VfGH vom 05.10.2006, g39/06

VfGH vom 05.10.2006, g39/06

Sammlungsnummer

17960

Leitsatz

Verstoß einer Bestimmung des Innsbrucker Stadtrechtes über die Kundmachung von Verordnungen gegen das Determinierungsgebot; kein Kundmachungsmangel der Innsbrucker Friedhofsordnung aufgrund der bereinigten Rechtslage; kein Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit und die Meinungsäußerungsfreiheit durch das in der Friedhofsordnung normierte Verbot des Verteilens von Druckschriften jeder Art auf Friedhöfen; gerechtfertigte Einschränkung zum Schutz der Religionsausübung; öffentliches Interesse gegeben

Spruch

I. In § 40 Abs 1 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl. für Tirol Nr. 53/1975, wird die Wortfolge "und allenfalls im 'Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck' " als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Die Wortfolge "und das Verteilen von Druckschriften jeder Art" in § 5 Abs 2 Z 3 der Friedhofsordnung für die städtischen und nichtstädtischen Friedhöfe (Beschluss des Gemeinderates der Stadt Innsbruck vom ), kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel des Stadtmagistrats Innsbruck vom 10. bis , wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B3172/05 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt ein Bestattungsunternehmen und hat - ihren eigenen Angaben zufolge - auf den städtischen Friedhöfen Innsbruck Ost und West anlässlich von ihr durchgeführter Bestattungen eine Informationsbroschüre "Ratgeber im Trauerfall" zur Mitnahme in den Aufbahrungshallen aufgelegt.

Mit Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck wurde daraufhin der Gesellschaft gemäß § 5 Abs 2 Z 3 der Friedhofsordnung für die städtischen und nichtstädtischen Friedhöfe (im Folgenden: Friedhofsordnung) untersagt, ihre "Werbebroschüren" auf den städtischen Friedhöfen "zu verteilen bzw. aufzulegen".

2. Aus Anlass der gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am beschlossen, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "und allenfalls im 'Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck'" in § 40 Abs 1 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl. Nr. 53/1975, sowie gemäß Art 139 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "und das Verteilen von Druckschriften jeder Art" in § 5 Abs 2 Z 3 der Friedhofsordnung für die städtischen und nichtstädtischen Friedhöfe (Beschluss des Gemeinderates der Stadt Innsbruck vom ), kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel des Stadtmagistrats Innsbruck vom 10. bis , einzuleiten.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte zunächst das Bedenken, dass die Wortfolge "und das Verteilen von Druckschriften jeder Art" in § 5 Abs 2 Z 3 Friedhofsordnung gegen das durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung verstoßen dürfte:

"[...] Der Gerichtshof hegt [...] Zweifel an der Adäquanz der Maßnahme im Hinblick darauf, dass das Verteilen von Druckschriften jeder Art untersagt wird und damit auch das Verteilen von Broschüren wie der im Anlassfall der Beschwerde gegenständlichen, welche ihrem Inhalt nach nicht mit dem genannten Ziel in Konflikt treten und deren Verteilung für sich genommen noch nicht zur Belästigung der Besucher von Friedhöfen führen dürfte. Hinzu kommt, dass der Verfassungsgerichtshof vorläufig keinen Anhaltspunkt für die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung findet, dass von dem sich auf Druckschriften jeder Art beziehenden Verbot Trauerbilder oder Parten ausgenommen sein sollten.

Dass der Vorgang jeglichen Verteilens (und damit wohl auch das bloße Auflegen zur freien Entnahme) ungeachtet des Inhalts von Druckschriften die Ruhe und Ordnung beeinträchtigt, vermag der Gerichtshof vorläufig ebenfalls nicht zu erkennen. [...]"

2.2. Weiters hegte der Gerichtshof im Prüfungsbeschluss das Bedenken, dass ein Verstoß gegen das durch Art 10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung vorliegen könnte:

"[...] Das Verbot des Verteilens von Druckschriften dürfte, indem es auf die Wahrung von Ernst, Pietät, Würde und widmungsgemäßer Benützung von Friedhöfen gerichtet ist, den in Art 10 Abs 2 EMRK genannten legitimen Zweck der Aufrechterhaltung der Ordnung verfolgen. Der Gerichtshof vermag jedoch vorläufig nicht zu erkennen, dass dieses Verbot zur Erreichung des genannten Zwecks notwendig im Sinne der Bestimmung des Art 10 Abs 2 EMRK wäre. Die in Prüfung gezogene Wortfolge dürfte nämlich schlechthin das Verteilen von Druckschriften ungeachtet ihres Inhalts (arg. 'jeder Art') verbieten. Das Verbot des Verteilens (auch) von Druckschriften, die in einem Zusammenhang mit der Widmung von Friedhöfen und den damit verbundenen Tätigkeiten stehen, dürfte jedoch nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein.

Der Gerichtshof geht dabei vorläufig davon aus, dass diese Vorschrift nicht dem Verteilen von Druckschriften entgegenstehen dürfte, das im Rahmen der Durchführung von Bestattungen erfolgt. Im Verordnungsprüfungsverfahren wird daher zu überlegen sein, ob die in Prüfung genommene Wortfolge dahin einschränkend ausgelegt werden kann, dass von dem normierten Verbot Druckschriften nicht erfasst werden, die üblicherweise im Rahmen eines Begräbnisses durch die Hinterbliebenen oder für diese durch ein Bestattungsunternehmen zur Verteilung gelangen. [...]"

2.3. Darüber hinaus äußerte der Gerichtshof das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung der Friedhofsordnung nicht dem Gesetz entsprechend kundgemacht worden sein dürfte:

"[...] Gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung der Innsbrucker Friedhofsordnung besteht überdies das Bedenken, dass diese - entgegen der Anordnung des § 40 Abs 1 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 - bloß durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 10. bis , nicht aber auch im 'Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck' und damit nicht dem Gesetz entsprechend kundgemacht worden sein dürfte. [...]"

2.4. Bei Überprüfung der ordnungsgemäßen Kundmachung der in Prüfung gezogenen Verordnung(sstelle) sind beim Verfassungsgerichtshof außerdem Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des die Kundmachung von Verordnungen der Gemeindeorgane der Stadt Innsbruck regelnden § 40 Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 entstanden. Diesbezüglich führte der Gerichtshof im Prüfungsbeschluss aus:

"[...] Der Gerichtshof hegt nun das Bedenken, dass durch die Verwendung des Wortes 'allenfalls' nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, in welchen Fällen zum Anschlag an der Amtstafel während zweier Wochen die Kundmachung im Amtsblatt hinzutreten muss, um den Anforderungen des Gesetzes an eine ordnungsgemäße Kundmachung Genüge zu tun, und dass daher der in Prüfung gezogene Satzteil des § 40 Abs 1 des Innsbrucker Stadtrechtes 1975 dem Art 18 Abs 1 B-VG widerspricht. [...]"

3. Die Tiroler Landesregierung hat über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes sowohl im Verordnungsprüfungs- als auch im Gesetzesprüfungsverfahren eine Äußerung erstattet. Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung führt die Tiroler Landesregierung aus, dass für die Beantwortung der Frage, ob einer Kundmachung normative Bedeutung zukomme oder ob es sich lediglich um eine informative Verlautbarung handle, der Inhalt der Verlautbarungsregel entscheidend sei. Aus der Verwendung des Wortes "allenfalls" in § 40 Abs 1 Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 und aus dem systematischen Zusammenhang der Abs 1 und 2 des § 40 leg.cit. lasse sich ableiten, dass nur dem Anschlag an der Amtstafel normative Bedeutung zukomme und es sich bei der Einschaltung im Amtsblatt lediglich um eine weitere (informative) Form der Bekanntmachung handle. Dem Landesgesetzgeber könne bei dieser Wortwahl nicht unterstellt werden, dass er beide Verlautbarungsformen kumulativ vorgesehen habe. Dies ergebe sich insbesondere aus § 40 Abs 2 leg.cit., wonach die Kundmachung als erlassen gelte, wenn sie an der Amtstafel ausgehängt sei.

Darüber hinaus sei das "Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck", welches unter dem Titel "Innsbruck informiert" herausgegeben werde, als Kundmachungsorgan für rechtlich verbindliche Verlautbarungen überhaupt nicht geeignet. Bereits im Jahre 1949, als die in Prüfung gezogene gesetzliche Bestimmung geschaffen worden sei, sei das "Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck" nur einmal im Monat erschienen, woran sich bis heute nichts geändert habe. Da bei dieser Erscheinungsweise eine kontinuierliche Kundmachung der Beschlüsse und Verfügungen der Gemeindeorgane damals wie heute nicht gewährleistet gewesen wäre, sei die Annahme, der Landesgesetzgeber habe dieser Verlautbarungsform normative Bedeutung zugemessen, allein schon aufgrund dieser Erwägung nicht haltbar. Die Landesregierung weist schließlich auch darauf hin, dass der Landesgesetzgeber diese Form der Kundmachung - hätte er sie im Gebiet der Landeshauptstadt Innsbruck tatsächlich als geeignet angesehen - auch in anderen Fällen vorgesehen hätte (zB bei der Erlassung von Flächenwidmungsplänen).

Da es sich bei der Verlautbarung im "Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck" somit nur um eine "informatorische Bekanntmachung ohne normative Bedeutung" handeln könne, sei ein Widerspruch zu Art 18 Abs 1 B-VG nicht zu erkennen. Für den Fall, dass die Bedenken des Gerichtshofes dennoch zutreffen sollten, weist die Landesregierung darauf hin, dass die Aufhebung des Wortes "allenfalls" im Ergebnis keinen geringeren Eingriff darstellen würde.

Hinsichtlich der Bedenken des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge in § 5 Abs 2 Z 3 der Friedhofsordnung weist die Tiroler Landesregierung (insbesondere unter Verweis auf ihre bisherigen Ausführungen) darauf hin, dass die Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel ausreiche und die Friedhofsordnung somit nicht in gesetzwidriger Weise kundgemacht worden sei.

Abgesehen davon verstoße die Friedhofsordnung weder gegen Art 6 StGG noch gegen Art 10 EMRK. Das Bedenken des Gerichtshofes im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des in Rede stehenden Verbotes sei nur nachvollziehbar, wenn man sich ausschließlich am Wortlaut des § 5 Abs 2 Friedhofsordnung orientiere. Bei verfassungskonformer Interpretation sei die Bestimmung jedoch im Lichte des § 5 Abs 1 Friedhofsordnung auszulegen, sodass das (Plakatieren und) Verteilen von Druckschriften auf Friedhöfen lediglich dann nicht gestattet sei, wenn diese Tätigkeit dem grundsätzlichen Ziel des Abs 1, nämlich den Ernst, die Pietät, die Würde oder die widmungsgemäße Benützung von Friedhöfen zu schützen, widerspreche. Es bestehe somit kein Zweifel an der Adäquanz dieser im öffentlichen Interesse gebotenen, zur Verfolgung der Interessen geeigneten und auch sonst sachlich gerechtfertigten Maßnahme. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung liege daher nicht vor.

Angesichts der gebotenen verfassungskonformen Interpretation sei die in Rede stehende Maßnahme außerdem zur Erreichung der genannten Ziele in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, weshalb nach Auffassung der Tiroler Landesregierung auch keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung vorliege.

4. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck die Verordnungsakten vorgelegt und eine Äußerung zur Frage der Grundrechtsverletzung abgegeben.

Nach Auffassung des Gemeinderates kann die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung teleologisch interpretiert und damit ein verfassungskonformes Ergebnis sichergestellt werden. Wie sich aus der Generalklausel des § 5 Abs 1 Friedhofsordnung ergebe, beabsichtige der Verordnungsgeber mit der Ordnungsvorschrift nur solche Verhaltensweisen zu untersagen, die dem Ernst, der Pietät, der Würde oder der widmungsgemäßen Benützung eines Friedhofes widersprechen. Um diesem Willen des Verordnungsgebers Rechnung zu tragen, sei die in Prüfung gezogene Wortfolge in § 5 Abs 2 Z 3 Friedhofsordnung teleologisch dahin auszulegen, dass nur das Verteilen solcher Druckschriften erfasst sei, die den im § 5 Abs 1 normierten Werten (Ernst, Pietät, Würde, widmungsgemäße Benützung des Friedhofes) widersprechen. Welche Druckschriften diesen Werten widersprechen, sei im Einzelfall unter Beachtung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte zu beurteilen.

Trauerbilder und Parten, die im Rahmen einer Beerdigung den anwesenden Trauergästen übergeben werden, würden jedenfalls nicht darunter fallen. Dies ergebe sich im Übrigen auch daraus, dass unter "Verteilen" das aktive Ausgeben von Druckschriften an einen größeren Personenkreis gemeint sein müsse, weil nur in diesem Fall "Verteilen" in seiner Wirkung mit "Plakatieren" vergleichbar und damit das Nennen in einer Ziffer (§5 Abs 2 Z 3 Friedhofsordnung) zu erklären sei. Wenn Bilder eines Verstorbenen den Trauergästen zu Erinnerungszwecken geschenkt würden, liege daher kein "Verteilen" im hier gemeinten Sinn vor.

Die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle verstoße nicht gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.

Zum weiteren Bedenken des Gerichtshofes, wonach die in Prüfung gezogene Wortfolge gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verstoße, verweist der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck auf seine bisherigen Ausführungen, wonach eine teleologische Auslegung des § 5 Abs 2 Z 3 Friedhofsordnung ein verfassungskonformes Ergebnis sicherstelle.

Hinsichtlich der Bedenken des Gerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit des die Kundmachung von Verordnungen der Gemeindeorgane der Stadt Innsbruck regelnden § 40 Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 weist der Gemeinderat schließlich darauf hin, dass die Aufhebung nur des Wortes "allenfalls" im Ergebnis keinen geringeren Eingriff darstelle.

II. Zur Rechtslage:

1. Die für die Kundmachung von Rechtsvorschriften maßgebliche Bestimmung des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl. Nr. 53/1975, lautet (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§40

Kundmachung und Anfechtbarkeit von

Beschlüssen der Gemeindeorgane

(1) Alle Beschlüsse und Verfügungen der Gemeindeorgane, die allgemeinverbindliche Vorschriften enthalten, sowie alle an die Allgemeinheit gerichteten Mitteilungen sind durch öffentlichen Anschlag an der Amtstafel durch zwei Wochen und allenfalls im 'Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck' kundzumachen. Der Bürgermeister kann auch verfügen, daß solche Kundmachungen von den Hauseigentümern oder deren Beauftragten in allen Häusern an einem den Hausbewohnern zugänglichen Platz anzuschlagen sind.

(2) Die Beschlüsse und Verfügungen treten an dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft, wenn nichts anderes angeordnet ist. Die Kundmachung gilt als erlassen, wenn sie an der Amtstafel ausgehängt wird.

(3) Wer sich durch solche Beschlüsse oder Verfügungen in seinen Rechten verletzt erachtet, kann innerhalb der Kundmachungsfrist beim Stadtmagistrat schriftlich Einspruch erheben.

(4) Beschlüsse und Verfügungen der Gemeindeorgane, welche Pflichten und Rechte einzelner zum Gegenstand haben, sind diesen mit Bescheid mitzuteilen."

2. Die Ermächtigung im Gemeindesanitätsdienstgesetz, LGBl. Nr. 33/1952 idF LGBl. Nr. 83/2003, zur Erlassung der Friedhofsordnung lautet:

"§33

(1) ...

(2) ...

(3) Für jeden Friedhof ist eine Friedhofsordnung zu erlassen, die nähere Bestimmungen über die Einteilung, Ausgestaltung und Erhaltung von Grabstätten und Grabmälern, über die Benützungsrechte an Grabstätten, sanitätspolizeiliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Beerdigung, ortspolizeiliche Vorschriften über das Verhalten auf Friedhöfen sowie Bestimmungen über die Verwaltung des Friedhofes zu enthalten hat. Die Benützungsrechte an Grabstätten sind so zu regeln, dass Beerdigungsplätze in ausreichender Anzahl am Friedhof verfügbar bleiben, wobei auf die aus gesundheitspolizeilichen Gründen vorgesehenen Ruhefristen Bedacht zu nehmen ist. In neuerlassenen Friedhofsordnungen dürfen Benützungsrechte an Grabstätten auf unbegrenzte Zeit nicht mehr eingeräumt werden."

3. Auf Grundlage des § 33 Abs 3 Gemeindesanitätsdienstgesetz erließ der Gemeinderat der Stadt Innsbruck die Friedhofsordnung für die städtischen und nichtstädtischen Friedhöfe (Beschluss des Gemeinderates der Stadt Innsbruck vom ), kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel des Stadtmagistrats Innsbruck vom

10. bis . Der mit "Ordnungsvorschriften" überschriebene § 5 der Friedhofsordnung gilt gemäß § 1 dieser Verordnung sowohl für alle im Eigentum der Stadtgemeinde Innsbruck als auch für die nicht im Eigentum der Stadtgemeinde Innsbruck stehenden Friedhöfe. Die Bestimmung lautet wie folgt (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§5

Ordnungsvorschriften

(1) Auf dem Friedhof ist alles zu unterlassen, was dem Ernst, der Pietät, der Würde oder der widmungsgemäßen Benützung des Ortes widerspricht.

(2) Innerhalb der Friedhöfe ist insbesondere nicht gestattet:

1. Das Befahren der Wege mit Fahrzeugen und Fahrrädern, ausgenommen sind Rollstühle und sonstige Behindertenfahrzeuge, Kinderwägen, friedhofseigene Fahrzeuge und geeignete gewerbliche Fahrzeuge im Rahmen der Bewilligung gemäß § 6,

2. das Feilbieten von Waren aller Art,

3. das Plakatieren und das Verteilen von Druckschriften jeder Art,

4. das Mitbringen von Tieren, ausgenommen von Blindenhunden,

5. das Rauchen,

6. das Spielen von Unterhaltungsmusik und

7. das Wegwerfen von Abfällen oder das Ablegen von Abfällen an anderen als den hiefür vorgesehenen Plätzen.

(3) Kindern unter sechs Jahren ist das Betreten der Friedhöfe außer in Begleitung Erwachsener untersagt.

(4) Den Anweisungen des Friedhofspersonals ist Folge zu leisten."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss vom , B3172/05, davon ausgegangen, dass sich der angefochtene Bescheid auf § 5 Abs 2 Z 3 2. Fallgruppe der Friedhofsordnung stützt und er diese Bestimmung im Beschwerdeverfahren anzuwenden hat. Darüber hinaus vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass er bei Prüfung der genannten Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit auch den, die "Kundmachung und Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Gemeindeorgane" regelnden § 40 Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 anzuwenden hat. Weder die Tiroler Landesregierung noch der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck sind dieser Annahme entgegengetreten. Auch ist im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen. Sowohl die in Prüfung gezogene Wortfolge des § 40 Abs 1 Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 als auch die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle ist präjudiziell. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren insoweit zulässig.

In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 15.599/1999, 16.195/2001). Die Grenzen der Aufhebung müssen so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 17.422/2004 mwN).

Für das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher zu berücksichtigen, dass die Aufhebung des Wortes "allenfalls" gegenüber der Aufhebung der gesamten in Prüfung gezogenen Wortfolge den schwereren Eingriff darstellen würde, zumal in diesem Fall sämtliche Beschlüsse und Verfügungen der Gemeindeorgane zwingend an der Amtstafel und im "Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck" kundzumachen wären.

2. Das vorläufige Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge in § 40 Abs 1 Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 hat sich als zutreffend erwiesen:

2.1. Die in Prüfung gezogene Kundmachungsvorschrift widerspricht dem Determinierungsgebot des Art 18 B-VG, da durch die Verwendung des Wortes "allenfalls" nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, in welchen Fällen zum Anschlag an der Amtstafel die Kundmachung im Amtsblatt hinzutreten muss, um den Anforderungen des Gesetzes an eine ordnungsgemäße Kundmachung zu genügen. Da der Gesetzgeber diese Fälle auch nicht anderweitig näher bestimmt, liegt ein Verstoß gegen das Determinierungsgebot für Gesetze nach Art 18 B-VG vor. Der Gerichtshof geht davon aus, dass der Gesetzgeber mit der in Prüfung gezogenen Wortfolge eine zweite Verlautbarungsform vorsieht, die für eine ordnungsgemäße Kundmachung von Verordnungen konstitutiv ist.

2.2. Der Gerichtshof vermag sich der Auffassung der Tiroler Landesregierung, wonach der zusätzlichen Kundmachung im Amtsblatt keine "normative Bedeutung" zukomme, sondern lediglich einer rechtlich bereits existenten Verordnung größere Publizität verliehen werde (weshalb keine Verletzung des Art 18 B-VG vorliege), nicht anzuschließen.

2.2.1. Bereits der Wortlaut und die Systematik des § 40 Abs 1 leg.cit. sprechen gegen die Annahme, die Kundmachung im "Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck" habe lediglich informativen Charakter. Das Wort "kundzumachen" am Ende des ersten Satzes des § 40 Abs 1 leg.cit. bezieht sich unterschiedslos auf beide Verlautbarungsformen. Da die Kundmachung an der Amtstafel und die Kundmachung im Amtsblatt (für bestimmte, nicht näher umschriebene Fälle) somit in unmittelbarem sprachlichen Zusammenhang stehen, kann der Gerichtshof - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Gesetz - nicht erkennen, weshalb einer dieser Kundmachungsformen geringere Maßgeblichkeit für die Rechtmäßigkeit der Verlautbarung zukommen sollte (bereits VfSlg. 7524/1975; Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht [1988] Band 1, 797 ff [860]).

2.2.2. Hätte der Gesetzgeber die zweite Kundmachung nicht als solche, sondern als informative Bekanntmachung zusätzlich zur Kundmachung angeordnet, so hätte er dies durch Unterscheidung von Kundmachung und Bekanntmachung zum Ausdruck bringen müssen. Vorschriften über die Verlautbarung von Rechtsvorschriften, die (neben der eigentlichen Kundmachung) eine Bekanntmachung einer kundgemachten Verordnung zu bloßen Informationszwecken vorsehen, bringen dies durch Formulierungen wie zum Beispiel jener zum Ausdruck, wonach Verordnungen neben der Kundmachung im Landesgesetzblatt "auch noch in anderer Weise zur allgemeinen Kenntnis gebracht werden" können (vgl. Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht [1988] Band 1, 837 f mwH). Eine derartige Klarstellung ist der in Prüfung gezogenen Bestimmung nicht zu entnehmen.

2.2.3. Auch der Hinweis der Tiroler Landesregierung, wonach das "Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck" - herausgegeben unter dem Titel "Innsbruck informiert" - für rechtlich verbindliche Verlautbarungen überhaupt nicht geeignet sei, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

2.2.4. Die Ausführungen der Tiroler Landesregierung, wonach sich aus § 40 Abs 2 Satz 2 Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 die Unverbindlichkeit der Kundmachung im Amtsblatt ergebe, sind keineswegs zwingend. Diese Vorschrift kann ohne weiteres auch dahingehend verstanden werden, dass sie eine Regelung nur für jene Fälle trifft, in denen nicht "allenfalls" zusätzlich kundzumachen ist.

Auch aus dem Argument, der Landesgesetzgeber habe in anderen Fällen - beispielsweise bei der Erlassung von Flächenwidmungsplänen - andere Publikationsorgane als das Amtsblatt vorgesehen, ist für die hier zu beantwortende Frage nichts zu gewinnen.

3. Das vorläufige Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge in der Friedhofsordnung trifft nicht zu:

3.1. Dem Bedenken des Gerichtshofes betreffend den der Verordnung anhaftenden Kundmachungsmangel ist durch die Aufhebung der Wortfolge "und allenfalls im 'Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck'" in § 40 Abs 1 Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 der Boden entzogen.

3.2. Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, die in Prüfung gezogene Wortfolge könnte gegen die in Art 6 StGG und Art 10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsausübung und auf Freiheit der Meinungsäußerung verstoßen, haben sich im Ergebnis als nicht zutreffend erwiesen.

3.2.1. Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG (s. zB VfSlg. 10.179/1984, 12.921/1991, 15.038/1997, 15.700/1999, 16.120/2001 und 16.734/2002) sind gesetzliche, die Erwerbs(ausübungs)freiheit beschränkende Regelungen auf Grund des diesem Grundrecht angefügten Gesetzesvorbehaltes nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt sind. Verordnungen, die bei verfassungskonformer, die Schranken der Erwerbs(ausübungs)freiheit wahrender Auslegung der Verordnungsermächtigung keine gesetzliche Deckung finden, sind gesetzlos.

Unbestritten ist, dass das vom Gesetz- und Verordnungsgeber verfolgte Ziel, nämlich Ernst, Pietät und die gebotene Würde auf Friedhöfen zu wahren sowie deren widmungsgemäße Verwendung sicherzustellen (§33 Abs 3 Gemeindesanitätsdienstgesetz; § 5 Abs 1 Friedhofsordnung) im öffentlichen Interesse gelegen ist. Darüber hinaus ist ein Verbot des Verteilens von Druckschriften jeder Art auch grundsätzlich geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Allerdings ist zu prüfen, ob durch ein uneingeschränktes Verbot, auf Friedhöfen Druckschriften jeder Art zu verteilen, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung stärker eingeschränkt wird, als dies an sich zur Zielerreichung erforderlich wäre.

Das Gebot verfassungskonformer Auslegung (vgl. VfSlg. 15.959/2000, 16.053/2000 ua.) des § 33 Abs 3 Gemeindesanitätsdienstgesetz und der gesetzeskonformen Interpretation des § 5 Friedhofsordnung legen es nahe, das Verbot des "Verteilens von Druckschriften jeder Art" im Lichte des § 5 Abs 1 Friedhofsordnung auszulegen. Im Einklang mit dem Wortlaut des § 5 Abs 1 ist - wie der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck und die Tiroler Landesregierung zutreffend ausführen - davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber mit der Ordnungsvorschrift des § 5 Friedhofsordnung solche Verhaltensweisen untersagt, die dem Ernst, der Pietät, der Würde oder der widmungsgemäßen Benützung des Friedhofes entgegenstehen. Auf Friedhöfen dürfen daher zunächst gemäß § 5 Abs 1 Friedhofsordnung solche Druckschriften nicht verteilt werden, die den genannten Schutzgütern und Zielen entgegenstehen. Darüber hinaus normiert § 5 Abs 2 Z 3 ein allgemeines Verbot, Druckschriften jeder Art zu verteilen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich daher um einen speziellen Tatbestand, der zur Generalklausel des § 5 Abs 1 Friedhofsordnung hinzutritt. Druckwerke aber, die typischerweise bei Begräbnisfeierlichkeiten und liturgischen Handlungen zur Verteilung gelangen, wie etwa Liedertexte, Gedenkbilder udgl., sind vom Verbot des § 5 Abs 2 Z 3 von vornherein nicht erfasst.

Bei anderen Druckschriften, insbesondere solchen mit werblichem Charakter erscheint es jedoch vertretbar anzunehmen, dass das Verteilen derselben nicht in notwendigem Zusammenhang mit typischen Handlungen auf Friedhöfen steht und dass sie daher unter § 5 Abs 2 Z 3 Friedhofsordnung fallen. Insoweit rechtfertigt das Gewicht der Interessen der Angehörigen und Teilnehmer an Begräbnissen sowie von sonstigen Besuchern von Friedhöfen an ungestörter Religionsausübung und Andacht den Eingriff in das Recht auf Verbreitung von Werbebotschaften (mögen diese auch thematisch und in der Aufmachung an den Ort der Verteilung angepasst sein) durch eine örtliche Beschränkung eines bestimmten Aspekts der Erwerbsausübung.

Auf der Grundlage einer verfassungs- und gesetzeskonformen Auslegung des Gesetzes bzw. der Friedhofsordnung ist das in Rede stehende Verbot als Mittel zur Erreichung der genannten Ziele sohin adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt. Daraus folgt, dass § 33 Abs 3 Gemeindesanitätsdienstgesetz im Einklang mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung steht und § 5 Abs 1 Friedhofsordnung nicht gesetzwidrig ist. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung liegt daher nicht vor.

3.2.2. Nach Art 10 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfasst. Art 10 Abs 2 EMRK sieht allerdings im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind.

Ein verfassungsrechtlich zulässiger Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung muss sohin, wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen hat (zB EGMR , Fall Sunday Times, EuGRZ 1979, 390; , Fall Barthold, EuGRZ 1985, 173), gesetzlich vorgesehen sein, einen oder mehrere der in Art 10 Abs 2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und zur Erreichung dieses Zweckes oder dieser Zwecke "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein (vgl. VfSlg. 12.886/1991, 14.218/1995, 14.899/1997, 16.267/2001 und 16.555/2002). Bei Beschränkungen von Äußerungen im Bereich kommerzieller Werbung hat der Gesetzgeber einen größeren Beurteilungsspielraum im Hinblick darauf, dass es sich hierbei um einen komplexen und sich rasch ändernden Bereich handelt (vgl. EGMR , Fall markt intern Verlag GmbH und Klaus Bermann, EuGRZ 1996, 302; , Fall Jacubowski, EuGRZ 1996, 306).

Das Verbot des Verteilens von Druckschriften jeder Art findet seine gesetzliche Grundlage in dem durch § 5 Friedhofsordnung näher ausgeführten § 33 Abs 3 Gemeindesanitätsdienstgesetz und ist auf die Wahrung von Ernst, Pietät, Würde und widmungsgemäßer Benützung von Friedhöfen gerichtet. Es dient damit der Aufrechterhaltung der Ordnung sowie dem Schutz der Rechte anderer, insbesondere der ungestörten Religionsausübung. Dem Gesetzgeber und dem Verordnungsgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn diese (neben dem Verbot des Plakatierens) das Verbot des Verteilens von Druckschriften, die nicht typischerweise bei Begräbnisfeierlichkeiten und liturgischen Handlungen zur Verteilung gelangen, zur Erreichung dieser legitimen Ziele zulassen bzw. für erforderlich halten. Bei verfassungskonformer Interpretation des Gesetzes und gesetzeskonformer Interpretation der Verordnung beschränkt sich das Verbot des § 5 Abs 2 Z 3 Friedhofsordnung auf diesen Inhalt. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung liegt somit nicht vor.

4. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung nach Art 140 Abs 5 B-VG schien dem Verfassungsgerichtshof - insbesondere mangels entsprechenden Antrags der Landesregierung - im gegenständlichen Fall nicht erforderlich zu sein.

5. Der Ausspruch, dass frühere Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

6. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Tirol zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art 140 Abs 5 B-VG.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.