberater amtswegig für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof zur Seite gestellt wird, während alle anderen Asylwerber, deren Verfahren am schon am Asylgerichtshof anhängig war, das amtswegige 'Zur-Seite-Stellen' eines Rechtsberaters bis beantragen mussten, erscheint vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums der zuletzt genannten Asylwerber in Verbindung mit der Aufgabenstellung eines Rechtsberaters (§66 Abs 2 AsylG: 'Rechtsberater unterstützen und beraten Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde gemäß Abs 1 und im Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen jedenfalls die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen und gegebenenfalls Rückkehrberatung zu veranlassen.') nicht als unsachlich. Asylwerber, deren Verfahren am bereits beim Asylgerichtshof anhängig waren, haben in ihrem Verfahren bereits Beschwerde eingebracht. Da zu der Hauptaufgabe eines Rechtsberaters die Einbringung von Beschwerden zählt, in deren Vorfeld - in der Regel unter Beiziehung eines entsprechenden Dolmetschers - die Beratung über die jeweiligen Erfolgsaussichten und gegebenenfalls Rückkehrberatung erfolgt, bedürfen jene Asylwerber, deren Verfahren am bereits beim Asylgerichtshof anhängig waren, in diesem - überwiegenden - Umfang nicht mehr der Unterstützung eines Rechtsberaters. Dass der Gesetzgeber für eine überschaubare Zahl von Übergangsfällen an ein Verfahrensstadium anknüpft, in welchem die Unterstützung durch einen Rechtsberater nicht im gleichen Ausmaß erforderlich ist wie für Asylwerber, deren Verfahren am genannten Stichtag noch beim Bundesasylamt anhängig war, die also noch keine Beschwerde eingebracht haben, erscheint verfassungsrechtlich unbedenklich (vergleiche zur als unbedenklich erachteten Übergangsbestimmung des § 75 Abs 7 Z. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 4/2008, wonach am beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof dahingehend weiterzuführen waren, dass Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt wurden, - in Durchbrechung des in § 61 Abs 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 4/2008, normierten Grundsatzes der Entscheidung in Senaten - alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte, als Einzelrichter weiterzuführen hatten, VfSlg. 18610/2008).

Die vom Gesetzgeber getroffene Übergangsregelung des § 75 Abs 16 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 kann auch nicht als unverhältnismäßig erkannt werden: Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Fremde in der Regel sprach- und rechtsunkundig und insofern besonders schutzwürdig sind, kann davon ausgegangen werden, dass der von dieser Übergangsbestimmung betroffene Personenkreis in der Lage war bzw. sein musste, bei Bedarf rechtzeitig einen Antrag auf Beigabe eines Rechtsberaters zu stellen. Zwar ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut des am in Kraft getretenen § 75 Abs 16 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/1011 der Antrag auf das amtswegige 'Zur-Seite-Stellen' eines Rechtsberaters nur innerhalb des Monats Oktober 2011 zu stellen war, doch darf dabei nicht übersehen werden, dass das entsprechende Bundesgesetzblatt I Nr. 38/2011 bereits am kundgemacht wurde. Faktisch standen dem betroffenen Personenkreis daher rund fünf Monate zur Verfügung, um einen entsprechenden - form- und begründungslosen - Antrag vorzubereiten und im Oktober 2011 einzubringen. Insofern unterscheidet sich die hier in Prüfung gezogene Übergangsbestimmung ganz deutlich von den mit Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 15218, vom , VfSlg. 15369, und vom , VfSlg. 15529, aufgehobenen, bloß zweitägigen Berufungsfristen im Fall bestimmter Zurückweisungen von Asylanträgen, wobei der Verfassungsgerichtshof beifügte, dass im Asylverfahren auch eine kürzere Berufungsfrist eingeräumt werden könne, sofern sie es einem - im allgemeinen in einer schwierigen Lage befindlichen - Asylwerber ermögliche, fachliche Hilfe beizuziehen und eine ausreichend begründete Berufung einzubringen; hierfür dürfte eine Frist von einer Woche als Mindestmaß anzusehen sein, das (auch) zur Erreichung faktisch effizienten Rechtsschutzes eingehalten werden müsse. Nun bezog sich die vom Verfassungsgerichtshof als Mindestmaß angesprochene Berufungsfrist von einer Woche naturgemäß auf eine Frist, die durch die Erlassung eines individuellen Verwaltungsaktes ausgelöst wird, wogegen der von der in Prüfung gezogenen Übergangsbestimmung betroffene Personenkreis Adressat einer generellen Norm ist und insofern hinsichtlich der Kenntniserlangung von der Gesetzesänderung und des allfälligen Handlungsbedarfs vor größeren Schwierigkeiten steht. Diesem Unterschied dürfte jedoch durch die faktisch zur Verfügung gestandene Frist von rund fünf Monaten - von der möglichen Kenntniserlangung der fristgebundenen Antragstellung durch Kundmachung im Bundesgesetzblatt bis zur möglichen Einbringung eines entsprechenden Antrages beim Asylgerichtshof - ausreichend Rechnung getragen worden sein. Darüber hinaus sind die Anforderungen im Hinblick auf die Erhebung eines Rechtsmittels (vgl. dazu die oben zitierten Erkenntnisse des VfGH) nicht vergleichbar mit der formlosen und begründungsfreien Antragstellung auf Beigebung eines Rechtsberaters, die sich im Wesentlichen auf einen Satz beschränken kann. Davon ausgehend kann nicht erkannt werden, dass das Erfordernis einer fristgebundenen Antragstellung auf Beigebung eines Rechtsberaters in der durch die Fremdenrechtsnovelle 2011 vorgesehenen Form (form- und begründungsfreie Antragstellung nach rund fünf Monaten ab Kundmachung) unverhältnismäßig ist. Dies zeigt sich auch daran, dass in der Praxis fast ausschließlich fristgerechte Anträge auf 'Zur-Seite-Stellen' eines Rechtsberaters eingelangt sind, welche in der Regel mittels vorgefertigten Formblattes, welches von Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt und teilweise von dort abgeschickt wurde, gestellt wurden."

II. Rechtslage

1.1. Bereits in seiner Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I 38/2011, (im Folgenden: FrÄG 2011) sah das AsylG 2005 "zur Unterstützung von Fremden in Angelegenheiten des Asylrechts" die Einrichtung eines Rechtsberaters vor. § 66 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I 122/2009, hatte folgenden Wortlaut:

"Rechtsberater

§66. (1) Zur Unterstützung von Fremden in Angelegenheiten des Asylrechts hat der Bundesminister für Inneres Rechtsberater in der notwendigen Anzahl zu bestellen. Diese haben ihre Tätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen.

(2) Rechtsberater haben Fremde auf Verlangen

1. über alle das Asylrecht betreffenden Fragen zu informieren, soweit diese nicht in die Beratungspflicht der Rechtsberater (§64) fallen;

2. bei der Stellung oder Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz zu unterstützen;

3. in Verfahren nach diesem Bundesgesetz oder -

soweit es sich um Asylwerber handelt - nach dem FPG zu vertreten, soweit nicht die Zuziehung eines Rechtsanwaltes gesetzlich vorgeschrieben ist;

4. bei der Übersetzung von Schriftstücken und Bereitstellung von Dolmetschern behilflich zu sein und

5. gegebenenfalls Rückkehrberatung zu leisten.

(3) Die Auswahl der Rechtsberater obliegt dem Bundesminister für Inneres. Er kann hierbei auf Vorschläge des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), der Länder und Gemeinden sowie des Beirates für Asyl- und Migrationsfragen (§18 NAG) Bedacht nehmen.

(4) Rechtsberater, die Bedienstete des Bundes sind, haben Anspruch auf Ersatz von Reisekosten nach Maßgabe der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133, andere Rechtsberater auf Vergütung von Reisekosten, wie sie einem auf einer Dienstreise befindlichen Bundesbeamten der Gebührenstufe 3 nach der Reisegebührenvorschrift 1955 zusteht sowie auf eine Entschädigung für den Zeit- und Arbeitsaufwand, die vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen festzusetzen ist."

1.2. Mit dem FrÄG 2011 wurde die Rechtsberatung im Asylverfahren neu geregelt. Die Bestimmungen für die Rechtsberatung im Zulassungsverfahren vor dem Bundesasylamt finden sich nun in § 64 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I 38/2011, jene im zugelassenen Verfahren vor dem Bundesasylamt in § 65 leg.cit. Der das Verfahren vor dem Asylgerichtshof betreffende § 66 AsylG 2005 lautet nunmehr:

"Rechtsberatung vor dem Asylgerichtshof

§66. (1) In einem Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof gegen zurück- oder abweisende Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz, die keine Folgeanträge sind, ist einem Asylwerber kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen. Darüber hat das Bundesasylamt den Asylwerber mittels Verfahrensanordnung zu informieren und den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.

(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde gemäß Abs 1 und im Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen jedenfalls die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen und gegebenenfalls Rückkehrberatung zu veranlassen.

(3) Der Bundeskanzler verordnet die Höhe der Entschädigung der Rechtsberater für den Zeit- und Arbeitsaufwand. Ist eine juristische Person mit der Rechtsberatung vor dem Asylgerichtshof betraut, verordnet der Bundeskanzler die Höhe der Entschädigung für den Zeit- und Arbeitsaufwand für die Rechtsberatung einschließlich der Dolmetschkosten in Form von Pauschalbeträgen pro beratenem Asylwerber. Die Entschädigung hat sich am zuvor eingeholten Angebot der betrauten juristischen Person zu orientieren."

1.3. Die § 66 AsylG 2005 betreffenden Übergangsbestimmungen finden sich in § 75 Abs 15 und 16 AsylG 2005 (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):

"(15) § 66 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 ist auf alle am beim Bundesasylamt anhängigen Verfahren mit der Maßgabe, dass sie nach dem 01. ktober 2011 entschieden werden, anzuwenden.

(16) Asylwerber, deren Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof gegen eine zurück- oder abweisende Entscheidung auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz, der kein Folgeantrag ist, am anhängig ist, können bis spätestens das amtswegige zur Seite stellen eines Rechtsberaters gemäß § 66 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 beim Asylgerichtshof beantragen. Über diesen Antrag entscheidet ein Einzelrichter mit Verfahrensanordnung. Darüber hinaus gilt dies auch für am anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997."

2. § 66 AsylG 2005 in der Fassung vor dem FrÄG 2011 diente, wie schon die Erläuterungen erwähnen (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 74), auch der Erfüllung europarechtlicher Vorgaben, nämlich der Umsetzung der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, ABl. 2005 L 326, S 13 (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie). Art 15 dieser Richtlinie lautet:

"Artikel 15

Anspruch auf Rechtsberatung und -vertretung

(1) Die Mitgliedstaaten gestatten den Asylbewerbern, auf eigene Kosten in wirksamer Weise einen Rechtsanwalt oder sonstigen nach nationalem Recht zugelassenen oder zulässigen Rechtsberater in Fragen ihres Asylantrags zu konsultieren.

(2) Im Falle einer ablehnenden Entscheidung einer Asylbehörde stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass auf Antrag kostenlose Rechtsberatung und/oder -vertretung vorbehaltlich der Bestimmungen des Absatzes 3 gewährt wird.

(3) Die Mitgliedstaaten können in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorsehen, dass kostenlose Rechtsberatung und/oder -vertretung nur gewährt wird

a) für die Verfahren vor einem Gericht oder Tribunal nach Kapitel V und nicht für nachfolgende im nationalen Recht vorgesehene Rechtsbehelfe, einschließlich erneuter Rechtsbehelfsverfahren und/oder

b) für Personen, die nicht über die nötigen

finanziellen Mittel verfügen, und/oder

c) für Rechtsberater oder sonstige Berater, die nach nationalem Recht zur Unterstützung und/oder Vertretung von Asylbewerbern bestimmt wurden, und/oder

d) bei hinreichenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nach Buchstabe d gewährte Rechtsberatung und/oder -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt wird.

(4) Vorschriften über die Modalitäten für die Stellung und Bearbeitung von Ersuchen auf Rechtsberatung und/oder -vertretung können von den Mitgliedstaaten festgelegt werden.

(5) Ferner können die Mitgliedstaaten

a) für die Gewährung von kostenloser Rechtsberatung und/oder -vertretung eine finanzielle und/oder zeitliche Begrenzung vorsehen, soweit dadurch der Zugang zur Rechtsberatung und/oder -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt wird;

b) vorsehen, dass Antragstellern hinsichtlich der Gebühren und anderen Kosten keine günstigere Behandlung zuteil wird, als sie den eigenen Staatsangehörigen in Fragen der Rechtsberatung im Allgemeinen gewährt wird.

(6) Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass der Antragsteller ihnen die entstandenen Ausgaben ganz oder teilweise zurückerstattet, wenn sich seine finanzielle Lage beträchtlich verbessert hat oder wenn die Entscheidung zur Gewährung solcher Leistungen aufgrund falscher Angaben des Antragstellers getroffen wurde."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der zu U52/12 protokollierten Beschwerde und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung sprechen würden. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss vom geäußerten Bedenken konnten im Zuge des Gesetzesprüfungsverfahrens nicht zerstreut werden:

2.1.1. Der Umstand, dass für jene Asylwerber, deren Verfahren vor dem Inkrafttreten des § 66 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 bereits am Asylgerichtshof anhängig waren, durch eine Übergangsregelung die Möglichkeit, einen Rechtsberater nach der genannten Bestimmung zu erlangen, von einem Antrag abhängig gemacht wird, begegnet zwar keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Verfassungsgerichtshof bezweifelte im Prüfungsbeschluss jedoch, dass es überhaupt einen sachlichen Anknüpfungspunkt gibt, der die Normierung einer Frist in diesem Zusammenhang rechtfertigen würde: Im Gegensatz zur kostenlosen Beistellung eines Rechtsberaters für jene Asylwerber, über deren Antrag auf internationalen Schutz - ausgenommen, es handelt sich um einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005 - erst nach dem durch das Bundesasylamt entschieden wird, haben alle anderen Asylwerber, welche die in der Übergangsregelung des § 75 Abs 16 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 normierte Frist versäumen, ihr Recht auf Beigabe eines Rechtsberaters verwirkt, ohne dass ein Unterschied in ihren besonderen Bedürfnissen hinsichtlich des sprachlichen und rechtlichen Verständnisses der im Verfahren vor dem Asylgerichtshof zu berücksichtigenden (rechtlichen) Fragestellungen (vgl. VfSlg. 18.809/2009) erkennbar ist.

Die Bundesregierung tritt diesem Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zunächst damit entgegen, dass § 75 Abs 16 AsylG 2005 schon auf Grund der Qualifikation als Übergangsbestimmung "grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich" sei. Mit diesem Argument verkennt die Bundesregierung freilich, dass der Gesetzgeber auch in Übergangsbestimmungen keine unsachlichen Differenzierungen vornehmen darf. Was das in diesem Zusammenhang konkret geäußerte Bedenken des Verfassungsgerichtshofes betrifft, gehen sowohl die Bundesregierung als auch der Asylgerichtshof davon aus, dass die Hauptaufgabe eines Rechtsberaters darin bestehe, einen Asylwerber bloß bei der Einbringung seiner Beschwerde zu unterstützen beziehungsweise über die Erfolgsaussicht derselben zu informieren. Ein derart eingeschränktes Tätigkeitsfeld lässt sich aber aus der Bestimmung des § 66 Abs 2 AsylG 2005, in der die Aufgaben eines Rechtsberaters beschrieben werden, nicht ableiten:

Rechtsberater haben Asylwerber nicht nur bei der Einbringung der Beschwerde zu unterstützen, sondern auch im Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Ein - von der Bundesregierung angenommenes - "eingeschränktes Ausmaß" der Unterstützung von Asylwerbern nach Einbringung der Beschwerde steht somit nicht im Einklang mit der geltenden Rechtslage, weshalb die darauf gestützten Argumente sowohl der Bundesregierung als auch des Asylgerichtshofes ins Leere gehen.

2.1.2. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes betreffend das Bestehen eines sachlichen Anknüpfungspunktes für die Normierung einer Frist zutrifft. Die Frist in der Dauer von lediglich einem Monat ab Inkrafttreten des § 66 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 erweist sich schon deshalb als verfassungswidrig, weil sie jedenfalls zu kurz bemessen ist, um der Rechts- und zumeist Sprachunkundigkeit der antragstellenden Asylwerber gerecht zu werden.

Soweit der Asylgerichtshof in seiner Äußerung darauf abstellt, dass die Kundmachung des FrÄG 2011 ohnedies bereits am erfolgt sei, weshalb betroffenen Asylwerbern insgesamt fünf Monate für einen Antrag nach § 75 Abs 16 AsylG 2005 zur Verfügung gestanden seien, ist zunächst festzuhalten, dass das neue Regelungsregime betreffend Rechtsberater gemäß § 73 Abs 9 AsylG 2005 erst am in Kraft trat und zugleich § 75 Abs 16 AsylG 2005 die Stellung eines Antrags auf einen Rechtsberater gemäß § 66 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 nur dann vorsah, wenn das Verfahren eines Asylwerbers am vor dem Asylgerichtshof anhängig war. Ob ein Antrag überhaupt gestellt werden konnte, entschied sich also erst am Beginn der einmonatigen Frist des § 75 Abs 16 AsylG 2005. Im Übrigen ist gerade angesichts der im Regelfall anzunehmenden Rechts- und Sprachunkundigkeit von Asylwerbern nicht zu erwarten, dass sie sich bereits in der Legisvakanz mit einer Übergangsregelung betreffend ein neues Rechtsberaterregime auseinandersetzten und einen dementsprechenden Antrag - sei dieser auch form- und begründungslos - vorbereiteten. Eine derartige Anforderung an die Rechtskundigkeit von Asylwerbern ließe zudem ihre Unterstützung durch einen Rechtsberater auch während des Beschwerdeverfahrens erforderlich scheinen, was wiederum das vom Asylgerichtshof in seiner Äußerung selbst ins Treffen geführte Argument, die Aufgabe eines Rechtsberaters sei im Wesentlichen in der Einbringung einer Beschwerde erschöpft, konterkariert.

Auch die Bundesregierung kann mit ihrem Verweis auf kürzere Rechtsmittelfristen nichts gewinnen: Während bei einer Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen erstinstanzlichen Bescheid einem Asylwerber schon ab der Zustellung der für ihn negativen Entscheidung Überlegungen unterstellt werden können, ein Rechtsmittel wahrzunehmen, ist dies bei der Frist zur Beigebung eines Rechtsberaters nicht der Fall. Diese wurde nämlich wirksam, ohne dass jene Asylwerber, deren Verfahren - womöglich bereits seit mehreren Jahren - vor dem Asylgerichtshof anhängig waren, darauf in besonderer Weise aufmerksam gemacht wurden. Schon deshalb ist die in § 75 Abs 16 AsylG 2005 normierte Frist nicht mit (kürzeren) Rechtsmittelfristen vergleichbar.

Der Äußerung der Bundesregierung ist schließlich

nicht zu entnehmen, inwiefern der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe für die Einbringung fristgebundener Eingaben innerhalb der für die jeweilige Eingabe vorgesehenen Frist gestellt werden muss, die vorliegenden Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Bestimmung entkräften soll.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof bleibt daher bei

seiner im Prüfungsbeschluss ausgesprochenen Auffassung, wonach die in § 75 Abs 16 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 normierte Frist zur Beantragung der Beistellung eines Rechtsberaters dem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander widerspricht.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Wortfolge "bis spätestens " in § 75 Abs 16 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 ist sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche

Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.