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VfGH vom 09.06.2005, g4/05

VfGH vom 09.06.2005, g4/05

Sammlungsnummer

17559

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung der Gewerbeordnung 1994 über die Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Erlassung von Verordnungen über abweichende Regelungen betreffend die Gewerbeausübung in Gastgärten wegen Zugehörigkeit der Angelegenheit zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde und wegen Verstoßes gegen die Bezeichnungspflicht

Spruch

Der dritte Satz des § 112 Abs 3 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. Nr. 194, idF BGBl. I Nr. 111/2002 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu V109/03 ein Antrag der Volksanwaltschaft gemäß Art 148e iVm Art 139 B-VG auf Aufhebung der Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom über die Gewerbeausübung in Gastgärten, kundgemacht in der Grazer Zeitung - Amtlicher Teil vom unter Nr. 206, (im Folgenden: Stmk. GastgartenVO) aufzuheben, anhängig.

Mit dieser Verordnung werden - gestützt auf § 112 Abs 3 letzter Satz Gewerbeordnung (GewO) 1994 - die Betriebszeiten für Gastgärten in rund 215 steirischen Gemeinden in der Zeit von Mitte Juni bis Mitte September um eine bzw. zwei Stunden gegenüber den (in § 112 Abs 3 erster und zweiter Satz GewO 1994) mit 8 bis 23 bzw. 9 bis 22 Uhr gesetzlich festgelegten Betriebszeiten verlängert.

Die Volksanwaltschaft hegt das Bedenken, dass die verordnungserlassende Behörde, der Landeshauptmann von Steiermark, vor Erlassung der angefochtenen Verordnung in Ansehung der in der GewO 1994 für eine abweichende Regelung vorgesehenen Kriterien keinerlei bzw. kein hinreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe.

2. Bei Behandlung dieses Antrages sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage der von der Volksanwaltschaft zur Aufhebung begehrten Stmk. GastgartenVO entstanden. Er hat daher beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des dritten Satzes des § 112 Abs 3 GewO 1994 idF BGBl. I 111/2002 einzuleiten.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass der Antrag der Volksanwaltschaft, die Stmk. GastgartenVO als gesetzwidrig aufzuheben, zulässig sein und er bei Prüfung dieser Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit den die Grundlage dieser Verordnung bildenden § 112 Abs 3 letzter Satz GewO 1994 anzuwenden haben dürfte.

2.2. Diese (hervorgehobene) Bestimmung lautet in ihrem rechtlichen Kontext wie folgt:

"Vorschriften über die Gewerbeausübung

§ 112. ...

(3) Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 8 bis 23 Uhr betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind. Gastgärten, die sich weder auf vffentlichem Grund befinden, noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 9 bis 22 Uhr betrieben werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllen. Der Landeshauptmann kann mit Verordnung abweichende Regelungen betreffend die Gewerbeausübung in Gastgärten für solche Gebiete festlegen, die insbesondere wegen ihrer Flächenwidmung, ihrer Verbauungsdichte, der in ihnen bestehenden Bedürfnisse im Sinne des § 113 Abs 1 und ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks, diese Sonderregelung rechtfertigen.

..."

Der bezogene § 113 Abs 1 GewO 1994 bestimmt, dass

"[d]er Landeshauptmann ... den Zeitpunkt, zu dem

gastgewerbliche Betriebe geschlossen werden müssen (Sperrstunde), und

den Zeitpunkt, zu dem sie geöffnet werden dürfen (Aufsperrstunde),

für die einzelnen Betriebsarten der Gastgewerbe durch Verordnung

festzulegen [hat]; er ... hiebei auf die Bedürfnisse der

ortsansässigen Bevölkerung und der Touristen Bedacht zu nehmen und erforderlichenfalls von der Festlegung einer Sperrzeit abzusehen [hat]. Bei den in Bahnhöfen, auf Flugplätzen und an Schiffslandeplätzen gelegenen Gastgewerbebetrieben hat der Landeshauptmann insbesondere den Verpflegungsbedarf der Reisenden zu berücksichtigen; zu dieser Frage sind auch die in Betracht kommenden Verkehrsunternehmen zu hören".

Die Abs 3 bis 5 des § 113 leg.cit. lauten wie folgt:

"(3) Die Gemeinde kann unter Bedachtnahme auf die sonstigen öffentlichen Interessen für einzelne Gastgewerbebetriebe eine frühere Aufsperrstunde oder eine spätere Sperrstunde, gegebenenfalls mit den durch den Anlass bestimmten Beschränkungen, bewilligen. Eine solche Bewilligung ist nicht zu erteilen, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt oder der Gastgewerbetreibende wegen Überschreitung der Sperrstunde oder der Aufsperrstunde wiederholt rechtskräftig bestraft worden ist. In Orten, in denen Bundespolizeibehörden bestehen, haben die Gemeinden diese Behörden vor Erteilung der Bewilligung zu hören.

(4) Die Gemeinde hat diese Bewilligung zu widerrufen, wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen, die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt oder der Gastgewerbetreibende wegen Überschreitung der Sperrstunde oder der Aufsperrstunde wiederholt rechtskräftig bestraft worden ist. In Orten, in denen Bundespolizeibehörden bestehen, haben die Gemeinden diese Behörden vor einer Entscheidung zu hören.

(5) Wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen, hat die Gemeinde eine spätere Aufsperrstunde oder eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben. Diese Vorschreibung ist zu widerrufen, wenn angenommen werden kann, dass der für die Vorschreibung maßgebende Grund nicht mehr gegeben sein wird. In Orten, in denen Bundespolizeibehörden bestehen, haben die Gemeinden vor einer Entscheidung diese Behörden zu hören. Nachbarn, die eine Verkürzung der Betriebszeit des Gastgewerbebetriebes bei der Gemeinde angeregt haben, sind Beteiligte im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991."

Gemäß § 337 GewO 1994 sind die in § 113 Abs 3 bis 5 GewO 1994 festgelegten Aufgaben der Gemeinde solche des eigenen Wirkungsbereiches.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hegte das Bedenken, dass die in § 112 Abs 3 letzter Satz GewO 1994 geregelte Verwaltungsaufgabe, "mit Verordnung abweichende Regelungen betreffend die Gewerbeausübung in Gastgärten" für bestimmte Gebiete festzulegen, gemäß Art 118 Abs 2 B-VG von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehen sein dürfte, vom Gesetzgeber gleichwohl weder eine entsprechende Zuständigkeit der Gemeinde oder gemeindlicher Organe vorgesehen noch von ihm der verfassungsrechtlichen Bezeichnungspflicht gemäß Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG nachgekommen worden sei. Der Gerichtshof führte hiezu im Prüfungsbeschluss u.a. aus:

"Gemäß Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG umfasst der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde 'alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden'. Entsprechend der Vorjudikatur (vgl. nur VfSlg. 8944/1980) ist anhand des Art 118 Abs 2 B-VG zu prüfen, ob eine nicht ausdrücklich in Art 118 Abs 3 B-VG genannte Angelegenheit dennoch dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehört.

Für die Zugehörigkeit zum eigenen Wirkungsbereich der

Gemeinde dürften insbesondere die Voraussetzungen sprechen, die der

Gesetzgeber als Determinanten für Sonderregelungen durch Verordnung

vorgesehen hat, mit denen die Betriebszeiten gewerberechtlich

genehmigter Gastgärten verändert (also verlängert oder verkürzt)

werden. ... 'Flächenwidmung' und 'Verbauungsdichte' zu bestimmen,

obliegt der Gemeinde gemäß Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG im Rahmen der

'örtlichen Baupolizei' sowie der 'örtlichen Raumplanung'. ... Im

\brigen bildet die Bezogenheit einer Angelegenheit zum örtlichen Raum einen besonderen Anhaltspunkt für das Vorliegen überwiegender örtlicher Interessen (Fröhler/Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, 1995, 3.1, S. 27, mit Nachweisen der Judikatur).

Noch deutlicher wird - nach vorläufiger Auffassung des Gerichtshofes - die gebotene Subsumtion der Regelung des § 112 Abs 3 dritter Satz GewO 1994 unter Art 118 Abs 2 B-VG, beachtet man, dass die Betriebszeitenveränderung auch von den in jenen Gebieten 'bestehenden Bedürfnisse[n] im Sinne des § 113 Abs 1' abhängen soll. ...

Schließlich ... [d]ürften ... den Gemeindeorganen die auf das Gemeindegebiet bezogenen Anliegen, Wünsche, Anschauungen, Meinungen, kurz gesagt die Interessen der örtlichen Gemeinschaft im verfassungsrechtlichen Sinn des Art 118 Abs 2 B-VG am ehesten geläufig sein, ...

... Dass die Eignung, ähnliche Angelegenheiten [wie die Veränderung der Gastgartenöffnungszeiten] von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich besorgen zu lassen, vorhanden ist, hat jedenfalls der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Sperrstundenabänderung für Gastgewerbebetriebe gemäß § 113 Abs 3, 4 und 5 GewO 1994 ausdrücklich angenommen."

3.1. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie unter Darstellung der Rechtsentwicklung den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes verbunden mit dem Antrag, § 112 Abs 3 dritter Satz GewO 1994 nicht als verfassungswidrig aufzuheben, entgegentritt. Für den Fall der Aufhebung erscheint der Bundesregierung die Festsetzung einer Frist von einem Jahr erforderlich, um alternative Regelungen treffen zu können.

Im Einzelnen führt die Bundesregierung aus:

"§112 GewO 1994 enthält Vorschriften über die Gewerbeausübung, Abs 3 regelt die Gewerbeausübung in Gastgärten, wobei die Frage der Genehmigungspflicht der gewerblichen Betriebsanlage, zu der ein Gastgarten gehört, unberührt bleibt. Im Hinblick auf § 112 Abs 3 GewO 1994 hat im Rahmen eines Anlagenverfahrens lediglich der Aspekt der Immissionsart Lärm in Bezug auf den Gastgarten insoweit außer Betracht zu bleiben, als die individuelle Betriebszeit des jeweiligen Gastgartens nicht von der allgemein in § 112 Abs 3, erster und zweiter Satz, GewO 1994 garantierten Betriebszeit abweichen soll (vgl. Kinscher/Sedlak, aaO, Rz 8 zu § 148; vgl. ferner VfSlg. 14.551/1996, 646). Diese Privilegierung begegnet im Hinblick auf die Beschränkung auf Gastgärten, deren Lärmentwicklung in engen Grenzen gehalten wird, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 14.551/1996). Ein Gastgartenbetrieb ist - weiterhin - unter den Voraussetzungen des § 74 GewO 1994 genehmigungspflichtig. Der Betriebsanlagenbescheid ist von der staatlichen Behörde zu erlassen, wobei § 112 Abs 3 leg.cit. nicht ausschließt, dass im Einzelfall über die gesetzlichen Betriebszeiten hinausgehende Betriebszeiten in dem Anlagen-Genehmigungsbescheid zugelassen werden, wenn ein Gastgewerbetreibender ein späteres tägliches Ende, als im § 112 Abs 3, erster und zweiter Satz, oder einer Verordnung nach Abs 3, letzter Satz, für die Betriebsanlage festgelegt ist, beantragt und alle Voraussetzungen nach §§74ff GewO 1994 vorliegen (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung, 2. Aufl., 2003, Rz 16 zu § 112). Daran zeigt sich der wesensgemäß enge Zusammenhang der Sperrstundenregelungen für Gastgärten mit dem Verfahren über die übrige Betriebsanlage. Die gewerberechtlichen Beschränkungen der Ausübung des Gastgewerbes in Gastgärten lassen sich daher in einer Gesamtbetrachtung nach Ansicht der Bundesregierung nicht bloß auf Fragen der Betriebszeitengarantie reduzieren.

Daran dürfte auch nichts ändern, dass die gebietsbezogene Festlegung gegebenenfalls auch Teile von Gemeinden betrifft, die durch ihre Flächenwidmung und ihre Verbauungsdichte charakterisiert sind. Beide Determinanten stehen in engem Zusammenhang mit der Anzahl der Bewohner der betreffenden Gebiete, die durch Lärmeinwirkungen belästigt werden könnten. Wenn die in Prüfung gezogene Bestimmung an Angelegenheiten anknüpft, die zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gezählt werden können, so kann dies für die Beantwortung der Frage, ob die daran anknüpfende Angelegenheit selbst - nämlich die Regelung der Gewerbeausübung in Gastgärten - im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen ist, nicht zwingend ausschlaggebend sein. So dürfte gerade im vorliegenden Zusammenhang zu berücksichtigen sein, dass der Regelung der Sperrstunden seit jeher auch ein gewichtiges Wettbewerbselement und damit auch ein Interessengegensatz zwischen Gemeinden immanent ist, der jedoch zur Verneinung des eigenen Wirkungsbereiches führt (vgl. Fröhler/Oberndorfer, Allgemeine Bestimmungen des Gemeinderechts, in Fröhler/Oberndorfer (Hrsg.), Das österreichische Gemeinderecht, 1995, 3.1., S 28 mwH). Gemeinden verfolgen in diesem Zusammenhang nicht zuletzt für Zwecke des Tourismus durchaus gegenläufige Interessen. Abgesehen davon sind die in der verwiesenen Bestimmung des § 113 Abs 1 GewO 1994 angeführten Bedürfnisse der Touristen ein gänzlich überörtliches Phänomen. Vor allem jedoch ist der Aspekt des Lärmschutzes nur ein Aspekt von vielen, der im Betriebsanlagenrecht zu berücksichtigen ist; er darf nicht mit der Abwehr ungebührlicherweise hervorgerufenen störenden Lärms im Sinne des Art 15 Abs 2 B-VG gleichgestellt werden.

Was aber die Eignung der Regelung von Sperrzeiten durch die Gemeinde betrifft, so ist daran zu erinnern, dass die im Prüfungsbeschluss als ausdrückliches Präjudiz angeführte Bestimmung des § 113 Abs 3, 4 und 5 GewO 1994 den Gemeinden die Bewilligung einer früheren Aufsperrstunde bzw. einer späteren Sperrstunde bloß für einzelne Gastgewerbebetriebe überantwortet. Die Bundesregierung hält es jedoch für zumindest zweifelhaft, dass die Durchschnittsgemeinde in der Lage ist, den für Sonderregelungen für die Gewerbeausübung in Gastgärten erforderlichen Interessenausgleich in einem größeren Gebiet herzustellen, zumal der Schutz vor Lärmbelästigungen lediglich einen Aspekt von vielen des Betriebsanlagenrechts darstellt. Diese Einschätzung wird auch dadurch gestützt, dass - soweit ersichtlich - bisher in der Literatur noch keine Kritik an der hier in Prüfung gezogenen Verordnungsermächtigung bzw. dem allgemeinen Sperrstundenregime für Gastgewerbe im Hinblick auf den Wirkungsbereich der Gemeinde geäußert wurde (vgl. nur Aichlreiter, Bemerkungen zur GewO-Novelle 1988, WBl. 1990, 35ff; Neuhofer, Gemeinderecht, 2. Aufl., 1998, 33; Kind, Lärmprobleme mit Schanigärten, ecolex 1999, 865ff)."

3.2. Die Parteien des Anlassverfahrens (die Volksanwaltschaft, der Landeshauptmann von Steiermark und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) erstatteten keine Äußerungen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass der Antrag der Volksanwaltschaft auf Aufhebung der Stmk. GastgartenVO zulässig ist und er bei Beurteilung der angefochtenen Verordnung deren gesetzliche Grundlage anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen:

1.1. Nach Art 148e B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof auf Antrag der Volksanwaltschaft über die Gesetzwidrigkeit von - noch nicht außer Kraft getretenen (vgl. Art 139 Abs 4 B-VG sowie VfSlg. 12.679/1991, S 434, und in Bezug auf einen Landesvolksanwalt VfSlg. 13.185/1992) - Verordnungen einer Bundesbehörde, wobei dieser Begriff funktional zu verstehen ist [vgl. VfSlg. 14.593/1996; Kucsko-Stadlmayer, Art 148e B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Rz 7 und 10 (2001); Thienel, Art 148e B-VG, in: Rill/Schäffer (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Kommentar, Rz 2 (2002)].

Die zur Aufhebung beantragte Stmk. GastgartenVO beruht auf der Gewerbeordnung 1994; bei ihrer Erlassung wurde der Landeshauptmann daher gemäß Art 10 Abs 1 Z 8 (erster Tatbestand) iVm Art 102 B-VG in mittelbarer Bundesverwaltung und somit funktionell als Bundesorgan tätig. Die angefochtene Verordnung steht auch noch in Kraft.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag der Volksanwaltschaft zulässig.

1.2. Es ist auch nichts hervorgekommen, was gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes spräche, dass er bei Prüfung der zur Aufhebung beantragten Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit den die Grundlage dieser Verordnung bildenden § 112 Abs 3 dritter Satz GewO 1994 anzuwenden hätte. Auch die Bundesregierung ist dieser Annahme nicht entgegengetreten.

1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken treffen auch zu.

2.1. Die Darstellung der Bundesregierung zur "Historie und zum Hintergrund der in Prüfung genommenen Bestimmung" dürfte von der Absicht getragen sein, schon wegen der seinerzeitigen Zuständigkeit der staatlichen Behörden für die Festsetzung der polizeilichen Sperrstunde für den Betrieb von Gast- und Schankgewerben die Zugehörigkeit dieser Aufgabe zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu bestreiten. Eine derartige, von der Bundesregierung lediglich angedeutete Argumentation stünde freilich im Widerspruch zu dem mit der Gemeindeverfassungsnovelle 1962, BGBl. 205, verfolgten Ziel, mit der seinerzeitigen Versteinerung des vordem den Gemeinden garantierten selbständigen Wirkungsbereiches und des "Verbotes jeglicher freien Entwicklungsmöglichkeit energisch" aufzuräumen (RV 639 BlgNR 9. GP, S 16). Es ist daher auch ausgeschlossen (vgl. VfSlg. 9520/1982) iS der so genannten "Versteinerungstheorie" zur Abgrenzung des jetzigen eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde auf einen früheren Stand der Rechtsordnung abzustellen. Diese Abgrenzung ist vielmehr ausschließlich nach Art 118 Abs 2 und 3 B-VG idF der Novelle BGBl. 205/1962 vorzunehmen. Der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß Art 118 Abs 2 und 3 B-VG ist somit als "dynamischer Begriff" zu verstehen, sodass die Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches nicht auf dem Stand von 1962 fixiert sind, sondern es sich beim Art 118 Abs 2 und 3 B-VG "um eine für neue Entwicklungen offene Legaldefinition handelt" [so etwa Stolzlechner, Art 118 B-VG, in: Rill/Schäffer (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Kommentar, Rz 3 (2004)].

2.2. Die Änderung der gesetzlich festgelegten Gastgartenbetriebszeit ist keine Verwaltungsaufgabe, die einer der in Art 118 Abs 3 B-VG ausdrücklich als zum eigenen Wirkungsbereich gehörig bezeichneten Verwaltungsaufgaben zuzuordnen wäre. Es ist sohin anhand des ersten Satzes des Art 118 Abs 2 B-VG zu untersuchen, ob die Veränderung der Gastgartenbetriebszeit eine Angelegenheit ist, "die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet [ist], durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden". Wenn anhand des Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG zu prüfen ist, ob eine nicht ausdrücklich in Art 118 Abs 3 B-VG genannte Angelegenheit dennoch dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehört, so bildet für die Unterstellung einer Verwaltungsaufgabe unter die Generalklausel des Art 118 Abs 2 B-VG gleichwohl deren Ähnlichkeit, Nähe oder Verwandtschaft mit den in Art 118 Abs 3 B-VG umschriebenen Verwaltungsmaterien ein gewichtiges Argument für die Zugehörigkeit der fraglichen Verwaltungsaufgabe zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

Für die Betriebszeitengarantie für Gastgärten in § 112 Abs 3 GewO 1994 ist es von erheblicher Bedeutung, dass diese gesetzliche Regelung und damit auch die administrative Festlegung abweichender Betriebszeiten vom Gedanken des Lärmschutzes geprägt ist (arg.: "...

lautes Sprechen, Singen und Musizieren ... untersagt ist und auf

dieses Verbot hinweisende Anschläge ... angebracht sind ..."). Gemäß

Art118 Abs 3 Z 3 iVm Art 15 Abs 2 B-VG zählt jedoch "die Abwehr ungebührlicherweise hervorgerufenen störenden Lärmes" zu der dem eigenen Wirkungsbereich zuzurechnenden "örtlichen Sicherheitspolizei". Es ist daher davon auszugehen, dass auf die der Abwehr störenden Lärmes dienende Betriebszeitenbegrenzung für Gastgärten, zumindest soweit es um deren geringfügige Veränderung für bestimmte Gebiete einer Gemeinde geht, die Kriterien der verfassungsrechtlichen Generalklausel des eigenen Wirkungsbereiches gemäß Art 118 Abs 2 B-VG zutreffen.

2.3. Aber auch die Voraussetzungen, unter denen der Gesetzgeber eine Änderung der gesetzlichen Betriebszeiten gewerberechtlich genehmigter Gastgärten durch die Verwaltung zulässt, lassen die Zugehörigkeit dieser Verwaltungsaufgabe zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erkennen. § 112 Abs 3 dritter Satz GewO 1994 sieht nämlich dafür eine einzelne Flächen oder Teile einer Gemeinde umfassende, gebietsbezogene Festlegung vor. Bei den "Gebieten", für die "Regelungen betreffend die Gewerbeausübung in Gastgärten" in zeitlicher Hinsicht getroffen werden dürfen, können nur Teile von Gemeinden oder einzelne Grundstücke der Gemeinde gemeint sein, auf denen Gastgärten eingerichtet wurden oder werden; bestimmt der Gesetzgeber als für die Betriebszeitenänderung maßgebliche Kriterien die von der jeweiligen Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich beschlossene "Flächenwidmung" und "Verbauungsdichte", so bezieht er sich dabei auf Anordnungen, die von der Gemeinde gemäß Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG im Rahmen ihrer "örtlichen Baupolizei" sowie "örtlichen Raumplanung" im eigenen Wirkungsbereich festzusetzen sind.

Zwar ist der Bundesregierung zuzustimmen, dass eine an die Flächenwidmung und somit an eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches anknüpfende Regelung nicht schlechthin zwingend selbst auch im eigenen Wirkungsbereich von der Gemeinde zu vollziehen sein muss. Kraft § 112 Abs 3 dritter Satz GewO 1994 ergibt sich jedoch die Zugehörigkeit zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zusätzlich daraus, dass die Veränderung der Gastgartenbetriebszeiten unter Berücksichtigung ihrer Bezogenheit zum örtlichen Raum auch von den "bestehenden Bedürfnisse[n] im Sinne des § 113 Abs 1" abhängig gemacht wird. Wenn nämlich § 113 Abs 1 GewO 1994 auf die Bedürfnisse der ortsansässigen Bevölkerung abstellt, so liegt insoweit Deckungsgleichheit mit dem "Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft" gemäß Art 118 Abs 2 B-VG vor. Der Umstand, dass in § 113 Abs 1 GewO 1994 auch auf die Bedürfnisse "der Touristen" Rücksicht genommen wird, kann die Zugehörigkeit zum eigenen Wirkungsbereich entgegen der Bundesregierung schon deswegen nicht verhindern, weil es dabei um die Bedürfnisse und Wünsche der Touristen innerhalb der jeweiligen Gemeinde (etwa als Kur-, Fremdenverkehrs- oder Industriegemeinde) geht, sodass auch die Bedürfnisse der Touristen nach Verabreichung von Speisen und Ausschank von Getränken jenseits der gesetzlichen Gastgartenbetriebszeit letztlich vom Charakter und von der Interessenstruktur der jeweiligen Gemeinde bestimmt sind.

2.4. Auch die vom Gesetz geforderte Beurteilung der Auswirkung veränderter Gastgartenbetriebszeiten auf die in einzelnen Gemeindeteilen bestehenden öffentlichen Einrichtungen "wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks" ist zweifelsohne am ehesten der jeweiligen Gemeinde zusinnbar.

2.5. Dass die Veränderung der Gastgartenöffnungszeiten durch Verordnung (also bezogen auf bestimmte Flächen, Teile oder besondere Gebiete der Gemeinde) auch geeignet ist, durch die Gemeinde innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden, entspricht der Einschätzung des einfachen Gesetzgebers im § 113 Abs 3, 4 und 5 GewO 1994: Mag die dort geregelte Sperrstundenabänderung für Gastgewerbebetriebe wegen der dafür vom Gesetzgeber aufgestellten Voraussetzungen auch im Gegensatz zur Veränderung der Gastgartenbetriebszeiten nicht gebiets-, sondern betriebsbezogen erfolgen, so zeigt diese Kompetenz der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich dennoch, dass eine eng verwandte Aufgabe in Vollzug des Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG vom Gesetzgeber für geeignet angesehen wurde, von der Gemeinde innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.

Wenn die Bundesregierung schließlich die Abänderung der Öffnungszeiten für Gastgartenbetriebe wegen ihres vermeintlich betriebsanlagenrechtlichen Charakters in den überörtlichen Bereich verweisen will, ist ihr schon hinsichtlich der Auslegung des Gesetzes zu widersprechen: Zwar unterliegt der Gastgarten gemeinsam mit dem Gastgewerbebetrieb der betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungspflicht nach den §§74 ff. GewO 1994 (vgl. VfSlg. 14.551/1996). Gleichwohl ist es unzulässig, im Wege der betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung eine von der gesetzlichen Anordnung der Betriebszeit in § 112 Abs 3 erster Satz GewO 1994 abweichende Regelung für den Gastgartenbetrieb zu treffen. Anders als die Bundesregierung meint, darf angesichts der zwingenden Anordnung des § 112 Abs 3 erster Satz GewO 1994 im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht geprüft werden, ob die Voraussetzungen nach den §§74 ff. GewO 1994 dahin vorliegen, "dass im Einzelfall über die gesetzlichen Betriebszeiten hinausgehende Betriebszeiten in dem Anlagen-Genehmigungsbescheid zugelassen werden".

2.6. § 112 Abs 3 GewO 1994 war somit vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufzuheben, weil die darin angeordnete Zuständigkeit des Landeshauptmannes dem Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG widerstreitet und die fehlende Bezeichnung der in der aufgehobenen Bestimmung geregelten Verwaltungsaufgabe als eine des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde gemäß Art 118 Abs 2 letzter Satz B-VG die gesamte Regelung verfassungswidrig macht.

3.1. Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG und erwies sich schon deshalb als zweckmäßig, um den sonstigen auf der aufgehobenen Bestimmung basierenden Verordnungen über die Gewerbeausübung in Gastgärten vorläufig die notwendige gesetzliche Deckung zu belassen.

3.2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz

B-VG.

3.3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

3.4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.