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VfGH vom 27.06.2017, G386/2016 (G386/2016-9)

VfGH vom 27.06.2017, G386/2016 (G386/2016-9)

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit einer Regelung des ASVG über den Ersatz der Reise(Fahrt)kosten im Falle der Notwendigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung; Unsachlichkeit der den Krankenversicherungsträgern durch den Gesetzeswortlaut eingeräumten Möglichkeit eines gänzlichen Ausschlusses des Ersatzes von Transportkosten

Spruch

I.Die Wortfolge "nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung" in § 135 Abs 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, in der Fassung des ArtI Z 108 und Z 109 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996 (SRÄG 1996), BGBl Nr 411/1996, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II.Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III.Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

IV.Im Übrigen wird § 135 Abs 4 und 5 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, in der Fassung des ArtI Z 108 und Z 109 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996 (SRÄG 1996), BGBl Nr 411/1996, nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1.Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl V27/2016 ein Antrag des Landesgerichtes Innsbruck gemäß Art 139 B-VG auf Aufhebung des § 43 der Satzung 2011 der Tiroler Gebietskrankenkasse, kundgemacht am im Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes zu AVSV 178/2011 (Stammfassung) als gesetzwidrig, anhängig.

Mit dieser Verordnungsbestimmung wird unter Hinweis auf § 135 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (im Folgenden: ASVG) normiert, dass die Tiroler Gebietskrankenkasse keine Reise(Fahrt)kosten ersetzt.

Das Landesgericht hegt das Bedenken, dass § 43 der Satzung 2011 der Tiroler Gebietskrankenkasse entgegen den gesetzlichen Determinanten des § 135 Abs 4 ASVG einen Kostenersatz pauschal ausschließt. Der Sozialversicherungsträger sei zur näheren Ausgestaltung und Konkretisierung der Voraussetzungen für die Gewährung von Reise(Fahrt)Kosten ermächtigt, jedoch nicht zur gänzlichen pauschalen Versagung dieser Leistung.

2.Bei der Behandlung dieses Antrages sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 135 Abs 4 und 5 ASVG, BGBl 189/1955, in der Fassung des ArtI Z 108 und Z 109 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996 (SRÄG 1996), BGBl 411/1996, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

2.1.Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass der Antrag des Landesgerichtes Innsbruck, § 43 der Satzung 2011 der Tiroler Gebietskrankenkasse als gesetzwidrig aufzuheben, zulässig sei und er bei der Prüfung dieser Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit den die Grundlage dieser Verordnung bildenden § 135 Abs 4 und 5 ASVG anzuwenden haben dürfte.

3.Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"[…]

2.1. Gemäß § 135 Abs 4 erster Satz ASVG kann im Falle der Notwendigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe der Ersatz der Reise(Fahrt)kosten anscheinend nur nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung gewährt werden.

2.1.1. Die vom antragstellenden Gericht angefochtene Satzungsbestimmung des § 43 der Satzung 2011 der Tiroler GKK dürfte die Gewährung eines Ersatzes von Reise(Fahrt)kosten schlechthin ausschließen.

2.1.2. Ein gesetzlicher Anspruch auf Gewährung eines solchen Kostenersatzes dürfte unmittelbar aus dem Gesetz – anders als das antragstellende Gericht offenbar meint – im Hinblick darauf nicht abzuleiten sein, dass der Gesetzgeber es anscheinend bewusst der Satzung überlassen wollte, ob ein solcher Anspruch eingeräumt wird. Darauf deutet die Formulierung hin, dass gemäß § 135 Abs 4 ASVG ein solcher Ersatz seit dem SRÄG 1996 nur gewährt werden 'kann' und dies nur 'nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung'; zudem geht aus den Materialien zum SRÄG 1996 deutlich hervor, dass der Gesetzgeber bewusst den Ersatz von Reise(Fahrt)kosten als Pflichtleistung abschaffen und es den Krankenversicherungsträgern freistellen wollte, ob sie eine solche Leistung erbringen oder nicht, wovon man sich eine beträchtliche Kostenersparnis erwartete (vgl. die oben wiedergegebenen Erläuterungen zur RV 214 BlgNR 20. GP). § 135 Abs 4 ASVG kann daher anscheinend nur so verstanden werden, dass diese Bestimmung im Ergebnis einen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch auf Kostenersatz ausschließt, es sei denn, die Satzung sähe einen solchen ausdrücklich vor. Selbst wenn die Satzung zu dieser Frage schweigt, dürfte dies genügen, um einen Anspruch auf Kostenersatz nicht entstehen zu lassen. Daran dürfte daher auch die vom Gerichtsantrag angestrebte Aufhebung des § 43 der Satzung 2011 der Tiroler GKK, der die Gewährung von Reise(Fahrt)kosten ausdrücklich ausschließt, nichts ändern. § 135 Abs 4 zweiter Satz ASVG scheint nämlich nur für den Fall, dass die Satzung einen derartigen Kostenersatz ausdrücklich vorsieht, näher zu determinieren, woran sich das satzungsgebende Organ des Krankenversicherungsträgers bei der Festlegung der Höhe des Kostenersatzes zu orientieren hat.

2.2. Ausgehend von diesem Verständnis des § 135 Abs 4 ASVG ist beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass der Prüfung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Satzungsbestimmung das Bedenken entstanden, dass § 135 Abs 4 und Abs 5 ASVG in der Fassung des ArtI Z 108 und Z 109 SRÄG 1996, BGBl 411/1996, dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes des Art 7 Abs 1 B-VG, im Besonderen auch des Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG, widersprechen:

2.2.1. Dem Gesetzgeber kommt zwar bei der Ausgestaltung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung ein weiter rechtspolitischer Spielraum zu; es ist auch insbesondere Sache des Gesetzgebers, bei nicht medizinischen Leistungen wie zB bei den Kosten der Fahrt zum Arzt oder in ein Ambulatorium zu bestimmen, ob und inwieweit diese Leistungen auf Kassenkosten erbracht werden können bzw. ob derartige Leistungen vom Krankenversicherungsträger als Sachleistungen im engeren Sinne erbracht werden oder ob dafür Kostenersatz (oder auch angemessene Kostenzuschüsse) vorgesehen werden. Es steht dem Gesetzgeber daher im Allgemeinen frei, derartige Kosten als Teil der Aufwendungen des täglichen Lebens in der Leistungsverantwortung der Versicherten zu belassen.

2.2.2. Dieser rechtspolitische Spielraum dürfte jedoch – wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt – in jenen Fällen eine Grenze finden, in denen ohne Bedachtnahme auf erforderliche Fahrtkosten die Erreichbarkeit rechtzeitiger und/oder erforderlicher ärztlicher Hilfe gefährdet wäre; denn in solchen Fällen dürfte dadurch der Zugang zur und der Anspruch auf Krankenbehandlung für bestimmte Versicherte und in bestimmten Konstellationen ausgehöhlt werden (so Felten, in: SV-Komm § 135 Rz 26).

2.2.3. Der Ersatz von Reise(Fahrt)kosten zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe dürfte nämlich zumindest in jenen Fällen mit der ärztlichen Hilfe selbst eng verknüpft sein, in denen die versicherte Person, die auf Grund eines regelwidrigen Geistes- oder Körperzustandes zwar ärztlicher Hilfe, aber noch nicht stationärer ärztlicher Behandlung bedarf, weder in der Lage ist, durch ein eigenes (oder zumindest in der Familie zur Verfügung stehendes) Kraftfahrzeug noch durch öffentliche Verkehrsmittel den nächstgelegenen Ort einer solchen Behandlung (oder Diagnosemöglichkeit) mit eigener Kraft zu erreichen, noch über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, die es der Person zumutbar machen würden, private Transportdienste im erforderlichen Ausmaß auf eigene Kosten in Anspruch zu nehmen. Eine solche Situation scheint zu einer potenziell gesundheitsbedrohenden Situation führen zu können, wenn die ärztliche Hilfe auf Grund des Transportproblems längere Zeit hindurch unterbleibt.

2.2.4. Gerade die im Gesetz für den Fall der Gewährung des Kostenersatzes vorgesehene (auf Grund des Zusammenhanges mit dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle anscheinend aber nur dem Satzungsgeber in § 135 Abs 4 zweiter Satz ASVG aufgetragene) Bedachtnahme auf die örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel und der Entfernung des Ortes der ärztlichen Hilfe vom Wohnort, zeigt, dass in bestimmten Fällen, wie etwa in abgelegenen Gegenden mit geringer Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel, der Ausschluss jeglicher Reise(Fahrt)kosten der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe entgegenstehen kann. Die in einer solchen Lage befindliche Person scheint einer gehunfähigen Person im Sinne des § 135 Abs 5 ASVG, hinsichtlich derer es der Gesetzgeber der Satzung aber anscheinend nicht freistellt, die Leistung eines derartigen Ersatzes auszuschließen, im entscheidenden Punkt, nämlich der Behinderung des Zugangs zu ärztlicher Hilfe, durchaus vergleichbar zu sein.

2.3. Soweit § 135 Abs 4 ASVG die Gewährung des Ersatzes von Reise(Fahrt)kosten dem Satzungsgeber anscheinend völlig freistellt und für den Fall der Untätigkeit des Satzungsgebers auch für medizinisch unabweisbare und wirtschaftlich bedürftige Fälle einen Rechtsanspruch auf Ersatz für Reise(Fahrt)kosten zur Ermöglichung einer Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung bzw. Diagnostik vorbehaltlich anderslautender Regelungen in der Satzung anscheinend generell ausschließt, scheint die in Prüfung gezogene Norm dem Sachlichkeitsgebot des Art 7 Abs 1 B-VG, im Besonderen auch des Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG, zu widersprechen. § 135 Abs 5 ASVG dürfte mit Abs 4 insofern in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, als selbst für den Fall der gänzlichen oder teilweisen Aufhebung des Abs 4 ein Umkehrschluss aus Abs 5 anscheinend zum selben Ergebnis führen und daher die Verfassungswidrigkeit mit der Aufhebung nicht beseitigt werden würde.

[…]"

4.Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie unter Darstellung der Rechtsentwicklung den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, § 135 Abs 4 und 5 ASVG nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung erscheine der Bundesregierung eine Frist von einem Jahr erforderlich, um alternative Regelungen treffen zu können.

Im Einzelnen führt die Bundesregierung aus:

"[…]

3. Nach Ansicht der Bundesregierung vermag die Bezugnahme des Verfassungsgerichtshofes auf Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung nicht in Zweifel zu ziehen. Danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Der Verfassungsgerichtshof führt in seinem Prüfungsbeschluss nicht näher aus, worin er eine 'Behinderung' und eine 'Benachteiligung' von bestimmten Krankenversicherten erblickt. In Rz. 21 des Prüfungsbeschlusses ist allerdings davon die Rede, dass Personen 'etwa in abgelegenen Gegenden mit geringer Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel' gehunfähigen Personen iSd. § 135 Abs 5 ASVG hinsichtlich 'der Behinderung des Zugangs zu ärztlicher Hilfe' vergleichbar zu sein scheinen. Nach Auffassung der Bundesregierung kann ein bestimmter Wohn- bzw. Aufenthaltsort aber niemals eine Behinderung iSd. Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG darstellen. Im Übrigen können nach Auffassung der Bundesregierung Personen, die in abgelegenen Gegenden wohnen, von vornherein nicht mit gehunfähigen Personen verglichen werden, zumal die Wahl des Wohnsitzes eine private Lebensentscheidung darstellt, Gehunfähigkeit hingegen nicht.

Aber selbst wenn Personen in solchen Gegenden gehunfähigen Personen im hier relevanten Kontext vergleichbar wären, würde dies noch nicht eine Behinderung iSd. Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG begründen. Personen, die auf Grund einer Krankheit einen Anspruch auf Krankenbehandlung haben, sind nämlich nicht schlechthin als Personen mit 'Behinderung' iSv. Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG anzusehen, da nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigungen nicht als 'Behinderung' zu qualifizieren sind. Aber selbst dauerhafte, altersbedingte Funktionsbeeinträchtigungen sind nicht als 'Behinderung' im Sinn dieser Bestimmung anzusehen (siehe Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz [2008] 681).

Eine 'Benachteiligung' scheint der Verfassungsgerichtshof darin zu sehen, dass Personen bei fehlendem Anspruch auf einen Ersatz der Reise(Fahrt)kosten wegen eines 'Transportproblems' (Rz. 20) nicht in der Lage seien, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass § 135 Abs 4 ASVG keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Gruppen von Versicherten trifft. Auch sind die im Prüfungsbeschluss dargelegten nachteiligen Folgen des Fehlens eines solchen Anspruches keine Folge dieser Bestimmung, sondern lediglich eine Folge des Umstandes, an welchem Ort eine Person ihren Wohnsitz nimmt oder sich aufhält.

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG sind demnach nicht begründet.

4. Die Bundesregierung stimmt zunächst mit dem Verfassungsgerichtshof (Rz. 18 des Prüfungsbeschlusses) darin überein, dass der Gesetzgebung bei der Ausgestaltung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung ein weiter rechtpolitischer Gestaltungsspielraum zukommt und dass es Sache der Gesetzgebung ist, bei nicht medizinischen Leistungen zu bestimmen, ob und inwieweit diese auf Kosten der Krankenversicherung erbracht werden können bzw. in welcher Form solche Kassenleistungen erbracht werden. Es steht daher der (Sozialversicherungs-)Gesetzgebung prinzipiell frei, derartige Kosten als Teil der Aufwendungen des täglichen Lebens in der Leistungsverantwortung der Versicherten zu belassen.

Nach Auffassung der Bundesregierung gilt dies auch hinsichtlich der Fahrtkosten für die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfeleistung:

4.1. Wenn der Verfassungsgerichtshof die Ansicht vertritt, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung ausgehöhlt werde, wenn diesem nicht ein Anspruch auf Ersatz der Reise(Fahrt)kosten zur Seite gestellt werde, weist die Bundesregierung darauf hin, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung allen Berechtigten in gleicher Weise zur Verfügung steht. Aus dem (einfachgesetzlich gewährleisteten) Recht auf Krankenbehandlung kann aber voraussetzungsgemäß nicht abgeleitet werden, dass die Gesetzgebung zusätzlich zu diesem Recht einen Anspruch auf Ersatz der Reise(Fahrt)kosten vorzusehen hätte, weil dieses (einfachgesetzlich gewährleistete) Recht einen solchen Ersatz der Reise(Fahrt)kosten eben nicht vorsieht.

4.2. Anderes könnte nur angenommen werden, wenn ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Krankenbehandlung bestünde, das Fehlen eines Anspruches auf Ersatz der Reise(Fahrt)kosten dieses jedoch in unzulässiger Weise einschränken würde. Ein solches verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht besteht jedoch offensichtlich nicht.

4.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss den Versicherungsbeiträgen zwar prinzipiell ein Leistungsanspruch gegenüberstehen; allerdings gilt in der Sozialversicherung nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung, sodass es in manchen Fällen trotz Leistung von Pflichtbeiträgen zu keiner Versicherungsleistung kommen kann (siehe etwa VfSlg 15.859/2000 mwN). Umso weniger wäre dann aber die Annahme einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung der einfachen Gesetzgebung, bestimmte (noch dazu nicht medizinische) Leistungsansprüche vorzusehen, mit den Systemgrundsätzen der Sozialversicherung vereinbar.

4.4. Nach Auffassung der Bundesregierung besteht auch kein verfassungsrechtliches Gebot, dass – einfachgesetzlich gewährleistete – Rechtspositionen so ausgestaltet sein müssen, dass sie in effektiver Weise in Anspruch genommen werden können, und die Gesetzgebung dazu verhalten wäre, nachteilige Umstände, die in der Person des Berechtigten liegen, auszugleichen. So hat etwa der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass es zur Disposition der Gesetzgebung steht, eine Studienbeihilfe vorzusehen und dass es zulässig ist, diese auch nicht für ein Doktoratsstudium zu gewähren (siehe VfSlg 17.466/2005; ähnlich VfSlg 19.105/2010).

Selbst in Bezug auf verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte (wie etwa das Wahlrecht) wäre es verfassungsrechtlich nicht geboten, Personen, die in abgelegenen Gegenden wohnen, einen Reise(Fahrt)kostenzuschuss zur Ausübung dieses Rechts zu gewähren.

4.5. Ein verfassungsrechtliches Gebot, Nachteile auszugleichen, die sich aus der Wahl des Wohn- bzw. Aufenthaltsortes ergeben, besteht ebenfalls nicht.

5. Im Unterschied zur Pensionsversicherung, in der eine – betraglich nicht begrenzte – Abgangsdeckung aus allgemeinen Steuermitteln des Bundes erfolgt (vgl. § 80 ASVG), finanziert sich die Krankenversicherung im Wesentlichen nur aus den Beiträgen der Versicherten. Die Mittel der Krankenversicherung sind daher prinzipiell begrenzt. Sollten daher zusätzliche Leistungen der Krankenversicherung, wie etwa der Ersatz von Reise(Fahrt)kosten, verfassungsrechtlich geboten sein, hätte dies zwangsläufig zur Konsequenz, dass andere, bestehende Leistungen zu kürzen wären. Nach Auffassung der Bundesregierung kann ein solches Verständnis dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes nicht unterstellt werden, zumal dies sonst dazu führen könnte, dass medizinische Leistungen zugunsten von nicht medizinischen Leistungen (wie etwa dem Ersatz von Reise(Fahrt)kosten) zu kürzen wären.

6. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass § 135 Abs 4 und 5 ASVG nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."

II.Rechtslage

1.1.§135 des Bundesgesetzes vom über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines SozialversicherungsgesetzASVG), BGBl 189/1955 idF BGBl I 162/2015, lautet auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogenen Teile der Norm, die noch in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996 [SRÄG 1996], BGBl 411/1996, in Geltung stehen, sind hervorgehoben):

"Ärztliche Hilfe

§135. (1) Die ärztliche Hilfe wird durch Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen, durch Wahlärzte und Wahl-Gruppenpraxen (§131 Abs 1) sowie durch Ärzte in eigenen Einrichtungen (oder Vertragseinrichtungen) der Versicherungsträger gewährt. Im Rahmen der Krankenbehandlung (§133 Abs 2) ist der ärztlichen Hilfe gleichgestellt:

1. eine auf Grund ärztlicher Verschreibung erforderliche

a) physiotherapeutische,

b) logopädisch-phoniatrisch-audiologische oder

c) ergotherapeutische

Behandlung durch Personen, die gemäß § 7 des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, BGBl Nr 460/1992, zur freiberuflichen Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes, des logopädisch-phoniatrisch-audiologischen Dienstes bzw. des ergotherapeutischen Dienstes berechtigt sind;

2. eine auf Grund ärztlicher Verschreibung oder psychotherapeutischer Zuweisung erforderliche diagnostische Leistung eines klinischen Psychologen oder einer klinischen Psychologin nach § 29 Abs 1 des Psychologengesetzes 2013, BGBl Nr 182/2013;

3. eine psychotherapeutische Behandlung durch Personen, die gemäß § 11 des Psychotherapiegesetzes, BGBl Nr 361/1990, zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt sind, wenn nachweislich vor oder nach der ersten, jedenfalls vor der zweiten psychotherapeutischen Behandlung innerhalb desselben Abrechnungszeitraumes eine ärztliche Untersuchung (§2 Abs 2 Z 1 des Ärztegesetzes 1998) stattgefunden hat;

4. eine auf Grund ärztlicher Verschreibung erforderliche Leistung eines Heilmasseurs, der nach § 46 des Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes, BGBl I Nr 169/2002, zur freiberuflichen Berufsausübung berechtigt ist.

(2) In der Regel soll die Auswahl zwischen mindestens zwei zur Behandlung berufenen, für den Erkrankten in angemessener Zeit erreichbaren Ärzten oder Gruppenpraxen freigestellt sein. Bestehen bei einem Versicherungsträger eigene Einrichtungen für die Gewährung der ärztlichen Hilfe oder wird diese durch Vertragseinrichtungen gewährt, muß die Wahl der Behandlung zwischen einer dieser Einrichtungen und einem oder mehreren Vertragsärzten (Wahlärzten) bzw. einer oder mehreren Vertrags-Gruppenpraxen (Wahl-Gruppenpraxen) unter gleichen Bedingungen freigestellt sein. Insoweit Zuzahlungen zu den Leistungen vorgesehen sind, müssen diese in den Ambulatorien, bei den freiberuflich tätigen Vertragsärzten und in den Vertrags-Gruppenpraxen gleich hoch sein.

(3) – (3a) […]

(4) Im Falle der Notwendigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe kann der Ersatz der Reise(Fahrt)kosten nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung gewährt werden. Bei der Festsetzung des Ausmaßes des Kostenersatzes bzw. eines allfälligen Kostenanteiles des Versicherten ist auf die örtlichen Verhältnisse und auf den dem Versicherten für sich bzw. seinen Angehörigen bei Benützung des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels erwachsenden Reisekostenaufwand Bedacht zu nehmen; dies gilt auch bei Benützung eines Privatfahrzeuges. Die Satzung kann überdies bestimmen, daß nach diesen Grundsätzen festgestellte Reise(Fahrt)kosten bei Kindern und gebrechlichen Personen auch für eine Begleitperson gewährt werden. Die tatsächliche Inanspruchnahme der Behandlungsstelle ist in jedem Fall nachzuweisen.

(5) Die Satzung bestimmt unter Bedachtnahme auf Abs 4, unter welchen Voraussetzungen für gehunfähig erkrankte Versicherte und Angehörige der Transport mit einem Krankentransportwagen zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe sowie der Ersatz der Kosten für die Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerkes bzw. privaten Kraftfahrzeuges gewährt werden können. Die medizinische Notwendigkeit eines solchen Transportes muß ärztlich bescheinigt sein.

(6) […]"

1.2.Die §§43 und 44 Abs 1 der Satzung der Tiroler Gebietskrankenkasse (Neufassung 2011), AVSV 178/2011, lauten wie folgt:

"Reise(Fahrt)kosten

(§135 ASVG)

§43. Die Kasse ersetzt keine Reise(Fahrt)kosten.

Transportkosten

(§135 Abs 5 ASVG,§ 144 Abs 5 ASVG,§ 153 Abs 5 ASVG,

§154 Abs 4 ASVG,§ 154a Abs 2 ASVG)

§44. (1) Die Kasse übernimmt Transportkosten, wenn ärztlich bescheinigt wird, dass der/die gehunfähig erkrankte Versicherte oder Angehörige aufgrund seines/ihres körperlichen oder geistigen Zustandes kein öffentliches Verkehrsmittel (auch nicht mit einer Begleitperson) benutzen kann."

1.3.Bis zur Änderung durch ArtI Z 108 des SRÄG 1996, BGBl I 411/1996, lautete § 135 Abs 4 idF BGBl 335/1993 wie folgt:

"(4) Im Falle der Notwendigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe ist der Ersatz der Reise(Fahrt)kosten nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung zu gewähren. Bei der Festsetzung des Ausmaßes des Kostenersatzes bzw. eines allfälligen Kostenanteiles des Versicherten ist auf die örtlichen Verhältnisse und auf den dem Versicherten für sich bzw. seinen Angehörigen bei Benützung des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels erwachsenden Reisekostenaufwand Bedacht zu nehmen; dies gilt auch bei Benützung eines Privatfahrzeuges. Die Satzung kann überdies bestimmen, daß nach diesen Grundsätzen festgestellte Reise(Fahrt)kosten bei Kindern und gebrechlichen Personen auch für eine Begleitperson gewährt werden. Die tatsächliche Inanspruchnahme der Behandlungsstelle ist in jedem Fall nachzuweisen."

1.4.Die Erläuterungen zu § 135 Abs 4 idF des SRÄG 1996 (RV 214 BlgNR 20. GP, 44) führen zur Änderung durch die Ersetzung der Wendung "ist […] nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung zu gewähren" durch die Wendung "kann […] nach Maßgabe der Satzung gewährt werden" Folgendes aus:

"Die satzungsmäßige Pflichtleistung des Ersatzes der Reise- und Fahrtkosten soll in eine freiwillige Leistung umgewandelt werden (siehe auch Erläuterungen zu § 189 Abs 2 ASVG). Zusammen mit den Änderungen des § 189 Abs 2 ASVG bringt diese Maßnahme Einsparungen in der gesamten Krankenversicherung von rund 87 Millionen Schilling (davon: ASVG 62 Millionen Schilling, B-KUVG 18 Millionen Schilling, GSVG und BSVG je rund 4 Millionen Schilling) im Jahre 1996 sowie von 200 Millionen Schilling (davon: ASVG 157 Millionen Schilling, B-KUVG 29 Millionen Schilling, GSVG 6 Millionen Schilling, BSVG 8 Millionen Schilling) im Jahre 1997."

III.Erwägungen

1.Zur Zulässigkeit des Verfahrens

1.1.In seinem Prüfungsbeschluss ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass der Gerichtsantrag im Verordnungsprüfungsverfahren zulässig ist, dass das Gericht in seinem Verfahren die zur Prüfung gestellte Bestimmung der Satzung zumindest denkmöglich angewendet hat und dass der Verfassungsgerichtshof sowohl diese Bestimmung als auch deren gesetzliche Grundlage in § 135 Abs 4 ASVG und die damit untrennbar zusammenhängende Bestimmung des § 135 Abs 5 ASVG, jeweils in der im Spruch genannten Fassung, bei seiner Entscheidung über den Verordnungsprüfungsantrag anzuwenden hätte.

1.2.Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.3.Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Verordnungsprüfungsantrag im zu V27/2016 protokollierten Anlassverfahren als zulässig.

1.4.Davon ausgehend ist die Prüfung der gesetzlichen Grundlagen der angefochtenen Satzungsbestimmung zulässig, da sie der Verfassungsgerichtshof im Verordnungsprüfungsverfahren als Prüfungsmaßstab anzuwenden haben wird. Auch die Bundesregierung hat an der Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens keine Zweifel geäußert. Im Verfahren ist auch sonst nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen im Verordnungsprüfungsverfahren zweifeln ließe. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher insgesamt zulässig.

2.In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.1.Dem Bedenken, dass durch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen "Personen in abgelegenen Gegenden mit geringer Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel" – gehunfähigen Personen vergleichbar – in ihrem Zugang zu ärztlicher Hilfe beeinträchtigt sein können, entgegnet die Bundesregierung, dass "ein bestimmter Wohn- und Aufenthaltsort [...] niemals eine Behinderung im Sinne des Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG" darstellen könne, weil die "Wahl des Wohnsitzes eine private Lebensentscheidung" darstellt.

2.2.Dabei übersieht die Bundesregierung zunächst, dass der Verfassungsgerichtshof nicht aus einem entlegenen Wohn- oder Aufenthaltsort eine Beeinträchtigung abgeleitet hat, sondern Fallkonstellationen im Blick hatte, in denen Menschen, die wegen einer Erkrankung ärztlicher Hilfe bedürfen, zB auf Grund eines entlegenen Wohnortes ohne Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel eines kostenpflichtigen Transportmittels bedürfen, damit sie die ärztliche Hilfe überhaupt oder jedenfalls zeitgerecht in Anspruch nehmen können. Mit einem System einer flächendeckenden Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung ist es angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Gesundheit zukommt, nicht vereinbar, bestimmten Versicherten den Zugang zur ärztlichen Versorgung im Vergleich zu anderen Versicherten ohne sachlichen Grund zu erschweren oder gar unmöglich zu machen (VfSlg 15.787/2000). Dies bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber Krankentransporte zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe oder Kostenersatz für solche Leistungen durch die Krankenversicherungsträger in allen Fällen sicherzustellen hätte: Es bestehen vielmehr grundsätzlich keine Bedenken dagegen, die Transportleistung (wie andere Aufwendungen des täglichen Lebens) in erster Linie in der Finanzierungsverantwortung der versicherten Person zu belassen und daher die Satzung zu ermächtigen, den Anspruch auf Transportkosten nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Krankenversicherungsträgers einzuschränken, ihn insbesondere von der Art und der Schwere der krankheitsbedingten Beeinträchtigung, von der Unmöglichkeit oder der Unzumutbarkeit der Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges und schließlich von wirtschaftlich berücksichtigungswürdigen Umständen in der versicherten Person, die der Kostentragung für die Inanspruchnahme von Fahrtendiensten durch die Patienten selbst im Einzelfall entgegenstehen können, abhängig zu machen.

2.3.Es ist aber nach dem Gesagten im Ergebnis unsachlich und daher verfassungswidrig, wenn es der Gesetzgeber – abgesehen von den Fällen gehunfähiger Personen – den Krankenversicherungsträgern völlig freistellt, den Ersatz von Transportkosten zur Erlangung ärztlicher Hilfe entweder nach bestimmten Kriterien zu gewähren oder aber unabhängig von allen sonstigen Begleitumständen voraussetzungslos und schlechthin auszuschließen. Gerade Letzteres sollte aber – wie die Materialien zeigen und die Bundesregierung gar nicht in Zweifel zieht – dadurch ermöglicht werden, dass nach dem Gesetzeswortlaut Transportkosten nur mehr "nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung" ersetzt werden.

2.4.Auf Grund des Wortlautes der in Prüfung gezogenen Bestimmungen würde es aber – im Gegensatz zur Regelung des § 135 Abs 5 ASVG für gehunfähige Personen – sogar genügen, wenn in der Satzung überhaupt keine Regelung über die Transportkosten getroffen wird, um den Anspruch auf Ersatz der Transportkosten schlechthin auszuschließen, weil ein solcher Anspruch von der "Maßgabe der Satzung" abhängt. Es bestätigt sich somit die im Prüfungsbeschluss dargelegte Annahme des Verfassungsgerichtshofes, dass der Sitz der vom antragstellenden Gericht im Verordnungsprüfungsverfahren geltend gemachten Verfassungswidrigkeit bereits das Gesetz ist.

2.5.In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 15.599/1999, 16.195/2001).

2.6.Angesichts der Determinanten des zweiten Satzes des § 135 Abs 4 ASVG genügt es zur Herstellung eines verfassungskonformen Zustandes, die im Spruch genannte Wortfolge aus dem Text des ersten Satzes des § 135 Abs 4 ASVG zu entfernen. Denn damit wird der vom Landesgericht Innsbruck als gesetzwidrig angefochtenen Verordnungsbestimmung die gesetzliche Grundlage entzogen, und der verbleibende Gesetzestext ermöglicht es dem Gericht im Ausgangsverfahren, über den Ersatz von allenfalls notwendigen Transportkosten unter Beachtung der verbleibenden Bestimmungen des § 135 Abs 4 ASVG und unabhängig von einer näheren Regelung in der Satzung nach pflichtgemäßem Ermessen abzusprechen.

IV.Ergebnis

1.Die Wortfolge "nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung" in § 135 Abs 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl 189/1955, in der im Spruch genannten Fassung, ist daher wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufzuheben. Im Übrigen sind die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

2.Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle ist entbehrlich: Durch den gewählten Aufhebungsumfang verbleibt nämlich ein Gesetzeswortlaut, der es auch ohne Erlassung einer neuen Satzungsbestimmung oder einer neuen gesetzlichen Regelung ermöglicht, den Ersatz von Transportkosten zuzusprechen, ihn aber auch auf jene Fälle zu beschränken, bei denen eine solche Ersatzleistung sachlich geboten ist.

3.Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

4.Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

5.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2017:G386.2016
Schlagworte:
Sozialversicherung, Krankenversicherung, Reisekosten, Satzung, VfGH / Verwerfungsumfang, VfGH / Fristsetzung

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