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VfGH vom 08.03.2017, G399/2016

VfGH vom 08.03.2017, G399/2016

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit einer - zur Sanierung von Härtefällen kurzfristig wieder eingeführten - Übergangsvorschrift des StbG 1985 betreffend die Möglichkeit des Staatsbürgerschaftserwerbs nach der Mutter durch Anzeige; Voraussetzung der Staatsbürgerschaft der Mutter im Zeitpunkt der Anzeige in Hinblick auf über 25 Jahre auseinander liegende Sachverhalte sachlich nicht gerechtfertigt

Spruch

I. In § 64a Abs 18 Z 3 des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl Nr 311/1985 (Wv.) idF BGBl I Nr 136/2013, werden die Wortfolge "Staatsbürger ist und" sowie das Wort "auch" als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

V. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E160/2016 eine auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens ist deutscher Staatsangehöriger. Er wurde am als Sohn einer österreichischen Staatsbürgerin und eines deutschen Staatsangehörigen geboren. Nach dem damals in Kraft stehenden § 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965, BGBl 250/1965 (im Folgenden: StbG 1965), konnte er als eheliches Kind die österreichische Staatsbürgerschaft durch Abstammung nur vom Vater, nicht aber von seiner Mutter erwerben.

Erst mit Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983 (im Folgenden: StbG-Novelle 1983) wurde § 7 StbG 1965 dahingehend geändert, dass fortan auf die Staatsbürgerschaft von Mutter oder Vater zum Zeitpunkt der Geburt abzustellen war. Ein Übergangsregime ermöglichte es ehelichen Kindern, die vor dem geboren wurden und deren "Mutter Staatsbürger ist und die Staatsbürgerschaft auch am Tag der Geburt des Kindes besessen hat", bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft durch "Erklärung, der Republik als getreue Staatsbürger angehören zu wollen" zu erwerben. Zunächst konnte diese Erklärung gemäß ArtII StbG-Novelle 1983 bzw. ArtI § 1 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985 bis zum abgegeben werden, nach einer Verlängerung der Frist mit ArtII Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1986 (im Folgenden: StbG-Novelle 1986) schließlich bis zum .

Der Beschwerdeführer gab in diesem Zeitrahmen keine entsprechende Erklärung ab. Seine Mutter verstarb am .

Mit trat § 64a Abs 18 StbG 1985 in Kraft, der – anknüpfend an das frühere Übergangsrecht und unter den gleichlautenden Voraussetzungen – eine erneute Möglichkeit zum Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige binnen neun Monaten, also bis zum , vorsah.

Über die auf § 64a StbG 1985 gestützte Anzeige des Beschwerdeführers vom wurde mit Bescheid vom abgesprochen und festgestellt, dass die Anzeige nicht zum Erwerb der Staatsbürgerschaft geführt habe, da die Mutter im Zeitpunkt der Anzeige nicht mehr lebte und daher nicht mehr "Staatsbürger ist".

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit dem beim Verfassungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass § 64a Abs 18 StbG 1985 von seinem Wortlaut her eindeutig als Voraussetzung für einen Staatsbürgerschaftserwerb durch Anzeige verlange, dass "die Mutter Staatsbürger ist und die Staatsbürgerschaft auch am Tag der Geburt des Kindes besessen hat".

2. Bei der Behandlung der oben erwähnten Beschwerde nach Art 144 B VG sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 64a Abs 18 Z 3 StbG 1985 idF BGBl I 136/2013 entstanden. Diese Bedenken legte der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom , diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, wie folgt dar:

"[...] Es mag in den ursprünglichen Übergangsbestimmungen 1983 und 1985 nahegelegen sein, bei einem Erwerb der Staatsbürgerschaft, der zwar an die Abstammung anknüpft, aber (erst) durch Anzeige eintritt, vorzusehen, dass die eine Voraussetzung des Staatsbürgerschaftserwerbs bildende Staatsbürgerschaft der Mutter sowohl im Zeitpunkt der Geburt des Staatsbürgerschaftswerbers als auch im Zeitpunkt der (konstitutiven) Anzeige, dass der Staatsbürgerschaftswerber der Republik Österreich als getreuer Staatsbürger angehören will, gegeben sein muss. Der Gesetzgeber konnte auf diese Weise sicherstellen, dass in dem für den Erwerb der Staatsbürgerschaft des Kindes maßgeblichen Zeitpunkt die aus-schlaggebende Staatsbürgerschaft der Mutter gegeben (und somit in der Regel leicht nachweisbar) ist. Im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang und die Voraussetzung, dass Staatsbürgerschaftswerber, die die Staatsbürgerschaft nach den Übergangsbestimmungen des ArtII der StbG-Novelle 1983 (bzw. nach ArtI § 1 des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechts 1985) erwerben, am das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben durften, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine solche Regelung (vgl. schon VfSlg 19.745/2013 und 19.746/2013; in den diesen Fällen zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen spielte allerdings § 64a Abs 18 Z 3 StbG 1985 keine unmittelbare Rolle; zur Bindung des Verfassungsgerichtshofes an die vorgebrachten Bedenken bei durch Gerichte eingebrachten Normprüfungsanträgen vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.472/1993, 14.895/1997, 19.624/2003, 16.929/2003).

Die tatsächliche Ausgangslage stellt sich allerdings für eine über 25 Jahre später erlassene gesetzliche Regelung, mit der ein kurzfristiges Aufleben der seinerzeitigen Übergangsbestimmungen zur Sanierung einiger weniger 'Härtefälle' beabsichtigt ist (siehe Erläut. RV 2303 BlgNR 24. GP, 13), nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes in gleichheitsrechtlich relevanter Weise anders dar. Der Gesetzgeber musste, so die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, bei der wenn auch kurzfristigen Wiedereinführung einer über 25 Jahre zurückliegenden Übergangsbestimmung berücksichtigen, dass damit die Anforderung, dass die Mutter auch im Zeitpunkt der Anzeige nach § 64a Abs 18 StbG 1985 die Staatsbürgerschaft aufweisen und somit am Leben sein muss, auf andere tatsächliche Gegebenheiten trifft als dieselbe Voraussetzung im zeitlich mit dem Stichtag eng zusammenhängenden Übergangsrecht 1983 bzw. 1985. Es scheint angesichts des Regelungszwecks des § 64a Abs 18 StbG 1985 keine sachliche Rechtfertigung dafür zu geben, im Hinblick auf die genannte gesetzliche Voraussetzung über 25 Jahre auseinanderliegende Sachverhalte gleich zu behandeln. Wie auch die Beschwerde aufzeigt, dürfte damit nämlich die Möglichkeit für Betroffene, ihren 'Härtefall' zu sanieren und von der Bestimmung des § 64a Abs 18 StbG 1985 Gebrauch machen zu können, von zufälligen Umständen im Hinblick auf Alter und Lebensentwicklung der Mutter abhängen. Die in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich zum Ausdruck gebrachte Intention des § 64a Abs 18 StbG 1985 dürfte es auch ausschließen, Sachverhaltskonstellationen wie die des Beschwerdeführers als Härtefälle im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anzusehen.

Im Gesetzesprüfungsverfahren wird aber auch zu erörtern sein, ob, sollten die dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Grundsatz zutreffen, § 64a Abs 18 Z 3 StbG 1985 einer Auslegung zugänglich ist, die die Bedenken vermeidet (etwa indem die Bestimmung dahingehend verstanden wird, dass die Mutter die Staatsbürgerschaft zum Stichtag besessen haben muss oder indem in systematischer Interpretation mit § 7 StbG 1985 die Anforderung, dass die Mutter Staatsbürgerin ist, darauf bezogen wird, dass sie, ist sie vor einer Anzeige nach § 64a Abs 18 StbG 1985 gestorben, die Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt ihres Ablebens inne gehabt haben muss)."

3. Die Bundesregierung hat mitgeteilt, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung abzusehen.

4. Die Wiener Landesregierung als belangte Behörde im Anlassverfahren hat eine Äußerung erstattet. In dieser wird darauf hingewiesen, dass es bereits vor (Wieder-)Einführung der nunmehr in § 64a Abs 18 StbG 1985 enthaltenen Übergangsbestimmung ein Zeitfenster für den erleichterten Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft gegeben habe, welches sodann auch noch verlängert worden sei. Würde ein Teil der Bestimmung aufgehoben oder reiche es nach einer Umdeutung des derzeitigen Gesetzeswortlautes aus, dass die Mutter im Zeitpunkt ihres Ablebens österreichische Staatsbürgerin war, so erwachse den nunmehrigen Bewerbern, die die ursprünglichen Fristen aus welchem Grund auch immer ungenützt verstreichen ließen, im Gegensatz zu den damaligen Bewerbern ein sachlich nicht gerechtfertigter Vorteil.

Allenfalls sei die in Prüfung gezogene Norm daher verfassungskonform so zu interpretieren, dass die Mutter am letztmöglichen Tag zur Abgabe der Erklärung nach ArtI § 1 des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechts 1985 idF der StbG-Novelle 1986, somit am , Staatsbürgerin und am Leben sein musste.

II. Rechtslage

1. § 64a StbG 1985, BGBl 311 lautet in der hier maßgeblichen Fassung durch BGBl I 136/2013 (die in Prüfung gezogene Ziffer 3 ist hervorgehoben):

"In-Kraft-Treten und Übergangsbestimmungen

§64a. (1) […]

(2) – (17) […]

(18) Vor dem geborene eheliche und legitimierte Kinder erwerben unter den Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 die Staatsbürgerschaft durch Anzeige, der Republik als getreue Staatsbürger angehören zu wollen, wenn

1. sie am ledig waren und das 19. Lebensjahr noch nicht

vollendet hatten,

2. sie nie Staatsbürger waren oder die mit der Geburt erworbene Staatsbürgerschaft durch Legitimation verloren haben und

3. die Mutter Staatsbürger ist und die Staatsbürgerschaft auch am Tag der Geburt des Kindes besessen hat.

Die Anzeige ist binnen neun Monaten ab Inkrafttreten dieser Bestimmung schriftlich bei der Behörde abzugeben. Die Behörde hat mit Bescheid festzustellen, dass die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Anzeige bei der Behörde erworben wurde. Dieser Erwerb der Staatsbürgerschaft ist gebührenfrei.

(19) […]

(20) Die […] §§[…] 64a Abs 18 […] in der Fassung BGBl I Nr 136/2013 treten mit in Kraft. […]

[…]"

2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der StbG-Novelle 1983, BGBl 170, lauten auszugsweise:

"§7. (1) Eheliche Kinder erwerben die Staatsbürgerschaft mit der Geburt, wenn

a) in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger ist oder

b) ein Elternteil, der vorher verstorben ist, am Tage seines Ablebens Staatsbürger war.

[…]

ARTIKEL II

Übergangsbestimmung

(1) Vor dem geborene eheliche und legitimierte Kinder erwerben unter den Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 StbG 1965 die Staatsbürgerschaft durch die Erklärung, der Republik als getreue Staatsbürger angehören zu wollen, wenn

1. sie ledig sind und am das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

2. sie nie Staatsbürger waren oder die mit der Geburt erworbene Staatsbürgerschaft durch Legitimation verloren haben und

3. die Mutter Staatsbürger ist und die Staatsbürgerschaft auch am Tag der Geburt des Kindes besessen hat.

(2) Die Erklärung ist innerhalb von drei Jahren ab dem schriftlich bei der […] zuständigen Behörde abzugeben. § 19 Abs 2 und 3 StbG 1965 sind sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder die Einwilligung des Gerichtes auch nach der Abgabe der Erklärung erteilt werden kann.

(3) Ist das Kind nicht eigenberechtigt, im Gebiet der Republik geboren und hat es in diesem seit der Geburt ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz, so kann die Erklärung auch von der Mutter kraft eigenen Rechtes abgegeben werden.

(4) Liegen die in den Abs 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen vor, hat die Behörde mit schriftlichem Bescheid festzustellen, daß die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Erklärung bei der zuständigen Behörde erworben wurde. […]"

3. ArtII der StbG-Novelle 1985, BGBl 202, lautet:

"Übergangsbestimmung

Artikel II der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983, BGBI. Nr 170, wird wie folgt geändert:

1. Im Abs 2 hat der letzte Satz zu lauten: ̍§19 Abs 2 und 3 StbG 1965 sind sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, oder die Genehmigung des Gerichtes auch nach der Abgabe der Erklärung erteilt werden kann. ̍

2. Dem Abs 3 ist folgender Satz anzufügen: ̍Die Erklärung bedarf der schriftlichen Zustimmung des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat. ̍"

4. Mit Anlage 1 zu BGBl 311/1985 wurde einerseits das StbG 1965 wiederverlautbart; gleichzeitig wurde in ArtI zur Anlage 2 ("Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985") der ArtII der StbG-Novelle 1983 in der Fassung des ArtII der StbG-Novelle 1985 wie folgt wiederverlautbart:

"Artikel I

§1. (1) Vor dem geborene eheliche und legitimierte Kinder erwerben unter den Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 die Staatsbürgerschaft durch die Erklärung, der Republik als getreue Staatsbürger angehören zu wollen, wenn

1. sie ledig sind und am das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

2. sie nie Staatsbürger waren oder die mit der Geburt erworbene Staatsbürgerschaft durch Legitimation verloren haben und

3. die Mutter Staatsbürger ist und die Staatsbürgerschaft auch am Tag der Geburt des Kindes besessen hat.

(2) Die Erklärung ist innerhalb von drei Jahren ab dem schriftlich bei der nach § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 zuständigen Behörde abzugeben. § 19 Abs 2 und 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, oder die Genehmigung des Gerichtes auch nach der Abgabe der Erklärung erteilt werden kann. […]

(3) Ist das Kind nicht eigenberechtigt, im Gebiet der Republik geboren und hat es in diesem seit der Geburt ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz, so kann die Erklärung auch von der Mutter kraft eigenen Rechtes abgegeben werden. Die Erklärung bedarf der schriftlichen Zustimmung des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat. […]

(4) Liegen die in den Abs 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen vor, so hat die Behörde mit schriftlichem Bescheid festzustellen, daß die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Erklärung bei der zuständigen Behörde erworben wurde. Die Form des Bescheides wird durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. § 46 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 gilt sinngemäß."

5. ArtII der StbG-Novelle 1986, BGBl 386, lautet:

"Übergangsbestimmung

Artikel I § 1 des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechts 1985 wird wie folgt geändert:

Der Einleitungssatz des Abs 2 hat zu lauten: '(2) Die Erklärung ist bis schriftlich bei der nach § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 zuständigen Behörde abzugeben.'"

III. Erwägungen

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofs treffen zu:

1. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Auch sonst sind keine Prozesshindernisse hervorgekommen, das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher zulässig.

2. Mit § 64a Abs 18 StbG 1985 wird Fremden, die vor dem als eheliches Kind geboren wurden (ohne dabei gemäß § 7 StbG 1965 die österreichische Staatsbürgerschaft im Wege der Abstammung vom Vater erworben zu haben) und hinsichtlich derer die Voraussetzungen nach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 StbG 1985 vorliegen (im Wesentlichen das Nichtvorliegen bestimmter strafgerichtlicher Verurteilungen, einer Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit in der Person des Staatsbürgerschaftswerbers und das Vorliegen eines gesicherten Lebensunterhalts bzw. keiner selbstverschuldeten finanziellen Notlage), die Möglichkeit zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft eröffnet, wenn sie der zuständigen Staatsbürgerschaftsbehörde gegenüber anzeigen, dass sie der Republik Österreich als getreue Staatsbürger angehören wollen.

Der Erwerb ist dabei an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die kumulativ vorliegen müssen: Zunächst musste der Staatsbürgerschaftswerber am ledig gewesen sein und durfte das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Z1 leg.cit.); weiters darf der Staatsbürgerschaftswerber nie Staatsbürger gewesen sein oder die mit der Geburt erworbene Staatsbürgerschaft durch Legitimation verloren haben (Z2); schließlich wird vorausgesetzt, dass "die Mutter Staatsbürger ist und die Staatsbürgerschaft auch am Tag der Geburt des Kindes besessen hat" (Z3).

Den dargestellten Regelungen zufolge erwerben Staatsbürgerschaftswerber, die die Voraussetzungen der Ziffern 1 bis 3 des § 64a Abs 18 StbG 1985 erfüllen, die Staatsbürgerschaft also mit dem Zeitpunkt der Anzeige, der Republik Österreich als getreuer Staatsbürger angehören zu wollen, bei der zuständigen Staatsbürgerschaftsbehörde. Die in Prüfung gezogene Ziffer 3 des § 64a Abs 18 StbG 1985 statuiert dafür als Voraussetzung, dass die Mutter sowohl zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes die Staatsbürgerschaft besessen haben als auch zum Zeitpunkt der Anzeige Staatsbürgerin sein muss. Diese Auslegung legt schon der Wortlaut des § 64a Abs 18 StbG 1985 nahe. Sie wird auch durch die historische Intention des Gesetzgebers der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle BGBl I 136/2013 bekräftigt, der in Bezug auf die in § 64a Abs 18 StbG 1985 normierten Voraussetzungen zum Erwerb der Staatsbürgerschaft im Wesentlichen die Regelungen der früheren Übergangsbestimmung des ArtII StbG-Novelle 1983 für eine kurze Periode wieder aufleben lassen wollte (der Gesetzgeber verweist auf ArtI § 1 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985, mit dem ArtII StbG Novelle 1983 wiederverlautbart wurde, siehe BGBl 311/1985 Abschnitt B ArtI Z 2).

3. Es mag in den ursprünglichen Übergangsbestimmungen 1983 und 1985 nahegelegen sein, bei einem Erwerb der Staatsbürgerschaft, der zwar an die Abstammung anknüpft, aber (erst) durch Anzeige bzw. Erklärung eintritt, vorzusehen, dass die eine Voraussetzung des Staatsbürgerschaftserwerbs bildende Staatsbürgerschaft der Mutter sowohl im Zeitpunkt der Geburt des Staatsbürgerschaftswerbers als auch im Zeitpunkt der (konstitutiven) Anzeige gegeben sein muss, zumal Staatsbürgerschaftswerber, die die Staatsbürgerschaft nach diesen Übergangsbestimmungen erwerben wollten, zum Stichtag das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben durften. Der von den genannten Übergangsbestimmungen eröffnete Zeitraum, innerhalb dessen Staatsbürgerschaftswerber eine solche Erklärung abgeben konnten, steht mit dem genannten Stichtag in einem engen zeitlichen Zusammenhang.

Wenn der Gesetzgeber über 25 Jahre später diese Übergangsbestimmungen zur Sanierung einiger weniger "Härtefälle" (siehe Erläut. RV 2303 BlgNR 24. GP, 13) kurzfristig unverändert wieder aufleben lässt, so trifft nun aber dieselbe Voraussetzung, dass die Mutter des Staatsbürgerschaftswerbers auch im Zeitpunkt der Anzeige nach § 64a Abs 18 StbG 1985 die Staatsbürgerschaft aufweisen und somit am Leben sein muss, auf andere tatsächliche Gegebenheiten als im zeitlich mit dem Stichtag eng zusammenhängenden Übergangsrecht 1983 bzw. 1985.

Eine sachliche Rechtfertigung dafür, im Hinblick auf die genannte gesetzliche Voraussetzung wesentlich anders gelagerte, weil über 25 Jahre auseinander liegende Sachverhalte gleich zu behandeln, ist nicht hervorgekommen. Ob Betroffene ihren "Härtefall" nach § 64a Abs 18 StbG 1985 idF BGBl I 136/2013 sanieren können, wird von dieser Bestimmung von im hier maßgeblichen Zusammenhang zufälligen Umständen des Alters und der Lebensentwicklung der Mutter abhängig gemacht. Die vom Gesetzgeber zur Behebung früherer "Härtefälle" gewählte Regelungstechnik, ein mit einem bestimmten Stichtag zeitlich zusammenhängendes Übergangsrecht über 25 Jahre nach diesem Stichtag in dem Sinn wieder aufleben zu lassen, dass bei unveränderten Voraussetzungen bloß eine neue Anzeigefrist gesetzt wird, führt damit vorhersehbar zu im Einzelfall unsachlichen, auf Zufälligkeiten beruhenden Ergebnissen. Indem solches durch die Voraussetzung, dass die Mutter im Zeitpunkt der Anzeige heute wie damals am Leben gewesen sein muss, ein wesentliches Element der Regelung darstellt, verstößt der Gesetzgeber gegen den auch ihn bindenden Gleichheitsgrundsatz.

4. Zur Beseitigung dieser Verfassungswidrigkeit reicht es aus, in der in Prüfung gezogenen Ziffer 3 des § 64a Abs 18 StbG 1985 idF BGBl I 136/2013 die Wort-folge "Staatsbürger ist und" sowie das Wort "auch" als verfassungswidrig aufzuheben. Angesichts der klaren Zielsetzung der kurzfristigen Wiedereinführung der Möglichkeit, nach § 64a Abs 18 StbG 1985 die Staatsbürgerschaft durch Anzeige zu erwerben, und des Umstands, dass die Frist, innerhalb derer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden kann, bereits abgelaufen ist, stellt es den zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit geringsten Eingriff in die gesetzliche Regelung dar, denjenigen, deren Verfahren über ihre Anzeige noch anhängig ist, unter Beibehaltung der sonstigen Voraussetzungen die Möglichkeit des Staatsbürgerschaftserwerbs nach der Mutter und damit der Sanierung ihres "Härtefalls" zu erhalten.

5. Eine die aufgezeigte Gleichheitswidrigkeit vermeidende Regelung hätte eine Reihe von Möglichkeiten, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die Mutter die Staatsbürgerschaft besessen haben und am Leben gewesen sein muss. Neben dem Zeitpunkt der Geburt des Staatsbürgerschaftswerbers kämen etwa der durch die StbG-Novelle 1983 bestimmte , der auch von der Wiener Landesregierung in ihrer Äußerung ins Spiel gebrachte, durch ArtII der StbG-Novelle 1986 bestimmte Stichtag des und eine Reihe weiterer Zeitpunkte in Frage. Angesichts dessen, dass damit die Bestimmung gedanklich nur an einen von mehreren, durch einen früheren Gesetzgeber beliebig festgelegten (vgl. in dem Sinn VfSlg 17.238/2004, 19.308/2011, 19.884/2014) Zeitpunkt anknüpfen würde, scheidet eine die Gleichheitswidrigkeit vermeidende Auslegung des § 64a Abs 18 Z 3 StbG 1985 aus, weil keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, welcher dieser möglichen Zeitpunkte dem Regelungssystem des § 64a Abs 18 StbG 1985 am ehesten entspricht.

IV. Ergebnis

1. Die Wortfolge "Staatsbürger ist und" sowie das Wort "auch" in § 64a Abs 18 Z 3 StbG 1985 idF BGBl I 136/2013 sind daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich der darüber hinaus in Prüfung gezogenen Teile der Z 3 des § 64a Abs 18 StbG 1985 ist das Verfahren einzustellen (siehe ).

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B VG.

4. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich veranlasst, von der ihm durch Art 140 Abs 7 zweiter Satz B VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobenen Teile der Bestimmung nicht mehr anzuwenden sind.

5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2017:G399.2016