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VfGH vom 27.09.1984, g38/82

VfGH vom 27.09.1984, g38/82

Sammlungsnummer

10155

Leitsatz

EStG 1972; Ausschluß nicht ständig im Inland beschäftigter Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Ausland von der Durchführung des Jahresausgleichs in § 72 Abs 2 vorletzter und letzter Satz sachlich nicht gerechtfertigt; Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Spruch

Im § 72 Abs 2 des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440 (EStG 1972), werden die Worte: "Ein Jahresausgleich auf Antrag kann für Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, nicht durchgeführt werden; ausgenommen sind Arbeitnehmer, die während des ganzen Kalenderjahres im Inland ständig beschäftigt waren. Zeiten des Krankengeldbezuges bzw. des Bezuges von Arbeitslosengeld sind den Beschäftigungszeiten gleichzuhalten." als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Zu G38/82:

Beim VfGH ist zu B275/81 eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. anhängig, mit dem der Antrag des Bf. auf Durchführung des Jahresausgleiches unter Hinweis auf die beiden letzten Sätze des § 72 Abs 2 EStG 1972, BGBl. Nr. 440, abgewiesen wurde.

Diese Gesetzesbestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Ein Jahresausgleich auf Antrag kann für Arbeitnehmer die ihren Wohnsitz im Ausland haben, nicht durchgeführt werden; ausgenommen sind Arbeitnehmer, die während des ganzen Kalenderjahres im Inland ständig beschäftigt waren. Zeiten des Krankengeldbezuges bzw. des Bezuges von Arbeitslosengeld sind den Beschäftigungszeiten gleichzuhalten."

Der VfGH hat am aus Anlaß dieser Beschwerde beschlossen, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der angeführten Worte einzuleiten. Er hat seine Bedenken gegen diese Gesetzesbestimmung wie folgt dargelegt:

"Bei der Beratung sind Bedenken gegen die im Spruch des Beschlusses angeführten Bestimmungen des § 72 Abs 2 EStG 1972 aus der Sicht des Gleichheitssatzes entstanden, da diese Bestimmung Gruppen von Arbeitnehmern, nämlich solche mit Wohnsitz im Ausland, die im Inland nicht während eines ganzen Kalenderjahres ständig beschäftigt waren, von der Geltendmachung des Jahresausgleiches ausschließt und sie dadurch gegenüber Arbeitnehmern mit inländischem Wohnsitz, aber auch gegenüber Selbständigen, die sowohl im Inland als auch im Ausland Einkünfte beziehen, benachteiligt, ohne daß hiefür vorläufig eine sachliche Rechtfertigung zu erkennen ist.

Die in Rede stehende Differenzierung wurde durch die Einkommensteuergesetznovelle 1970, BGBl. 370/1970, in das damals geltende EStG 1967 eingefügt. Auf Seite 14 der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (148 Blg. sten. Prot. NR XII. GP) wird folgende Motivation hiefür angegeben:

'Ein Steuerpflichtiger, der seinen Wohnsitz im Inland hat, kann einen Jahresausgleich wegen nicht ständiger Beschäftigung nur dann beantragen, wenn er die Zeit der Nichtbeschäftigung durchgehend nachweist (zum Beispiel Bestätigung des Arbeitsamtes, der Krankenversicherung). Unselbständig Erwerbstätige, die zwar keinen Wohnsitz im Inland haben, aber als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sind, hatten nach der bisherigen Rechtslage die Möglichkeit, einen Jahresausgleich auf Antrag infolge ihrer nichtständigen Beschäftigung im Inland zu beantragen. Bei der Durchführung dieses Jahresausgleiches konnte nicht festgestellt werden, ob der Arbeitnehmer während seiner im Ausland verbrachten Zeit einer Beschäftigung nachgegangen ist und welche Einkünfte er im Ausland erzielt hat. Dadurch ist dieser Personenkreis bisher günstiger gestellt gewesen als Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz im Inland haben. Um diese Ungleichheit zuvermeiden, schlägt nunmehr die Neuregelung vor, daß die Durchführung eines beantragten Jahresausgleiches an das Bestehen eines Wohnsitzes im Inland oder an eine ganzjährige ständige Beschäftigung im Inland gebunden ist. Für die Finanzverwaltung bedeutet diese Maßnahme überdies eine sehr fühlbare Arbeitsentlastung.'

Der VfGH geht vorläufig davon aus, daß der Ausschluß von der Geltendmachung des Jahresausgleiches sowohl dann gegeben ist, wenn ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer während seiner inländischen Beschäftigung seinen Wohnsitz im Ausland hat, als auch dann, wenn ein Arbeitnehmer während eines Kalenderjahres seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Zunächst scheint nicht ersichtlich, warum gerade der Wohnsitz im Inland ein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Überprüfbarkeit ausländischer Einkünfte sein sollte. Angesichts des Umstandes, daß mit der überwiegenden Zahl europäischer Staaten und vielen außereuropäischen Staaten Rechtshilfeverkehr in Abgabensachen besteht, ist vorläufig nicht zu erkennen, daß bei Arbeitnehmern, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, keine Kontrollmöglichkeit hinsichtlich ihrer ausländischen Einkünfte bestünde oder daß das Absenden von Rechtshilfeersuchen einen Verwaltungsaufwand verursachen würde, der (verglichen etwa mit Kontrollauskünften oder Kontrollermittlungen über andere Einkunftsarten) in einem völlig unangemessenen Verhältnis zu den bei der Durchführung des Jahresausgleiches zu refundierenden Beträgen stünde.

Selbst bei Wohnsitz des Arbeitnehmers in Staaten, mit denen kein Rechtshilfeverkehr in Abgabensachen besteht, scheint der Ausschluß von der Geltendmachung des Jahresausgleiches zur Ungleichbehandlung der zunächst in Österreich unselbständig Erwerbstätigen gegenüber unbeschränkt steuerpflichtigen Selbständigen zu führen, bei denen die Kontrollmöglichkeit hinsichtlich allfälliger ausländischer Einkünfte in solchen Staaten ebenfalls sehr eingeschränkt ist. In diesem Zusammenhang ist auch auf § 72 Abs 3 EStG hinzuweisen, wonach ein amtswegiger Jahresausgleich, der unter Umständen zu einer Steuernachzahlung führt, auch in jenen Fällen durchgeführt werden kann, in denen ein Arbeitnehmer seinen Wohnsitz im Ausland hat, obwohl auch in diesen Fällen die Kontrollmöglichkeit vermindert und der Verwaltungsaufwand nicht ganz unbedeutend sein mag.

Das Argument der belangten Behörde, es handle sich bei den ausgeschlossenen Fällen um Bagatellfälle, sodaß ein Vergleich mit § 72 Abs 5 EStG zu ziehen sei, vermag vorläufig nicht zu überzeugen, zumal jene Fälle, bei denen ein Arbeitnehmer ganzjährig beschäftigt ist und die durch § 72 Abs 2 nicht ausgeschlossen sind, sich in der Regel beim Jahresausgleich betraglich weniger auswirken dürften, als die ausgeschlossenen Fälle."

2. Zu G78/82 und G79/82:

Beim VwGH sind Beschwerden gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. anhängig, mit denen Anträge auf Durchführung eines Jahresausgleiches unter Hinweis auf die angeführten Worte im § 72 Abs 2 EStG 1972 abgewiesen wurden.

Mit Schriftsätzen vom , A25/82 (G78/82) und A26/82 (G79/82), stellte der VwGH gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag, die angeführten Worte im § 72 Abs 2 EStG 1972 als verfassungswidrig aufzuheben. Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Worte hat der VwGH die gleichen Bedenken geltend gemacht, die den VfGH in dem in Z 1 angeführten Beschluß zur Einleitung des amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt haben.

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Antrag stellt, die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Bundesregierung hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:

"Die in Prüfung gezogene Regelung dient Zwecken der Verwaltungsvereinfachung. Der Gesetzgeber will mit ihr verhindern, daß die Verwaltung (Finanzämter) mit einer Vielzahl von Jahresausgleichsanträgen befaßt wird, die von - gleichwohl unbeschränkt steuerpflichtigen - Arbeitnehmern mit dem Wohnsitz im Ausland bei nur vorübergehender Beschäftigung im Inland während eines Kalenderjahres gestellt werden können. In solchen Fällen hat sich nämlich in der Praxis gezeigt, daß die Durchführung der notwendigen Ermittlungsverfahren oft äußerst langwierig oder schlechthin unmöglich war, die zu erstattenden Beträge meist nur geringfügig waren und überdies nur unter erheblichen Schwierigkeiten ins Ausland gezahlt werden konnten. Im Hinblick auf die Zielsetzung des beantragten Jahresausgleiches erschien es dem Gesetzgeber offenbar geboten, die entsprechenden Bedingungen für die Durchführung des beantragten Jahresausgleiches in einer Weise zu stellen, die den erforderlichen Arbeitsaufwand auf ein vertretbares Ausmaß herabsetzen.

Der VfGH bezweifelt, daß das Nichtbestehen eines Wohnsitzes im Inland die Überprüfbarkeit ausländischer Einkünfte erschwert, da doch 'mit der überwiegenden Zahl europäischer Staaten und vielen außereuropäischen Staaten Rechtshilfeverkehr in Abgabensachen besteht.'

Dazu ist festzustellen, daß eine allgemeine Aussage dahingehend, daß mit den meisten Staaten eine wirksame Rechtshilfevereinbarung bestehe, im vorliegenden Fall nicht getroffen werden kann: Es muß darauf hingewiesen werden, daß mit Jugoslawien noch kein diesbezügliches Abkommen in Kraft steht, sodaß in dem dem vorliegenden Fall zugrunde liegenden Verfahren ein Amtshilfeansuchen an die Behörden des Heimatstaates des Einschreiters erfolglos gewesen wäre. Teilweise fehlen aber auch dort, wo mit ausländischen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen bestehen, noch ergänzende Rechtshilfeabkommen, die zur Durchführung des Verwaltungsverfahrens notwendig sind.

Insbesondere muß darauf hingewiesen werden, daß nach den Doppelbesteuerungsabkommen bzw. Rechtshilfeabkommen in Abgabensachen der Auskunftsverkehr in der Regel über die Zentralstellen abgewickelt wird, (vgl. zu diesem Punkt etwa das Doppelbesteuerungsabkommen mit der BRD, BGBl. Nr. 221/1955, Art 20, und Philipp - Loukota, Internationales Steuerrecht, Teil I Z 26). Die Befassung der jeweiligen Zentralstellen mit dem vorangehenden und nachfolgenden Aktenlauf stellt ohne Zweifel eine wesentliche administrative Erschwerung des Verfahrens im Vergleich zu jenen Verfahren dar, in denen die erforderlichen Auskünfte innerstaatlich von den Abgabenbehörden besorgt werden können.

Zu berücksichtigen ist schließlich, daß Doppelbesteuerungsabkommen in der Regel Ablehnungsgründe für die Auskunftserteilung enthalten. Jeder Staat darf die nach seinem innerstaatlichen Recht bestehenden Berufs- und Geschäftsgeheimnisse wahren und muß nur jene Auskünfte weitergeben, die im normalen üblichen Verwaltungsablauf erhältlich sind, und nicht auch solche, die besonders weitgehende Sonderermittlungen erfordern würden (vgl. Philipp - Loukota, Teil I, Z 26).

Es bestehen daher in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer seinen Wohnsitz im Ausland hat, ohne Zweifel wesentlich geringere Auskunftsmöglichkeit für die Steuerbehörde, als dies bei Personen mit Wohnsitz im Inland der Fall ist. Es wird daher schon aus diesem Grund für nicht unsachlich erachtet, an den Wohnsitz des Arbeitnehmers unterschiedliche steuerrechtliche Behandlungen zu knüpfen.

Die hier in Frage stehende gesetzliche Differenzierung dient auch dem Zweck, Mißbräuche hintanzuhalten. Diese könnten sonst in den Fällen auftreten, in denen ein ausländischer Arbeitnehmer im gleichen Kalenderjahr in verschiedenen Ländern zeitlich aufeinanderfolgend einer Beschäftigung nachgeht und das jeweils aus einem Beschäftigungsverhältnis resultierende Guthaben im Wege des Jahresausgleiches einholt. Bei Arbeitnehmern, die während des ganzen Kalenderjahres im Inland ständig beschäftigt waren, scheidet eine für den Jahresausgleich relevante Tätigkeit im Ausland während des gleichen Zeitraumes aus, weshalb in diesen Fällen die Voraussetzungen für die Durchführung eines Jahresausgleiches als gegeben angesehen werden können. Ähnlich verhält es sich im Falle des Wohnsitzes im Inland, da dann die Überprüfbarkeit in jeder Richtung erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht wird.

Der VfGH stellt weiters fest, eine Ungleichbehandlung könne darin gesehen werden, daß die in Frage stehende Regelung Arbeitnehmer anders behandle als selbständig Erwerbstätige.

In diesem Zusammenhang sei zunächst auf die ständige Judikatur des VfGH verwiesen, nach der die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von unselbständig und selbständig Erwerbstätigen in den zahlreichen Unterschieden zwischen diesen beiden Erwerbsarten im Tatsächlichen ihre sachliche Rechtfertigung findet:

So hat der VfGH etwa in seinem Erkenntnis VfSlg. 6533/1971 ausgeführt, es bestehe kein Anlaß, von seiner Rechtsprechung abzugehen, nach der es dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz nicht verwehrt ist, Einkünfte aus selbständiger und nicht selbständiger Arbeit entsprechend den mannigfaltigen Unterschieden zwischen den verschiedenen Schichten der Erwerbstätigen und zwischen den verschiedenen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten abgabenrechtlich verschieden zu behandeln (vgl. dazu auch VfSlg. 3334/1958, 4239/1962, 4466/1963, 5740/1968). Auch rechtspolitische (wirtschaftspolitische, finanzpolitische, sozialpolitische udgl.) Erwägungen sind geeignet, abgabenrechtliche Differenzierungen der verschiedenen Arten der Einkünfte sachlich zu rechtfertigen (vgl. zB VfSlg. 5862/1968, 6030/1969).

Einer so gelagerten unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung von unselbständig und selbständig Erwerbstätigen kann dann im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht entgegengetreten werden, wenn der Gesetzgeber im Rahmen solcher rechtspolitischer Erwägungen handelt, ohne dabei zu exzedieren.

Die angeführten sachlichen Begründungen für die differenzierende Regelung sind nach Ansicht der Bundesregierung geeignet, die rechtspolitische Entscheidung des Steuergesetzgebers, Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Ausland, die nicht ganzjährig im Inland beschäftigt sind, hinsichtlich ihrer Möglichkeiten des Jahresausgleiches anders zu behandeln als andere Arbeitnehmer, ausreichend sachlich zu rechtfertigen.

Die hier aus verwaltungsökonomischen, aber auch aus Gründen der tatsächlichen Durchführbarkeit von Verwaltungsmaßnahmen getroffene rechtspolitische Entscheidung bewegt sich durchaus im Rahmen rechtspolitischer Erwägungen, die selbst nicht am Gleichheitssatz gemessen werden können und nicht der Kontrolle durch den VfGH unterliegen (vgl. VfSlg. 5692/1968, 5862/1968, 6030/1969, 6152/1970, 6204/1970, 6255/1970). Der in Prüfung gezogenen Norm kann somit unter Berufung auf das Gleichheitsgebot deswegen nicht entgegengetreten werden, weil der Gesetzgeber bei der Erlassung dieser Norm - ohne zu exzedieren - im Rahmen der Verfolgung von Zielen der Politik bleibt, die zur sachlichen Begründung der in der Norm liegenden Differenzierung herangezogen werden können. Es ist ein zulässiges Ziel der Politik, im Rahmen der Steuergesetzgebung von solchen Regelungen abzusehen, die im Hinblick auf ihre komplizierte Administrierbarkeit einen besonders hohen Verwaltungsaufwand erfordern würden, die vom Normadressaten besonders leicht mißbräuchlich in Anspruch genommen werden können und die in einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Einzelfällen überhaupt nicht administrierbar sind."

4. Der VfGH hat die Gesetzesprüfungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§§187 und 404 ZPO iVm. § 35 Abs 1 VerfGG).

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der mit "Jahresausgleich" überschriebene § 72 EStG 1972 idF. BGBl. 469/1974 und BGBl. 645/1977 (vor der Nov. BGBl. 620/1981) lautet:

"§72. (1) Arbeitnehmer können die Durchführung eines Jahresausgleiches beantragen, wenn sie im Kalenderjahr

1. nicht ständig beschäftigt waren oder

2. sonstige Bezüge (§67) erhalten haben, die nicht mit den festen Steuersätzen versteuert wurden, oder

3. laufende Arbeitslöhne bezogen haben, die in den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen nicht gleich hoch waren, oder

4. den Alleinverdienerabsetzbetrag gemäß § 57 Abs 2 oder einen Freibetrag gemäß § 62 Abs 4 auf der Lohnsteuerkarte eingetragen erhalten haben und der Arbeitgeber von seiner Berechtigung gemäß § 64 keinen Gebrauch gemacht hat oder

5. Beiträge an gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften gemäß § 18 Abs 1 Z 5 geleistet haben oder

6. Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag haben, dieser aber nicht durch Eintragung auf der Lohnsteuerkarte berücksichtigt wurde.

(2) Der Antrag auf Durchführung des Jahresausgleiches gemäß Abs 1 ist bis längstens 31. März des folgenden Kalenderjahres bei der für die Durchführung zuständigen Stelle einzubringen. Der Jahresausgleich ist durchzuführen

1. vom Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer nur von ein und demselben Arbeitgeber während des ganzen Kalenderjahres Arbeitslohn erhalten hat und die Voraussetzungen des Abs 1 Z 2 bis 5 gegeben waren; der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Jahresausgleich auch für Arbeitnehmer durchzuführen, die infolge Präsenzdienstleistung, Krankheit oder Karenzurlaub für bestimmte Lohnzahlungszeiträume des Kalenderjahres keinen Arbeitslohn erhalten haben,

2. vom Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers in allen übrigen Fällen.

Ein Jahresausgleich auf Antrag kann für Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, nicht durchgeführt werden; ausgenommen sind Arbeitnehmer, die während des ganzen Kalenderjahres im Inland ständig beschäftigt waren. Zeiten des Krankengeldbezuges bzw. des Bezuges von Arbeitslosengeld sind den Beschäftigungszeiten gleichzuhalten.

(3) Das Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers hat einen Jahresausgleich von Amts wegen durchzuführen, wenn im Kalenderjahr steuerpflichtige Einkünfte zumindest zeitweise gleichzeitig von zwei oder mehreren Arbeitgebern (§47) bezogen worden sind, deren Summe 100000 S übersteigt. Dies gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer vom selben Arbeitgeber mehrere Bezüge im Sinne des § 71 zweiter Satz erhalten hat, deren Summe 100000 S übersteigt. Zur Durchführung des Jahresausgleiches haben die Arbeitgeber Namen und Anschrift jener Arbeitnehmer, die keine oder eine Zweite (Dritte usw.) Lohnsteuerkarte vorgelegt haben, bis 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres dem Wohnsitzfinanzamt der Arbeitnehmer bekanntzugeben. Von dieser Verpflichtung sind die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung befreit, soweit sie Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung auszahlen.

(4) Ein Jahresausgleich gemäß Abs 3 hat zu unterbleiben, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 41 zur Einkommensteuer veranlagt werden.

(5) Ein Jahresausgleich gemäß Abs 2 Z 2 oder gemäß Abs 3 ist nur durchzuführen, wenn sich hiedurch eine Änderung gegenüber der einbehaltenen Lohnsteuer um mehr als 30 S ergibt."

2. Mit dem im Anlaßbeschwerdeverfahren B275/81 bekämpften Bescheid vom 13. Feber 1981, Z GA 5-1971/1/80, wurde der auf § 72 Abs 1 Z 1 EStG 1972 gestützte Antrag des Bf. auf Durchführung eines Jahresausgleiches von der bel. Beh. unter Berufung auf § 72 Abs 2 vorletzter Satz EStG 1972, wonach ein Jahresausgleich auf Antrag für Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, nicht durchgeführt werden kann, abgewiesen. Die mit dem letzten Satz des § 72 Abs 2 EStG 1972 eine inhaltliche Einheit bildende, in Prüfung gezogene Gesetzesstelle ist auch vom VfGH bei der Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden.

Es ist kein Umstand hervorgekommen, der gegen die Annahme des VwGH spricht, daß er bei der Entscheidung über die bei ihm anhängigen Beschwerden die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle anzuwenden hat.

Die Präjudizialität ist gegeben. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

3. Wie bereits im Einleitungsbeschluß ausgeführt, ist die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle durch die EStG-Nov. 1970, BGBl. 370/1970, in das damals geltende EStG 1967 eingefügt worden (vgl. hiezu die oben zitierte Motivation). Sie wurde mit geringfügigen Änderungen durch das EStG 1972 übernommen.

4. a) Nach der in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle ist die Gruppe von Arbeitnehmern, die ihren Wohnsitz im Ausland haben und im Inland nicht während eines ganzen Kalenderjahres ständig beschäftigt waren, von der Geltendmachung des Jahresausgleiches ausgeschlossen und damit gegenüber Arbeitnehmern mit inländischem Wohnsitz und gegenüber Arbeitnehmern mit ausländischem Wohnsitz, aber ständiger Beschäftigung während des ganzen Kalenderjahres im Inland, benachteiligt.

b) Das EStG 1972 regelt die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen. Der III. Abschn. behandelt den Steuertarif für das zu versteuernde Einkommen. Nach § 66 Abs 2 (weitere Zitate ohne Gesetzesbezeichnung beziehen sich auf das EStG 1972) werden die Lohnsteuersätze "aus dem Einkommensteuertarif (§33) abgeleitet".

Das Gesetz geht daher (vgl. § 33) - unter Beachtung von Besonderheiten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten (§2) ergeben - davon aus, daß Steuermaßstab das Jahreseinkommen eines Steuerpflichtigen ist, mag auch der Abgabenanspruch in verschiedenen Zeitpunkten entstehen (§4 Abs 2 lita, Abs 3 BAO;§ 77). Der Natur der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß soll der Jahresausgleich (§§72 f.) bewirken, daß - von sachlich gerechtfertigten einzelnen Ausnahmen abgesehen - die Ableitung der Lohnsteuersätze aus dem Einkommensteuertarif (§§33, 66) - auf das ganze Jahr gerechnet - zu einer im Grundsatz gleichmäßigen Besteuerung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und sonstigen Einkünften iS des § 29 tatsächlich führt. Zwar ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, Einkünfte aus selbständiger Arbeit anders zu behandeln als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, jedoch nur insoweit, als eine verschiedenartige Besteuerung aus den tatsächlichen Unterschieden zwischen den verschiedenen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten abgeleitet werden kann (VfSlg. 6533/1971). Dies kann zB der Fall sein, wenn gewisse Sonderbestimmungen für einzelne Einkunftsarten ihrer Natur nach nicht in Frage kommen (vgl. zB §§6 - 14 und 16) oder ein Ausgleich für die Unmöglichkeit der Geltendmachung von Steuerbegünstigungen, die sich aus der Natur einer anderen Einkunftsart heraus ergeben, geschaffen werden soll (§§67 und 68) oder wenn es sich zB um sachlich gerechtfertigte Pauschalierungen handelt (zB § 17).

c) Die Lohnsteuer wird nach dem Taglohn bemessen (§66 Abs 1). Für andere als eintägige Lohnzahlungszeiträume sind die auf den Taglohn entfallenden Lohnsteuerbeträge mit der Zahl der Arbeitstage für den Lohnzahlungszeitraum zu vervielfachen (§66 Abs 3). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei der Lohnzahlung einzubehalten (§78) und in der Folge abzuführen (§79). Die Bestimmung des § 72 über den Jahresausgleich ist nun eine notwendige Korrekturbestimmung in jenen Fällen (um nur die wichtigsten herauszugreifen), in denen ein Arbeitnehmer nicht ständig beschäftigt war oder laufende Arbeitslöhne bezogen hat, die in den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen nicht gleich hoch waren (§72 Abs 1 Z 1 und 3). Diese Bestimmung ist die notwendige Klammer zwischen der Lohnsteuer, deren Sätze aus dem Einkommensteuertarif abgeleitet werden, und dem für das Einkommensteuerrecht geltenden Grundsatz, daß - abgesehen von sachlich gerechtfertigten Ausnahmefällen - das Jahreseinkommen für alle Steuerpflichtigen gleich hoch besteuert werden soll.

d) Es ist daher im folgenden zu prüfen, ob der Ausschluß des Steuerpflichtigen, der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bereits versteuert hat - im Gegensatz zu jenem Steuerpflichtigen, der Einkünfte aus anderen Einkunftsarten hat - vom Jahresausgleich und der damit bewirkte Umstand, daß dieser nicht in den Genuß der richtig berechneten Jahressteuer gelangen kann, allein schon damit sachlich gerechtfertigt werden kann, daß er seinen Wohnsitz im Ausland hat und nicht während des ganzen Kalenderjahres im Inland ständig beschäftigt war. Daß nämlich - ohne diesen nachträglichen Ausgleich - vollkommene Verzerrungen der Jahressteuer eintreten müssen, liegt auf der Hand. Die Verzerrung wird - der Natur der Lohnsteuerberechnung entsprechend - um so krasser, je kürzer die Beschäftigung innerhalb eines Jahres dauerte. Bei Branchen, in denen saisonale Schwankungen der Arbeit üblich sind (zB Bauarbeiten, Fremdenverkehr), hängt daher die Höhe der Jahressteuer zB davon ab, ob durch früheren Wintereinbruch Bauarbeiten vorzeitig abgeschlossen werden müssen oder durch längere oder kürzere Schneelage die Wintersaison im Fremdenverkehr später oder früher endet. In all diesen Fällen besteht keine Ausgleichsmöglichkeit, wenn der Arbeitnehmer etwa nach Beendigung seiner Tätigkeit seinen Wohnsitz wieder in das Ausland verlegt oder seinen Wohnsitz aufgeben muß, weil er für die Dauer seiner Beschäftigung in einer Dienstwohnung untergebracht war, die er nach Beendigung seines Dienstverhältnisses aus zivilrechtlichen Gründen wieder verlassen muß. Findet dieser Arbeitnehmer nach kürzester Zeit im Inland eine andere ständige Beschäftigung oder eine selbständige Betätigungsmöglichkeit (mit Einkünften iS des § 2 Abs 3 Z 1 - 3 oder 5 - 7) und kann er daher deshalb im Inland verbleiben, dann ist auf ihn der auf das Kalenderjahr abgestellte Steuertarif anzuwenden. Im umgekehrten Fall, also wenn er im Inland keine andere Beschäftigung oder keine selbständige Betätigungsmöglichkeit (mit Einkünften iS des § 2 Abs 3 Z 1 - 3 oder 5 - 7) findet, weshalb er zu seinem ausländischen Wohnsitz zurückkehrt, besteht für ihn nicht die Möglichkeit, nach dem auf das Kalenderjahr abgestellten Steuertarif behandelt zu werden, auch wenn er keinerlei Einkünfte (im Ausland) für den Rest des Jahres hat. Dieser Umstand tritt sowohl für Personen ein, die ihren Wohnsitz vom Ausland in das Inland zur Ausübung einer Arbeit verlegt haben und dann wieder in das Ausland zurückkehrten, als auch für jene Personen, die ihren Wohnsitz vom Inland in das Ausland, aber nicht vorher vom Ausland in das Inland verlegt haben. Er betrifft ausschließlich Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

e) Der VfGH verkennt nicht, daß die Verwaltungsvereinfachung ein sachlich gerechtfertigtes Motiv für eine undifferenzierte Regelung sein kann. Es kann dies aber nicht so weit gehen, daß in durchaus typischen Beispielsfällen, etwa wenn Dienstnehmer mit hohen Einkünften nur saisonal und daher kurz beschäftigt werden, mit einer Lohnsteuer (= Einkommensteuer) belastet werden, die oft ein Vielfaches dessen betragen wird, was sich gegenüber der Berechnung einer Jahressteuer ergeben würde. Der Hinweis der Bundesregierung mag zutreffen, daß im Einzelfall die Ermittlungsverfahren langwierig sein können, ja sogar, daß sie im Einzelfall ergebnislos bleiben können. Es muß daher im einzelnen nicht geprüft werden, ob und inwieweit es sachlich gerechtfertigt wäre, etwa durch Pauschalierungen, Beweisregeln, Voraussetzung des Vorliegens von Doppelbesteuerungsabkommen, im einzelnen oder für gruppenmäßig erfaßte Personenkreise Regelungen zu treffen, die dem gerechtfertigten Streben nach Verwaltungsvereinfachung nachkommen. Eine Regelung, die schlechterdings, ausnahmslos und zwingend jede Anpassung der im Abzugswege erhobenen Steuer an den Grundsatz der Jahressteuerbelastung ausschließt, ist jedenfalls sachlich nicht gerechtfertigt.

f) Der weitere Hinweis der Bundesregierung, daß jeder Staat die nach seinem innerstaatlichen Recht bestehenden Berufs- und Geschäftsgeheimnisse wahren muß, geht deshalb fehl, weil der Steuerpflichtige im einzelnen der Auskunftserteilung an die fremde Finanzverwaltung zustimmen kann und dies in der Regel dann, wenn es in seinem Interesse gelegen ist, auch tun wird, da ja die Auskunftserteilung der fremden Finanzverwaltung oft die Voraussetzung für die Ermöglichung eines Jahresausgleiches bilden wird. Stimmt der Steuerpflichtige der Auskunftserteilung im Einzelfall nicht zu, dann gerät er in Beweisnotstand, den er selbst verursacht hat.

Der weitere Hinweis, daß die Doppelbesteuerungsabkommen in der Regel keine Regierung verpflichten, besonders weitgehende Sonderermittlungen anzustellen, geht deshalb fehl, weil als Voraussetzung der Anwendbarkeit der Bestimmungen über den Jahresausgleich der vom Steuerpflichtigen zu erbringende Nachweis festgesetzt werden könnte, daß er keine anderen Einkünfte hat bzw. welche anderen Einkünfte er hat (etwa durch Vorlage von ausländischen Steuerbescheiden und anderen amtlichen oder sonstigen Nachweisen). Es würden dann im Regelfall keine weitgehenden Sonderermittlungen notwendig sein.

Mit dem Hinweis, daß eine Regelung zur Vermeidung von Mißbräuchen geeignet ist, kann jedenfalls für sich allein niemals der Nachweis dafür erbracht werden, daß sie nicht gegen das Gleichheitsgebot verstößt (VfSlg. 8656/1979, 8709/1979, 9006/1981).

Wenn die Bundesregierung weiters vorbringt, daß die Überweisung von Steuerguthaben nur "unter erheblichen Schwierigkeiten ins Ausland" erfolgen könne, so ist auch dies kein sachlich gerechtfertigter Grund, den Jahresausgleich in jedem Falle auszuschließen, weil es sich hiebei nicht um Maßnahmen handelt, die in typischer Weise mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit verbunden sind. Überweisungen von fälligen Steuern vom Ausland in das Inland haben ihr Gegenstück in Überweisungen von zu viel bezahlten Steuern vom Inland in das Ausland. Im übrigen war in diesem Zusammenhang nicht zu überprüfen, ob etwa die Eröffnung von inländischen Guthabenskonten für einen Steuerpflichtigen, der in der Folge selbst für die allenfalls von ihm gewünschte Weiterleitung des Guthabens in das Ausland zu sorgen hat, den Bedürfnissen einer Verwaltungsvereinfachung entgegenkommen würde.

Geht man davon aus, daß natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, dann ergibt sich daraus, daß jeweils sämtliche Einkünfte (§1) einer Person, gleichgültig, unter welche der Einkunftsarten (§2) sie fallen, zu ermitteln und der inländischen Einkommensteuer zugrunde zu legen sind; es sei denn, daß Umstände vorliegen, die Ausnahmen oder Vereinfachungen sachlich rechtfertigen. Daß die in der geprüften Gesetzesstelle geregelte Ausnahme für Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sachlich gerechtfertigt ist, hat die Bundesregierung nicht dartun können. Die Bedenken des VfGH im Unterbrechungsbeschluß haben sich daher als zutreffend erwiesen.

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

III. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 B-VG.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 B-VG.