VfGH vom 25.11.2015, G404/2015

VfGH vom 25.11.2015, G404/2015

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien betreffend die Übertragung von Beschwerdeverfahren über baupolizeiliche Aufträge auf Rechtspfleger

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Das Verwaltungsgericht Wien beantragt, die Wortfolge "Baupolizeiliche Aufträge," in § 26 Z 1 litb des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien (VGWG), LGBl 83/2012, als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. §§4 und 26 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien (VGWG), LGBl 83/2012, lauten – auszugsweise – wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Landesrechtspflegerinnen und -rechtspfleger

§4. (1-3) […]

(4) Die Landesrechtspflegerinnen und -rechtspfleger sind bei der Besorgung ihrer Geschäfte nur an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Mitgliedes des Verwaltungsgerichtes Wien gebunden.

(5) Das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied des Verwaltungsgerichtes Wien kann jederzeit die Erledigung einzelner Geschäftsstücke sich vorbehalten oder an sich ziehen. Eine solche Maßnahme ist im Akt zu vermerken.

(6) Die Landesrechtspflegerin bzw. der Landesrechtspfleger ist verpflichtet, dem Mitglied des Verwaltungsgerichtes Wien ein Geschäftsstück vorzulegen, wenn es die Schwierigkeit oder Wichtigkeit der Sache erfordert."

"Arbeitsgebiete

§26. Den Landesrechtspflegerinnen und -rechtspflegern obliegt die eigenständige Führung und Erledigung der Verfahren über Beschwerden in den folgenden, in Arbeitsgebieten zusammengefassten Angelegenheiten, sofern die Angelegenheit dem Mitglied, dem die Landesrechtspflegerin bzw. der Landesrechtspfleger zugeordnet ist, als Einzelrichterin bzw. Einzelrichter zugewiesen ist:

1. Recht der Technik:

[…]

b) Grundabteilungen, Baupolizeiliche Aufträge, Vorschreibung eines Kostenersatzes für notstandspolizeiliche Maßnahmen nach dem Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuch (Bauordnung für WienBO für Wien), LGBl Nr 11/1930;

[…]."

2. § 129 Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuch (Bauordnung für WienBO für Wien), LGBl 11/1930 idF LGBl 25/2014, lautet – auszugsweise – wie folgt:

"Benützung und Erhaltung der Gebäude; vorschriftswidrige Bauwerke

§129. (1) Für die bewilligungsgemäße Benützung der Räume ist der Eigentümer (jeder Miteigentümer) des Bauwerkes verantwortlich. Im Falle der Benützung der Räume durch einen anderen geht die Haftung auf diesen über, wenn er vom Eigentümer über die bewilligte Benützungsart in Kenntnis gesetzt worden ist. Im Falle der Benützung von Räumen als Heim oder wie Unterkunftsräume in einem Heim haftet jedenfalls nur der Eigentümer.

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Für Gebäude in Schutzzonen besteht darüber hinaus die Verpflichtung, das Gebäude, die dazugehörigen Anlagen und die baulichen Ziergegenstände in stilgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu erhalten. Instandhaltungsmaßnahmen, durch die öffentliche Interessen berührt werden können, sind vom Eigentümer (jedem Miteigentümer) eines Gebäudes mit mehr als zwei Hauptgeschoßen zu dokumentieren. Diese Dokumentation ist, gegebenenfalls in elektronischer Form, aufzubewahren und muss der Behörde auf Verlangen zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden.

[…]

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an und verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen entsprechend dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Erteilung des Bauauftrages. Ist das Bauwerk aus öffentlichen Interessen, wie etwa solchen des Denkmalschutzes, entsprechend dem Stand der Technik im Zeitpunkt seiner Errichtung zu erhalten, ist es in den der Baubewilligung entsprechenden Zustand zu versetzen, sofern keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. Die Räumung oder der Abbruch von Bauwerken oder Bauwerksteilen ist anzuordnen, wenn die technische Unmöglichkeit der Behebung der Baugebrechen erwiesen ist. Die Räumung oder der Abbruch von Bauwerken oder Bauwerksteilen ist weiters auch dann anzuordnen, wenn durch die Art, die Vielfalt und das Ausmaß der bestehenden Baugebrechen sich die Bauwerke oder Bauwerksteile in einem solchen gefährlichen Bauzustand befinden, dass die Sicherheit der Bewohner und Benützer des Gebäudes bedroht ist und auch durch einfache Sicherungsmaßnahmen auf längere Zeit nicht hergestellt und gewährleistet werden kann. In allen Fällen steht dem Eigentümer (Miteigentümer) des Bauwerkes oder der Bauwerksteile die Möglichkeit offen, innerhalb der Erfüllungsfrist den der Baubewilligung und den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Zustand wiederherzustellen. Für Bauwerke oder Bauwerksteile in Schutzzonen hat die Behörde darüber hinaus die Behebung von Schäden aufzutragen, die das äußere Erscheinungsbild beeinträchtigen; im Zuge der Instandsetzung des Baukörpers eines Bauwerks oder Bauwerksteiles kann die Behörde dessen Ausgestaltung nach den Bebauungsbestimmungen gemäß § 5 Abs 4 und § 7 Abs 3 oder entsprechend dem § 85 Abs 5 verfügen.

(5) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Bauwerkes ist verpflichtet, deren Bauzustand zu überwachen. Lässt dieser das Vorliegen eines Baugebrechens vermuten, hat er den Befund eines Sachverständigen einzuholen. Lassen sich Art und Umfang eines vermuteten Baugebrechens nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist er über Auftrag der Behörde verpflichtet, über das Vorliegen des vermuteten Baugebrechens und gegebenenfalls über dessen Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. Der dem Befund zugrunde gelegte Sachverhalt muß durch die Behörde überprüfbar sein.

[…]

(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§62 Abs 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Im Falle der Verwendung von Flächen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen ohne baubehördliche Bewilligung (§3 Abs 1 Z 2 WGarG 2008) durch einen vom Eigentümer (den Miteigentümern) verschiedenen Nutzungsberechtigten sind Aufträge gegebenenfalls an diesen zu richten. In Schutzzonen sind überdies Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen im Bebauungsplan, für die eine Baubewilligung weder nachgewiesen noch infolge des erinnerlichen Bestandes des Gebäudes vermutet werden kann, zu beheben und die Bauwerke und Bauwerksteile in stilgerechten und den Bebauungsbestimmungen entsprechenden Zustand zu versetzen. Lassen sich Art und Umfang von vermuteten Abweichungen von den Bauvorschriften nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Bauwerkes verpflichtet, über das Vorliegen der vermuteten Abweichungen und gegebenenfalls über deren Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. Der dem Befund zugrunde gelegte Sachverhalt muß durch die Behörde überprüfbar sein.

(11) Die Erfüllung von Aufträgen nach Abs 4 und Abs 10 ist der Behörde vom Verpflichteten unter Anschluss eines Nachweises über die vorschriftsgemäße Durchführung schriftlich zu melden."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt ein Verfahren über eine Vorstellung gemäß § 54 VwGVG gegen ein durch eine Rechtspflegerin erlassenes Erkenntnis beim zuständigen Richter des antragstellenden Verwaltungsgerichtes im Rahmen eines Verfahrens über die Erteilung baupolizeilicher Aufträge gemäß § 129 Abs 2, 4 und 10 BO für Wien zugrunde.

2. Zur Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge führt das antragstellende Gericht – auszugsweise – Folgendes aus:

"Beim Verwaltungsgericht Wien ist eine Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B VG anhängig, welche sich gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, Baupolizei – Gebietsgruppe Ost, Bauinspektion, vom , […] richtet. Mit diesem Bescheid wurden den Beschwerdeführern gemäß § 129 Abs. 2, 4 und 10 […] Wr. BauO[…] folgende Bauaufträge erteilt: 'Sanierungsarbeiten an einem aufgestemmten Mauerwerk durchzuführen' sowie 'schadhaften Verputz instandsetzen zu lassen'.

Weiters wurde darin aufgetragen, die Maßnahmen binnen bestimmter, bescheidmäßig festgesetzter Frist durchführen zu lassen. Die Beschwerdeführer haben gegen diesen Bescheid mit näherer Begründung rechtzeitig Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien erhoben.

Die Beschwerde wurde gemäß der Geschäftsverteilung für das Jahr 2015 sowie in Anwendung des § 26 Z 1 litb VGWG einer danach zuständigen Rechtspflegerin zugewiesen. Diese hat mit Erkenntnis vom […] in der Sache entschieden und die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis haben die Beschwerdeführer rechtzeitig Vorstellung gemäß § 54 […]VwGVG[…], erhoben und mit näherer Begründung die Entscheidung durch die zuständige Richterin des Verwaltungsgerichtes beantragt.

[…]

Gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 iVm. Art 132 Abs 1 Z 1 B VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit, die erheben kann, wer behauptet, durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein.

[…]

Das Verwaltungsgericht hat seine sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Die (Un)Zuständigkeit ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen, daher auch von dem Verwaltungsgericht durch den Richter in Ansehung des Rechtspflegers (vgl. VfSlg 17.341/2004).

Das Verwaltungsgericht Wien hat daher die erhobene Vorstellung im Hinblick auf Rechtzeitigkeit, Zulässigkeit sowie Zuständigkeit zu überprüfen. Bei dieser Prüfung hat das Gericht § 26 Z 1 litb VGWG anzuwenden, da durch diese Bestimmung die Entscheidung über Beschwerden u. a. in Angelegenheit[en] baupolizeilicher Aufträge einer Landesrechtspflegerin zugewiesen worden ist. Die gegen das Erkenntnis der Rechtspflegerin erhobene Vorstellung erweist sich somit als zulässig; die Rechtspflegerin ist dem erkennenden Gericht nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts Wien für das Jahr 2015 zugeteilt [...], sodass das Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung über Vorstellung und Beschwerde zuständig ist.

Die Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge ist somit gegeben. Durch die Anwendung der angefochtenen Wortfolge wird die Zulässigkeit der Vorstellung gegen das Erkenntnis der Rechtspflegerin begründet sowie die Zuständigkeit des erkennenden Gerichtes (durch die Richterin) eröffnet, wohingegen bei Aufhebung der angefochtenen Wortfolge die Beschwerde unmittelbar einem Richter zuzuweisen ist. Die Möglichkeit der Vorstellung im Bereich der gemäß § 26 Z 1 litb VGWG vorgesehenen Zuständigkeiten im Bereich von baupolizeilichen Aufträgen entfiele."

3. Die Bedenken, die das antragstellende Gericht zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, legt es im Wesentlichen wie folgt dar:

"Bei der Prüfung der Zulässigkeit der erhobenen Vorstellung sind beim erkennenden Gericht Bedenken ob der Verfassungskonformität der Zuweisung von (sämtlichen) Beschwerden bezüglich der Erteilung von baupolizeilichen Aufträgen, zur Gänze durch Rechtspfleger, entstanden:

[…]

Gemäß Art 135a Abs 1 B VG kann im Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes die Besorgung einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bediensteten übertragen werden.

[…]

Die Wendung 'einzelne, genau zu bezeichnende Arten von Geschäften' gemäß Art 135a B VG idF BGBI I 51/2012 ist im selben Sinne zu verstehen wie jene gemäß Art 87a B VG. Art 135a B VG idF BGBI I 51/2012 ermächtigt sohin auch dazu, Rechtspflegern – im Rahmen ihrer besonderen Ausbildung – bestimmte Verfahren zur Gänze zu übertragen, sofern sie sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen ().

[…] Das antragstellende Verwaltungsgericht bezweifelt, dass sämtliche Beschwerdeverfahren zur Erteilung von baupolizeilichen Aufträgen ihrem Wesen nach für die Übertragung auf Rechtspfleger zur Besorgung zur Gänze geeignet sind; der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis G46/2013 mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen (§62 Abs 1 VfGG) nicht mit dieser Frage befassen müssen.

[…]

[…] Die genuin dem Richter vorbehaltene Tätigkeit beinhaltet nach Ansicht des erkennenden Gerichtes demzufolge die Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes sowie dessen Feststellung unter Einschluss der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhaltes. Diese Tätigkeit stellt geradezu den Kern der richterlichen Aufgabenbewältigung dar. Der Rechtspfleger soll bei dieser Funktion unterstützen bzw. Aufgaben, die nicht diesem Kernbereich zuzuordnen sind, übernehmen. Ein Blick in das Rechtspflegergesetz, BGBI.Nr 560/1985 idF BGBI. I Nr 15/2013 zeigt, dass den Rechtspflegern in der ordentlichen Gerichtsbarkeit einfachere, gleichförmige und weitgehend unstrittige Verfahren zugewiesen sind, die jeweils ein sachlich eng begrenztes Rechtsgebiet betreffen. Ebenso ist vergleichend beispielsweise auf die Bestimmung des § 13 Abs 1 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) mit den dort formulierten Voraussetzungen für eine bedarfsweise Übertragung mit der Besorgung von Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit sowie die dazu ergangene Feststellung des Verfassungsausschusses (AB 2057 BlgNR 24. GP, 2) hinzuweisen, wonach dieser davon ausgehe, dass die Heranziehung von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern am Bundesverwaltungsgericht hauptsächlich zur Unterstützung der rechtsprechenden Tätigkeit des Gerichts vorgesehen werden solle. In Frage kämen dabei insbesondere der Schriftverkehr mit Behörden und anderen Gerichten sowie Aktenvorlagen oder die Erledigung von Gebührenangelegenheiten.

[…]

[…] 'Baupolizeiliche Aufträge', wie im § 26 Z 1 litb VGWG umschrieben, umfassen nicht nur – wie hier im Anlassfall – Verpflichtungen zur Instandsetzung sowie zur Behebung von Baugebrechen (§129 Abs 2 in Verbindung mit Abs 4 Wr. BauO), sondern reichen bis hin zu Beseitigungsaufträgen nach § 129 Abs 10 Wr. BauO sowie Auftragserteilung[en] der Behörde zur Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens bei vermuteten Baugebrechen (§129 Abs 5 Wr. BauO).

Es liegt schon durch diese Vielfalt und in weiterer Folge Ausformung an unterschiedlichen Aufträgen nicht ein hohes Maß an Standardisierbarkeit bei den Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien vor.

Ferner ist auszuführen, dass sämtliche dieser angeführten Maßnahmen von der Verwaltungsbehörde von Amts wegen zu setzen sind und von den Umständen im Einzelfall abhängen. Ein baupolizeilicher Auftrag darf in Beachtung insbesondere des Grundrechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums immer nur im unbedingt notwendigen Ausmaß ergehen (vgl. so auch Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0118); es liegt daher insbesondere in Hinblick auf Art 1 1. ZP MRK (und Art 17 GRC) sowie unter Umständen auch in Hinblick auf Art 8 MRK (und Art 7 GRC; dies betreffend eine[n] Beseitigungsauftrag[…]) ein jedenfalls eingriffsintensiver Rechtsbereich vor. Es kann daher weder von Standardisierbarkeit noch von geringem Schwierigkeitsgrad bei Gesamtbetrachtung ausgegangen werden.

Ebenso sind in derartigen Verfahren ihrem Wesen nach verschiedenste Verfahrensschritte nötig und ebenso auch Erledigungsarten möglich: Es ist zunächst ganz allgemein zu beurteilen, ob der Zustand einer Baulichkeit sich dermaßen verschlechtert hat oder nicht den Bauvorschriften entspricht, dass damit öffentliche Interessen berührt werden. Zu dessen Einordnung ist zwar entsprechende höchstgerichtliche Judikatur vorhanden, die Heranziehung für den Einzelfall bedarf jedoch einer entsprechenden Würdigung des vorliegenden Lebenssachverhaltes unter Bedachtnahme auf relevante, öffentliche Interessen, welche im Einzelfall in Frage kommen, berührt zu werden. Bei Beseitigungsaufträgen ist eine Konsenslosigkeit des bestehenden Bauwerks und jede Abweichung von Bauvorschriften zu ermitteln (unter Beachtung der im Zeitpunkt der Errichtung maßgeblichen Rechtslage nach Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes). Hier sind auch vielfach etwa Fragen zu klären, ob im Zuge eines Umbaus ein 'aliud' im Vergleich zum ursprünglich[…] bestandenen Konsen[…] vorliegt. Ebenso sind unter Umständen auch Fragen einer wirtschaftlichen Zumutbarkeit – also schwierige Abwägungsfragen unterschiedlicher Interessen – sowie etwa auch Fragen, ob ein Abbruch anstelle einer Sanierung vorzunehmen ist, zu klären.

Weiters umfassen auch diese Verfahren verfahrensrechtliche Fragen unterschiedlichster Natur (nicht zuletzt auch die Beurteilung in den zugeteilten Verfahren, ob eine Beschwerde zulässig ist und damit über die Frage des Zugangs zu einem Gericht entschieden wird); hervorzuheben ist hier, dass in der Regel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung mit den (teilweise einer Vielzahl von) Parteien des Verfahrens durchzuführen ist, dies – je nach Einzelfall – unter Beiziehung von Zeugen und auch Sachverständigen.

Ferner werfen derartige Verfahren – je nach Lage des Falles – auch zivilrechtliche Vorfragen auf – insbesondere für die Frage des Eigentümers –[,] welche zur Feststellung einer Parteistellung zu klären sind und von unterschiedlicher Komplexität sein können.

Es mag zwar zutreffen, dass Verfahren zur Erteilung verschiedener Bauaufträge nach § 129 Wr. BauO vor der Behörde aufgrund ihrer Menge als 'Massenverfahren' standardisierbar sind und als solche vom Magistrat der Stadt Wien behandelt werden, Beschwerdeverfahren, also die gerichtlichen Überprüfungsverfahren, sind hingegen in der Regel keinesfalls 'einfache oder stark formalisierte Verfahren' sowie Geschäfte, die 'keinen hohen Schwierigkeitsgrad' aufweisen. An das Verwaltungsgericht werden daher in der Regel nur jene Fälle herangetragen, die einen 'hohen Schwierigkeitsgrad' aufweisen bzw. deren zugrundeliegende Rechtsfrage ungeklärt oder bei denen der Sachverhalt strittig ist. Als Beispiel für die Komplexität wird u.a. auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B5012/96-B1942/97; B513/97; B299/98 hingewiesen.

Diese angeführten Umstände zeigen, dass diesbezügliche Beschwerdeverfahren keineswegs allesamt als gleichförmig (standardisiert) oder einfach (geringer Schwierigkeitsgrad) gestaltet eingestuft werden können (vgl. die Ausführungen im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom zu § 26 Z 6 VGWG). Sie werfen daher verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber einer gänzlichen Aufgabenübertragung an Rechtspfleger auf.

[…] Insbesondere weitere Bedenken sind darin gelegen, dass nach Ansicht des antragstellenden Gerichts die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , G181/2014 u. a., unter Punkt 2.6.6. […] zu Beschwerdesachen in Verwaltungsstrafverfahren vertretene Ansicht, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu jenen Arten von Geschäften zählt, die einer Übertragung an Rechtspfleger zugänglich sind, auch auf (administrative) Verwaltungsverfahren nach dem AVG zu übertragen (wie hier 'Baupolizeiliche Aufträge') ist, weshalb die gesetzlich vorgesehene gänzliche Übertragung der Führung von Beschwerdeverfahren nach der Wr. BauO durch Rechtspfleger schon aus diesem Grund verfassungswidrig ist.

Wie auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte klargelegt ist, sind Eigentumsrechte im Allgemeinen 'civil rights' (siehe Urteil Sporrong und Lönnroth, Serie A, No 52 und Urteil Öztürk, Serie A Nr 73). In solchen Fällen sind die diesbezüglichen Verfahrensgarantien zu beachten, sodass dann im Regelfall eine öffentliche, mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durchzuführen ist.

Sollte die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , G181/2014 u.a., zu Beschwerdesachen in Verwaltungsstrafverfahren vertretene Ansicht, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu jenen Arten von Geschäften zählt, die einer Übertragung an Rechtspfleger zugänglich sind, auch (administrative) Verwaltungsverfahren nach dem AVG erfassen, wie hier Beschwerdeverfahren nach § 129 der Wr. BauO (wovon das antragstellende Gericht ausgeht), wäre die gesetzlich vorgesehene gänzliche Übertragung der Führung von Beschwerdeverfahren betreffend 'baupolizeilicher Aufträge' durch Rechtspfleger schon aus diesem Grund verfassungswidrig.

[…] Nach Ansicht des antragstellenden Verwaltungsgerichtes greift der Wiener Landesgesetzgeber durch die (pauschale) Zuweisung der Entscheidung in diesen Beschwerdeverfahren bezüglich der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von baupolizeilichen Aufträgen an Rechtspfleger somit in die den Richtern gemäß Art 135 B VG vorbehaltenen Materien ein. Die Entscheidung über Beschwerden bezüglich baupolizeilicher Aufträge als solche ist ihrem Wesen nach nicht für die (gänzliche) Erledigung durch Rechtspfleger geeignet und damit widerspricht § 26 Z 1 lit.b) in seiner Wortfolge 'baupolizeiliche Aufträge,' somit Art 135a Abs 1 B VG.

Dabei ist zu betonen, dass auf den Maßstab des Art 135a Abs 1 B VG abzustellen ist und besondere Befähigungen von Rechtspflegern im Einzelfall bei der Erhebung verfassungsrechtlicher Bedenken keine Berücksichtigung finden können." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurückweisen:

Die Wiener Landesregierung zieht die Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge in Zweifel. Das antragstellende Gericht habe insbesondere nicht hinreichend konkret dargelegt, ob die Wortfolge "Baupolizeiliche Aufträge" in § 26 Z 1 litb VGWG auf Grund des Sachverhaltes und des Beschwerdevorbringens anzuwenden sei. Zudem habe sich das antragstellende Gericht nicht mit der Frage befasst, ob die Verwaltungsbehörde § 129 BO für Wien auf den vorliegenden Sachverhalt zutreffend angewendet habe. Das antragstellende Gericht habe es überdies verabsäumt, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Es fehle jede Begründung, womit in diesem Zusammenhang konkret die Komplexität baupolizeilicher Aufträge dargetan werde. Es bleibe völlig unklar, auf welche Verfahren über die Erlassung baupolizeilicher Aufträge sich das Kernargument des antragstellenden Gerichtes "Beschwerdeverfahren, also die gerichtlichen Überprüfungsverfahren, seien in der Regel keinesfalls einfache oder stark formalisierte Verfahren sowie Geschäfte, die keinen hohen Schwierigkeitsgrad aufweisen", beziehe. Diese Ausführungen würden wörtlich genommen sogar bedeuten, dass die Bedenken jedes erdenkliche Beschwerdeverfahren betreffen. Es sei daher kein hinreichend eindeutiger Bezug der Bedenken zu der angefochtenen Wortfolge zu erkennen. In Ermangelung eines solchen Bezuges müssten hypothetische Annahmen getroffen werden, die es erst ermöglichten, das Vorbringen auf einen der möglichen Fälle der Erlassung baupolizeilicher Aufträge zu beziehen.

In eventu beantragt die Wiener Landesregierung, den Antrag abzuweisen, und begründet dies – auszugsweise – wie folgt:

"Das Verwaltungsgericht Wien erhebt zusammengefasst im Wesentlichen zwei Bedenken, nämlich zum einen, dass die Entscheidung über Beschwerden gegen baupolizeiliche Aufträge nach der Wiener Bauordnung keine einfachen oder stark formalisierten Geschäfte seien. Es seien daher nicht sämtliche Beschwerdeverfahren ihrem Wesen nach geeignet, zur Gänze durch Rechtspfleger besorgt zu werden. Zum anderen bringt das Verwaltungsgericht Wien vor, dass in Beschwerdeverfahren nach der Wiener Bauordnung der Rechtspfleger mündlich verhandeln müsse, da der Sachverhalt unter 'civil rights' zu subsumieren sei. Der Verfassungsgerichtshof habe jedoch im Erkenntnis vom , Zl. G181/2014, u. a. ausgesprochen, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu jenen Arten von Geschäften zähle, die einer Übertragung an Rechtspfleger zugänglich sei.

Zum erstgenannten Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien soll im Folgenden kurz dargelegt werden, welche Fragen die Baubehörde im Zuge eines Verfahrens zur Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu klären hat. Da sich das Verwaltungsgericht Wien in seinen Bedenken auf Instandsetzungsaufträge nach § 129 Abs 2 und 4 BO sowie auf Bauaufträge gemäß § 129 Abs 10 BO beschränkt, wird im Folgenden nur auf diese beiden Arten von baupolizeilichen Aufträgen eingegangen.

Der Landesgesetzgeber bedient sich in den beiden genannten Fällen unbestimmter Gesetzesbegriffe, um jene baurechtlich relevanten Erscheinungsformen zu erfassen, die er behoben bzw. beseitigt haben will. Im Zentrum der Beurteilung eines Instandsetzungsauftrages steht das Baugebrechen, wohingegen bei Bauaufträgen der vorschriftswidrige Bau im Mittelpunkt steht. Ein Baugebrechen ist anzunehmen, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtert, dass dadurch öffentliche Interessen berührt werden. Dazu reicht es aus, dass die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit gefährdet sein können. Ein vorschriftswidriger Bau liegt vor, wenn ein Bau, der bewilligungspflichtig ist, ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder wenn Bauten, die bloß anzeigepflichtig bzw. bewilligungsfrei sind, nicht unter Einhaltung der Bau- bzw. Bebauungsvorschriften errichtet werden (Kirchmayer, Wiener Baurecht, 4. Auflage 2014, 508ff. sowie 524ff.).

ln der Praxis liegen in Fällen von Baugebrechen kleinere Schäden an Baulichkeiten vor (z. B. Verputzschäden), die zu beheben sind. Bei vorschriftswidrigen Bauten reichen die Erscheinungsformen von Baulichkeiten, die zur Gänze ohne Baubewilligung errichtet [werden] bis zu Bauten, bei denen nur Abweichungen von den Bauvorschriften festgestellt werden. ln beiden Fällen ist im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren – je nachdem, welche[r] Sachverhalt bzw. welche rechtliche Beurteilung vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogen wird – in der Regel zu prüfen, ob ein Baugebrechen bzw. eine Abweichung von den Bauvorschriften vorliegt und ob demgemäß der jeweilige baupolizeiliche Auftrag zu Recht ergangen ist.

Die Wiener Landesregierung ist der Auffassung, dass es sich bei diesen Verfahren nicht ausnahmslos um völlig gleichförmige und damit gänzlich anspruchslose Geschäfte handelt. Diese laufen jedoch, da im Wesentlichen immer die gleichen Fragen aufzuwerfen sind, nach einem gleichbleibenden Schema ab. Ferner sind die Fragen auf Grund des sehr engen gesetzlichen Rahmens, der anzuwenden ist, überschaubar. Der Verfahrensgegenstand ist somit eng begrenzt. Außerdem kann der Sachverhalt in der Regel anhand von Urkunden (Baupläne, Flächenwidmungs- und Bebauungspläne) sowie durch Einholung von Gutachten von technischen Amtssachverständigen festgestellt werden.

Dies lässt sich auch anhand des Anlassfalles veranschaulichen. Im Beschwerdefall hat der technische Amtssachverständige im Zuge eines Ortsaugenscheins auf der Liegenschaft in Wien […] festgestellt, dass bei Sanierungsarbeiten an den Gasleitungen in den Erdgeschoßgängen das Mauerwerk aufgestemmt und nicht wieder geschlossen wurde. Ferner wurde festgestellt, dass der Verputz vom rechten Hoftrakt sowie vom Straßentrakt an den Kaminköpfen schadhaft ist bzw. Verputzteile fehlen. Dieser Fall ist ein Paradebeispiel dafür, welche Aufgaben der Gesetzgeber den Rechtspflegern übertragen wollte, nämlich einfache Sachverhalte, deren rechtliche Beurteilung grundsätzlich keine Probleme aufwirft.

Wenn das Verwaltungsgericht Wien vorbringt, dass in solchen Fällen öffentliche Interessen zu bewerten und Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu klären sind, so mag dies abstrakt gesehen für einzelne Fälle zutreffen, der Schluss, dass daher alle baupolizeilichen Aufträge durch Richter entschieden werden müssen, kann daraus aber noch nicht zwingend abgeleitet werden.

Zur Begründung der Verfassungskonformität der Übertragung der Entscheidung über baupolizeiliche Aufträge an Rechtspfleger ist ferner festzuhalten, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber für die Beurteilung der Eignung der übertragungsfähigen Geschäfte im Sinn des Art 135a B VG keinen anderen Maßstab für die Zulässigkeit einführen wollte als jenen, der für die Beurteilung auf Grund des Art 87a B VG heranzuziehen ist. ln den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBI. I Nr 51/2012, ist ausgeführt, dass der vorgeschlagene Art 135a B VG inhaltlich im Wesentlichen Art 87a B VG entspricht (RV 1618, XXIV. GP, Seite 18).

Nun ist es zwar so, dass es keine Aufgaben der Rechtspfleger der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt, die sich mit den Aufgaben der Rechtspfleger nach der Bauordnung für Wien unmittelbar vergleichen lassen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen der Rechtspfleger in Exekutionssachen gemäß § 17 Abs 2 des Rechtspflegergesetzes, BGBI. Nr 560/1985, ebenso bzw. noch gravierender in das Grundrecht auf Eigentum eingreifen wie die Entscheidungen eines Rechtspflegers nach der Bauordnung für Wien. In der vom Verwaltungsgericht Wien geltend gemachten 'Eingriffsintensität' kann daher kein Kriterium erblickt werden, welches es nahe legt, dass die Aufgaben nach der Bauordnung für Wien wesensmäßig nicht geeignet sind, durch Rechtspfleger besorgt zu werden.

Zu dem im gegebenen Zusammenhang vom Verwaltungsgericht Wien gemachten Hinweis auf § 13 Abs 1 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes und die Feststellungen des Verfassungsausschusses in den dazugehörigen Materialien ist zu bemerken, dass die in Abs 1 dieser Bestimmung angeführten Kriterien die Eignung der Personen betreffen, die sich um die Tätigkeit eines Rechtspflegers beim Bundesverwaltungsgericht bewerben. Aus diesen Kriterien kann für die hier in Rede stehende Frage der Zulässigkeit der Übertragung einer Aufgabe auf die Rechtspfleger nichts gewonnen werden. Aber auch aus den Materialien zum Bundesverwaltungsgerichtsgesetz kann kein Rückschluss für die Beantwortung dieser Frage gezogen werden. Wie der Verfassungsgerichtshof in Punkt 2.5.1. der Begründung des Erkenntnisses VfSlg 19.825/2013 ausgeführt hat, beziehen sich die Feststellungen des Verfassungsausschusses des Nationalrates ausschließlich auf den Umfang jener Kompetenzen, welche der (einfache) Bundesgesetzgeber den Rechtspflegern am Bundesverwaltungsgericht einräumen wollte, nicht aber auf den Umfang der verfassungsrechtlichen Ermächtigung zur Festlegung von Rechtspflegerkompetenzen gemäß Art 135a B VG.

[…]

Zum Vorbringen des Verwaltungsgerichtes Wien, dass besondere Befähigungen von Rechtspflegern 'bei der Erhebung verfassungsrechtlicher Bedenken' keine Berücksichtigung finden können, ist zu bemerken, dass dieses nicht nachvollziehbar ist. Sollte damit gemeint sein, dass besondere Befähigungen der Rechtspfleger bei der Beurteilung der vom Verwaltungsgericht Wien erhobenen Bedenken nicht zu berücksichtigen seien, so trifft dies insofern nicht zu, als die Rechtspfleger die Befähigungen in ihrer Ausbildung zum Rechtspfleger erworben haben. Diese sind schon nach dem Wortlaut des Art 135a Abs 1 B VG ('besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bediensteten') für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Übertragung von Aufgaben an die Rechtspfleger maßgeblich. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in Punkt 2.5.1. der Begründung des Erkenntnisses VfSlg 19.825/2013 ausgeführt, dass Rechtspflegern – im Rahmen ihrer besonderen Ausbildung – bestimmte Verfahren zur Gänze übertragen werden können."

Im Zusammenhang mit dem Bedenken des antragstellenden Gerichtes betreffend die Durchführung der mündlichen Verhandlung durch Rechtspfleger erstattete die Wiener Landesregierung das gleichlautende Vorbringen wie bereits zu ua.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B VG bzw. des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Der Verfassungsgerichtshof teilt die Ansicht der Wiener Landesregierung – wonach die Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge nicht ausreichend dargelegt worden sei (vgl. Punkt III.4.) – nicht. Das antragstellende Gericht führt in seinem Antrag aus, dass diesem ein Verfahren über eine Vorstellung gemäß § 54 VwGVG gegen ein durch einen Rechtspfleger erlassenes Erkenntnis beim zuständigen Richter des antragstellenden Verwaltungsgerichtes im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens über die Erteilung baupolizeilicher Aufträge gemäß § 129 Abs 2, 4 und 10 BO für Wien zugrunde liege. Bei Überprüfung der Zuständigkeit habe das Gericht die angefochtene Wortfolge in § 26 Z 1 litb VGWG, nach der Entscheidungen über Beschwerden in Angelegenheiten baupolizeilicher Aufträge Rechtspflegern zugewiesen werden, anzuwenden. Damit hat das antragstellende Gericht die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung in einer nicht denkunmöglichen Weise dargetan.

1.2. Gemäß § 62 Abs 1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen das Gesetz sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989). Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006). Es genügt nicht, dass vom Antragsteller behauptet wird, dass die bekämpften Gesetzesstellen gegen eine – wenn auch näher bezeichnete – Verfassungsbestimmung verstoßen; es muss vielmehr vom Antragsteller konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen den aufzuhebenden Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten ist (VfSlg 13.123/1992). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg 17.099/2003, 17.102/2004, 19.825/2013).

Entgegen der Ansicht der Wiener Landesregierung (vgl. Punkt III.4.) hat das antragstellende Gericht seine Bedenken gemäß § 62 VfGG auch hinreichend konkret dargelegt. Aus dem Antragsvorbringen ergibt sich zweifelsfrei, dass sich die vom Verwaltungsgericht – mit hinreichender Deutlichkeit – dargelegten Bedenken, nämlich die mangelnde Eignung der Übertragung von Beschwerdeverfahren über die Erteilung baupolizeilicher Aufträge auf Rechtspfleger im Hinblick auf Art 135a B VG (vgl. Punkt IV.2.2.), lediglich auf die angefochtene Wortfolge des § 26 Z 1 litb VGWG beziehen.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes sei die Besorgung von Beschwerdeverfahren über baupolizeiliche Aufträge nicht geeignet, zur Gänze durch Rechtspfleger besorgt zu werden. Bereits durch die Vielfalt der möglichen Verfahren und in weiterer Folge durch die unterschiedlichen Aufträge und Anordnungen liege kein hohes Maß an Standardisierbarkeit bei den Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien vor. Ferner seien sämtliche dieser Maßnahmen von der Verwaltungsbehörde von Amts wegen zu setzen und von den Umständen im Einzelfall abhängig. Es liege insbesondere ein jedenfalls eingriffsintensiver Rechtsbereich vor. Bei einer Gesamtbetrachtung könne daher weder von Standardisierbarkeit noch von einem geringen Schwierigkeitsgrad ausgegangen werden; es seien in derartigen Verfahren ihrem Wesen nach verschiedenste Verfahrensschritte nötig und auch unterschiedliche Erledigungsarten möglich. Weiters würden auch diese Verfahren verfahrensrechtliche Fragen unterschiedlichster Natur umfassen. Es möge zwar zutreffen, dass Verfahren zur Erteilung verschiedener Bauaufträge nach § 129 BO für Wien vor der Behörde auf Grund ihrer Menge als "Massenverfahren" standardisierbar seien und als solche vom Magistrat der Stadt Wien behandelt würden, Beschwerdeverfahren seien hingegen in der Regel keinesfalls "einfache oder stark formalisierte Verfahren" sowie Geschäfte, die "keinen hohen Schwierigkeitsgrad" aufwiesen. An das Verwaltungsgericht würden daher in der Regel nur jene Fälle herangetragen, die einen "hohen Schwierigkeitsgrad" aufwiesen bzw. deren zugrunde liegende Rechtsfrage ungeklärt oder bei denen der Sachverhalt strittig sei. Da Eigentumsrechte "civil rights" darstellten, sei im Regelfall eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durchzuführen; diese gehöre jedoch nicht zu jenen Arten von Geschäften, die einer Übertragung auf Rechtspfleger zugänglich seien, weshalb die Übertragung von Beschwerdeverfahren über baupolizeiliche Aufträge bereits aus diesem Grund verfassungswidrig sei.

2.3. Die Wiener Landesregierung entgegnet diesem Vorbringen – auf das Wesentliche zusammengefasst –, dass es sich bei diesen Verfahren zwar nicht ausnahmslos um völlig gleichförmige und damit gänzlich anspruchslose Geschäfte handeln würde; diese würden jedoch, da im Wesentlichen immer die gleichen Fragen aufzuwerfen seien, nach einem gleichbleibenden Schema ablaufen. Ferner seien die Fragen auf Grund des sehr engen anzuwendenden gesetzlichen Rahmens überschaubar. Der Verfahrensgegenstand sei eng begrenzt. Außerdem könne der Sachverhalt in der Regel anhand von Urkunden (Baupläne, Flächenwidmungs- und Bebauungspläne) sowie durch Einholung von Gutachten von technischen Amtssachverständigen festgestellt werden. Wenn das antragstellende Gericht u.a. vorbringe, dass in solchen Fällen öffentliche Interessen zu bewerten seien, so möge dies abstrakt gesehen für einzelne Fälle zutreffen, der Schluss, dass daher alle baupolizeilichen Aufträge durch Richter entschieden werden müssten, könne daraus aber noch nicht zwingend abgeleitet werden. In Bezug auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung durch Rechtspfleger bringt die Landesregierung vor, dass die Erhebung von Beweisen in der Regel mittelbar erfolgen könne, ohne dass dazu eine mündliche Verhandlung Wesentliches beitragen würde. Insbesondere würden Fragen der Glaubwürdigkeit, die im Verwaltungsstrafverfahren häufig eine Rolle spielten, in diesen Angelegenheiten in der Regel nicht auftreten.

2.4. Verwaltungsgerichte erkennen von Verfassungs wegen durch Richter (Art135 Abs 1 B VG). Gemäß Art 135a Abs 1 B VG kann im Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes allerdings die Besorgung "einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften" besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bediensteten (im Folgenden: Rechtspfleger) übertragen werden. Die Regelungen des Art 135a B VG entsprechen im Wesentlichen jenen des Art 87a B VG (vgl. die Erläut. zur RV 1618 BlgNR 24. GP, 18), zu welchem die Gesetzesmaterialien (vgl. die Erläut. zur RV 655 BlgNR 9. GP, 3) Folgendes ausführen:

"[D]ie Besorgung von Geschäften der Gerichtsbarkeit durch nicht-richterliche Organe [stellt] nur einen Ausnahmefall [dar], woraus sich der […] zwingende Umkehrschluß ergibt, daß die Besorgung der Geschäfte der Gerichtsbarkeit durch Richter als Grundsatz zu gelten hat. […] Die Wendung 'einzelne, genau zu bezeichnende Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit' soll klarstellen, daß die Übertragung von Geschäften der Gerichtsbarkeit […] an Rechtspfleger[…] einen Ausnahmefall gegenüber der Tätigkeit des Richters darstellt. Durch die Wahl der Worte 'A r t e n von Geschäften' wird ferner zum Ausdruck gebracht, daß sowohl bestimmte Verfahren zur Gänze […] als auch gewisse Akte innerhalb vom Richter durchzuführender Verfahren den Rechtspflegern übertragen werden dürfen. Welche Verfahren und Akte dies im einzelnen sein sollen, wird der [Gesetzgeber] zu bestimmen haben. Es kann wohl davon ausgegangen werden, daß der [Gesetzgeber] den Rechtspflegern nur jene Geschäfte übertragen wird, die sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen."

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 19.825/2013 ausgeführt hat, ist die Wendung "einzelne, genau zu bezeichnende Arten von Geschäften" gemäß Art 135a B VG im selben Sinne zu verstehen wie jene gemäß Art 87a B VG. Art 135a B VG ermächtigt sohin auch dazu, Rechtspflegern – im Rahmen ihrer besonderen Ausbildung – bestimmte Verfahren zur Gänze zu übertragen, sofern sie sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen.

Soweit das antragstellende Gericht auf die Bestimmung des – die Heranziehung von Rechtspflegern im Bereich des Bundesverwaltungsgerichtes regelnden – § 13 Abs 1 BVwGG sowie auf die Materialien dazu (AB 2057 BIgNR 24. GP, 2) verweist, ist aus diesen nichts zu gewinnen: Die zitierte Feststellung des Verfassungsausschusses des Nationalrates bezieht sich ausschließlich auf den Umfang jener Kompetenzen, welche der (einfache) Bundesgesetzgeber den Rechtspflegern am Bundesverwaltungsgericht einräumen wollte, nicht aber auf den Umfang der verfassungsgesetzlichen Ermächtigung zur Festlegung von Rechtspflegerkompetenzen gemäß Art 135a B VG; diese Gesetzesmaterialien sind für den vorliegenden Fall daher nicht maßgeblich (vgl. VfSlg 19.825/2013).

2.5. Der Ermächtigung zur Übertragung der Besorgung "einzelner" Arten von Geschäften an Rechtspfleger gemäß Art 135a B VG sind Grenzen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht gesetzt (vgl. ua.; , G256/2015 ua.; Faber , Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2013, Art 135a B VG Rz 4; Ranacher , Organisation und Dienstrecht: Anforderungen und Spielräume für die Gesetzgeber, in: Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2013, 163 [194 f.]; Segalla , Die Stellung des Verwaltungsrichters, in: Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2013, 145 [158]).

2.5.1. Bezüglich der Grenzen in qualitativer Hinsicht hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G181/2014 ua., ausgeführt:

"Bei der Beurteilung, ob eine Art von Geschäften in qualitativer Hinsicht einer Besorgung durch Rechtspfleger zugänglich ist, ist der Zweck der Einrichtung von Rechtspflegern zu berücksichtigen. Dieser war – und ist – die 'Entlastung' der Richter (vgl. die Erläut. zur RV 167 BlgNR 6. GP, 2 [ad § 56a GOG, RGBl. 217/1896, idF BGBl 182/1950]). Der Einsatz von Rechtspflegern durch Übertragung der Besorgung bestimmter Aufgaben an diese soll dem Richter Kapazitäten zur Bewältigung der übrigen Aufgaben schaffen, diesen aber nicht von der Besorgung auch dieser – ihm vorbehaltenen – Aufgaben entbinden (vgl. wiederum die Erläut. zur RV 167 BlgNR 6. GP, 2: 'eigentliche Aufgaben'). Bestimmte Arten von Geschäften der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz sind sohin von Verfassungs wegen der Besorgung durch Richter vorbehalten; an Rechtspfleger kann nur die Besorgung jener Arten von Geschäften übertragen werden, die sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen. Die wesensmäßige Eignung einer Art von Geschäften zur Besorgung durch Rechtspfleger kann insbesondere ihr geringer Schwierigkeitsgrad oder ihr hohes Maß an Standardisierbarkeit begründen (vgl. auch die Erläut. zur RV 167 BlgNR 6. GP, 2: 'einfache und oft wiederkehrende, gleichartige Geschäfte').

Für die Beurteilung, ob sich eine Art von Geschäften ihrem Wesen nach für die Besorgung durch Rechtspfleger eignet, ist nicht maßgeblich, welchen Grad an 'besonderer Ausbildung' Rechtspfleger im Einzelfall aufweisen. Ebensowenig ist […] von Bedeutung, inwieweit dem zuständigen Richter eine Ingerenz auf die Aufgabenbesorgung durch den Rechtspfleger (insbesondere durch Art 135a Abs 2 und 3 B VG; siehe dazu VfSlg 19.825/2013) oder eine nachfolgende Zuständigkeit im Rahmen eines remonstrativen Rechtsmittels (etwa durch § 54 VwGVG) eingeräumt ist. Der schon in Art 135 B VG zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch Richter ausgeübt wird, lässt sich nämlich nicht dadurch substituieren, dass in von Rechtspflegern selbstständig zu führenden Verfahren einem Richter Aufsichts-, Eingriffs- und Weisungsbefugnisse eingeräumt werden.

[…] Nicht jedes Verfahren, das seinem Wesen nach zur Besorgung bestimmter Verfahrensschritte und Erledigungsarten durch Rechtspfleger geeignet ist, ist auch zur Besorgung durch Rechtspfleger zur Gänze, das heißt zur Führung und Erledigung durch Rechtspfleger schlechthin geeignet (idS auch Ranacher , aaO, 194 f.). Die Eignung einer Art von Geschäften ihrem Wesen nach zur Übertragung ihrer Besorgung an Rechtspfleger hängt also maßgeblich davon ab, welche Verfahrensschritte und Erledigungsarten zur Besorgung übertragen werden bzw. ob die Übertragung […] die Besorgung von Verfahren zur Gänze betrifft.

Dieser Grundsatz ist für den Einsatz von Rechtspflegern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß Art 135a B VG von besonderer Bedeutung: Verwaltungsgerichte entscheiden insbesondere […] über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Die – viele Fälle des Einsatzes von Rechtspflegern in der ordentlichen Gerichtsbarkeit kennzeichnende – Konstellation, dass Verfahrensgegenstand die Fällung einer Erstentscheidung ist, liegt bei der Tätigkeit von Rechtspflegern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz typischerweise […] nicht vor. Vielmehr geht es vor dem Verwaltungsgericht der Sache nach um die Kontrolle von Entscheidungen der Verwaltung, also – wiederum verglichen mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit – materiell gesehen um eine Tätigkeit, die für ein Instanzgericht charakteristisch ist. Der Rechtspfleger in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ist damit wie der Verwaltungsrichter typischerweise […] in Fällen zuständig, in denen ein Betroffener gegen eine Entscheidung der Verwaltung Rechtsschutz sucht (vgl. idZ auch Chvosta , Organisation und Struktur des Bundesverwaltungsgerichts, in: Larcher [Hrsg.], Handbuch Verwaltungsgerichte, 2013, 161 [173 f.]; Kolonovits , Die 'neuen' Rechtspfleger bei den Verwaltungsgerichten erster Instanz [Art135a B VG] im Lichte des Art 6 EMRK, GS Walter, 2013, 321 [328]; Segalla , aaO, 158).

Nun eröffnet Art 135a B VG (anders als Art 87a B VG, der den Einsatz von Rechtspflegern nur bei Gerichten erster Instanz zulässt) im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz zwar grundsätzlich die Möglichkeit, die Besorgung solcher – der Nachprüfung verwaltungsbehördlicher Entscheidungen dienender – Verfahren an Rechtspfleger zu übertragen (vgl. VfSlg 19.825/2013). Bei der Beurteilung, ob diese Verfahren ihrem Wesen nach geeignet sind, zur Gänze durch Rechtspfleger besorgt zu werden, ist aber die Stellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im System des Verwaltungsrechtsschutzes in besonderer Weise zu berücksichtigen."

2.5.2. Die bekämpfte Bestimmung, durch welche Beschwerdeverfahren über baupolizeiliche Aufträge zur Gänze auf Rechtspfleger übertragen werden, entspricht diesen Anforderungen:

2.5.2.1. Auch wenn § 26 Z 1 litb VGWG nicht an konkrete Bestimmungen der BO für Wien anknüpft, sind mit der Wortfolge "Baupolizeiliche Aufträge," zweifellos insbesondere die – auch vom antragstellende Gericht und der Landesregierung ins Treffen geführten – Aufträge gemäß § 129 Abs 4 und 10 BO für Wien gemeint. § 129 Abs 4 leg.cit. eröffnet dabei die Möglichkeit der Vorschreibung baupolizeilicher Aufträge zur Behebung von Baugebrechen, Abs 10 dieser Bestimmung sieht die Erteilung baupolizeilicher Aufträge zur Behebung von Abweichungen von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften vor. Auch Abbruchaufträge sind im Rahmen dieser Vorschriften möglich. Obgleich diesen Verfahren verschiedene Fallkonstellationen zugrunde liegen können, laufen sie in einer regelmäßig vorgegebenen und vergleichbaren Weise ab; es liegt ihnen ein insgesamt sachlich eng begrenztes Rechtsgebiet zugrunde, in welchem sich weitestgehend vorhersehbare und in ihrem Umfang überschaubare Sach- und Rechtsfragen stellen (vgl. ua.). Dass die Erteilung baupolizeilicher Aufträge grundsätzlich in den Schutzbereich von Grundrechten eingreifen kann, begründet entgegen der Ansicht des antragstellenden Gerichtes für sich keine Komplexität des Verfahrens, die die wesensmäßige Eignung zur Übertragung dieser Agenden an Rechtspfleger in Zweifel zieht. Auch die ausnahmsweise aufwändige Verfahrensführung in diesen Angelegenheiten vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern, da sie nicht das Wesen der Angelegenheit berührt.

Dass ausnahmsweise in einzelnen Verfahren komplexere Rechtsfragen – die insbesondere in Beschwerdeverfahren zu lösen sind – bzw. Abweichungen von den grundsätzlich standardisierten Verfahren auftreten können, ändert nichts daran, dass die Angelegenheiten ihrem Wesen nach geeignet sind, auf Rechtspfleger übertragen zu werden, zumal es im System des Art 135a B VG liegt, dass Rechtspfleger erst im Rahmen der Kontrolle einer Entscheidung eingesetzt werden (vgl. ua.). Abgesehen von der Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Rechtspflegers mittels Vorstellung gemäß § 54 VwGVG vorzugehen, kann in derart gelagerten Beschwerdesachen der zuständige Richter – vor dem Hintergrund des Art 135a Abs 2 und 3 B VG sowie der Bestimmungen des § 4 Abs 4 und 5 VGWG – durch Weisungen eingreifen oder sich die Erledigung der Sache vorbehalten bzw. sie an sich ziehen (vgl. VfSlg 19.825/2013); überdies ist der Rechtspfleger gemäß § 4 Abs 6 VGWG, "wenn es die Schwierigkeit oder Wichtigkeit der Sache erfordert", zur Vorlage an den Richter verpflichtet (vgl. ua.).

2.5.2.2. Soweit das antragstellende Gericht vorbringt, die Durchführung der mündlichen Verhandlung sei jedenfalls ungeeignet, von Rechtspflegern besorgt zu werden, ist auszuführen, dass die für die Beurteilung, ob ein baupolizeilicher Auftrag zu erteilen ist, maßgeblichen Grundlagen vorrangig durch Urkunden und Sachverständigengutachten nachzuweisen sind. Anders als in Verwaltungsstrafverfahren, in welchen im Regelfall Beweise zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erheben und entsprechend zu würdigen sind (vgl. ua.), sind im Rahmen einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung keine einem Verwaltungsstrafverfahren gegen eine bestimmte Person vergleichbaren Wertungen und Abwägungen anzustellen. Vielmehr stellen sich in den hier maßgeblichen Verfahren vorrangig Rechtsfragen, deren Sachverhaltsgrundlagen in der Regel auf Grund der Aktenlage beurteilt werden können, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht immer zwingend geboten ist (vgl. auch ua.).

Auch soweit das antragstellende Gericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Übertragung der Durchführung der mündlichen Verhandlung an Rechtspfleger im Hinblick auf Art 6 EMRK hegt, teilt der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken nicht, da die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor einem Gericht im Sinne des Art 6 EMRK nach Erhebung der Vorstellung gemäß § 54 VwGVG gewährleistet ist (vgl. VfSlg 19.825/2013; ua.; , G256/2015 ua.).

2.6. Verfahren wegen Beschwerden über baupolizeiliche Aufträge sind demnach entgegen dem Vorbringen des antragstellenden Gerichtes ihrem Wesen nach geeignet, von Rechtspflegern besorgt zu werden. Dies trifft dabei nicht nur auf die Möglichkeit einer Übertragung zur Besorgung bestimmter Verfahrensschritte und Erledigungsarten zu, sondern kann das Verfahren auch zur Gänze übertragen werden. Da die bekämpfte Bestimmung sohin die Besorgung von Arten von Geschäften an Rechtspfleger überträgt, die hiefür geeignet sind, verstößt die Wortfolge "Baupolizeiliche Aufträge," in § 26 Z 1 litb VGWG nicht gegen Art 135 Abs 1 iVm Art 135a Abs 1 B VG.

V. Ergebnis

1. Die vom Verwaltungsgericht Wien ob der Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "Baupolizeiliche Aufträge," in § 26 Z 1 litb VGWG geäußerten Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:G404.2015