VfGH vom 23.06.2022, G37/2022, V173/2022
Leitsatz
Keine Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie im Gleichheitsrecht durch die Verpflichtung zur Impfung gegen COVID-19 für Personen ab Vollendung des 18. Lebensjahres, die ihren Wohnsitz in Österreich haben; Impfpflicht ist als schwerer Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht zum Schutz vor einer Überlastung des Gesundheitswesens zulässig; Gesundheitsminister zur kontinuierlichen Bewertung und regelmäßigen Evaluierung der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Verpflichtung zur Impfung bei verfassungskonformer Interpretation verpflichtet; Aussetzung der Vollziehung der Verpflichtung zur Impfung durch die COVID-19-NichtanwendungsV; keine Bedenken gegen das System durch Einbindung des Hauptausschusses des Nationalrates bei notgedrungenen faktenbasierten Entscheidungen
Spruch
I.Der Antrag wird – soweit er sich auf §1 Abs1, §4 Abs1 bis 4 und §19 Abs2 des Bundesgesetzes über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG), BGBl I Nr 4/2022, sowie die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtverordnung – COVID-19-IV), BGBl II Nr 52/2022, bezieht – abgewiesen.
II.Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller,
"[…] den §1 Abs1 und den §10 Abs1 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022 als verfassungswidrig auf[zu]heben; in eventu
[…] die §§1 und 2 Z6 bis 9, §§3 und 4 Abs1 bis 4, §§5 bis 15, §16 Abs2 Z3 bis 6, §§17, 18 und 19 Abs1 Z4 und Abs2 sowie §20 Abs2 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022 als verfassungswidrig und die COVID-19-IV, BGBl II 52/2022 als gesetzwidrig auf[zu]heben; in eventu
[…] das COVID-19-IG, BGBl I 4/2022 als verfassungswidrig und die COVID-19-IV, BGBl II 52/2022 als gesetzwidrig auf[zu]heben; in eventu
[…] das COVID-19-IG, BGBl I 4/2022 und §1 Z1 Impfschadengesetz, BGBl 371/1973 idF BGBl I 5/2022 als verfassungswidrig und die COVID-19-IV, BGBl II 52/2022 als gesetzwidrig auf[zu]heben".
II. Rechtslage
1. Das Bundesgesetz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG) lautete in der – hier angefochtenen – Stammfassung BGBl I 4/2022 wie folgt (die im ersten Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Impfpflicht
§1. (1) Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sind Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet und im Bundesgebiet einen Wohnsitz gemäß §2 Z1 haben, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes verpflichtet, sich einer Schutzimpfung gegen COVID-19 zu unterziehen (Impfpflicht).
(2) Die Impfpflicht darf nicht durch Ausübung unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden.
Begriffsbestimmungen
§2. Für dieses Bundesgesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1.'Wohnsitz' ist ein aufrechter Wohnsitz gemäß §1 Abs6 des Meldegesetzes 1991 (MeldeG), BGBl Nr 9/1992, oder ein aufrechter Mittelpunkt von Lebensbeziehungen in einer Gemeinde, wenn darüber eine Hauptwohnsitzbestätigung gemäß §19a MeldeG ausgestellt wurde.
2.'Schutzimpfung gegen COVID-19' ist eine Schutzimpfung bestehend aus einer Impfung oder mehreren Impfungen mit einem zentral zugelassenen oder einem anerkannten Impfstoff gegen COVID-19.
3.'Zentral zugelassene Impfstoffe' sind im zentralen Verfahren gemäß der Verordnung (EG) Nr 726/2004, ABl. Nr L 136 vom S. 1, durch die Europäische Kommission zugelassene Impfstoffe. Die jeweils aktuell zentral zugelassenen Impfstoffe sind auf der Website des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers zu veröffentlichen.
4.'Anerkannte Impfstoffe gegen COVID-19' sind Impfstoffe gemäß einer Verordnung gemäß §4 Abs3, denen eine den in Z3 genannten Impfstoffen vergleichbare epidemiologische Wirksamkeit und Sicherheit zukommt.
5.'Bestätigte Infektion mit SARS-CoV-2' ist eine überstandene Infektion mit SARS-CoV-2,
a)die molekularbiologisch bestätigt wurde und für die eine ärztliche Bestätigung vorliegt, oder
b)aufgrund deren gegenüber der infizierten Person ein Absonderungsbescheid ausgestellt wurde.
6.'Impfintervall' ist der in einer Verordnung gemäß §4 Abs3 und 4 festzulegende Zeitraum zwischen den Impfungen.
7.'Erinnerungsstichtag' ist der durch Verordnung gemäß §5 festzusetzende Tag, an dem die impfpflichtigen Personen zum Zweck der Erinnerung gemäß §8 ermittelt werden, und in weiterer Folge die in Abständen von je sechs Monaten von diesem Tag gelegenen Folgestichtage.
8.'Impfstichtag' ist der durch Verordnung gemäß §9 festzusetzende Tag, an dem die impfpflichtigen Personen zum Zweck der Durchführung des Strafverfahrens gemäß §11 ermittelt werden, und in weiterer Folge die in Abständen von je sechs Monaten von diesem Tag gelegenen Folgestichtage.
9.'Nachweis über die Erfüllung der Impfpflicht' ist ein Nachweis gemäß §4b Abs1 Z3 in Verbindung mit §4e des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950, eine entsprechende Eintragung im Impfpass, eine Eintragung im zentralen Impfregister (§24c des Gesundheitstelematikgesetzes 2012 [GTelG 2012], BGBl INr 111/2012) oder eine ärztliche Bestätigung über die erfolgte Impfung.
10.'Impfserie' ist eine Abfolge von Impfungen bestehend aus einer Impfung oder einer Erstimpfung und weiteren Impfungen.
Ausnahmen
§3. (1) Die Impfpflicht besteht nicht für:
1.Schwangere,
2.Personen,
a)die nicht ohne konkrete und ernstliche Gefahr für Leben oder Gesundheit mit einem Impfstoff gemäß §2 Z3 geimpft werden können,
b)bei denen aus medizinischen Gründen eine Immunantwort auf eine Impfung gegen COVID-19 nicht zu erwarten ist,
c)die nach mehrmaliger Impfung gegen COVID-19 keine Immunantwort auf die Impfung ausgebildet haben, und
3.Personen, die eine bestätigte Infektion mit SARS-CoV-2 überstanden haben, für die Dauer von 180 Tagen ab dem Tag der Probenahme.
(2) Die Ausnahme von der Impfpflicht gemäß Abs1 Z1 und 2 gilt jeweils bis zum Ablauf des Folgemonats nach Wegfall des Ausnahmegrundes. Vollendet eine Person nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes das 18. Lebensjahr, gilt die Impfpflicht mit dem Ablauf des Folgemonats nach Vollendung des 18. Lebensjahres.
(3) Die Ausnahmegründe gemäß Abs1 Z1 und 2 sind durch eine Bestätigung einer mit einer vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister mittels Verordnung festgelegten fachlich geeigneten Ambulanz einer Krankenanstalt für die dort in Behandlung befindlichen Patienten oder durch eine amtsärztliche oder epidemieärztliche Bestätigung nachzuweisen. Diese fachlich geeigneten Ambulanzen von Krankenanstalten, Amtsärzte und Epidemieärzte haben als datenschutzrechtlich Verantwortliche (§6 Abs8) folgende Angaben über das Vorliegen eines Ausnahmegrundes im zentralen Impfregister (§24c GTelG 2012) unter Einhaltung der Vorgaben des §24d Abs1 GTelG 2012 zu speichern:
1.Angaben zur Person (Name, Geburtsdatum, Geschlecht und das bereichsspezifische Personenkennzeichen Gesundheit);
2.Angaben zur speichernden Gesundheitsbehörde oder zur speichernden Krankenanstalt sowie zum den Ausnahmegrund speichernden Arzt (Bezeichnung, Rolle, Berufsadresse, Datum der Speicherung);
3.das Vorliegen eines Ausnahmegrundes gegen eine COVID-19-Impfung gemäß Abs1, ausschließlich lautend auf 'Ausnahme COVID-19-Impfung';
4.Datum des Wegfalls des Ausnahmegrundes, das gemäß Abs2 festzulegen ist.
(4) Für die Ausstellung einer Bestätigung durch Amtsärzte oder Epidemieärzte haben die betroffenen Personen sämtliche zur Beurteilung des Vorliegens des Ausnahmegrundes gemäß Abs1 Z1 und 2 erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe haben auf Verlangen der Schwangeren eine Bestätigung über das Vorliegen des Ausnahmegrundes gemäß Abs1 Z1 an den örtlich zuständigen Amtsarzt oder Epidemiearzt zum Zweck der Eintragung gemäß Abs3 zu übermitteln.
(5) Sofern der Ausnahmegrund gemäß Abs1 Z3 nicht durch einen im Register anzeigepflichtiger Krankheiten gemäß §4 EpiG verarbeiteten molekularbiologisch bestätigten Test auf SARS-CoV-2 nachgewiesen werden kann, ist dieser Ausnahmegrund durch ein Genesungszertifikat (§4b Abs1 Z2 in Verbindung mit §4d EpiG), eine ärztliche Bestätigung oder einen Absonderungsbescheid nachzuweisen. Auf Antrag der betroffenen Personen hat die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde eine überstandene Infektion mit SARS-CoV-2, die molekularbiologisch bestätigt wurde, nachträglich im Register gemäß §4 EpiG zu speichern.
(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann durch Verordnung nähere Anforderungen an
1.die Form,
2.die Mindestvoraussetzungen,
3.die Gültigkeitsdauer und
4.die Mindestinhalte
von ärztlichen Bestätigungen gemäß Abs3, 5 und 9 festlegen.
(7) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat durch Verordnung festzulegen, unter welchen Voraussetzungen ein Ausnahmegrund gemäß Abs1 Z2 vorliegt.
(8) Im Fall einer Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Zulassung von Impfstoffen oder einer Änderung des Standes der Wissenschaft, insbesondere hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 durch bestimmte Personengruppen, hat der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister mit Verordnung von Abs1 abweichende Regelungen zu erlassen, sofern dies zum Schutz der öffentlichen Gesundheit oder zur Wahrung der Rechte der betroffenen Personen erforderlich ist. Dabei sind neue Ausnahmen vorzusehen oder ist – mit Ausnahme der Z2 – von bestehenden Ausnahmen etwa im Hinblick auf Voraussetzungen oder Dauer abzuweichen.
(9) Der Nachweis über eine neu geschaffene Ausnahme gemäß Abs8 kann durch eine amtsärztliche oder epidemieärztliche Bestätigung beigebracht werden. In diesem Fall dürfen die Amtsärzte und Epidemieärzte als datenschutzrechtlich Verantwortliche (§6 Abs8) diese Angaben als Ausnahmegrund unter Einhaltung des §24d Abs1 GTelG 2012 gemäß Abs3 Z1 bis 4 im zentralen Impfregister speichern.
(10) Abweichend von §24c Abs6 GTelG 2012 sind die im zentralen Impfregister gespeicherten Ausnahmegründe gemäß Abs3 und Abs8 nach Ablauf des Folgemonats nach Wegfall des Ausnahmegrundes automatisch zu stornieren.
Umfang der Impfpflicht
§4. (1) Die Impfpflicht erfüllt, wer nach dem über einen gültigen Impfstatus gegen COVID-19 verfügt.
(2) Über einen gültigen Impfstatus gegen COVID-19 verfügt, wer sich einer Erstimpfung und – bei aus mehreren Impfungen bestehenden Schutzimpfungen – innerhalb der in einer Verordnung gemäß Abs4 festgelegten Impfintervalle den im Rahmen der jeweiligen Impfserie erforderlichen weiteren Impfungen unterzogen hat.
(3) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat in einer Verordnung, in der anerkannte Impfstoffe gegen COVID-19 gemäß §2 Z4 festgelegt werden, die Voraussetzungen für eine Erfüllung der Impfpflicht im Hinblick auf Impfintervalle, Anzahl der Impfungen und allenfalls Kombination von Impfstoffen nach Maßgabe des Abs4 zu regeln.
(4) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft mit Verordnung festzulegen,
1.wie viele Impfungen für eine Impfserie erforderlich sind und in welchen Impfintervallen die Impfungen einer Impfserie durchzuführen sind,
2.in welchen Impfintervallen die Impfungen einer Impfserie durchzuführen sind, wenn vor Beginn der Impfserie oder zwischen den Impfungen eine Infektion mit SARS-CoV-2 molekularbiologisch bestätigt wurde oder ein Nachweis über das Vorhandensein neutralisierender Antikörper vorliegt,
3.in welchen Impfintervallen die Impfungen einer Impfserie fortzuführen sind, wenn die Impfserie bereits vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes begonnen wurde,
4.in welchen Intervallen Impfungen, allenfalls beginnend mit einer neuen Impfserie nachzuholen sind, sofern die vorgesehenen Impfintervalle nicht eingehalten werden,
5.in welchen Kombinationen von Impfstoffen Impfungen allenfalls durchzuführen sind,
wobei dies erforderlichenfalls für die jeweils zentral zugelassenen oder anerkannten Impfstoffe getrennt festzulegen ist.
(5) Die Bezirksverwaltungsbehörden haben in ihrer Rolle als Öffentlicher Gesundheitsdienst schriftlich dokumentierte Impfungen gegen COVID-19 im zentralen Impfregister (§24c GTelG 2012) auf Antrag der betroffenen Person nachzutragen, sofern
1.die betroffene Person in Österreich einen Wohnsitz hat,
2.die Impfung gegen COVID-19 nicht in Österreich verabreicht wurde und
3.es der betroffenen Person nicht zumutbar ist, die Impfung gegen COVID-19 gemäß §24c Abs4 GTelG 2012 im zentralen Impfregister nachtragen zu lassen.
Die Bezirksverwaltungsbehörden und die ELGA GmbH sind gemeinsame Verantwortliche gemäß §27 Abs17 in Verbindung mit §24c Abs3 GTelG 2012; die Aufteilung der Pflichten erfolgt gemäß §4a bis §4e der eHealth-Verordnung (eHealthV), BGBl II Nr 449/2020.
Erinnerungsstichtag
§5. Die Bundesregierung hat durch Verordnung einen Stichtag zur Ermittlung der impfpflichtigen Personen zum Zweck der Erinnerung gemäß §8 (Erinnerungsstichtag) festzusetzen. Der Erinnerungsstichtag ist nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Umsetzung des automatisierten Datenabgleichs gemäß §6 zu bestimmen.
Ermittlung der impfpflichtigen Personen
§6. (1) Zum Zweck der Ermittlung der impfpflichtigen Personen haben zum Erinnerungsstichtag
1.der Bundesminister für Inneres als Auftragsverarbeiter (Art4 Z8 DSGVO) der Meldebehörden als gemeinsame Verantwortliche (Art4 Z7 in Verbindung mit Art26 der Verordnung [EU] 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG [Datenschutz-Grundverordnung], ABl. Nr L 119 vom S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr L 074 vom S. 35, [im Folgenden: DSGVO]) für die Zwecke der Führung des Zentralen Melderegisters (ZMR) im Wege automationsunterstützter Datenübermittlung zu angemeldeten Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben,
a) den Familiennamen und den (die) Vornamen sowie allfällige vor- und nachgestellte akademische Grade,
b)das Geschlecht,
c)das Geburtsdatum,
d)den Adresscode und die Gemeindekennziffer sowie
e)die Adresse des Hauptwohnsitzes oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, des zuletzt begründeten weiteren Wohnsitzes, oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, der Kontaktstelle (§19a Abs2 MeldeG),
aus dem ZMR gemäß §16 MeldeG zu erheben und diese erhobenen Daten als Auftragsverarbeiter für die Stammzahlenregisterbehörde (§7 des E-Government-Gesetzes [E-GovG], BGBl INr 10/2004) mit dem verschlüsselten bereichsspezifischen Personenkennzeichen Gesundheit (vbPK-GH) auszustatten, und
2.die ELGA GmbH als Verantwortliche für das zentrale Impfregister (§27 Abs17 GTelG 2012 in Verbindung mit §4b Abs1 eHealthV) die im zentralen Impfregister gespeicherten Daten über COVID-19-Impfungen von Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nämlich
a)das bereichsspezifische Personenkennzeichen Gesundheit (bPK-GH),
b)den Familiennamen und den (die) Vornamen, sowie allfällige vor- und nachgestellte akademische Grade,
c)das Geschlecht,
d)das Geburtsdatum,
e)das Datum der Verabreichung der Impfung und die Bezeichnung des Impfstoffs (gemäß Zulassung oder Handelsname) für jede Impfung sowie
f)die Angaben gemäß §3 Abs3 Z2 bis 4
dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister unentgeltlich zu übermitteln.
(2) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat zum Zweck der Ermittlung und Erinnerung der impfpflichtigen Personen gemäß §8 als datenschutzrechtlich Verantwortlicher (Art4 Z7 DSGVO)
1.durch einen Abgleich der ihm gemäß Abs1 übermittelten Daten jene Personen zu ermitteln,
a)die zum jeweiligen Erinnerungsstichtag nach Maßgabe der im zentralen Impfregister gespeicherten COVID-19-Einträge die Impfpflicht durch Impfung erfüllt haben, sowie
b)für die nach Maßgabe der im zentralen Impfregister gespeicherten COVID-19-Einträge zum jeweiligen Erinnerungsstichtag eine zeitlich gültige Ausnahme (§3 Abs3 und 9) gespeichert ist
und die Daten dieser Personen unverzüglich nach dem durchgeführten Abgleich zu löschen, und
2.durch einen Abgleich der nach der Löschung gemäß Z1 Schlussteil verbliebenen Daten mit dem Register anzeigepflichtiger Krankheiten (§4 EpiG) jene Personen zu ermitteln, für die keine Impfpflicht zum jeweiligen Erinnerungsstichtag besteht, wobei die mit Verordnung festgelegten Vorgaben gemäß §4 Abs3 und 4 zu berücksichtigen sind; die Daten dieser Personen sind unverzüglich nach dem Abgleich zu löschen.
(3) Zum Impfstichtag hat der Bundesminister für Inneres als Auftragsverarbeiter (Art4 Z8 DSGVO) für die Stammzahlenregisterbehörde (§7 E-GovG) die Daten gemäß Abs1 Z1 mit dem verschlüsselten bereichsspezifischen Personenkennzeichen Zentrale Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren (vbPK-VS), dem verschlüsselten bereichsspezifischen Personenkennzeichen Zustellung (vbPK-ZU) und dem verschlüsselten bereichsspezifischen Personenkennzeichen für die Verwendung in der Transparenzdatenbank (vbPK-ZP-TD) auszustatten und haben der Bundesminister für Inneres als Auftragsverarbeiter (Art4 Z8 DSGVO) für die Meldebehörden die mit den verschlüsselten bereichsspezifischen Personenkennzeichen ausgestatteten Daten gemäß Abs1 Z1 und die ELGA GmbH die Daten gemäß Abs1 Z2 dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister unentgeltlich zu übermitteln. Dieser hat den Abgleich gemäß Abs2 zum Impfstichtag zu wiederholen und die folgenden nach dem Abgleich verbliebenen Daten, nämlich
1.das bereichsspezifische Personenkennzeichen Gesundheit (bPK-GH),
2.das verschlüsselte bereichsspezifische Personenkennzeichen Zentrale Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren (vbPK-VS),
3.das verschlüsselte bereichsspezifische Personenkennzeichen Zustellung (vbPK-ZU),
4.das verschlüsselte bereichsspezifische Personenkennzeichen für die Verwendung in der Transparenzdatenbank (vbPK-ZP-TD),
5.den Familiennamen und den (die) Vornamen sowie allfällige vor- und nachgestellte akademische Grade,
6.das Geschlecht,
7.das Geburtsdatum,
8.den Adresscode und die Gemeindekennziffer,
9.die Adresse gemäß Abs1 Z1 lite,
10.das Datum der Impfung und die Bezeichnung des Impfstoffs (gemäß Zulassung oder Handelsname) für jede Impfung,
11.das Datum der Probenahme (§3 Abs1 Z3),
12.den Deliktscode sowie
13.das Datum des Wegfalls des Ausnahmegrundes (§3 Abs3 Z4)
als datenschutzrechtlich Verantwortlicher (Art4 Z7 DSGVO) der jeweils örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zum Zweck der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gemäß §11 unverzüglich dem Stand der Technik entsprechend gesichert zur Verfügung zu stellen. Die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde ist anhand der Gemeindekennziffer zu ermitteln.
(4) Für die Erfüllung der Aufgaben gemäß Abs2 und 3 darf sich der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister der IT-Services der Sozialversicherung GmbH (ITSV GmbH) als Auftragsverarbeiterin (Art4 Z8 DSGVO) bedienen.
(5) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister, die Meldebehörden, die Bezirksverwaltungsbehörden, die ELGA GmbH sowie die Krankenanstalten und Amtsärzte und Epidemieärzte (§3 Abs3) haben geeignete Datensicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere
1.ist eine Übermittlung der nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeiteten personenbezogenen Daten an Dritte und eine Weiterverarbeitung der personenbezogenen Daten zu anderen Zwecken nicht zulässig, soweit nicht in diesem Bundesgesetz ausdrücklich anderes bestimmt ist,
2.hat der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister sicherzustellen, dass die Daten, sofern sie nicht bereits gemäß Abs2 gelöscht wurden, jeweils zwei Wochen
a)nach der jeweiligen Erinnerung gemäß §8 sowie
b)nach der Übermittlung an die Bezirksverwaltungsbehörden gemäß Abs 3 gelöscht werden,
3.haben die Bezirksverwaltungsbehörden
a)die Zugriffsberechtigungen für die einzelnen Bediensteten der jeweiligen Behörde individuell nach dem jeweiligen Aufgabenbereich festzulegen und zu dokumentieren. Zugriffsberechtigte sind von der Ausübung ihrer Zugriffsberechtigung auszuschließen, wenn sie diese zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht mehr benötigen oder sie die Daten nicht entsprechend ihrer Zweckbestimmung verarbeiten, sowie
b)durch organisatorische und technische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein Zugriff auf die ihnen gemäß Abs3 zur Verfügung gestellten Daten, insbesondere der Zutritt zu Räumen, in denen sich eine solche Zugriffsmöglichkeit befindet, nur den mit den entsprechenden Aufgaben betrauten Bediensteten der Behörde möglich ist. Ist es erforderlich, dass in Räumen mit einer solchen Zugriffsmöglichkeit Parteienverkehr stattfindet, ist jedenfalls sicherzustellen, dass eine Einsichtnahme in gemäß Abs3 zur Verfügung gestellte Daten durch Dritte nicht möglich ist,
4.haben die ELGA GmbH bei der Übermittlung der Daten gemäß Abs1 Z2 den §6 GTelG 2012 einzuhalten und
5.sind die Zugriffe der ELGA GmbH auf das zentrale Impfregister zum Zweck der Übermittlung an den für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister gemäß Abs1 sowie die Zugriffe der Krankenanstalten und Amtsärzte und Epidemieärzte gemäß §3 Abs3 und 8 auf das zentrale Impfregister gemäß §24f Abs5 GTelG 2012 zu protokollieren.
(6) Die im zentralen Impfregister gespeicherten Daten gemäß §3 Abs3 Z1 bis 4 in Verbindung mit §3 Abs9 dürfen von dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister im Wege der ELGA GmbH als dessen Auftragsverarbeiterin (Art4 Z8 DSGVO) zum Zweck der Qualitätssicherung, Plausibilitätsprüfung und insbesondere zur Durchführung notwendiger Ermittlungen für die Einleitung eines Verfahrens gemäß §10 Abs4 personenbezogen ausgewertet werden. Werden bei diesen Auswertungen Unregelmäßigkeiten festgestellt, die den Anschein erwecken, dass Krankenanstalten, Amtsärzte und Epidemieärzte ungerechtfertigterweise Ausnahmen gemäß §3 Abs3 und 9 im zentralen Impfregister speichern, ist der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister berechtigt, die ausgewerteten Daten der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zum Zweck der Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß §10 Abs4 dem Stand der Technik entsprechend gesichert zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck hat die ELGA GmbH dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister die ausgewerteten Daten zu übermitteln.
(7) Eine spezifische Zugriffsberechtigung auf das zentrale Impfregister gemäß §24f Abs4 GTelG 2012 haben
1.der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister für die Auswertungen gemäß Abs6 sowie für das Datenqualitätsmanagement gemäß §7,
2.die ELGA GmbH zur Erfüllung der Pflicht gemäß Abs1 Z2,
3.die Krankenanstalten, Amtsärzte und Epidemieärzte gemäß §3 Abs3 für die Speicherung der Ausnahmen gemäß §3 Abs3 und 9 sowie
4.die Bezirksverwaltungsbehörden für die Zwecke der §10 Abs3 und §11 Abs1.
(8) Die ELGA GmbH und die jeweiligen Krankenanstalten, Amtsärzte und Epidemieärzte gemäß §3 Abs3 sind gemäß Art4 Z7 in Verbindung mit Art26 DSGVO gemeinsame Verantwortliche. Die Aufteilung der Pflichten erfolgt gemäß §4a bis §4d eHealthV.
Datenqualitätsmanagement
§7. (1) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann für das Datenqualitätsmanagement eine Stelle einrichten und betreiben ('benannte Stelle') und sich dafür eines Auftragsverarbeiters (Art4 Z8 DSGVO) bedienen. Aufgabe der benannten Stelle ist die Entgegennahme von Anfragen und Beschwerden von Personen im Zusammenhang mit den Erinnerungsschreiben gemäß §8.
(2) Die spezifische Zugriffsberechtigung gemäß §6 Abs7 Z1 zur Erfüllung der in Abs1 genannten Aufgabe ist auf einen lesenden Zugriff beschränkt.
(3) Betreffen die Anfragen und Beschwerden gemäß Abs1 das zentrale Impfregister (§24c GTelG 2012), so hat die benannte Stelle das Vorliegen, gegebenenfalls die Art des Fehlers sowie den jeweiligen Gesundheitsdiensteanbieter gemäß §24c Abs2 Z1 GTelG 2012, der die Daten im zentralen Impfregister gespeichert hat, zu erheben und die Berichtigung der im zentralen Impfregister gespeicherten Daten bei diesem, oder im Falle seiner Nichtverfügbarkeit bei der Bezirksverwaltungsbehörde (§24c Abs3 GTelG 2012), zu veranlassen und die Durchführung zu überwachen. Gesundheitsdiensteanbieter sowie die Bezirksverwaltungsbehörden haben die Berichtigung unverzüglich vorzunehmen. Eine Berichtigung oder Löschung der im zentralen Impfregister gespeicherten Daten durch die benannte Stelle ist unzulässig. Kann die benannte Stelle bei der Überprüfung einer Information oder Beschwerde gemäß Abs1 keinen Fehler feststellen, ist die Person unverzüglich darüber zu informieren. Die Zugriffe der benannten Stelle auf das zentrale Impfregister sind gemäß §24f Abs5 GTelG 2012 zu protokollieren.
(4) Betreffen die Anfragen und Beschwerden gemäß Abs1 das Register anzeigepflichtiger Krankheiten (§4 EpiG), so hat die benannte Stelle die Art des Fehlers zu erheben und die Berichtigung der im Register anzeigepflichtiger Krankheiten selbst vorzunehmen oder bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu veranlassen und die Durchführung zu überwachen. Die benannte Stelle und die Bezirksverwaltungsbehörden haben die Berichtigung unverzüglich vorzunehmen. Kann die benannte Stelle bei der Überprüfung einer Information oder Beschwerde gemäß Abs1 keinen Fehler feststellen, ist die Person unverzüglich darüber zu informieren. Die Zugriffe der benannten Stelle auf das Register anzeigepflichtiger Krankheiten sind gemäß §4 Abs9 EpiG zu protokollieren.
(5) Die zur Behebung von Fehlern gemäß Abs3 und 4 erforderlichen Daten sind von der benannten Stelle in personenbezogener Form bereitzustellen. Die Verarbeitung dieser Daten hat entsprechend dem Stand der Technik zu erfolgen.
(6) Die Mitarbeiter der benannten Stelle sind vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit schriftlich über das Datengeheimnis gemäß §6 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl INr 165/1999, zu informieren. Dieses Datengeheimnis gilt auch über die Beendigung der Tätigkeit der Mitarbeiter hinaus.
Erinnerungsschreiben
§8. (1) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat die Personen, hinsichtlich deren die Erfüllung der Impfpflicht am Erinnerungsstichtag gemäß §6 Abs2 nicht ermittelt werden kann, darüber zu informieren und daran zu erinnern, dass die jeweilige Impfung ehestmöglich nachzuholen ist. Gleichzeitig hat er über Schutzimpfungen gegen COVID-19 und über einschlägige Beratungsangebote zu informieren. Zu diesem Zweck darf der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister folgende Daten verarbeiten:
1.den Familiennamen und den (die) Vornamen sowie allfällige vor- und nachgestellte akademische Grade,
2.das Geschlecht sowie
3.die Adresse gemäß §6 Abs1 Z1 lite.
(2) Für die Erfüllung der Aufgaben gemäß Abs1 darf sich der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger als Auftragsverarbeiter (Art4 Z8 DSGVO) bedienen.
Impfstichtag
§9. Die Bundesregierung kann nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Umsetzung des automatisierten Datenabgleichs gemäß §6 durch Verordnung einen Stichtag zur Ermittlung der impfpflichtigen Personen zum Zweck der Durchführung des Strafverfahrens gemäß §11 (Impfstichtag) festsetzen, sofern dies zur Sicherstellung der Erfüllung der Impfpflicht erforderlich ist. Der Impfstichtag darf frühestens einen Monat nach dem Erinnerungsstichtag liegen.
Strafbestimmungen
§10. (1) Wer nach dem die Impfpflicht nicht erfüllt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3 600 Euro zu bestrafen. Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist eine Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe nicht festzusetzen.
(2) Bei der Bemessung der Geldstrafe ist nach Maßgabe des §19 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl INr 52/1991, auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten Bedacht zu nehmen.
(3) Die Strafbarkeit entfällt, wenn die Impfpflicht innerhalb von zwei Wochen
1.nach Zustellung einer Impfstrafverfügung oder
2.im Fall, dass die Bezirksverwaltungsbehörde nicht mittels Impfstrafverfügung vorgeht, nach einer Aufforderung gemäß §40 Abs2 VStG
nachweislich nachgeholt wird. Zu diesem Zweck sind die Bezirksverwaltungsbehörden berechtigt, auf die im zentralen Impfregister gespeicherten Daten (§24c Abs2 Z2 GTelG 2012) der Personen, gegen die ein Verwaltungsstrafverfahren gemäß §11 anhängig ist, unter Anwendung des §24d Abs1 GTelG 2012 zuzugreifen, um sich über deren Impfstatus zu informieren. Die Zugriffe der Bezirksverwaltungsbehörde sind unter Anwendung des §24f Abs5 GTelG 2012 zu protokollieren.
(4) Wer als Arzt einer Krankenanstalt, Amtsarzt oder Epidemiearzt vorsätzlich
1.eine ärztliche Bestätigung über das Vorliegen eines Ausnahmegrundes gemäß §3 Abs1 Z1 bis 3 ausstellt, die nicht dem Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht, oder
2.die Angaben über das Vorliegen eines Ausnahmegrundes im zentralen Impfregister speichert, ohne dass dafür eine Bestätigung vorliegt,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 7 200 Euro zu bestrafen.
Strafverfahren
§11. (1) Wird das Strafverfahren nicht auf Grund der Ermittlung der impfpflichtigen Personen gemäß §6 geführt, hat die Bezirksverwaltungsbehörde die impfpflichtige Person zur Vorlage eines Nachweises über die Erfüllung der Impfpflicht oder gegebenenfalls über das Vorliegen eines Ausnahmegrundes gemäß §3 Abs1 binnen zwei Wochen aufzufordern. Nach fruchtlosem Verstreichen der Frist kann die Bezirksverwaltungsbehörde eine Impfstrafverfügung gemäß Abs2 erlassen. Vor Aufforderung ist die Bezirksverwaltungsbehörde berechtigt, auf die im zentralen Impfregister gespeicherten Daten (§24c Abs2 Z2 GTelG 2012) der angezeigten Person unter Anwendung des §24d Abs1 GTelG 2012 zuzugreifen, um sich über deren Impfstatus zu informieren. Die Zugriffe der Bezirksverwaltungsbehörde sind unter Anwendung des §24f Abs5 GTelG 2012 zu protokollieren. Solche Verfahren dürfen höchstens vier Mal pro Kalenderjahr zu einer Bestrafung führen.
(2) Wird das Strafverfahren auf Grund der Ermittlung der impfpflichtigen Personen gemäß §6 geführt, kann die Bezirksverwaltungsbehörde gegenüber den nach dem Abgleich am Impfstichtag gemäß §6 Abs3 verbliebenen Personen ohne weiteres Verfahren durch Impfstrafverfügung eine Geldstrafe bis zu 600 Euro festsetzen.
(3) In der Impfstrafverfügung müssen angegeben sein:
1.die Behörde, die die Impfstrafverfügung erlässt;
2.der Vorname und der Familienname sowie der Wohnort des Beschuldigten; 3.die Tat, die als erwiesen angenommen ist;
4.die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
5.die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
6.allenfalls der Ausspruch über die vom Beschuldigten zu ersetzenden Kosten;
7.die Belehrung über den begründeten Einspruch.
(4) Der Beschuldigte kann gegen die Impfstrafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung begründeten Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch ist bei der Behörde einzubringen, die die Impfstrafverfügung erlassen hat.
(5) Wird der begründete Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der begründete Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des §40 VStG. Wird im begründeten Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten, dann hat die Behörde, die die Impfstrafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den begründeten Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Impfstrafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des begründeten Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf eine höhere Strafe verhängt werden als in der Impfstrafverfügung.
(6) Wird ein begründeter Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen, ist die Impfstrafverfügung zu vollstrecken.
Örtliche Zuständigkeit
§12. Die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde richtet sich nach dem Hauptwohnsitz der impfpflichtigen Person oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, dem weiteren Wohnsitz oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, der Kontaktstelle (§19a Abs2 MeldeG).
Sonderbestimmungen für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten
§13. (1) Das Verwaltungsgericht kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn eine Beschwerde gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG lediglich mit der Behauptung, dieses Bundesgesetz sei verfassungswidrig, erhoben wird, und einem Entfall der Verhandlung weder Art6 Abs1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, noch Art47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr C83 vom S. 389, entgegenstehen.
(2) Die Amtsärzte und Epidemieärzte gemäß §3 Abs3 stehen den Verwaltungsgerichten als Amtssachverständige zur Verfügung.
(3) Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 24 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen. In die Frist werden die Zeiten gemäß §34 Abs2 und §51 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, nicht eingerechnet.
Zweckwidmung
§14. Die Eingänge aus den nach diesem Bundesgesetz verhängten Geldstrafen fließen dem jeweiligen Landesgesundheitsfonds zu.
Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes
§15. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bis zum Inkrafttreten einer Verordnung gemäß §9 im Rahmen der ihnen sonst obliegenden Aufgaben bei Amtshandlungen, die die Feststellung der Identität des Betroffenen umfassen, an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes durch die Kontrolle der Einhaltung der Impflicht und durch Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens mitzuwirken.
(2) Im Fall einer Kontrolle gemäß Abs1 ist auf Verlangen ein Nachweis über die Erfüllung der Impfpflicht oder gegebenenfalls über das Vorliegen eines Ausnahmegrundes gemäß §3 Abs1 vorzuweisen. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind zum Zweck der Überprüfung der Nachweise zur Ermittlung der für die Identitätsfeststellung erforderlichen personenbezogenen Daten (Vor- und Familienname sowie Geburtsdatum) berechtigt.
Kostentragung und Durchführung der Impfungen
§16. (1) Der Landeshauptmann hat niederschwellige Impfangebote zur Verfügung zu stellen und Vorkehrungen zu treffen, dass an bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten Impfungen durchgeführt werden.
(2) Der Bund trägt die Kosten für
1.die Bereitstellung des Impfstoffs,
2.die Durchführung der Impfungen,
3.die amtsärztlichen Bestätigungen gemäß §3 Abs3 und 9,
4.die Aufwendungen der ITSV-GmbH gemäß §6 Abs4,
5.die Aufwendungen des Dachverbands gemäß §8 Abs2, und
6.die Gebühren für Epidemieärzte zur Wahrnehmung der Aufgaben gemäß §17.
Epidemieärzte
§17. Nach den Vorgaben des §27 EpiG zur Wahrnehmung von Aufgaben nach diesem Bundesgesetz bestellte Epidemieärzte sind zur Eintragung von Ausnahmen gemäß §3 Abs1 Z1 und 2 in das zentrale Impfregister (§24c GTelG 2012) gemäß §3 Abs3 sowie zur Nachtragung von im Ausland verabreichten Impfungen gegen COVID-19 in das zentrale Impfregister gemäß §24c Abs4 GTelG 2012 befugt.
Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates, Anhörung des Nationalen Impfgremiums
§18. (1) Verordnungen gemäß §3 Abs8, §4 Abs3 und 4, §9 und §19 Abs2 bedürfen des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates.
(2) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat vor Erlassung von Verordnungen gemäß §3 Abs6 sowie §4 Abs3 und 4 das Nationale Impfgremium zu hören.
Begleitendes Monitoring
§19. (1) Eine beim Bundeskanzleramt eingerichtete Kommission gemäß §8 des Bundesministeriengesetzes 1986 (BMG), BGBl Nr 76/1986, hat – sofern ihr diese nicht ohnehin angehören – unter Beiziehung von jedenfalls zwei Professoren eines rechtswissenschaftlichen Faches an einer Universität sowie zwei medizinischen Fachexperten dem Nationalrat, dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister und der Bundesregierung im Abstand von drei Monaten ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes oder im Falle einer grundlegenden Änderung jener Umstände, die für die Erlassung dieses Bundesgesetzes maßgeblich waren, unverzüglich, insbesondere über
1.die wesentlichen wissenschaftlichen Entwicklungen im Bereich der Schutzimpfung und der Medikamente gegen COVID-19,
2.die Entwicklung der Durchimpfungsrate im Hinblick auf COVID-19,
3.die Eignung der Impfpflicht zur Verhinderung einer Überlastung der medizinischen Versorgung, und
4.die in Abs2 genannten Kriterien
zu berichten.
(2) Im Fall der Nicht-Verfügbarkeit von Impfstoffen, einer wesentlichen Änderung des Standes der Wissenschaft hinsichtlich der Wirksamkeit der Impfstoffe, der sonstigen Eignung der Impfpflicht zur Verhinderung einer Überlastung der medizinischen Versorgung, wie insbesondere bei Auftreten neuer Virusvarianten oder einer durch die Eigenschaften des Virus bedingten Veränderung des infektionsepidemiologischen Geschehens, oder der Erforderlichkeit der Impfpflicht hat der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister unverzüglich anzuordnen, dass dieses Bundesgesetz oder einzelne seiner Bestimmungen – allenfalls vorübergehend – nicht auf Sachverhalte anzuwenden sind, die sich nach einem in der Verordnung festzulegenden Zeitpunkt ereignen.
Schlussbestimmungen
§20. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft.
(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister, hinsichtlich des §6 Abs1 und 3 in Bezug auf die Datenübermittlung durch den Bundesminister für Inneres der Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres, hinsichtlich der §§5 und 9 die Bundesregierung und hinsichtlich des §19 Abs1 der Bundeskanzler betraut.
(3) Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für alle Geschlechter.
(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.
(5) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz sind auch auf der Website des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers zu veröffentlichen.
(6) Soweit dieses Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verweist, sind diese Bestimmungen in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden."
2. Das COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, wurde mit BGBl I 22/2022 weitreichend novelliert. Die Neuerungen traten gemäß §20 Abs7 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, idF BGBl I 22/2022 betreffend das Inhaltsverzeichnis zu §3a, §1 Abs2 und 3, §2 Z5, §3 Abs2, 3, 5 und 6, §3a samt Überschrift, §10 Abs2 und 3, §11 Abs1, §15 Abs1, §16 Abs2 Z2, 3 und 6 sowie §20 Abs2, 5 und 6 mit dem der Kundmachung folgenden Tag – sohin am – und betreffend das Inhaltsverzeichnis zu §3b, §2 Z11, §3b samt Überschrift sowie §7 Abs1, 2a, 2b und Abs5 am in Kraft. §1 Abs1, §4 Abs1 bis 4 und §19 Abs2 COVID-19-IG waren von dieser Novellierung nicht betroffen.
3. Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtverordnung – COVID-19-IV), BGBl II 52/2022, lautet wie folgt (diese Verordnung wird im ersten Eventualantrag zur Gänze angefochten):
"Auf Grund des §3 Abs3, 6 und 7 sowie des §4 Abs3 und 4 des Bundesgesetzes über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG), BGBl I Nr 4/2022, wird im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates verordnet:
Allgemeine Bestimmungen
§1. (1) Ein gültiger Impfstatus liegt jeweils bis zum Ablauf der Impfintervalle zwischen den einzelnen Impfungen sowie nach Abschluss einer Impfserie gemäß §4 vor. Bei Überschreitung von Impfintervallen liegt so lange kein gültiger Impfstatus vor, bis die Impfung gemäß §4 Abs7 nachgeholt wird.
(2) Für die Erfüllung der Impfpflicht sind anerkannte Impfstoffe gegen COVID-19 zentral zugelassenen Impfstoffen gegen COVID-19 gleichgestellt.
(3) Als anerkannte Impfstoffe gegen COVID-19 gelten folgende Impfstoffe gegen COVID-19:
1.SARS-CoV-2 Vaccine (Vero Cell), Inactivated (InCoV; Covilo) von Sinopharm/BIBP Beijing Bio-Institute of Biological Products,
2.COVID-19 Vaccine (CoronaVac) von Sinovac,
3.BBV152 (COVAXIN) von Bharat Biotech,
4.SARS-CoV-2 rS Protein (COVID-19) recombinant spike protein Nanoparticle Vaccine NVX-CoV2373 (COVOVAX) von Serum Institute of India und
5.ChAdOx1_nCoV-19 Corona Virus Vaccine (Covishield) von Serum Institute of India.
(4) Sofern diese Verordnung in Bezug auf bestätigte Infektionen mit SARS-CoV-2 auf den Tag der Probenahme abstellt, ist dies der Tag der ersten positiven Probenahme. Diesem Tag der Probenahme gleichgestellt ist im Fall des §2 Z5 litb des COVID-19-Impfpflichtgesetzes (COVID-19-IG), BGBl I Nr 4/2022, der im Absonderungsbescheid bestimmte erste Tag der Absonderung.
Ausnahmen
§2. Die Impfpflicht besteht nicht für:
1.Schwangere,
2.Personen, die nicht ohne konkrete und ernstliche Gefahr für Leben oder Gesundheit mit einem zentral zugelassenen Impfstoff gemäß §2 Z3 COVID-19-IG geimpft werden können. Das sind jedenfalls Personen mit folgenden medizinischen Indikationen:
a)Allergie beziehungsweise Überempfindlichkeit gegen einzelne Inhaltsstoffe, die in allen zentral zugelassenen und in Österreich verfügbaren COVID-19-Impfstoffen enthalten sind,
b)akuter Schub einer schweren inflammatorischen Erkrankung oder Autoimmunerkrankung bis zur Stabilisierung des Krankheitszustandes,
c)molekularbiologisch bestätigte Infektion mit SARS-CoV-2 oder akute, schwere, fieberhafte Erkrankung oder Infektion bis zur Genesung oder Stabilisierung des Krankheitszustandes,
d)Multimorbidität mit Dekompensation mehrerer Organsysteme, aufgrund deren eine Impfuntauglichkeit vorliegt, und
e)vermutete schwerwiegende Impfnebenwirkungen gemäß §2b Abs3 des Arzneimittelgesetzes (AMG), BGBl Nr 185/1983, bei denen eine wahrscheinliche Kausalität zur Impfung bestätigt oder in Abklärung ist.
3.Personen, bei denen aus folgenden medizinischen Gründen eine ausreichende Immunantwort auf eine Impfung gegen COVID-19 nicht zu erwarten ist:
a)Knochenmark- oder Stammzelltransplantation,
b)Organtransplantation,
c)dauernde Kortisontherapie > 20 mg beziehungsweise Prednisonäquivalent/Tag länger als zwei Wochen,
d)Immunsuppression oder Therapie mit Cyclosporin, Tacrolimus, Mycophenolat Azathioprin, Methotrexat Tyrosinkinaseinhibitoren, laufender Biologikatherapie (bei nicht onkologischer Diagnose),
e)aktive Krebserkrankungen mit einer jeweils innerhalb der letzten sechs Monate erfolgten onkologischen Pharmakotherapie (Chemotherapie, Biologika) und/oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierende Krebserkrankungen auch ohne laufende Therapie oder
f)sonstige schwere Erkrankungen oder körperliche Zustände, die eine vergleichbare immunologische Lage bedingen.
4.Personen, die nach zumindest dreimaliger Impfung gegen COVID-19 keine Immunantwort auf die Impfung ausgebildet haben, und
5.Personen, die eine bestätigte Infektion mit SARS-CoV-2 überstanden haben, für die Dauer von 180 Tagen ab dem Tag der Probenahme.
Ärztliche Bestätigung
§3. (1) Ärztliche Bestätigungen gemäß §3 Abs3 COVID-19-IG sind
1.von einer in Anlage 1 genannten fachlich geeigneten Ambulanz für die dort in Behandlung befindlichen Patienten oder
2.vom örtlich zuständigen Amtsarzt oder Epidemiearzt auszustellen und müssen dem Formblatt in Anlage 2 entsprechen. Örtlich zuständiger Amtsarzt oder Epidemiearzt ist der der Verwaltungsstrafbehörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Amtsarzt beziehungsweise Epidemiearzt.
(2) Ärztliche Bestätigungen über das Vorhandensein neutralisierender Antikörper gelten nicht als Nachweise gemäß §2 Z5.
(3) Eine vorangehende persönliche und unmittelbare Untersuchung ist nicht erforderlich, sofern
1.das Vorliegen oder das Nichtvorliegen des Ausnahmegrundes aufgrund der vorgelegten Unterlagen offenkundig ist und
2.keine Gründe vorliegen, die an der Echtheit der vorgelegten Unterlagen zweifeln lassen.
Umfang der Impfpflicht
§4. (1) Personen, die noch keine Impfserie begonnen haben, haben sich
1.einer Erstimpfung,
2.innerhalb von 65 Tagen nach der Erstimpfung einer Zweitimpfung und
3.innerhalb von 190 Tagen nach der Zweitimpfung einer Drittimpfung zu unterziehen.
(2) Personen, die sich vor Inkrafttreten des COVID-19-IG, vor Eintritt der Impfpflicht gemäß §3 Abs2 COVID-19-IG oder vor einer Impfung gemäß §10 Abs3 COVID-19-IG bereits einer Erst-, aber noch keiner Zweitimpfung unterzogen haben, haben sich,
1.sofern die Erstimpfung mehr als 360 Tage zurückliegt, einer neuen Impfserie gemäß Abs1,
2.sofern die Erstimpfung bis zu 360 Tage, aber mehr als 65 Tage zurückliegt, einer Zweitimpfung und innerhalb von 190 Tagen nach der Zweitimpfung einer Drittimpfung oder
3.sofern die Erstimpfung bis zu 65 Tage zurückliegt, innerhalb von 65 Tagen nach der Erstimpfung einer Zweitimpfung und innerhalb von 190 Tagen nach der Zweitimpfung einer Drittimpfung zu unterziehen.
(3) Personen, die sich vor Inkrafttreten des COVID-19-IG, vor Eintritt der Impfpflicht gemäß §3 Abs2 COVID-19-IG oder vor einer Impfung gemäß §10 Abs3 COVID-19-IG bereits einer Erst- und einer Zweitimpfung, aber noch keiner Drittimpfung unterzogen haben, haben sich,
1.sofern das Impfintervall zwischen Erst- und Zweitimpfung 360 Tage nicht überschritten hat und die Zweitimpfung mehr als 190 Tage zurückliegt, einer Drittimpfung,
2.sofern das Impfintervall zwischen Erst- und Zweitimpfung 360 Tage nicht überschritten hat und die Zweitimpfung bis zu 190 Tage zurückliegt, innerhalb von 190 Tagen nach der Zweitimpfung einer Drittimpfung oder
3.sofern das Impfintervall zwischen Erst- und Zweitimpfung 360 Tage überschritten hat, innerhalb von 65 Tagen nach der Zweitimpfung erneut einer Zweitimpfung und innerhalb von 190 Tagen nach der Zweitimpfung einer Drittimpfung zu unterziehen.
(4) Personen, für die eine Infektion mit SARS-CoV-2 vor Beginn einer Impfserie bestätigt wurde, haben sich
1.innerhalb von 180 Tagen ab dem Tag der Probenahme einer Erstimpfung und innerhalb von 190 Tagen nach der Erstimpfung einer Zweitimpfung oder
2.nach Ablauf von 180 Tagen ab dem Tag der Probenahme der Impfserie gemäß Abs1 zu unterziehen.
(5) Personen, für die eine Infektion mit SARS-CoV-2 vor Beginn einer Impfserie bestätigt wurde und die sich vor Inkrafttreten des COVID-19-IG, vor Eintritt der Impfpflicht gemäß §3 Abs2 COVID-19-IG oder vor einer Impfung gemäß §10 Abs3 COVID-19-IG innerhalb von 180 Tagen ab dem Tag der Probenahme einer Erstimpfung unterzogen haben, die mehr als 190 Tage zurückliegt, haben sich einer Zweitimpfung zu unterziehen. Für Personen, für die eine Infektion mit SARS-CoV-2 vor Beginn einer Impfserie bestätigt wurde und die sich nach Ablauf von 180 Tagen ab dem Tag der Probenahme vor Inkrafttreten des COVID-19-IG, vor Eintritt der Impfpflicht gemäß §3 Abs2 COVID-19-IG oder vor einer Impfung gemäß §10 Abs3 COVID-19-IG bereits einer Erst- oder einer Erst- und Zweitimpfung unterzogen haben, gilt Abs2 beziehungsweise 3.
(6) Für Personen, für die eine Infektion mit SARS-CoV-2 zwischen Erst- und Zweitimpfung oder zwischen Zweit- und Drittimpfung bestätigt wurde, gelten die Abs1 bis 3 mit der Maßgabe, dass die Impfpflicht nicht vor Ablauf von 180 Tagen ab dem Tag der Probenahme besteht.
(7) Personen, die die Impfintervalle gemäß Abs1 bis 5 und 10 überschreiten, wiedererlangen einen gültigen Impfstatus, sofern
1.das Impfintervall zwischen Erst- und Zweitimpfung 360 Tage nicht überschritten hat, mit der Nachholung der Zweitimpfung; diese Zweitimpfung gilt als Zweitimpfung gemäß Abs1 Z3,
2.das Impfintervall zwischen Erst- und Zweitimpfung 360 Tage überschritten hat, mit der Nachholung der Zweitimpfung; diese Zweitimpfung gilt als Erstimpfung gemäß Abs1 Z2.
3.das Impfintervall zwischen Erst- und Zweitimpfung gemäß Abs4 Z1, Abs5 oder 10 überschritten ist, mit der Nachholung der Zweitimpfung,
4.das Impfintervall zwischen Zweit- und Drittimpfung überschritten ist, mit der Nachholung der Drittimpfung.
(8) Für Personen, die sich vor Inkrafttreten dieser Verordnung oder vor Eintritt der Impfpflicht
1.mindestens drei Impfungen gegen COVID-19 unterzogen haben oder
2.nach einer bestätigten Infektion mit SARS-CoV-2 mindestens zwei Impfungen gegen COVID 19 unterzogen haben, wenn die Erstimpfung innerhalb von 180 Tagen ab dem Tag der Probenahme erfolgt ist, gilt die Impfpflicht als erfüllt.
(9) Für Personen, die sich mindestens zwei Impfungen mit im Ausland zugelassenen und nicht anerkannten oder nicht zentral zugelassenen Impfstoffen gegen COVID-19 unterzogen haben, gilt die zweite Impfung als Erstimpfung im Sinne dieser Verordnung.
(10) Für Personen, bei denen vor Beginn einer Impfserie ein Nachweis über neutralisierende Antikörper vorlag, gilt die Impfpflicht als erfüllt, wenn sie sich einer Erstimpfung und innerhalb von 190 Tagen nach der Erstimpfung einer Zweitimpfung unterziehen.
Inkrafttreten
§5. Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."
4. Die gemäß §19 Abs2 COVID-19-IG erlassene Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die vorübergehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung (im Folgenden: COVID-19-Nichtanwendungsverordnung) lautete in ihrer Stammfassung BGBl II 103/2022 wie folgt:
"Auf Grund des §19 Abs2 des COVID-19-Impfpflichtgesetzes (COVID-19-IG), BGBl I Nr 4/2022, wird im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats verordnet:
§1. Die §§1, 4, 10 und 11 des COVID-19-Impfpflichtgesetzes (COVID-19-IG), BGBl I Nr 4/2022, in der jeweils geltenden Fassung, sind nicht auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach Inkrafttreten dieser Verordnung ereignen.
§2. Die §§1 und 4 der COVID-19-Impfpflichtverordnung (COVID-19-IV), BGBl II Nr 52/2022, sind nicht auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach Inkrafttreten dieser Verordnung ereignen.
§3. Diese Verordnung tritt mit in Kraft und tritt mit Ablauf des außer Kraft."
5. Die gemäß §19 Abs2 COVID-19-IG erlassene COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, lautet in der derzeit geltenden Fassung BGBl II 198/2022 wie folgt:
"Auf Grund des §19 Abs2 des COVID-19-Impfpflichtgesetzes (COVID-19-IG), BGBl I Nr 4/2022, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 22/2022, wird im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats verordnet:
§1. Die §§1, 3, 3a, 3b, 4, 10 und 11 des COVID-19-Impfpflichtgesetzes (COVID-19-IG), BGBl I Nr 4/2022, in der jeweils geltenden Fassung, sind nicht auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach Inkrafttreten dieser Verordnung ereignen.
§2. Die §§1 bis 4 der COVID-19-Impfpflichtverordnung (COVID-19-IV), BGBl II Nr 52/2022, sind nicht auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach Inkrafttreten dieser Verordnung ereignen.
§3. (1) Diese Verordnung tritt mit in Kraft und tritt mit Ablauf des außer Kraft.
(2) §§1, 2 und 3 in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 198/2022 treten mit in Kraft."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antragsteller bringt in seinem Antrag auf das Wesentliche zusammengefasst vor, er sei in Wien wohnhaft und habe das 18. Lebensjahr vollendet. Weder habe er sich einer Impfung mit einem Impfstoff gegen COVID-19 unterzogen noch sei er genesen oder würden Kontraindikationen gemäß §2 COVID-19-IV vorliegen. Er unterliege sohin "nach dem der Impfpflicht gem §1 Abs1 COVID-19-IG".
1.1. Eingangs führt der Antragsteller allgemein aus, näher bezeichneten Statistiken sei zu entnehmen, dass normalgewichtige Personen ohne Vorerkrankung unter 40 Jahren – wie es der Antragsteller sei – die Intensivbetten zu keinem Zeitpunkt ernstlich belastet hätten. Sein Impfstatus beeinflusse daher nicht das Funktionieren des Gesundheitssystems. Die Omikron-Welle sei im Abklingen begriffen, es sei unklar, ob neue Varianten auftreten würden bzw wie gefährlich, ansteckend und immunevasiv diese sein können. Keiner der vier zentral zugelassenen Impfstoffe gewähre sterile Immunität oder habe das ordentliche Arzneimittel-Zulassungsverfahren durchlaufen. Junge Männer hätten ein erhöhtes Risiko, eine Impfnebenwirkung (Herzmuskelentzündung) zu erleiden. Länder mit Impfquoten von mehr als 90 Prozent würden ähnlich rasante Anstiege in den Fallzahlen erreichen wie Länder mit niedrigen Impfquoten. Österreich sei europaweit neben dem Vatikan das einzige Land, das eine allgemeine Impfpflicht eingeführt habe.
1.2. Zur Zulässigkeit des Antrages bringt der Antragsteller auf das Wesentliche zusammengefasst vor, mit seinem Hauptantrag wende er sich gegen die in §1 Abs1 COVID-19-IG normierte Impfpflicht und die dazugehörige Strafnorm gemäß §10 Abs1 COVID-19-IG. Im Falle der Aufhebung der Bestimmungen werde nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, als zur Behebung der Verfassungswidrigkeit unbedingt nötig sei.
Eventualiter fechte der Antragsteller mit seinem ersten Eventualantrag auch jene Bestimmungen an, die Verweisungen auf die Impfpflicht beinhalten würden. Die COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, sei auf Grund des §3 Abs3, 6 und 7 sowie des §4 Abs3 und 4 COVID-19-IG erlassen worden; bei Wegfall dieser Normen wäre sie gesetzlos ergangen. Die Bestimmungen würden eine untrennbare Einheit mit der verfassungswidrigen Impfpflicht bilden.
Mit dem zweiten Eventualantrag werde darüber hinaus das gesamte COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, iVm der COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, angefochten, zumal die Aufhebung der im ersten Eventualantrag bezeichneten Bestimmungen den übrigen Normen jeden normativen Inhalt entziehe. Sie verblieben als unanwendbarer Torso und seien sohin mitanzufechten.
Der dritte Eventualantrag richte sich darüber hinaus auch gegen §1 Z1 Impfschadengesetz, BGBl 371/1973, idF BGBl I 5/2022, der völlig inhaltsleer im Rechtsbestand verbliebe.
1.3. In der Sache behauptet der Antragsteller eine Verletzung in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK und im Gleichheitssatz gemäß Art7 Abs1 B-VG:
1.3.1. Die Impfpflicht greife in das Recht auf Privat- und Familienleben ein, das auch die medizinische Entscheidungsfreiheit und die physische Integrität schütze. Die Erläuterungen zum COVID-19-IG würden den Schutz der Rechte anderer und die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur zu den Zielen der Impfpflicht erklären. Die verfügbaren Impfstoffe seien aber ungeeignet, eine Herdenimmunität herbeizuführen und damit auch andere zu schützen. Hierin unterscheide sich der vorliegende Fall auch von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom , Fall Vavřička ua, Appl 47.621/13, in der die Rolle der Impfpflicht als Solidarbeitrag zum Schutz anderer mehrfach betont worden sei.
Selbst wenn die Impfung aber andere nachhaltig schützen könne, sei sie nicht das gelindeste Mittel, zumal mit Tests und Masken eine Ansteckung nicht nur effektiver, sondern auch weniger eingriffsintensiv hintangehalten werden könne. Demgegenüber fehlten Daten zur Wirksamkeit der Impfung in Bezug auf unbekannte Virusvarianten gänzlich.
Auch das Ziel, die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur zu schützen, werde mit Blick darauf, dass diese von verschiedenen Personengruppen unterschiedlich belastet werde, nicht erreicht. Normalgewichtige junge Menschen ohne Vorerkrankungen würden die Funktion des Gesundheitssystems nicht gefährden. Diese Personen zu einer Impfung zu verpflichten, sei nicht geeignet, eine Überlastung der Gesundheitsversorgung hintanzuhalten. Insofern wäre eine Impfpflicht für vulnerable Personen als gelinderes Mittel ausreichend, um die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Die Impfpflicht sei aber auch unverhältnismäßig im engeren Sinn. Entgegen den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Kriterien seien die Impfstoffe nur bedingt zugelassen. Es fehlten langjährige Daten. Ferner sei das Impfrisiko zum Teil unbekannt. Einen Schutz durch Herdenimmunität würden die Impfstoffe nicht bieten. Ein europäischer Konsens betreffend eine generelle Impfpflicht bestehe nicht. Ferner erreiche der Strafrahmen kumulativ und sukzessive insgesamt € 43.200,– und sei daher unverhältnismäßig hoch (vgl EGMR , Fall Vavřička ua, Appl 47.621/13).
Die Impfpflicht greife daher unverhältnismäßig in das Recht auf Privat- und Familienleben ein. Mangels Fehlens von Anzeichen einer Bedrohung des Gesundheitssystems würden die Voraussetzungen keinesfalls vorliegen.
1.3.2. Die Gleichbehandlung aller volljährigen Personen durch den Gesetzgeber unabhängig davon, welches Risiko sie für das Gesundheitssystem bzw welches Risiko eine Impfung für sie bergen würde, verletze den Gleichheitssatz. Die gewählte Altersgrenze von 18 Jahren sei angesichts des Umstandes, dass eine Herdenimmunität nicht erreicht werden könne, nicht medizinisch indiziert. Vulnerable und nicht vulnerable Personen seien wesentlich ungleich, deren Gleichbehandlung widerspreche dem Gleichheitssatz. Ob der Gesetzgeber die Grenze bei 40, 50 oder 60 Jahren ziehe, unterliege seinem politischen Gestaltungsspielraum, die Altersgrenze von 18 Jahren (ohne Einbezug weiterer Risikofaktoren) liege aber jedenfalls außerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen des Gleichheitssatzes. Es sei zudem unsachlich, Personen, die im Krankheitsfall mit höchster Wahrscheinlichkeit ohnehin kein Intensivbett beanspruchen werden, einer Impfpflicht zu unterwerfen.
1.3.3. Aus diesen Gründen sei die Impfpflicht gemäß §1 Abs1 und §10 Abs1 COVID-19-IG verfassungswidrig.
2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
2.1. Zum Anfechtungsumfang führt die Bundesregierung Folgendes aus:
2.1.1. Der Hauptantrag auf Aufhebung des §1 Abs1 und des §10 Abs1 COVID-19-IG erweise sich als zu eng, da die isolierte Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen zur Unanwendbarkeit von verbleibenden Bestimmungen des COVID-19-IG führten. Jedenfalls stünden folgende Bestimmungen in untrennbarem Zusammenhang mit den angefochtenen Bestimmungen: §1 Abs2 (Verbot der Ausübung unmittelbaren Zwanges), die Wortfolge "gemäß einer Verordnung gemäß §4 Abs3" in §2 Z4, die Wortfolge "in einer Verordnung gemäß §4 Abs3 und 4 festzulegende Zeitraum" in §2 Z6, §2 Z7 bis 9, §3 (Ausnahme von der Impfpflicht), §4 Abs1 bis 4 (Umfang der Impfpflicht), §5 (Erinnerungsstichtag), §6 (Ermittlung der impfpflichtigen Personen und Datenqualitätsmanagement im Zusammenhang mit Erinnerungsschreiben), §9 (Impfstichtag), §10 Abs2 bis 4 (Strafbestimmungen), §11 (Strafverfahren), §14 (Zweckwidmung), §15 (Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes), §16 Abs2 Z3 bis 5 (Verweise), die Wortfolge "zur Eintragung von Ausnahmen gemäß §3 Abs1 Z1 und 2 in das zentrale Impfregister (§24c GTelG 2012) gemäß §3 Abs3 sowie zur" in §17, §18 sowie §19 Abs1 Z4 und Abs2.
2.1.2. Auch der Anfechtungsumfang des ersten Eventualantrages sei nicht richtig abgegrenzt. Einerseits erweise er sich als zu eng, da der Antragsteller auch §2 Z4 COVID-19-IG bzw die Wortfolge "gemäß einer Verordnung gemäß §4 Abs3" in dieser Bestimmung anfechten hätte müssen. Zu §19 Abs1 Z4 COVID-19-IG hätte der Antragsteller auch das Wort "und" in §19 Abs1 Z3 COVID-19-IG mitanfechten müssen. Andererseits stehe in §2 Z6 COVID-19-IG lediglich die Wortfolge "in einer Verordnung gemäß §4 Abs3 und 4 festzulegende" in untrennbarem Zusammenhang mit den angefochtenen Bestimmungen. §12 COVID-19-IG stehe nur hinsichtlich der Wortfolge "impfpflichtigen Person" in untrennbarem Zusammenhang. In §17 COVID-19-IG stehe lediglich die Wortfolge "zur Eintragung von Ausnahmen gemäß §3 Abs1 Z1 und 2 in das zentrale Impfregister (§24c GTelG 2012) gemäß §3 Abs3 sowie" in untrennbarem Zusammenhang mit den anderen angefochtenen Bestimmungen. Epidemieärzte seien bei der bloßen Aufhebung der genannten Wortfolge weiterhin befugt, im Ausland verabreichte Impfungen gegen COVID-19 in das zentrale Impfregister gemäß §24c Abs4 GTelG 2012 nachzutragen. Vor diesem Hintergrund erweise sich auch die Anfechtung des §16 Abs2 Z6 COVID-19-IG betreffend die Gebühren für Epidemieärzte zur Wahrnehmung der Aufgaben gemäß §17 COVID-19-IG als zu weit. Die Aufhebung des §20 Abs2 COVID-19-IG erweise sich als zu weit, da nur die Wortfolge ", hinsichtlich des §6 Abs1 und 3 in Bezug auf die Datenübermittlung durch den Bundesminister für Inneres der Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres, hinsichtlich der §§5 und 9 die Bundesregierung" in untrennbarem Zusammenhang mit den angefochtenen Bestimmungen stehe.
2.1.3. Der zweite Eventualantrag erweise sich nach Auffassung der Bundesregierung als zu weit. Er umfasse die pauschale Anfechtung eines ganzen Bundesgesetzes. Es könne nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes sein, bei einer solchen Menge von angefochtenen Bestimmungen hinsichtlich jeder einzelnen Gliederungseinheit zu beurteilen, welche Teile oder Wortfolgen zu prüfen und aufzuheben wären, um die behauptete Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Andernfalls könnten sich Antragsteller in Hinkunft damit begnügen, Gesetze oder größere Gliederungseinheiten als Ganzes anzufechten, womit sie die Abgrenzung des Anfechtungsumfanges – und damit letztlich die Erfüllung einer Zulässigkeitsvoraussetzung eines Antrages – zur Gänze dem Verfassungsgerichtshof selbst überbürden würden.
Der Antragsteller würde verkennen, dass §1 Abs1 COVID-19-IG nicht mit allen Bestimmungen des COVID-19-IG in untrennbarem Zusammenhang stehe. Im zweiten Eventualantrag würden ua auch bloße Definitionen angefochten. Der Antrag lege jedoch nicht dar, dass zwischen den angefochtenen Begriffsbestimmungen und den anderen angefochtenen Bestimmungen ein solcher Zusammenhang bestehe, der eine Aufhebung (auch) der Begriffsbestimmungen erfordern würde, falls die anderen Bestimmungen verfassungswidrig wären. Ein solcher Zusammenhang liege nach Auffassung der Bundesregierung insbesondere hinsichtlich der Begriffsdefinitionen gemäß §2 Z1 ("Wohnsitz"), Z2 ("Schutzimpfung gegen COVID-19"), Z3 ("Zentral zugelassene Impfstoffe"), Z5 ("Bestätigte Infektion mit SARS-CoV-2") und Z10 ("Impfserie") auch nicht vor. Hinsichtlich des §2 Z4 ("Anerkannte Impfstoffe gegen COVID-19") resultiere der untrennbare Zusammenhang lediglich aus der Wortfolge "gemäß einer Verordnung gemäß §4 Abs3", hinsichtlich des §2 Z6 ("Impfintervall") aus der Wortfolge "in einer Verordnung gemäß §4 Abs3 und 4 festzulegende".
Auch die Pflicht der Bezirksverwaltungsbehörden gemäß §4 Abs5 COVID-19-IG, auf Antrag von betroffenen Personen Impfungen gegen COVID-19 im zentralen Impfregister (§24c GTelG 2012) nachzutragen, stehe nicht in untrennbarem Zusammenhang mit den übrigen angefochtenen Bestimmungen. Eine solche Nachtragung im zentralen Impfregister werde auch durch die Aufhebung der Impfpflicht nicht gegenstandslos, da die betroffene Person aus anderen Gründen ein privates oder rechtliches Interesse an einer Nachtragung einer Impfung gegen COVID-19 haben könne. Dies gelte auch für die Nachtragung von im Ausland verabreichten Impfungen gegen COVID-19 durch Epidemieärzte gemäß §17 COVID-19-IG.
Nicht in untrennbarem Zusammenhang mit §1 Abs1 stehe auch §16 Abs1 COVID-19-IG, wonach der Landeshauptmann niederschwellige Impfangebote zur Verfügung zu stellen und Vorkehrungen zu treffen habe, dass an bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten Impfungen durchgeführt werden. Diese Bestimmung sowie die Regelungen über die Kostentragung für die Bereitstellung des Impfstoffes und die Durchführung der Impfungen gemäß §16 Abs2 Z1 und 2 COVID-19-IG stünden nicht in untrennbarem Zusammenhang mit der Regelung über die Impfpflicht.
Nach Auffassung der Bundesregierung stehe auch die Berichtspflicht gemäß §19 Abs1 Z1 bis 3 COVID-19-IG nicht in untrennbarem Zusammenhang mit der Impfpflicht gemäß §1 Abs1 COVID-19-IG.
2.1.4. Auch der dritte Eventualantrag erweise sich nach Auffassung der Bundesregierung als zu weit. Gemäß §1 Z1 Impfschadengesetz habe der Bund ua für Schäden, die durch eine Schutzimpfung auf Grund des COVID-19-IG verursacht worden sind, nach Maßgabe des Impfschadengesetzes Entschädigung zu leisten. Obzwar der Bund hinsichtlich allfälliger Impfschäden im Zusammenhang mit Impfungen gegen COVID-19 auch auf Grundlage des §1b Abs2 Impfschadengesetz iVm §1 Z1 der Verordnung über empfohlene Impfungen, BGBl II 526/2006, idF BGBl II 577/2020 Entschädigung zu leisten habe, werde §1 Z1 Impfschadengesetz im Fall einer Aufhebung des COVID-19-IG keineswegs inhaltsleer. Der Bund hätte im Fall der Aufhebung des COVID-19-IG weiterhin für jene Schäden Entschädigung zu leisten, die aus Impfungen gegen COVID-19 resultieren, die im Zeitraum zwischen Inkraft- und Außerkrafttreten des COVID-19-IG verabreicht worden seien. In diesem Zusammenhang weise die Bundesregierung darauf hin, dass in §1 Z2 Impfschadengesetz weiterhin die Entschädigung für Schäden, die durch eine Schutzimpfung auf Grund des – nicht mehr in Kraft stehenden – Bundesgesetzes über Schutzimpfungen gegen Pocken (Blattern), BGBl 156/1948, geregelt werde. Das Anknüpfen eines Entschädigungsanspruches an die Geltung des eine Impfpflicht anordnenden Gesetzes würde der Rechtsvorschrift einen völlig veränderten, dem Normsetzer nicht mehr zusinnbaren Inhalt geben. Dies gelte umso mehr, da die Impfpflicht gegen COVID-19 gemäß §20 Abs1 COVID-19-IG zeitlich befristet werde.
2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei eine (unmittelbare) Anfechtung von Verordnungsermächtigungen, die sich an Verwaltungsorgane richten, grundsätzlich nicht zulässig, weil sie erst durch die Erlassung der konkreten Verordnung für deren Adressaten wirksam und dadurch allenfalls Eingriffe in die Rechtssphäre einer Person zu bewirken vermögen würden. Dies gelte auch für die im Eventualantrag mitangefochtenen Verordnungsermächtigungen gemäß §3 Abs3, 6, 7 und 8, §4 Abs3 und 4, §5, §9 und §19 Abs2 COVID-19-IG, die ihre Wirkung nur in Verbindung mit einer entsprechenden Verordnung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers bzw der Bundesregierung entfalten würden. Eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit liege daher nur dann vor, wenn der Antragsteller gemeinsam mit dem angefochtenen Gesetz auch die auf seiner Grundlage erlassene Verordnung oder Bestimmungen dieser Verordnung anficht. Ob dies im ersten, zweiten und dritten Eventualantrag der Fall sei, erscheine nach Auffassung der Bundesregierung zumindest fraglich, da der Antragsteller die Aufhebung der gesamten COVID-19-IV nur als Folge der Aufhebung von Bestimmungen des COVID-19-IG – als der dieser Verordnung zugrunde liegenden Verordnungsermächtigung – begehre.
2.3. Aus diesen Gründen sei die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag zur Gänze unzulässig sei.
2.4. In ihrer Äußerung vom weist die Bundesregierung ergänzend auf die zwischenzeitlich in Kraft getretene COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, hin, ohne Näheres dazu auszuführen.
In der Sache bringt die Bundesregierung auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes vor:
2.4.1. Die Bundesregierung verkenne nicht, dass eine staatlich angeordnete Impfpflicht einen Eingriff in den Schutzbereich des Art8 EMRK begründe. Eingriffe in Art8 EMRK seien jedoch gerechtfertigt, wenn sie gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft zur Erreichung eines der in Art8 Abs2 EMRK genannten Ziele notwendig seien. Die Notwendigkeit sei anzunehmen, wenn einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprochen werde. Hiebei sei jedenfalls auf die Schwere der Krankheit, die Infektiosität des Virus sowie die Gefahr für die Öffentlichkeit abzustellen (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP, 13).
2.4.1.1. Die gesetzliche Grundlage der Impfpflicht bestehe im angefochtenen COVID-19-IG und in der in eventu angefochtenen COVID-19-IV, BGBl II 52/2022.
2.4.1.2. Die mit dem COVID-19-IG verfolgten Ziele seien der Schutz der (öffentlichen) Gesundheit sowie der Schutz der Rechte anderer (vgl dazu näher die Ausführungen in AB 1312 BlgNR 27. GP, 13 f.). Diese Ziele sowie deren Legitimität ziehe der Antragsteller auch nicht in Zweifel.
Die Einführung einer Impfpflicht diene nach den Materialien insofern dem Schutz der (öffentlichen) Gesundheit, als geimpfte Personen einem deutlich geringeren Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes ausgesetzt seien und die Letalität drastisch reduziert werde. Die Reduktion schwerer Krankheitsverläufe – sowie die auf Grund einer hohen Durchimpfungsrate insgesamt verringerte Verbreitung von COVID-19 – diene auch dem Schutz der Gesundheitsinfrastruktur (vgl §19 Abs1 Z3 COVID-19-IG), den der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung als legitimes Schutzziel anerkenne (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP, 13 f.).
Darüber hinaus diene der Schutz der Gesundheitsinfrastruktur ua auch dem Schutz der Rechte anderer. Da durch die Impfung in der Regel schwere Krankheitsverläufe vermieden werden könnten, würden die Kapazitäten der Gesundheitsinfrastruktur geschont und könnten insbesondere für Personen freigehalten werden, die sich aus medizinischen Gründen keiner Impfung gegen COVID-19 unterziehen können.
Darüber hinaus trage eine Impfung auch insofern zum Schutz der Gesundheit bei, als das Risiko, im Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 an Long-COVID (eine in ihrer Magnitude noch unabsehbare Langzeitbelastung des Gesundheitssystems) zu erkranken, reduziert werde (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP, 14; s. auch die zitierten Studien im Executive Report der Kommission zur gesamtstaatlichen COVID-Krisenkoordination [GECKO] vom ).
Insbesondere im Hinblick auf die Kapazitäten des Gesundheitssystems im Bereich der Intensivversorgung sei aber festzuhalten, dass der Schutz der entsprechenden Kapazitäten nicht nur dem Schutz von Personen diene, die eine Impfung gegen COVID-19 nicht in Anspruch nehmen können, sondern zum Schutz aller Personen beitrage, die eine intensivmedizinische Behandlung benötigen. Dadurch, dass eine Überlastung der intensivmedizinischen Kapazitäten durch die Impfpflicht vermieden werde, werde sichergestellt, dass auch Personen, die aus anderen Gründen als COVID-19 eine intensivmedizinische Versorgung benötigen, diese auch erhalten können.
Diese Ausführungen seien auch auf Normalstationen übertragbar. Kapazitätsengpässe, die nicht nur durch belegte Betten, sondern insbesondere auch durch Personalausfälle entstehen könnten, wirkten sich auf die medizinische Versorgung der gesamten Bevölkerung aus. Deutlich zeige sich dies am Elektivprogramm, das in manchen Bundesländern bereits reduziert habe werden müssen. Für Planungszwecke sei es daher – vergleichbar mit der Intensivpflege – essentiell, die bestmögliche Gewährleistung der medizinischen Versorgung von Nicht-COVID-Patienten zu berücksichtigen. Die Versorgung von COVID-Patienten und die Versorgung anderer Patienten bedingten sich dabei gegenseitig. Wenn weitreichende Personalkapazitäten für die COVID-Betreuung abgezogen werden müssen, sei zwangsläufig von einer Verschlechterung in der Versorgung der Nicht-COVID-Patienten auszugehen. Bei Nutzung von Zusatzkapazitäten in großem Ausmaß sei weiters davon auszugehen, dass das hiefür eingesetzte Personal nicht die gleichwertige Versorgung wie ein optimal geschultes Personal gewährleisten könne.
Von einer Überlastung der Gesundheitsinfrastruktur sei jedenfalls dann auszugehen, wenn andere notwendige Behandlungen infolge der Priorisierung von COVID-19-Patienten verschoben, reduziert oder gänzlich unterlassen werden müssen. Das Gleiche gelte, wenn notwendige Behandlungen nur durch Ausbau von Ressourcen oder signifikante Überstunden des Gesundheitspersonals durchgeführt werden können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass medizinische Ressourcen (zB Kapazitäten im intensivmedizinischen Bereich) nie zu 100 Prozent ausgelastet sein sollten, um für übliche Schwankungen des Patientenaufkommens oder größere Unglücksfälle jenseits von COVID-19 gerüstet zu sein.
Auch eine Überlastung im Bereich der normalen Bettenstationen oder im niedergelassenen Bereich, die negative Auswirkungen auf andere notwendige Behandlungen habe, könne eine Überlastung der Gesundheitsinfrastruktur darstellen. Eine solche sei nicht allein auf Intensivstationen beschränkt (vgl dazu den ersten Bericht zum begleitenden Monitoring der Impfpflicht gegen COVID-19 vom ).
Durch die Impfpflicht würden somit nicht nur in Bezug auf SARS-CoV-2 vulnerable Personen geschützt, sondern die gesamte Bevölkerung an sich, da sich die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung unabhängig vom allgemeinen gesundheitlichen Zustand einer Person oder der konkreten Vulnerabilität gegenüber Infektionskrankheiten ergeben könne. Dies werde insbesondere im Zusammenhang mit intensivmedizinischen Behandlungen auf Grund von Unfällen oder akuten medizinischen Notfällen deutlich.
2.4.1.3. Entgegen der Ansicht des Antragstellers sei die Impfpflicht auch geeignet:
Zunächst sei klarzustellen, dass mit der Impfpflicht die Durchimpfungsrate erhöht werden solle; dies sei kein Selbstzweck, sondern solle zum Aufbau einer ausreichenden Immunität in der Bevölkerung beitragen. Diese solle weitere zukünftige Wellen im infektionsepidemiologischen Geschehen verhindern, die die Kapazitäten des Gesundheitssystems überlasten könnten. Dabei sei zu beachten, dass die Schutzwirkung der Impfung nicht unmittelbar nach Verabreichung einsetze bzw mehrere Impfdosen für einen ausreichenden Immunschutz erforderlich seien. Mit einer Impfpflicht sollten daher zukünftige Infektionswellen vorausplanend abgefedert werden, zumal eine Steigerung der Durchimpfungsrate (im Hinblick auf Erstimmunisierungen) unmittelbar vor Beginn einer Infektionswelle nicht geeignet sei, dieses Ziel zu erreichen. Aus epidemiologischer Sicht seien also hohe Durchimpfungsraten dringend notwendig (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP, 1).
Anders als die auf Grund des COVID-19-MG, BGBl I 12/2020, erlassenen Verordnungen ziele das COVID-19-IG daher nicht auf die Abwendung einer akut drohenden Überlastung der Gesundheitsinfrastruktur ab, sondern sei als langfristige Maßnahme konzipiert.
Dies werde auch in der Begründung zum COVID-19-IG zum Ausdruck gebracht, wonach es "Ziel des Gesetzes [ist], langfristig das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen, insbesondere durch das Vermeiden von schweren Krankheitsverläufen, und auch die Reduktion der Gesamt-Viruslast in der Bevölkerung durch das Erreichen und Aufrechterhalten einer Durchimpfungsrate von über 90%" (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP, 15). Um eine akut drohende Überlastung der Gesundheitsinfrastruktur zu verhindern, sei das COVID-19-IG auch tatsächlich nicht geeignet, da die Schutzwirkungen durch eine Impfung (bei der Erstimmunisierung) nicht unmittelbar nach der Impfung, sondern erst zeitverzögert eintreten würden.
Der langfristige Zeithorizont der Impfpflicht komme auch in den Regelungen der COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, zum Ausdruck. In der rechtlichen Begründung der COVID-19-IV werde dazu festgehalten:
"Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass das COVID-19-IG und die auf dieser Grundlage erlassene Verordnung andere Ziele verfolgen, als die Regelungen über den Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr in Form eines Impfnachweises gemäß COVID-19-Maßnahmen- und Einreiserecht: Die im Maßnahmenrecht vorgesehenen Regelungen über Nachweise einer geringen epidemiologischen Gefahr gemäß §1 Abs5 Z5 iVm Abs5a Z1 COVID-19-MG ('1G-Nachweis') stellen kurz- bzw längstens mittelfristige seuchenrechtliche Maßnahmen dar, indem eine größtmögliche Reduktion des Infektionsrisikos an Orten wie zB Betriebsstätten angestrebt wird. Bei der Impfpflicht handelt es sich demgegenüber um eine längerfristige Maßnahme der Pandemiebekämpfung. Dabei steht die Vorbereitung auf zukünftige Infektionswellen im Herbst/Winter 2022 im Mittelpunkt. Dies spielt insbesondere im Hinblick auf die Impfintervalle eine entscheidende Rolle (siehe auch dazu die Ausführungen zum Umfang der Impfpflicht). […]
Die Impfpflicht zielt auf den Schutz der (öffentlichen) Gesundheit ab, wobei insbesondere die Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe dem Schutz der Gesundheitsinfrastruktur dient. Als langfristig angelegte seuchenrechtliche Maßnahme steht dabei insbesondere die Vorbereitung auf zukünftige Infektionswellen im Herbst/Winter 2022 im Mittelpunkt. Vor diesem Hintergrund ist es für die Eignung der Impfpflicht zur Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit erforderlich, dass spätestens im Herbst/Winter 2022 eine ausreichende Durchimpfung der Bevölkerung besteht. Da auf Basis des aktuellen Standes der Wissenschaft für einen effektiven Schutz vor der Omikron-Variante drei Impfungen erforderlich sind (siehe dazu und zum Ganzen näher die fachliche Begründung), muss daher spätestens zum genannten Zeitpunkt eine Durchimpfung der Bevölkerung mit drei Impfungen erfolgt sein. Die in Abs1 vorgesehenen Impfintervalle wurden daher so gewählt, dass bei deren Einhaltung spätestens im Herbst/Winter 2022 eine Immunisierung der Bevölkerung mit drei Impfungen abgeschlossen ist."
Dem Antragsteller sei dahingehend zuzustimmen, dass die Impfung keinen vollständigen Impfschutz biete. Dennoch sei bei geimpften Personen und vor allem bei Personen mit dritter Impfung für eine begrenzte Dauer eine moderate Impfwirksamkeit gegen Infektion und Transmission und ein sehr guter Schutz gegen symptomatische Infektion und Hospitalisierung gegeben. Eine Abnahme dieser Impfschutzwirkung mit der Zeit habe auch bereits für Omikron gezeigt werden können.
Zur Wirksamkeit der Impfstoffe bezüglich des Übertragungsrisikos sowie zur Wirksamkeit in Bezug auf die Vermeidung von Hospitalisierungen werde auf eine näher bezeichnete Beilage zur Äußerung der Bundesregierung verwiesen.
Vor diesem Hintergrund werde klar, dass das Ziel der Impfpflicht nicht primär die Ausrottung des Virus (wie bei den Pocken) oder die Eindämmung des Infektionsgeschehens sei, sondern die Reduktion der Krankheitslast mit gleichzeitiger Entlastung der Krankenanstalten und des Gesundheitssystems. Hiefür sei also vor allem die Wirksamkeit der Impfungen zur Verhinderung von Hospitalisierungen und schweren Krankheitsverläufen von Bedeutung. Diese sei – wie bereits ausgeführt – für die COVID-19-Impfstoffe in größerem Ausmaß gegeben als jene gegen Infektion und Transmission.
Folglich schütze die Impfung gegen COVID-19 insbesondere die Gesundheitsinfrastruktur durch Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe. So werde auch in der Begründung zum gesamtändernden Abänderungsantrag festgehalten, dass der Fokus in Zusammenhang mit dem Schutz vor COVID-19 vor dem Hintergrund der Omikron-Variante auf die Reduktion der Krankheitslast zu legen sein werde (AB 1312 BlgNR 27. GP, 14). Durch den Schutz der Gesundheitsinfrastruktur würden auch die Rechte anderer geschützt.
Insoweit der Antragsteller vorbringe, es würde keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz vorliegen, die die Wirksamkeit der bisher zugelassenen Impfstoffe belege, und auf die bedingte Zulassung verweise, sei dem entgegenzuhalten, dass praktisch keine anderen Impfstoffe in so kurzer Zeit so häufig verabreicht worden seien wie Impfstoffe gegen COVID-19. Mittlerweile seien weltweit über zehn Milliarden Dosen "verimpft" worden. Es gebe also sehr umfangreiche Daten, nicht nur aus der klinischen Prüfung, sondern auch aus der realen Anwendung. Die Sicherheit dieser Impfstoffe werde auch nach der Zulassung weiterhin überwacht und das Nutzen-Risiko-Verhältnis kontinuierlich neu bewertet. Sollte auf Grund von neu auftretenden Sicherheitsbedenken dieses positive Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht mehr gegeben sein, könne die bedingte Zulassung ausgesetzt werden.
In diesem Sinne lege Art20 Abs1 der Verordnung (EG) Nr 726/2004 iVm Art116 der Richtlinie 2001/83/EG fest, dass die Europäische Kommission oder die zuständige Behörde eines Mitgliedstaates eine Genehmigung für ein Humanarzneimittel auszusetzen oder zu widerrufen hätten, wenn sich herausstellte, dass das Arzneimittel schädlich sei oder dass seine therapeutische Wirksamkeit fehlte. Zuvor sei ein Gutachten der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) einzuholen (Art20 Abs3 der Verordnung [EG] Nr 726/2004). Die Kommission könne nach Konsultation der EMA jederzeit vorübergehende Maßnahmen ergreifen, die umgehend anzuwenden seien (vgl Art20 Abs3 der Verordnung [EG] Nr 726/2004).
Zum Vorbringen des Antragstellers, keiner der verfügbaren Impfstoffe habe das ordentliche Arzneimittelverfahren durchlaufen und die Impfstoffe seien nur bedingt zugelassen, werde darauf hingewiesen, dass eine bedingte Zulassung eine Form der zentralen Zulassung darstelle. Rechtsgrundlage sei Art14-a VO (EG) 726/2004.
Art14-a der VO (EG) 726/2004 erlaube unter engen Voraussetzungen eine beschleunigte Zulassung: Zunächst müsse es sich um Arzneimittel handeln, die zur Behandlung, Vorbeugung oder ärztlichen Diagnose von zu schwerer Invalidität führenden oder lebensbedrohenden Krankheiten bestimmt seien. Impfstoffe zur Vorbeugung von COVID-19 erfüllten diese Voraussetzung zweifellos. Weiters komme eine bedingte Zulassung nur dann in Betracht, wenn eine medizinische Versorgungslücke (s dazu die Legaldefinition in Art14-a Abs2 der VO [EG] 726/2004) vorliege und eine bedingte Zulassung zur Schließung dieser Lücke erforderlich sei. Schließlich müsse gemäß Art14-a Abs1 VO (EG) 726/2004 der Nutzen der sofortigen Verfügbarkeit des betreffenden Arzneimittels auf dem Markt das Risiko überwiegen, das sich daraus ergebe, dass nach wie vor zusätzliche Daten erforderlich seien.
Wenn der Antragsteller aus dem Umstand, dass die bedingte Zulassung erteilt werden könne, ehe umfassende klinische Daten vorliegen würden (vgl Art14-a Abs1 der VO [EG] 726/2004), die Schlussfolgerung ziehe, dass es den derart zugelassenen Arzneimitteln an einem Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit fehle, so missinterpretiere er die Voraussetzungen einer bedingten Zulassung: Insbesondere übersehe er Art14-a Abs3, wonach bedingte Zulassungen nur erteilt werden dürften, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv und der Antragsteller aller Wahrscheinlichkeit nach in der Lage sei, umfassende Daten bereitzustellen.
Auch für eine bedingte Zulassung würden daher umfangreiche Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit aus klinischen Studien vorgelegt und ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis seitens der Behörde festgestellt werden müssen (auf den besonderen therapeutischen Nutzen weise auch Mayrhofer, Das rechtlich gebotene Niveau der Arzneimittelversorgung in Krankenanstalten, RdM-ÖG 2019, 9 [11], hin). Die Entwicklung müsse daher so weit fortgeschritten sein, dass die vorgelegten Daten es erlaubten, zu einer positiven Nutzen-Risiko-Abwägung zu gelangen (vgl Ambrosius/Klement, Die Zulassung von Arzneimitteln zur Behandlung von COVID-19 und zur Bekämpfung der Pandemie, PharmR 2021, 119 [123]).
Die bedingte Zulassung gelte für ein Jahr und könne danach erneuert werden. Der Antragsteller sei verpflichtet, spezifische Bedingungen zu erfüllen und die noch ausstehenden Daten nachzuliefern. Wenn diese Bedingungen erfüllt würden und bei kontinuierlicher Re-Evaluierung ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis bestätigt würde, könne eine Standard-Zulassung erfolgen.
Neben den Daten aus den klinischen Studien, die zur bedingten Zulassung eingereicht worden seien, gebe es in Bezug auf die COVID-19-Impfstoffe eine beachtliche Menge an "real-world"-Evidenz zur Wirksamkeit. Es seien sehr viele Beobachtungsstudien durchgeführt worden, die die "vaccine effectiveness" im Rahmen der realen Anwendung untersuchen würden. Dabei sei umfassendes Wissen auch in Bezug auf die Wirksamkeit gegen Virusvarianten und in verschiedenen Altersgruppen sowie zur Frage der Abnahme der Wirksamkeit im Laufe der Zeit generiert worden.
Die bedingte Zulassung könne auch in einem beschleunigten Verfahren erfolgen. Die Begutachtung im Rahmen des beschleunigten Zulassungsverfahrens verlaufe in denselben Schritten und mit derselben Qualität, die Teams der Behörden würden aber in kürzerer Zeit wesentlich mehr Ressourcen einsetzen. Zudem könne eine Beschleunigung des Zulassungsprozesses durch "rollierende Verfahren" ("rolling review") erreicht werden, bei dem die Zulassungsbehörden bereits parallel zur laufenden Entwicklung beginnen würden, bereits vorhandene Datenpakete zu begutachten. Das nachfolgende "eigentliche Zulassungsverfahren" könne dann in kürzerer Zeit ablaufen, da große Teile der Daten bereits im Detail begutachtet worden seien. Sobald die prüfende Stelle (Committee for Medicinal Products for Human Use) entscheide, dass ausreichend Daten vorhanden seien, könne ein formeller Antrag gestellt werden (Stockbauer/Fleischmann, COVID-19-Impfstoffe JETZT – aber bitte sicher! RdM 2021, 107 [108]).
Die rasche Zulassung von COVID-19-Impfstoffen sei nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass in die Entwicklung der COVID-19-Impfstoffe umfassendes und bereits vorhandenes Wissen über Coronaviren und die Impfstoffentwicklung sowie ein umfassender Ressourceneinsatz eingeflossen sei. Wo dies unter Einhaltung der strengen Sicherheitsauflagen möglich gewesen sei, seien Studienphasen auch parallel durchgeführt worden. Zusätzlich biete die EMA eine beschleunigte wissenschaftliche Beratung für Impfstoffentwickler an, um die Entwicklung zielgerichtet und fokussiert voranzutreiben.
Dem Umstand, dass eine bedingte Zulassung im Vergleich zur "Vollzulassung" auf der Grundlage weniger umfangreicher Daten erteilt werden könne, trage Art14-a der VO (EG) 726/2014 dadurch Rechnung, dass dem Zulassungsinhaber besondere Pflichten und Bedingungen auferlegt werden (Abs3). Zu diesen Bedingungen zähle es etwa, bestimmte und zum Zeitpunkt der Zulassung genau zu definierende Daten und Informationen nach erfolgter Zulassung zur Begutachtung vorzulegen. Dies erfolge mit strikten Auflagen und Vorgaben, zu welchen Zeitpunkten die noch ausstehenden Informationen an die Behörden übermittelt werden müssen.
Mit der Möglichkeit der bedingten Zulassung werde Patienten somit der Zugang zu Arzneimitteln erleichtert und gleichzeitig verhindert, dass Arzneimittel mit einem ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis eine Zulassung erhalten (vgl Kröll, Das europäische Arzneimittelrecht [2015], 190).
Die positiven Auswirkungen von Impfungen gegen COVID-19 auf die öffentliche Gesundheit seien messbar: So sei in einer israelischen Publikation berichtet worden, dass durch die verabreichten Impfungen eine Vielzahl an Infektionen, Hospitalisierungen und Todesfällen vermieden werden konnten. Die Autoren würden schätzen, dass ohne die erfolgte Impfkampagne in der Hochphase des infektionsepidemiologischen Geschehens die dreifache Anzahl an Hospitalisierungen und Todesfällen aufgetreten wäre, was die Kapazitäten des Gesundheitssystems möglicherweise überfordert hätte. Auch in Österreich seien solche Berechnungen seitens der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) durchgeführt worden: Demnach seien im Zeitraum bis österreichweit 19.203 Krankenhausaufenthalte in Normalstationen, 6.259 Aufenthalte in Intensivstationen und 6.118 Todesfälle vermieden worden.
Das zeige klar den Vorteil der Impfungen. In Österreich seien bisher lediglich zwei Todesfälle in Zusammenhang mit einer Impfung gegen COVID-19 bestätigt worden, demgegenüber stehe die Vielzahl an verhinderten Todesfällen durch COVID-19.
Auch die Ausführungen des Antragstellers zu den steigenden Fallzahlen trotz hoher Impfraten in bestimmten Ländern auf Grund der Omikron-Variante würden die Eignung des COVID-19-IG nicht in Zweifel zu ziehen vermögen, zumal das bekämpfte Gesetz – wie schon dargelegt – das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit durch die Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe und die damit einhergehende Verhinderung der Überlastung der Gesundheitsinfrastruktur verfolge.
Der Antragsteller bezweifle die Eignung der Impfstoffe gegen COVID-19, da deren Schutz nicht gegenüber neuen Virusvarianten gegeben sei.
Respiratorische Viren seien für eine kontinuierliche, schnelle Veränderung (Mutationen) ihres Erbgutes bekannt. Bisher hätten SARS-CoV-2 Mutationen zu Virusvarianten, die zu sprunghaft verstärkter Übertragung führten (insbesondere Alpha-Variante), geführt, gefolgt von aufkeimender Umgehung der Immunantwort (Beta-, Gamma-Variante) und Kombination beider Viruseigenschaften (Delta-Variante). Der Wachstumsvorteil der derzeit dominierenden Omikron-Variante lasse sich größtenteils auf die starke Umgehung der Immunantwort zurückführen, die auch in der zukünftigen Entwicklung des Virus auf Grund der großen Anzahl immunisierter Personen (durch Impfung und Infektion) vermutlich eine Rolle spielen werde und auch bei saisonalen Corona- und Influenzaviren zu beobachten sei. Beim Auftreten von neuen Immunflucht-Mutationen seien jedenfalls kontinuierliche Ausbrüche und Epidemien unterschiedlicher Größe zu erwarten.
Allerdings hätten Experten betont, dass die Richtung der SARS-CoV-2-Veränderungen noch nicht vorhersehbar sei. Dabei sei sowohl eine Entwicklung hin zu einem einfachen Erkältungsvirus als auch zu einem Influenza-ähnlichen oder noch ernsteren Virus denkbar. Gleichzeitig werde zwar allgemein erwartet, dass die zukünftige Entwicklung des Virus vorhersehbarer werden könnte, jedoch sei auch der Zeitpunkt einer solchen Entwicklung unklar. Die Unvorhersehbarkeit der Virusentwicklung werde ua auch durch die weltweit ungleiche Impfstoffverteilung und minimale Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung verstärkt, da dadurch die Zirkulation von SARS-CoV-2 und folglich die Möglichkeit des Auftretens neuer Mutationen auf hohem Niveau aufrechterhalten werde. Weitere Variablen würden in der Möglichkeit des Auftretens von rekombinanten kozirkulierender Varianten und der kontinuierlichen Zirkulation in tierischen Reservoirs gesehen, welche beide unvorhersehbare Virusveränderungen mit sich bringen könnten. Auch die WHO sehe es als wahrscheinlich an, dass es sich bei Omikron nicht um die letzte besorgniserregende Variante handle.
Bisherige Impfstoffe (sowie rezente Genesungen) würden das Risiko einer schweren COVID-19 Erkrankung durch Omikron noch immer beträchtlich verringern. Selbst wenn Omikron auch noch in einer nächsten Infektionswelle dominieren würde, werde mit den derzeitigen Impfstoffen unter Einhaltung der empfohlenen zeitlichen Abstände daher eine saisonale Welle hinsichtlich der Krankenhausbelastung abgefedert. Angepasste Impfstoffe würden die Impfstoffwirksamkeit vermutlich noch steigern können.
Zusätzlich könne für die bereits zugelassenen Impfstoffe ein Schutz vor den Langzeitfolgen einer COVID-19 Erkrankung wie "Long-COVID" nachgewiesen werden. Einerseits, da die Impfungen vor einer Infektion schützen würden, andererseits könne auch ein geringeres Auftreten von Long-COVID bei geimpften Infizierten nachgewiesen werden.
Zusammenfassend sei festzuhalten, dass eine hohe Durchimpfungsrate den Aufbau einer belastbaren Immunität in der Bevölkerung ermögliche und Schutz vor schweren Krankheitsverläufen auch beim Auftreten neuer Varianten bieten könne. Den Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Auftreten noch unbekannter Virusvarianten trage das COVID-19-IG im Übrigen durch zahlreiche Verordnungsermächtigungen und eine laufende Evaluierung der Eignung und Erforderlichkeit der Impfpflicht Rechnung. Damit ermögliche das COVID-19-IG dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister eine umgehende Reaktion auf geänderte Umstände, die allenfalls eine geänderte verfassungsrechtliche Bewertung der Impfpflicht nach sich ziehen würden.
Obwohl durch die verfügbaren COVID-Impfungen keine sterile Immunität herbeigeführt werden könne, lasse sich aus den obigen Ausführungen schließen, dass die Eignung des COVID-19-IG zur Erreichung des Zieles des Schutzes der öffentlichen Gesundheit durch den Schutz der Gesundheitsinfrastruktur und des Zieles des Schutzes der Rechte anderer nicht beeinträchtigt werde.
Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom (GK), Fall Vavřička ua, Appl 47.621/13, für die Frage der Geeignetheit einer Impfpflicht nicht zwingend das Ziel der Erreichung oder Aufrechterhaltung einer Herdenimmunität voraussetze, sondern eine Impfpflicht grundsätzlich auch in jenen Fällen für geeignet erachte, in denen eine Herdenimmunität auf Grund der Art der Krankheit (zB Tetanus) nicht relevant sei.
2.4.1.4. Der Antragsteller bezweifle die Notwendigkeit des COVID-19-IG. Er führe aus, dass gelindere Mittel zur Verfügung stünden, um die Rechte anderer effektiver und weniger eingriffsintensiv zu schützen. Nach Ansicht des Antragstellers handle es sich bei einer Maskenpflicht und regelmäßigen Tests um solche gelindere Mittel.
Beim Tragen von FFP2-Masken handle es sich grundsätzlich um eine sehr wirksame Maßnahme zur Minimierung der Übertragung von SARS-CoV-2 in Innenräumen, unter gewissen Umständen aber auch im Freien. In diesem Zusammenhang sei allerdings zu beachten, dass die analysierten Studien größtenteils unter Laborbedingungen durchgeführt worden seien oder theoretische Analysen darstellten und dass gut sitzende, korrekt und durchgehend getragene Masken verwendet bzw angenommen worden seien. Die Verringerung der Ansteckungsgefahr sei deutlich weniger ausgeprägt, wenn Masken nicht gut sitzend oder nicht korrekt und durchgehend getragen werden. Dies sei ebenso zu erwarten, wenn Masken zu lange getragen oder anderweitig unsachgemäß verwendet werden.
In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass in bestimmten Situationen ein durchgehendes Tragen der Maske nicht zumutbar und daher auch nicht lückenlos umsetzbar sei. Ausnahmen seien insbesondere in Situationen geboten, in denen eine durchgehende Maskenpflicht zu einer großen körperlichen Belastung führen würde (zB bei der Sportausübung oder in der Schwangerschaft) oder die Befriedigung von Grundbedürfnissen vereiteln würde, wie zB die Konsumation von Speisen und Getränken. Ebenso könne von bestimmten Personengruppen das korrekte Tragen einer Maske in einer Durchschnittsbetrachtung nicht erwartet oder zugemutet werden (zB Kleinkinder oder Personen, denen dies aus behinderungsspezifischen Gründen nicht zugemutet werden könne).
In einer Durchschnittsbetrachtung sei also zu erwarten, dass der Effekt der Masken im Sinne einer Verhinderung von Ansteckungen in der Praxis deutlich unter dem in Studien ermittelten Effekt liege. Das Risiko der damit einhergehenden Unsicherheiten sei dabei stets vor dem Hintergrund der jeweiligen epidemiologischen Lage zu bewerten. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass FFP2-Masken im Gegensatz zu Impfungen keinen Immunschutz vermitteln würden.
Der Antragsteller behaupte, dass Tests im Gegensatz zu Impfungen ein probates Mittel darstellen würden, um andere Personen vor einer Ansteckung zu schützen.
Mangels konkreter Darlegung sei zunächst unklar, auf welche Art von Tests sich der Antragsteller beziehe. Die unterschiedlichen Testarten würden in ihrer Effektivität erheblich voneinander abweichen. Im Folgenden werde nur auf PCR-Tests eingegangen, weil es sich dabei um den "Goldstandard" für die Diagnose einer Infektion mit SARS-CoV-2 handle. Schließlich könne dieser Test bereits relativ geringe Mengen an Virusmaterial nachweisen. Jedoch weiche die tatsächliche Sensitivität ("real-life sensitivity") der PCR-Tests von der analytischen Sensitivität ab, sodass der Anteil falsch-negativer Ergebnisse tatsächlich bis ungefähr 30 Prozent reichen könne. Ein negatives PCR-Ergebnis schließe daher nicht aus, dass trotzdem eine Infektion mit SARS-CoV-2 vorliege.
Ein gültiger Testnachweis verringere somit die Wahrscheinlichkeit infektiös zu sein, könne eine Infektiosität während der Gültigkeitsdauer aber nicht ausschließen. Weiters sei beobachtet worden, dass die Höhe der maximalen Viruslast positiv mit schnellerem Wachstum der Viruslast korreliere. Dies lege die Vermutung nahe, dass Personen, deren Viruslast schnell (und damit möglicherweise innerhalb der Gültigkeitsdauer des Testnachweises) anwachse, auch infektiöser sein könnten. Ein gültiger Testnachweis sei somit kein absoluter Ausschluss von Infektiosität. Es könne auch innerhalb der Gültigkeitsdauer – selbst bei hochsensitiven Testverfahren – eines Testnachweises zu Infektiosität kommen.
Biologische, epidemiologische und technische Faktoren würden die Verlässlichkeit einer PCR-Testung beeinflussen und könnten zu falsch-negativen Testergebnissen führen. Auch bei korrekter negativer Testung stelle diese nur eine Momentaufnahme dar, die Person könne auch innerhalb der Gültigkeitsdauer des Testnachweises infektiös werden.
Ebenso könne nicht genau quantifiziert werden, wie lange ein Test gültig sein solle. Von getesteten Personen könne innerhalb der Gültigkeitsdauer des Testnachweises ein Übertragungsrisiko ausgehen, welches umso höher sei, je länger die Testung zurückliege. Wenn außerdem keine Immunität der getesteten Person vorliege, steige das Risiko einer Übertragung noch weiter an, da nicht-immunisierte getestete Personen, unabhängig von der Gültigkeitsdauer des Testnachweises, im Gegensatz zu Genesenen und Geimpften keinen immunologischen Schutz vor Infektion und Transmission aufweisen würden.
Zusammengefasst könne davon ausgegangen werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 bei Vorliegen eines negativen Testergebnisses zum Zeitpunkt der Probennahme unter Idealbedingungen als gering einzustufen sei, wenn auch falsch-negative Ergebnisse nicht ausgeschlossen werden können. Mit zunehmendem Zeitabstand zur Probennahme nehme trotz eines negativen Ergebnisses das Übertragungsrisiko zu, da sich die getestete Person bereits in der Inkubationszeit der Erkrankung befinden könnte und zu jedem Zeitpunkt eine Transition von der Latenz zur Infektiosität stattfinden könne.
Die SARS-CoV-2 Infektionsphasen hätten seit dem ersten Auftreten des Virus-Wildtyps mit jeder neuen Variante auch Veränderungen der Dauer der jeweiligen Phasen erfahren. So zeichne sich die Delta-Variante ua durch eine kürzere Inkubations- und Latenzperiode als der Wildtyp aus. Vorläufige Untersuchungen hinsichtlich der Inkubationszeit bei Omikron würden einen Hinweis auf eine verkürzte Inkubationszeit von etwa drei bis vier Tagen geben. Daten zur Latenzperiode würden derzeit für Omikron nicht vorliegen. Diese Transition von Latenz zu Infektiosität sei schwer bestimmbar, daher könnte sie theoretisch zu jedem Zeitpunkt nach Probennahme auch innerhalb von 24 Stunden passieren. Da sich eine Person wie erwähnt zum Testzeitpunkt noch in der Latenzperiode befinden oder sich nach Probennahme infizieren könnte, gehe insbesondere angesichts der veränderten Eigenschaften von Delta und Omikron ein möglichst kurzer Zeitabstand zu einem vorangegangenen PCR-Test mit höherer Sicherheit einher.
Sollte eine Person trotz negativem Test mit SARS-CoV-2 infiziert sein und Viren in kontagiösen Mengen ausscheiden, so könne nicht davon ausgegangen werden, dass – wie bei geimpften (und genesenen) Personen – Mechanismen wirksam werden, die die Übertragung des Virus durch die infizierte Person auf andere Personen reduzieren können.
Zu den Übertragungsrisiken von geimpften im Vergleich zu nicht immunisierten Personen sei festzuhalten, dass sich dieses Risiko in Zusammenschau aller oben genannten Aspekte deutlich unterscheide, da nicht-immunisierte, getestete Personen über keine Immunität verfügten, während Geimpfte trotz abnehmender Immunität einen Impfschutz gegen Infektion und Transmission aufweisen würden.
Wie die obigen Ausführungen verdeutlichen würden, würden die vom Antragsteller genannten Maßnahmen keine einem Immunschutz vergleichbaren Effekte haben. Es handle sich dabei insbesondere nicht um nachhaltige, sondern nur um kurz- bzw allenfalls mittelfristige Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit.
Darüber hinaus behaupte der Antragsteller, eine Impfpflicht für vulnerable Personen anstelle einer allgemeinen Impfpflicht würde ein gelinderes Mittel darstellen, um das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen. Ex ante bestimmbare Faktoren wie Alter, Geschlecht, Gewicht und Vorerkrankungen seien für die Vulnerabilität ausschlaggebend. Intensivstationen seien bis auf Einzelfälle nur von vulnerablen Personen belegt worden.
Dem sei zu entgegnen, es würden nicht nur die Intensivstationen, sondern auch die Normalstationen in die Betrachtung miteinbezogen werden müssen. Darüber hinaus sei die Absolutheit der Schlüsse, die der Antragsteller aus den Statistiken ziehe, zu bezweifeln. In seiner Darstellung beziehe er nicht ein, dass in den von ihm betrachteten Zeiträumen in weiten Teilen strenge Maßnahmen, wie ganztägige Ausgangsbeschränkungen, gegolten hätten. Bei der Interpretation der Belagszahlen müsse dieser Faktor mitbedacht werden. Zudem zeigten die Statistiken klar, dass die Mehrheit der Personen, die stationär behandelt werden mussten, über keine oder nur eine unzureichende Immunisierung gegen SARS-CoV-2 verfügt hätten.
In diesem Zusammenhang sei auch festzuhalten, dass in vergangenen Pandemiewellen das Infektionsgeschehen zunächst in jüngeren Altersgruppen angestiegen sei und sich dann in ältere Altersgruppen ausgeweitet habe. Auch vor diesem Hintergrund sei eine Reduktion des Infektionsgeschehens in jüngeren Altersgruppen durch Impfungen zur Reduktion des Infektionsgeschehens in älteren Altersgruppen notwendig.
Um bei einer weiteren Welle, die mit den Parametern der Delta-Welle vergleichbar wäre, einen neuerlichen Lockdown wegen zu starker Auslastung des Gesundheitswesens zu vermeiden, sei eine Erhöhung der Durchimpfungsrate in allen Altersgruppen erforderlich. Es sei nach derzeitigem Wissensstand davon auszugehen, dass erst eine Durchimpfung von über 90 Prozent die notwendige Entlastung bewirken würde.
Entgegen den Ausführungen des Antragstellers seien daher weder das Tragen von Masken und die Durchführung von Tests noch eine auf vulnerable Personengruppen beschränkte Impfpflicht als gelindere Mittel zum Schutz der vom COVID-19-IG verfolgten Ziele anzusehen.
2.4.2. Wie bereits in den Materialien zum COVID-19-IG dargelegt, komme es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bei der Prüfung der Angemessenheit auf einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen und den Belangen der Gemeinschaft an. Dem Staat komme dabei ein Einschätzungsspielraum zu (Wiederin in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht Kommentar, 5. Lfg., 2002, Rz 12; vgl auch EGMR , Fall J.R. ua, Appl 22.398/93; [GK], Fall Vavřička ua, Appl 47.621/13). In diesem Zusammenhang habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Vavřička auf das Gebot der gesellschaftlichen Solidarität gegenüber vulnerablen und nur durch eine Herdenimmunität zu schützenden Personen hingewiesen (vgl Rz 306).
In Bezug auf den Fall Vavřička sei dem Antragsteller zwar dahingehend zuzustimmen, dass sich dessen Sachverhalt zu jenem einer allgemeinen Impfpflicht gegen COVID-19 unterscheide. Dennoch würden sich aus den Aussagen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in diesem Fall wichtige Schlüsse für die Zulässigkeit einer Impfpflicht ziehen lassen, die verallgemeinerbar seien.
Der Antragsteller führe aus, dass das Risiko von Nebenwirkungen zum Teil unbekannt sei bzw für junge Männer ein erhöhtes Risiko für Herzmuskelentzündungen bestehe.
Die Bundesregierung verkenne nicht, dass mit den nach dem COVID-19-IG verpflichtenden Impfungen – wie mit allen Impfungen – das Risiko von Nebenwirkungen einhergehe. Wie bereits in den Materialien zum COVID-19-IG ausgeführt, komme bei der Beurteilung der Angemessenheit der Abwägung von Impfnebenwirkungen und sonstigen Risiken durch die Impfung einerseits und dem Risiko einer Infektion bzw von Komplikationen im Laufe der Krankheit andererseits eine erhebliche Bedeutung zu (AB 1312 BlgNR 27. GP, 16).
Zu den Risiken selten auftretender Nebenwirkungen und sogenannter Langzeitnebenwirkungen sei zunächst festzuhalten, dass bisher noch bei keiner Impfung Nebenwirkungen beobachtet worden seien, die erst lange Zeit nach einer Impfung auftreten. Impfnebenwirkungen würden in der Regel kurz nach einer Impfung auftreten, also innerhalb von Tagen bis Wochen. In diesem Zeitraum finde die Immunreaktion statt. Es sei also sehr unwahrscheinlich, dass Nebenwirkungen erst lange Zeit, das heißt mehr als drei Monate nach der Impfung auftreten würden, weil die Immunantwort auf die Impfung zwei bis drei Monate nach der Impfung abgeschlossen sei. Vielmehr spreche man von "Langzeitnebenwirkungen", wenn beispielsweise nach einer oralen Impfung gegen Kinderlähmung eine sogenannte Impfpolio (eine durch das Impfvirus verursachte Kinderlähmung) auftrat und daraus langdauernde Komplikationen wie etwa Lähmungen resultierten. Dies sei auch ein Grund, weshalb orale Polioimpfstoffe in Österreich in der Phase der Polioeradikation (Österreich sei seit 1980 poliofrei) nicht mehr in Verwendung seien.
Möglich bzw wahrscheinlich sei jedoch, dass sehr seltene Nebenwirkungen im Rahmen der klinischen Studien zur Zulassung nicht erfasst werden. Die Anzahl der Teilnehmer sei zwar umfangreich, jedoch gebe es Nebenwirkungen, die beispielsweise nur bei einer von einer Million Personen auftreten. Solche Nebenwirkungen würden rein statistisch erst in der realen Anwendung erfasst werden können. Das sei aber kein spezielles Charakteristikum der COVID-19-Impfstoffe, sondern betreffe alle Arzneimittel, da klinische Studien in der Anzahl der teilnehmenden Personen limitiert seien. Im Falle von COVID-19-Impfstoffen habe eine erst nach der Zulassung erfasste Nebenwirkung beispielsweise Myokarditiden (Herzmuskelentzündungen) nach einer Impfung mit dem Impfstoff Comirnaty betroffen.
Im Rahmen der Arzneimittelsicherheitsüberwachung (Pharmakovigilanz) würden Impfstoffe nicht nur vor und während der Zulassung, sondern auch während ihrer Verfügbarkeit auf dem Markt kontinuierlich überwacht. Unter Arzneimittelsicherheitsüberwachung würden dabei eine Vielzahl von Methoden und Aktivitäten verstanden, die es ua ermöglichen sollen, Nebenwirkungen zu erkennen, zu bewerten, zu verstehen und weiteren Nebenwirkungen vorzubeugen. Teil der Arzneimittelsicherheitsüberwachung sei die Meldepflicht für Angehörige von Gesundheitsberufen im Zusammenhang mit der Anwendung von Impfstoffen, die wie bei allen anderen Arzneimitteln den Vorgaben gemäß §75g des Bundesgesetzes vom über die Herstellung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG), BGBl 185/1983, folge. Sie bestehe bei Humanarzneimitteln für vermutete Nebenwirkungen und auch für das Ausbleiben der erwarteten Wirksamkeit. Aber nicht nur Mitarbeiter im Gesundheitswesen, sondern auch Patienten und deren Angehörige würden vermutete Nebenwirkungen gemäß §75h AMG melden können.
Jede einzelne Meldung über eine schwerwiegende Nebenwirkung sei für sich genommen bereits besorgniserregend, für die betroffene Person sehr bedauerlich und werde seitens der Bundesregierung sehr ernst genommen. Daher sei es auch besonders wichtig, all diese Fälle genau zu analysieren. Jedoch sei nicht jedes Krankheitszeichen, das im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung auftrete, auch auf die Impfung zurückzuführen. Wenn Impfstoffe an sehr viele Personen verabreicht werden, steige die Wahrscheinlichkeit, dass nach einer Impfung Beschwerden auftreten, die nicht durch die Impfung, sondern durch andere Ursachen, wie eine zeitgleich oder kurz danach aufgetretene andere Erkrankung, ausgelöst wurden ("Hintergrundinzidenz"). Wenn es zu einem gehäuften Auftreten bestimmter Nebenwirkungen komme, die nicht ohnedies erwartbar wären, so sei durch die nationalen Behörden (BASG) und durch eine europaweite Überwachung durch das "Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC)" der EMA sichergestellt, dass solche Fälle schnellstmöglich erkannt und rasch geeignete Konsequenzen daraus gezogen werden. Auf Grund der mittlerweile bereits milliardenfachen Verabreichung der unterschiedlichen COVID-Impfstoffe könne davon ausgegangen werden, dass selbst für die seltensten Nebenwirkungen schon längst aussagekräftige Belege vorliegen würden.
Zur Abwägung von Risiko und Nutzen sei es zudem besonders wichtig, dass tatsächlich auftretende Nebenwirkungen mit jenen Beschwerden verglichen werden, die im Rahmen einer Infektion zu erwarten seien. So zeige die Analyse großer Datenmengen, dass beispielsweise für Impfungen mit BioNTech/Pfizer lediglich zwei Beschwerden durch die Impfung häufiger auftreten würden als durch eine COVID-19-Infektion: Lymphknotenschwellungen und die Reaktivierung einer Herpes Zoster Infektion. Beide würden als kurzfristig und selbstlimitierend betrachtet werden können, eine reaktivierte Herpes Zoster-Infektion könne medikamentös gut behandelt werden.
Im Hinblick auf das vom Antragsteller aufgezeigte Risiko einer Herzmuskelentzündung werde auf eine israelische Studie zum Auftreten verschiedener "Adverse Events" nach einer Impfung sowie auch nach einer Infektion/Erkrankung hingewiesen. Dabei zeige sich, dass Impfungen mit Comirnaty das Myokarditis-Risiko zwar erhöhen würden (2,7 Fälle mehr pro 100.000 Personen). Jedoch sei festgestellt worden, dass dieses Risiko durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 noch mehr gesteigert werde (elf Fälle mehr pro 100.000 Personen). Darüber hinaus zeige sich eine Assoziation der Infektion mit weiteren "Adverse Events" wie Perikarditis, Herzrhythmusstörungen, tiefer Venenthrombosen, Pulmonalembolien, Myokardinfarkt, intrakraniellen Blutungen und Thrombozytopenien, die in Zusammenhang mit der Comirnaty-Impfung nicht festgestellt worden seien.
Eine US-amerikanische Studie habe das Risiko für das Auftreten einer Myokarditis zwischen Personen mit und ohne COVID-19-Erkrankung verglichen. In der Gruppe ohne COVID-19 sei eine Myokarditits bei zirka 9 von 100.000 Personen beobachtet worden, hingegen in der Gruppe mit COVID-19-Erkrankung bei zirka 150 von 100.000 Personen. Eine COVID-19-Erkrankung sei also mit einem fast 16-fach erhöhten Myokarditis-Risiko assoziiert worden.
Dahingegen habe die US-amerikanische "Center for Disease Control and Prevention (CDC)" aus ihrer VAERS-Datenbank ("vaccine adverse event reporting system") im Juli 2021 Raten an Myokarditiden berechnet, die nach einer Impfung aufgetreten seien. Dabei seien alle gemeldeten Fälle miteinbezogen worden, die innerhalb von sieben Tagen nach der zweiten Impfung mit einem mRNA-Impfstoff auftraten. Hierbei haben sich lediglich 40,6 Fälle von einer Million Personen gezeigt, die eine zweite Dosis eines mRNA-Impfstoffes erhalten hatten. Berechnungen der CDC würden darüber hinaus ein eindeutig positives Nutzen-Risiko-Verhältnis der Anwendung von mRNA-Impfungen bei Personen ab zwölf Jahren zeigen. In der Altersgruppe der zwölf- bis 29-jährigen Männer hätten durch eine Million verabreichte Zweitimpfungen mit einem mRNA-Impfstoff 11.000 COVID-19-Erkrankungen sowie 560 Hospitalisierungen und 138 ICU-Aufenthalte verhindert werden können. Demgegenüber stünden 39 bis 47 erwartete Fälle einer Myokarditis nach Impfung. Bei den Frauen in dieser Altersgruppe würde sich ein noch größerer Benefit zeigen: Hier hätten durch eine Million verabreichte Zweitimpfungen mit einem mRNA-Impfstoff 12.500 COVID-19-Erkrankungen, 922 Hospitalisierungen und 73 ICU-Aufenthalte verhindert werden können. Erwartete Myokarditis-Fälle in der weiblichen Population dieser Altersgruppe pro Million verabreichte Zweitimpfungen mit einem mRNA-Impfstoff würden sich lediglich auf vier bis fünf belaufen.
Erste Evidenz zum Auftreten von Myokarditiden nach Drittimpfungen in der Altersgruppe 16 bis 17 Jahre zeige geringere Raten als jene, die nach der zweiten Impfung beobachtet worden seien.
Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die Technologie für mRNA-Impfstoffe seit etwa 30 Jahren bekannt sei. Seit über zehn Jahren würden mit derartigen Impfstoffen bereits klinische Studien am Menschen zur Krebstherapie durchgeführt. Langzeitfolgen seien bei mRNA-Impfstoffen, wie auch bei allen anderen Impfstoffarten nicht bekannt. Generell würden die meisten Nebenwirkungen bei Impfungen innerhalb weniger Stunden oder Tage auftreten.
Der Antragsteller vermeine, dass keine Anzeichen einer Bedrohung des Gesundheitssystems vorliegen würden und deshalb die Impfpflicht nicht angemessen sein könne.
Mit diesem Argument verkenne der Antragsteller den Zeithorizont, auf den das COVID-19-IG abstelle.
Intensivkapazitäten seien im Regelbetrieb so ausgelegt, dass diese im Jahresmittel zu 75 bis 85 Prozent ausgelastet seien. Das heiße, dass grundsätzlich ein Puffer von rund 15 bis 25 Prozent gegeben sei, um für eine begrenzte Zeit einen erhöhten Bedarf abdecken zu können. In Krisensituationen lasse sich diese Auslastung auch über einen längeren Zeitraum durch Personalaufstockung auf 90 bis 95 Prozent steigern. Eine durchgehende Auslastung von 100 Prozent sei auf Grund des zeitlichen Puffers für die Bettenaufbereitung, regelmäßiger Wartungsarbeiten sowie Sicherheitsprüfungen und der jederzeit bestehenden Aufnahmebereitschaft für Notfälle nicht möglich.
Je größer die Auslastung auf den Intensivstationen auf Grund der Zunahme intensivpflichtiger COVID-19-Patienten sei, desto schwieriger sei die Aufrechterhaltung der intensivmedizinischen Versorgung von Nicht-COVID-19-Patienten – nicht nur im Hinblick auf vorhandene Betten, sondern vor allem auch bezogen auf die Ressourcen des intensivmedizinischen Personals. Schon ab der Überschreitung des Schwellenwertes von zehn Prozent ICU-Auslastung würden Eingriffe verschoben werden müssen, die eine intensivmedizinische Nachbetreuung benötigen. Bei einer ICU-Auslastung von 33 Prozent mit COVID-19-Patienten würden Situationen eintreten können, bei denen eine routinemäßige Versorgung von Notfällen nicht mehr flächendeckend gewährleistet werde. Ziel müsse es daher sein, solche Situationen zu verhindern.
Aus mehreren Gründen sei davon auszugehen, dass das zur Verfügung stehende Personal, und hier vor allem das Pflegepersonal, den zentralen limitierenden Faktor bei der Bestimmung der verfügbaren Kapazität darstelle. Dabei sei zu beachten, dass die Behandlung von COVID-19-Patienten als besonders personalintensiv gelte und am Höhepunkt einer Welle damit zu rechnen sei, dass ein gewisser Anteil des Gesundheitspersonals an COVID-19 erkranke, mit dem Coronavirus (asymptomatisch) infiziert oder in Quarantäne sei oder auf Grund von Aufsichtspflichten ausfalle.
Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf den ersten Bericht zum begleitenden Monitoring der Impfpflicht gegen COVID-19, wonach es als sehr wahrscheinlich anzusehen sei, dass im Herbst 2022 eine neue, möglicherweise massive Infektionswelle drohe. Selbst wenn die Pathogenität der dann dominierenden Varianten diejenige der Omikron-Varianten nicht übersteigen sollte, könne – wenn keine Vorkehrungen getroffen werden – das Virus auf eine Bevölkerung treffen, deren Immunität massiv abgenommen habe (sog "waning"), und die Infektionswelle könne damit zu einer weitaus höheren Krankheitslast führen als die Omikron-Varianten im Winter 2021. Die Kommission komme zu dem Schluss, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems sowie die zu ihrer Vermeidung erforderlichen drastischen Freiheitseingriffe (zB Lockdown) keineswegs auszuschließen seien.
Der Antragsteller vertrete die Auffassung, dass die in §10 Abs1 COVID-19-IG angeführte Verwaltungsstrafdrohung von bis zu € 3.600,– unverhältnismäßig hoch sei.
Entgegen den Ausführungen des Antragstellers sei die vorgesehene Strafhöhe als adäquat zu beurteilen. Diese müsse so bemessen sein, dass die Eignung der gesetzlichen Impfpflicht zur Erreichung des Zieles einer Erhöhung der Durchimpfungsrate nicht unterlaufen werde. Die Strafhöhen müssten auch im Verhältnis zu in anderen Gesetzen vorgesehenen Strafen stehen und den Unrechtsgehalt angemessen widerspiegeln.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei es insbesondere nicht unsachlich, wenn sich die Strafhöhe vor allem am Strafzweck orientiere (vgl VfSlg 7967/1976), welcher nur dann erreicht werden könne, wenn die für den Fall des vorsätzlichen rechtswidrigen Verhaltens vorgesehene Strafe derart empfindlich sei, dass ein in der Regel normgemäßes Verhalten durchgesetzt werden könne (vgl auch VfSlg 15.677/1999). Im Zusammenhang mit der Gefährdung für die Gesundheit und das Leben anderer Menschen seien vom Verfassungsgerichtshof im Übrigen auch im Hinblick auf die Sachlichkeit von – im COVID-19-IG jedoch nicht vorgesehenen – Mindeststrafen keine Bedenken gehegt worden (vgl VfSlg 16.624/2002, 16.633/2022).
Vor dem Hintergrund der pandemischen Bedrohungslage für die Gesundheitsinfrastruktur und dem damit verbundenen Erfordernis der Erhöhung der Durchimpfungsrate seien nach Ansicht der Bundesregierung entsprechend adäquate Verwaltungsstrafen vorgesehen worden (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP).
Im Zusammenhang mit der Strafbemessung werde ausdrücklich auf §19 VStG hingewiesen, wonach Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat seien (AB 1312 BlgNR 27. GP, 29).
Nach Auffassung der Bundesregierung könne der Rechtsprechung zu Vavřička im Übrigen keine absolute Aussage zur gebotenen Strafhöhe entnommen werden, da diesem Fall ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde liege. Vor dem Hintergrund eines weltweiten pandemischen Geschehens und der damit einhergehenden Bedrohungslage für die öffentliche Gesundheit sei jedenfalls von der Angemessenheit der vorgesehenen Strafen auszugehen.
Dem vom Antragsteller berechneten kumulativen Strafrahmen in der Höhe von € 43.200,– liege im Übrigen ein Berechnungsfehler zugrunde, da er fälschlicherweise von einer Geltung des COVID-19-IG für die Dauer von drei Kalenderjahren ausgehe. Der Antragsteller übersehe dabei, dass das COVID-19-IG mit Ablauf des außer Kraft trete und daher eine potentielle Strafbarkeit im Zeitraum zwischen und und somit – ohne Berücksichtigung einer vorübergehenden Nichtanwendung des COVID-19-IG oder einzelner seiner Bestimmungen (vgl die Verordnung BGBl II 103/2022) – für weniger als zwei Kalenderjahre in Betracht komme. Der potenzielle Straffrahmen sei daher entsprechend zu reduzieren.
Der Antragsteller behaupte weiters, dass europaweit ein Konsens herrsche, Personen, die unter 50 Jahre alt sind, keiner Impfpflicht gegen COVID-19 zu unterwerfen. Das Abweichen Österreichs vom europäischen Standard impliziere prima vista ein Problem im Hinblick auf Art8 EMRK.
Nach der Rechtsprechung bedeute der Umstand, dass andere europäische Länder ähnliche Maßnahmen nicht für erforderlich erachten, nicht, dass ein Mitgliedstaat nicht zur Setzung einer bestimmten Maßnahme berechtigt sei (vgl zur obligatorischen Durchführung eines Tuberkulintestes und Röntgenuntersuchung der Brust EGMR , Fall Acmanne ua, Appl 10.435/83). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe zu Impfungen als Gesundheitsmaßnahme bereits festgestellt, dass unter den Vertragsparteien ein allgemeiner, von den internationalen Fachgremien nachdrücklich unterstützter Konsens darüber bestehe, dass Impfungen zu den erfolgreichsten und kostengünstigsten Gesundheitsmaßnahmen zählten und dass jeder Staat eine möglichst hohe Durchimpfungsrate seiner Bevölkerung anstreben sollte (EGMR [GK], Fall Vavřička ua, Appl 47.621/13, Rz 277 mit Verweis auf den "Global Vaccine Action Plan" der WHO aus dem Jahr 2013). Hinsichtlich des besten Mittels zum Schutz dieses Interesses bestehe hingegen kein Konsens über ein einziges Modell, sondern über ein Spektrum von Strategien, die von bloßen Empfehlungen bis zu einer rechtlichen Verpflichtung reichen würden. Wenn ein Staat die Ansicht vertrete, dass eine Strategie der freiwilligen Impfung nicht ausreiche, um die Herdenimmunität herzustellen oder aufrechtzuerhalten oder eine Herdenimmunität auf Grund der Art der Krankheit (zB Tetanus) keine Rolle spiele, würden die innerstaatlichen Behörden nach den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auch eine Strategie der Impfpflicht einführen können, um einen angemessenen Grad des Schutzes vor schwerwiegenden Krankheiten zu erreichen (EGMR [GK], Fall Vavřička ua, Appl 47.621/13, Rz 288).
Dass auch die Einführung einer Impfpflicht gegen COVID-19 im Sinne dieser Rechtsprechung grundsätzlich im zulässigen Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten liege, erschließe sich auch aus der Resolution 2424 (2022) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom betreffend "Beating Covid-19 with public health measures", wonach den Regierungen und Parlamenten in den Mitgliedstaaten des Europarates und weltweit ausdrücklich empfohlen werde, eine öffentliche Debatte über die mögliche Einführung einer Impfpflicht für bestimmte Gruppen oder die Allgemeinbevölkerung zu initiieren. Weiters werde darauf hingewiesen, dass sich eine solche Impfpflicht nicht auf Personen erstrecken solle, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können und dass Kinder solange ausgenommen werden sollen, bis die vollständige Sicherheit und Wirksamkeit aller Impfstoffe für Kinder gewährleistet sei. Eine Einschränkung der Impfpflicht auf Personen unter 50 Jahre werde in dieser Resolution hingegen nicht ausdrücklich adressiert.
Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass auch andere europäische Staaten eine allgemeine Impfpflicht (Vatikan), eine berufsgruppenspezifische Impfpflicht (zB Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Ungarn) oder eine Impfpflicht für bestimmte Altersgruppen (zB Griechenland, Italien) eingeführt hätten oder – wie zB Deutschland – diskutierten.
Im Zusammenhang mit den vom Antragsteller aufgeworfenen Vergleich mit anderen europäischen Staaten weist die Bundesregierung auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Vavřička hin, wonach die zu entscheidende Frage letztlich nicht laute, ob eine andere, weniger bindende Strategie gewählt werden hätte können, so wie dies in manchen anderen europäischen Staaten der Fall sei. Ausschlaggebend sei ausschließlich, ob die Behörden bei der von ihnen getroffenen Abwägung den in diesem Bereich geltenden weiten Ermessensspielraum nicht überschritten und die umstrittenen Maßnahmen somit als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" angesehen werden können (vgl Rz 310). Mangels Konsenses bezüglich einer Impfpflicht gegen COVID-19 für unter 50-Jährige sei den Vertragsstaaten daher ein weiter Ermessensspielraum zuzugestehen (vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK7 §18 Rz 21 FN 61 mwN). Dieser Ermessensspielraum sei nach Auffassung der Bundesregierung bei der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen COVID-19 für Personen ab 18 Jahren nicht überschritten worden.
Auch der Ausschluss der Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe gemäß §10 Abs1 COVID-19-IG sowie der Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt gemäß §1 Abs2 COVID-19-IG sei Ausdruck der gebotenen Verhältnismäßigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR [GK], Fall Vavřička ua, Appl 47.621/13, NLMR 2021, 156 [Czech]).
Zudem weise das COVID-19-IG die dem SARS-CoV-2-Virus und der Dynamik seiner Entwicklung geschuldete notwendige Flexibilität auf, um auf geänderte Umstände reagieren zu können: Um einen der aktuellen Sachlage angepassten Vollzug des COVID-19-IG sicherzustellen und eine stete Anpassung an die jeweilige Lage zu gewährleisten, sei neben vielen weiteren Mechanismen (s insbesondere die Verordnungsermächtigungen, die ein dem jeweiligen Stand der Wissenschaft angepasstes Vorgehen sicherstellen würden) ein begleitendes Monitoring in §19 COVID-19-IG verankert worden.
§19 Abs1 COVID-19-IG sehe die Einrichtung einer Kommission, bestehend aus (bzw unter Beiziehung von) zwei Professoren eines rechtswissenschaftlichen Faches an einer Universität sowie zwei medizinischen Fachexperten, vor. Die Kommission habe dem Nationalrat, dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister und der Bundesregierung im Abstand von drei Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes oder im Falle einer grundlegenden Änderung jener Umstände, die für die Erlassung dieses Bundesgesetzes maßgeblich gewesen seien, unverzüglich zu berichten. Solche Umstände seien insbesondere die wesentlichen wissenschaftlichen Entwicklungen im Bereich der Schutzimpfung und der Medikamente gegen COVID-19, die Entwicklung der Durchimpfungsrate im Hinblick auf COVID-19, die Eignung der Impfpflicht zur Verhinderung einer Überlastung der medizinischen Versorgung und die in §19 Abs2 COVID-19-IG genannten Kriterien.
Gemäß §19 Abs2 COVID-19-IG habe der für das Gesundheitswesen zuständige Bundeminister bei wesentlichen Änderungen von Umständen unverzüglich anzuordnen, dass das COVID-19-IG oder einzelne seiner Bestimmungen – allenfalls vorübergehend – nicht auf Sachverhalte anzuwenden seien, die sich nach einem in der Verordnung festzulegenden Zeitpunkt ereignen würden. Eine solche wesentliche Änderung von Umständen ergebe sich insbesondere aus einer wesentlichen Änderung des Standes der Wissenschaft hinsichtlich der Eignung der Impfpflicht zur Verhinderung einer Überlastung der medizinischen Versorgung, insbesondere beim Auftreten neuer Virusvarianten oder hinsichtlich der Erforderlichkeit der Impfpflicht. Damit sei dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister die Verpflichtung übertragen worden, die Eignung und die Erforderlichkeit der Impfpflicht laufend auf Grundlage des jeweils in zumutbarer Weise ermittelbaren Standes der medizinischen Wissenschaft zu bewerten und auf wesentliche Veränderungen zu reagieren. Dabei sei er auch verpflichtet, seine Entscheidung auf entsprechend dokumentierte Grundlagen zu stützen, zu denen auch Berichte der Expertenkommission gemäß §19 Abs1 COVID-19-IG zählen würden (vgl dazu den ersten Bericht zum begleitenden Monitoring der Impfpflicht gegen COVID-19 vom ).
Die nach §19 Abs1 COVID-19-IG eingerichtete Kommission habe in ihrem ersten Bericht vom ausgeführt, dass die Impfpflicht grundsätzlich ein geeignetes Mittel sei, um eine Überlastung der medizinischen Versorgung zu verhindern. Die Kommission erachte allerdings eine "sofortige Umsetzung" der Impfpflicht für Personen mit einer "komplettierten" Grundimmunisierung (zweifache Impfung und/oder Genesung) oder einer Grundimmunisierung plus Auffrischung als "noch nicht erforderlich", da für diese Personengruppe eine weitere Impfung erst im Spätsommer bzw Frühherbst als gelinderes Mittel ebenso geeignet sei, um eine Überlastung der medizinischen Versorgung im Herbst 2022 zu vermeiden.
Im Hinblick auf Personen, die weder eine Immunität durch Genesung noch durch Impfung aufweisen, sei eine sofortige Umsetzung der Impfpflicht weiterhin erforderlich, um bis zum Herbst eine Grundimmunisierung plus Auffrischung zu erhalten. Die Kommission weise jedoch auch auf Studien hin, wonach auch eine bloß komplettierte Grundimmunisierung einen gewissen immunologischen Schutz insbesondere vor schwerer Erkrankung biete. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei bislang nicht geimpften Personen tendenziell um Personen handeln dürfte, die eine Impfung subjektiv als besonders schwerwiegenden Eingriff empfinden würden, bewerte die Kommission es unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit als vertretbar, auch für diese Personen mit der Umsetzung der Impfpflicht zuzuwarten und die Lage spätestens im Mai/Juni zu reevaluieren. Hinsichtlich dieser Personengruppe weise die Kommission angesichts des staatlichen Entscheidungs- und Prognosespielraumes auf einen größeren staatlichen Ermessensspielraum hin.
Als Reaktion auf diesen Bericht habe der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister die COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, mit der die vorübergehende Nichtanwendung der §§1, 4, 10 und 11 des COVID-19-IG und der §§1 und 4 der COVID-19-IV für den Zeitraum bis angeordnet wurde, erlassen.
Hieran zeige sich, dass das COVID-19-IG effektive Mechanismen vorsehe, um eine unangemessene und überschießende Anwendung der Impfpflicht zu verhindern.
Insgesamt erweise sich die Impfpflicht daher als verhältnismäßig: Aus den Ausführungen erschließe sich, dass die Impfung das zentrale Instrument sei, um die Rechte (die Gesundheit) anderer und das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen. Dies insbesondere, weil die Impfung eine Maßnahme darstelle, die bei entsprechender Durchimpfungsquote kommende Infektionswellen abfedern könne. Damit sei sie ein auf die Zukunft gerichtetes Instrument, dessen Nutzen angesichts der geringen Anzahl an Nebenwirkungen klar überwiege. Da kein europäischer Konsens über eine Impfpflicht gegen COVID-19 existiere, komme Österreich hinsichtlich Art8 EMRK ein weiter Ermessensspielraum zu.
2.4.3. Nach Ansicht der Bundesregierung liege keine Verletzung des Art8 EMRK vor.
2.5. Der Antragsteller behaupte einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, da vulnerable und nicht vulnerable Personen trotz wesentlicher Unterschiede im Tatsachenbereich gleichbehandelt würden. Die gewählte Altersgrenze von 18 Jahren ohne Berücksichtigung von weiteren Risikofaktoren sei frei von medizinischer Evidenz und daher unsachlich. Diese Altersgrenze könne auch nicht mit dem Ziel einer möglichst hohen Impfquote begründet werden, da eine Herdenimmunität nicht erreicht werden könne.
2.5.1. Der Gleichheitssatz setze der Gesetzgebung insofern inhaltliche Schranken, als er verbiete, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem (vgl VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005) sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken sei es der Gesetzgebung jedoch von Verfassungs wegen nicht verwehrt, ihre (sozial-)politischen Zielvorstellungen auf die ihr geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl VfSlg 13.576/1993, 13.743/1994, 15.737/2000, 16.167/2001, 16.504/2002). Sie könne im Rahmen ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen und dürfe generalisierend von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl VfSlg 13.497/1993, 15.850/2000, 16.048/2000, 17.315/2004 und 17.816/2006, 19.722/2012, jeweils mwN) sowie auch Härtefälle in Kauf nehmen (vgl VfSlg 16.771/2002 mwN). Ob das Ergebnis einer Regelung in allen Fällen als befriedigend empfunden werde, könne nicht am Maßstab des Gleichheitssatzes gemessen werden (vgl VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003).
Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass Rückschlüsse aus internationalen Vergleichen von Impfquoten und Hospitalisierungen/ICU-Belag einzelner Länder auf die Auswirkungen unterschiedlicher Impfquoten in der österreichischen Bevölkerung nur bedingt möglich seien. Die Vergleichbarkeit werde durch eine Vielzahl von Faktoren, die sich neben der Impfquote ebenfalls auf Hospitalisierungen/ICU-Belag zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw in einem bestimmten Zeitraum erheblich auswirken können, deutlich erschwert. Diese Faktoren würden sich sowohl auf der Ebene des Fallgeschehens als auch auf die Zahl der Hospitalisierungen/ICU-Belegung auswirken. In diesem Zusammenhang seien insbesondere folgende Faktoren relevant: das auf Grund von Maßnahmen beeinflusste oder auf freiwilliger Basis vorherrschende Kontaktverhalten der Bevölkerung bzw verschiedener Bevölkerungsgruppen, das Ausmaß des auf natürlichem Weg erworbenen Immunschutzes der Bevölkerung und in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die jeweilige Pandemiephase einschließlich der aktuellen Ausbreitung gegebenenfalls neu aufgetretener Varianten, die aktuelle demografische Verteilung des Infektionsgeschehens, die Eigenschaften der aktuell vorherrschenden Variante, Unterschiede in der Saisonalität, des Klimas, der Demografie und der Prävalenz von Risikofaktoren in der Population, der ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen und -kapazitäten, in der Finanzierung des Gesundheitswesens etc. Ohne angemessene Berücksichtigung dieser Faktoren sei im Rahmen eines Vergleichs von potenziell erheblichen Verzerrungen auszugehen.
Wie bereits oben erläutert, sei nach Auffassung der Bundesregierung eine hohe Durchimpfungsrate in allen Altersgruppen erforderlich, um auf längere Sicht die Gesundheit aller sowie das Gesundheitssystem zu schützen. Dies stelle nach Auffassung der Bundesregierung eine sachliche Rechtfertigung für die Gleichbehandlung von vulnerablen und nicht vulnerablen Personengruppen hinsichtlich der Impfpflicht dar.
Darüber hinaus spreche für die Zulässigkeit einer allgemeinen Impfpflicht auch eine leichtere Vollziehbarkeit dieser Regelung. Obzwar die Umsetzung der allgemeinen Impfpflicht kein leichtes Unterfangen für die Verwaltung sei, wäre der Aufwand bei einer nach verschiedenen Faktoren differenzierenden und daher im Ergebnis einer einzelfallbezogen zu beurteilenden Impfpflicht – wie vom Antragsteller vorgeschlagen – um ein Vielfaches erhöht. Darüber hinaus sei prinzipiell immer noch nicht klar, welche Faktoren zusätzlich zu gesundheitlichen Risiken einen schweren Verlauf begünstigen können. Insbesondere existiere keine Datenbank zu Vorerkrankungen, die eine Person als vulnerabel erscheinen lassen. Eine Kontrolle des (Nicht-)Vorliegens von entsprechenden Vorerkrankungen im Einzelfall sei mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden. Für eine allgemeine Impfpflicht würden daher nicht nur die Notwendigkeit einer hohen Durchimpfungsrate in allen Bevölkerungsschichten, sondern auch verwaltungsökonomische Gesichtspunkte sprechen (s dazu statt einiger Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz [2008] 248 ff.).
2.5.2. Im Ergebnis liege die behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes nicht vor.
2.6. Zusammenfassend werde daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig seien.
2.7. Die Bundesregierung stelle somit den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag als unzulässig zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.
3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) hat eine Äußerung erstattet, in der er die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den im Antrag erhobenen Bedenken auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt entgegentritt:
3.1. Zu den sich gegen das COVID-19-IG richtenden Bedenken des Antragstellers werde auf die Stellungnahme der Bundesregierung verwiesen. Die im COVID-19-IG vorgesehenen Verordnungsermächtigungen würden ein rasches Reagieren auf allfällige Änderungen im Stand der Wissenschaft oder auf geänderte epidemiologische Ausgangsbedingungen ermöglichen. Damit werde – neben dem im §19 COVID-19-IG verankerten begleitenden Monitoring – den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine verhältnismäßige Ausgestaltung der Impfpflicht Rechnung getragen.
3.2. Insofern der Antragsteller Bedenken im Hinblick auf mögliche Impfnebenwirkungen hegt, werde auf den umfassenden demonstrativen Ausnahmekatalog in §2 COVID-19-IV verwiesen. Diese Bestimmung trage der Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung zur Impfung in Bezug auf den Anwendungsbereich und medizinische Kontraindikationen Rechnung. Vermutete Impfreaktionen sowie -nebenwirkungen seien durchaus quantifizierbar und würden laufend überwacht. Die meisten Reaktionen seien erwartbar und harmlos, die COVID-19-Impfstoffe seien zudem weltweit mittlerweile milliardenfach angewendet worden und es gebe ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis.
3.3. Die COVID-19-IV sehe darüber hinaus umfangreiche Regelungen vor, um möglichst verschiedene Lebenssachverhalte jeweils einer sachgerechten Lösung zuzuführen. Die in §1 Abs2 und 3 COVID-19-IV genannten Impfstoffe hätten die "Emergency-Use-Listing-Procedure" der WHO positiv abgeschlossen, es sei daher sachgerecht, bei mit diesen Impfstoffen geimpften Personen die Verpflichtung zur Impfung als erfüllt anzusehen. Darüber hinaus würden aber auch andere Impfstoffe und neutralisierende Antikörper Berücksichtigung finden (vgl §4 COVID-19-IV).
3.4. Dem Fall Vavřička liege eine Situation zugrunde, die mit der derzeitigen Situation – einer Pandemie mit bereits mehrfach drohender Überlastung der Gesundheitsinfrastruktur – nicht vergleichbar sei. Entgegen der Ansicht des Antragstellers sei daraus aber nicht der Schluss zu ziehen, dass die Verpflichtung zur Impfung nicht verhältnismäßig sei. Für die Verhältnismäßigkeit spreche insbesondere, dass das Gewicht des Schutzes der öffentlichen Gesundheit durch den Schutz der Gesundheitsinfrastruktur besonders schwer wiege.
3.5. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit werde auch auf die COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, idF BGBl II 198/2022 hingewiesen. Die vorübergehende Nichtanwendung der Verpflichtung zur Impfung sei im Einklang mit den Ergebnissen der gemäß §19 Abs1 COVID-19-IG eingesetzten Kommission erfolgt. Demnach sei die grundsätzliche Eignung der Impfpflicht zu bejahen, eine unmittelbare Umsetzung erscheine aber derzeit nicht als erforderlich.
3.6. Im Ergebnis liege daher die behauptete Verletzung des Art8 EMRK nicht vor.
4. Der Antragsteller hat eine Replik erstattet.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen und die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit bzw Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz bzw die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 und 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz bzw die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit bzw ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 15.306/1998, 16.890/2003).
1.2. Der durch Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf ist dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 16.332/2001).
1.3. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit bzw Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Bestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
1.3.1. Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; ). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungs- bzw Gesetzwidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungs- bzw Gesetzwidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; ).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungs- bzw Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011, 20.082/2016; ; , G444/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit bzw Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber bzw Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
1.3.2. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §57 Abs1 bzw §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN ua; vgl auch ; , G103/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungs- bzw gesetzwidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; ua).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, durch die die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht aktuell beeinträchtigt sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Verfassungs- bzw Gesetzwidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden, die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen offensichtlich trennbar, führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), ist der Antrag insgesamt zulässig (vgl VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; ; , G183/2016 ua).
1.4. Rechtslage
Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung (näher bezeichneter Bestimmungen) des COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, das in seiner Stammfassung gemäß §20 Abs1 leg. cit. am in Kraft getreten ist und mit BGBl I 22/2022 mit Geltung ab (betreffend §1 Abs2 und 3, §2 Z5, §3 Abs2, 3, 5 und 6, §3a samt Überschrift, §10 Abs2 und 3, §11 Abs1, §15 Abs1, §16 Abs2 Z2, 3 und 6 sowie §20 Abs2, 5 und 6) bzw ab (betreffend §2 Z11, §3b samt Überschrift sowie §7 Abs1, 2a, 2b und Abs5) teilweise novelliert wurde.
§1 COVID-19-IG normiert seit der Stammfassung BGBl I 4/2022 zum Schutz der öffentlichen Gesundheit – nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes – eine Impfpflicht für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet und im Bundesgebiet einen Wohnsitz gemäß §2 Z1 leg cit haben. Diese Regelung blieb bis heute unverändert.
In §3 COVID-19-IG werden Ausnahmen von der Impfpflicht, nähere Bestimmungen über den Nachweis einer Ausnahme sowie Mitwirkungspflichten normiert. Ferner können gemäß Abs6 durch Verordnung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers nähere Anforderungen an Form und Inhalt ärztlicher Bestätigungen festgelegt werden. Gemäß Abs7 ist der Bundesminister weiters ermächtigt, durch Verordnung jene Voraussetzungen festzulegen, die einen Ausnahmegrund gemäß §3 Abs1 Z2 COVID-19-IG begründen. Von dieser Ermächtigung hat der BMSGPK in §2 COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, der am in Kraft getreten ist, bereits Gebrauch gemacht und zahlreiche Ausnahmetatbestände normiert.
§4 COVID-19-IG normiert den Umfang der Impfpflicht. Demnach erfüllt die Impfpflicht, wer nach dem über einen gültigen Impfstatus gegen COVID-19 verfügt, weil er sich einer Erstimpfung und – bei aus mehreren Impfungen bestehenden Schutzimpfungen – innerhalb der in einer Verordnung gemäß Abs4 festgelegten Impfintervalle den im Rahmen der jeweiligen Impfserie erforderlichen weiteren Impfungen unterzogen hat. Gemäß §4 Abs3 und 4 COVID-19-IG hat der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister in einer Verordnung die anerkannten Impfstoffe gegen COVID-19 festzulegen und die Voraussetzungen für eine Erfüllung der Impfpflicht zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat der BMSGPK in §1 und §4 COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, die am in Kraft getreten sind, ebenfalls Gebrauch gemacht.
§5 COVID-19-IG ermächtigt die Bundesregierung, durch Verordnung einen Stichtag zur Ermittlung der impfpflichtigen Personen zum Zweck der Erinnerung gemäß §8 COVID-19-IG (Erinnerungsstichtag) festzulegen; eine entsprechende Verordnung wurde jedoch bis zur Beschlussfassung über diesen Antrag nicht erlassen.
Ab dem (noch nicht festgelegten) Erinnerungsstichtag verpflichtet §6 COVID-19-IG den Bundesminister für Inneres und die ELGA GmbH, alle Voraussetzungen zu schaffen, um Daten aus dem Zentralen Melderegister und dem zentralen Impfregister dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu überlassen, damit dieser auf Basis dieses Datenabgleiches die impfpflichtigen Personen ermitteln kann. Personen, bei denen die Erfüllung der Impfpflicht zum Erinnerungsstichtag nicht ermittelt werden kann, sind gemäß §8 COVID-19-IG von dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister darüber zu informieren und daran zu erinnern, dass die jeweilige Impfung ehestmöglich nachzuholen ist.
Ferner kann die Bundesregierung gemäß §9 COVID-19-IG durch Verordnung einen Stichtag zur Ermittlung der impfpflichtigen Personen zum Zweck der Durchführung des Strafverfahrens gemäß §11 COVID-19-IG festsetzen (Impfstichtag), der jedoch zumindest vier Wochen nach dem Erinnerungsstichtag liegen muss.
Ungeachtet all dieser – noch nicht genützten – durch Verordnung zu präzisierenden Verfahrensschritte besteht nach der bundesgesetzlichen Regelung nach dem grundsätzlich die Verpflichtung zur Impfung für alle, die das 18. Lebensjahr vollendet und im Bundesgebiet ihren Wohnsitz haben; wer diese nicht erfüllt – so das Gesetz –, begeht gemäß §10 COVID-19-IG eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu € 3.600,– zu bestrafen.
Der Eintritt der Strafbarkeit bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Impfung ab wurde jedoch durch die COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, die am in Kraft getreten ist, ausgesetzt. Hintergrund war der "Erste[…] Bericht zum begleitenden Monitoring der Impfpflicht gegen COVID-19" vom (im Folgenden: Erster Monitoringbericht) der gemäß §19 Abs1 COVID-19-IG eingerichteten Kommission, mit dem eine vorübergehende Aussetzung der Verpflichtung zur Impfung nahegelegt wurde. Auf Grund des §19 Abs2 COVID-19-IG – einer weitreichenden Verordnungsermächtigung für den zuständigen Bundesminister – wurde daher im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates (§18 Abs1 COVID-19-IG) durch den BMSGPK verordnet, dass die §§1, 4, 10 und 11 COVID-19-IG und die §§1 und 4 COVID-19-IV "nicht auf Sachverhalte anzuwenden [sind], die sich nach Inkrafttreten dieser Verordnung ereignen". Die Verordnung wurde mit BGBl II 198/2022 dahingehend novelliert, dass die Nichtanwendung der obgenannten Bestimmungen sowie der §§3, 3a und 3b COVID-19-IG bis zum verlängert wurde.
Diese Verordnung bewirkt daher im Ergebnis, dass auf Konstellationen, in denen die (an sich ab sanktionsbewehrte) Verpflichtung zur Impfung bestünde, diese Bestimmungen jedenfalls (vorerst) bis zum nicht mehr auf Sachverhalte anzuwenden sind, die an sich dem COVID-19-IG unterliegen würden, also in diesem "eingeschränkten" Rahmen davon auszugehen ist, dass die bekämpfte Verpflichtung zur Impfung nicht besteht.
1.5. Nun begehrt der Antragsteller mit seinem auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG gestützten Hauptantrag die Aufhebung des §1 Abs1 und des §10 Abs1 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022. Damit hat der Antragsteller seinen Hauptantrag zu eng gewählt. Für die Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit hätte er jedenfalls weitere Bestimmungen mitanfechten müssen (vgl auch ).
1.6. Demgegenüber hat der Antragsteller mit seinem auf Art140 Abs1 Z1 litc und Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten ersten Eventualantrag auf Aufhebung des §1, §2 Z6 bis 9, §3, §4 Abs1 bis 4, §5 bis §15, §16 Abs2 Z3 bis 6, §17, §18, §19 Abs1 Z4 und Abs2 sowie §20 Abs2 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, sowie der COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, – vor dem Hintergrund seiner Bedenken gegen die (sanktionsbewehrte) Verpflichtung, sich gegen COVID-19 impfen lassen zu müssen – den Anfechtungsumfang nicht zu eng gewählt, weil die Regelungen des COVID-19-IG überwiegend zwar in einem Regelungs-, jedoch nicht untrennbaren Zusammenhang stehen.
1.6.1. §1 Abs1 COVID-19-IG normiert eine Verpflichtung zur Impfung für einen näher definierten Personenkreis. Mit dieser Bestimmung hat sich der Bundesgesetzgeber für eine generelle Verpflichtung zur Impfung volljähriger Personen mit aufrechtem Wohnsitz im Bundesgebiet entschieden, deren Umfang jedoch erst durch §4 Abs1 bis 4 COVID-19-IG in Verbindung mit einer von dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassenden Verordnung näher zu regeln ist. Von dieser Ermächtigung hat der BMSGPK mit der COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, Gebrauch gemacht. Diese Verpflichtung zur Impfung sowie deren Ausgestaltung sind die zentralen Bestimmungen des COVID-19-IG, weshalb der Anfechtungsumfang insoweit jedenfalls zutreffend gewählt wurde.
Mit Blick auf diese generelle, bundesgesetzlich grundsätzlich angeordnete Verpflichtung zur Impfung für alle Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet und in Österreich ihren Wohnsitz haben (vgl dazu auch die COVID-19-IV, BGBl II 52/2022), hat der Gesetzgeber – im Fall der Nicht-Verfügbarkeit von Impfstoffen, einer wesentlichen Änderung des Standes der Wissenschaft hinsichtlich der Wirksamkeit der Impfstoffe, der sonstigen Eignung der Impfpflicht zur Verhinderung einer Überlastung der medizinischen Versorgung, wie insbesondere bei Auftreten neuer Virusvarianten oder einer durch die Eigenschaften des Virus bedingten Veränderung des infektionsepidemiologischen Geschehens, oder der Erforderlichkeit der Impfpflicht – mit §19 Abs2 COVID-19-IG dem zuständigen Bundesminister die Ermächtigung zur Aussetzung der Verpflichtung zur Impfung hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, die an sich dieser unterliegen würden, durch Verordnung vorgesehen. Der BMSGPK hat von dieser Ermächtigung mit der COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, sowie der Novelle BGBl II 198/2022 Gebrauch gemacht und die Verpflichtung zur Impfung – vorerst – für den Zeitraum vom 12. März bis zum ausgesetzt. Der tatsächliche Umfang und das Ausmaß der gemäß §1 Abs1 COVID-19-IG normierten Verpflichtung zur Impfung werden sohin maßgeblich auch durch §19 Abs2 COVID-19-IG mitbestimmt. Auch diese Bestimmung steht daher in einem untrennbaren Zusammenhang und ist mitanzufechten.
Mit Erlassung der COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, und der Novelle BGBl II 198/2022 wird die in §1 Abs1 und §4 Abs1 bis 4 COVID-19-IG sowie in der COVID-19-IV normierte Verpflichtung zur Impfung derzeit für alle Sachverhalte ausgesetzt, die an sich der Verpflichtung – ab – sanktionsbewehrt unterliegen würden; in dieser – rechtlich relevanten – spezifischen Situation war es daher auch jedenfalls zulässig, §19 Abs2 COVID-19-IG bereits vor Erlassung der Verordnung anzufechten.
Im Hinblick auf §1 Abs1, §4 Abs1 bis 4 und §19 Abs2 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, sowie der COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, ist der Anfechtungsumfang des ersten Eventualantrages daher zutreffend abgesteckt (vgl zum Anfechtungsumfang betreffend die COVID-19-IV etwa ua). In diesem Umfang lässt es der Antrag vor dem Hintergrund der vorgetragenen Bedenken zu, für den Fall des Zutreffens der Bedenken die jeweilige Gesetz- und Verfassungswidrigkeit durch Aufhebung der von den Bedenken erfassten Bestimmungen zu beseitigen.
1.6.2. Im Übrigen – also betreffend §1 Abs2, §2 Z6 bis 9, §3, §5 bis §15, §16 Abs2 Z3 bis 6, §17, §18, §19 Abs1 Z4 sowie §20 Abs2 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022 – ist der erste Eventualantrag schon deshalb zurückzuweisen, weil hiezu keine konkreten verfassungsrechtlichen Bedenken vorgebracht wurden.
1.6.3. Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass im Falle der Aufhebung des §1 Abs1, §4 Abs1 bis 4 und §19 Abs2 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, die übrigen Bestimmungen des COVID-19-IG und die darauf gestützten Verordnungen ins Leere gingen. Der Umstand, dass eine Bestimmung im Fall der Aufhebung einer anderen Regelung unanwendbar wird, vermag für sich allein einen untrennbaren Zusammenhang dieser Bestimmung nicht zu begründen (vgl etwa mwN).
1.7. Grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation ist allerdings auch, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift (vgl statt vieler VfSlg 9096/1981, 12.447/1990, 12.870/1991, 13.214/1992, 13.397/1993). Der Verfassungsgerichtshof geht grundsätzlich davon aus, dass die bekämpften Gesetzesbestimmungen auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Antragsteller noch entsprechend wirksam sein müssen (vgl VfSlg 12.999/1992, 16.621/2002, 16.799/2003, 17.826/2006, 18.151/2007, 20.397/2020), was in der Regel dann nicht mehr der Fall ist, wenn die bekämpften Bestimmungen bereits außer Kraft getreten oder wesentlich geändert worden sind. Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch bereits außer Kraft getretene Regelungen die Rechtssphäre des Antragsstellers aktuell berühren (vgl etwa VfSlg 20.397/2020, 20.399/2020 jeweils mwN).
1.7.1. Der Antragsteller bringt vor, er sei in Wien wohnhaft und habe das 18. Lebensjahr vollendet. Weder habe er sich einer Impfung mit einem Impfstoff gegen COVID-19 unterzogen noch sei er genesen oder würden Kontraindikationen gemäß §2 COVID-19-IV vorliegen. Er unterliege sohin "nach dem der Impfpflicht gem §1 Abs1 COVID-19-IG". Sein Alter und sein Wohnsitz würden ihn unmittelbar der Verpflichtung zur Impfung gemäß §1 Abs1 COVID-19-IG und der Strafbestimmung unterwerfen. Auch §3 Abs1 COVID-19-IG befreie ihn nicht davon.
"Nach dem unterliege ich unmittelbar der strafbewehrten Impfpflicht gemäß §1 Abs1 COVID-19-IG. Um einer Strafe zu entgehen, muss ich mich bereits vor diesem Zeitpunkt einem irreversiblen medizinischen Eingriff unterziehen oder meinen inländischen Wohnsitz aufgeben. Mit anderen Worten: Ich muss einschneidende notwendige Vorkehrungen treffen. Soweit notwendige Vorkehrungen aus einer Kundmachung resultieren, begründet sie eine aktuelle Betroffenheit (VfSlg 20.002, 20.065, 20.090).
Damit zeitigt das COVID-19-IG bereits seit seiner Kundmachung Vorwirkungen. Ein Strafverfahren zu provozieren ist mir genauso wenig zumutbar, wie die Aufgabe meines Wohnsitzes. Die Impfpflicht betrifft mich aktuell und unmittelbar."
1.7.2. Diesem Vorbringen tritt die Bundesregierung nicht entgegen.
1.7.3. Das COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, ist am in Kraft getreten und steht derzeit in der Fassung BGBl I 22/2022 in Kraft. §1 Abs1, §4 Abs1 bis 4 und §19 Abs2 COVID-19-IG stehen weiterhin in der – vom Antragsteller angefochtenen – Stammfassung in Kraft. Im Zeitpunkt der Antragstellung am ordnete das COVID-19-IG gemäß §1 Abs1 leg cit eine Verpflichtung zur Impfung für den Antragsteller an, deren Nichterfüllung gemäß §10 Abs1 leg cit ab strafbar sein sollte. Die Strafbarkeit bei Verletzung der Verpflichtung zur Impfung wurde aber bereits vor ihrem Wirksamwerden am ausgesetzt, da die gemäß §19 Abs2 COVID-19-IG erlassene COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, normiert, dass die §§1, 4, 10 und 11 COVID-19-IG und die §§1 und 4 der COVID-19-IV nicht auf Sachverhalte anzuwenden sind, die sich von bis zum ereignen. Diese Anordnung wurde mit BGBl II 198/2022 bis zum verlängert.
1.7.4. Ungeachtet dessen war der Antragsteller von der mit in Kraft getretenen Verpflichtung zur Impfung gemäß §1 COVID-19-IG zumindest im Antragszeitpunkt am unmittelbar und aktuell betroffen, da bereits vor dem eine entsprechende Verpflichtung bestanden hat. So ist der Antragsteller – schon spätestens ab dem Inkrafttreten der COVID-19-IV am – gehalten gewesen, sich entsprechend den in der Verordnung vorgesehenen Impfintervallen impfen zu lassen; daran ändert auch der Umstand, dass der Gesetzgeber bis zum die (allfällige) Verwaltungsübertretung nicht sanktioniert wissen wollte, nichts.
1.8. Wie der Antragsteller zutreffend vorbringt, steht ihm auch kein anderer zumutbarer Weg offen, die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen; insbesondere ist es nicht zumutbar – und derzeit auch nicht möglich – im Hinblick auf die Strafdrohung in §10 Abs1 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, ein Strafverfahren zu provozieren.
1.9. Im Verfahren hat sich auch sonst nichts ergeben, was am Vorliegen der Voraussetzungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der erste Eventualantrag hinsichtlich §1 Abs1, §4 Abs1 bis 4 und §19 Abs2 COVID-19-IG sowie der COVID-19-IV als zulässig; im Übrigen ist er – da keine konkreten Bedenken vorgetragen wurden – jedoch als unzulässig zurückzuweisen.
1.10. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf den zweiten und dritten Eventualantrag – mit denen jeweils weitere Anfechtungsumfänge gewählt wurden – einzugehen.
2. In der Sache
2.1. Vorgeschichte:
Nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie Ende des Jahres 2019 wurden in Österreich erstmals im März 2020 auf Basis des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I 12/2020, mit der Verordnung des BMSGPK betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, sowie der Verordnung des BMSGPK gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, Betretungs- und Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung und Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erlassen. In den folgenden Monaten zeichnete sich auch in Österreich das epidemiologische Geschehen vornehmlich durch seine dynamische und – selbst unter Einbeziehung der entsprechenden Fachexpertise – schwer vorhersehbare Entwicklung aus, auf die seitens des BMSGPK durch Verordnungen mit an die jeweilige Situation angepassten Maßnahmen – wie etwa Ausgangsbeschränkungen, Betretungsverboten, der Verpflichtung zum Maskentragen und zum Abstandhalten oder verpflichtenden Antigen- bzw PCR-Tests – reagiert wurde (vgl dazu in jüngerer Zeit etwa die 6. COVID-19-SchuMaV, die mit außer Kraft getreten ist und einen Lockdown für Ungeimpfte angeordnet hat bzw die 4. COVID-19-MaßnahmenV, die vom 1. Jänner bis unter anderem Abstandsregelungen, eine Maskenpflicht und Ausgangsregelungen normiert hat). Wiederkehrende Infektionswellen und unterschiedliche Virusvarianten bestimmten in den letzten Jahren das epidemiologische Geschehen, das in jüngerer Zeit durch die – seit Anfang 2021 zunächst nur für bestimmte Personengruppen, seit Mitte des Jahres 2021 jedoch allgemein zugänglichen – Impfungen gegen SARS-CoV-2 mitgeprägt wurde. Trotz allgemeiner Verfügbarkeit von zentral zugelassenen Impfstoffen wurde eine hinreichende Durchimpfungsrate aber nicht erreicht (vgl etwa IA 2173/A 27. GP, 7). Ein weiterer exponentieller Anstieg der Fallzahlen und die damit korrelierende Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems konnten im Herbst 2021 nicht verhindert werden, weshalb am zunächst mit der 5. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 465/2021, der sogenannte "Lockdown für Ungeimpfte" in Kraft trat. Bereits eine Woche später (am ) wurde mit der 5. COVID-19-NotMV, BGBl II 475/2021, ein bundesweiter Lockdown angeordnet, der bis zum in Kraft war. Ab dem wurde mit der 6. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 537/2021, ein weiterer Lockdown für Ungeimpfte angeordnet, der im Wesentlichen bis zum aufrechterhalten wurde. Der Gesetzgeber sah sich Ende des Jahres 2021 zunächst mit der damals vorherrschenden Delta-Variante des Virus und Anfang des Jahres 2022 sodann – trotz des konstanten Rückganges der Auslastung der Intensivstationen – mit der bundesweit höchsten 7-Tages-Inzidenz seit Pandemiebeginn konfrontiert. In allen Bundesländern waren stark steigende Infektionszahlen mit der neuen, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) als besorgniserregend eingestuften Virus-Variante Omikron dokumentiert, die die zuvor dominante Virus-Variante Delta binnen kurzer Zeit verdrängt hatte (vgl ).
2.2. Gesetzgebungsprozess:
Vor dem Hintergrund dieses pandemischen Geschehens – insbesondere der Bedrohung des Gesundheitssystems durch die Virus-Variante Delta, die im Dezember 2021 zu einem bundesweiten Lockdown führte, sowie der ungewissen Prognose hinsichtlich der Wirkung und Entwicklung der Virus-Variante Omikron – wurde bereits am durch einen Initiativantrag ein erster Entwurf für das COVID-19-IG im Nationalrat eingebracht (vgl IA 2173/A 27. GP). Als Ziel dieses Bundesgesetzes wurde damals "die Steigerung der Durchimpfungsrate zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19" genannt, zumal – so die Begründung – damit die für eine wirksame Bekämpfung der Pandemie "unzureichende Durchimpfungsrate" verbessert werden könnte (vgl IA 2173/A 27. GP, 7).
In diesem ursprünglichen Entwurf wurden (noch) alle zur Umsetzung der Verpflichtung zur Impfung wesentlichen Fragen im Gesetz selbst geregelt; weitreichende Verordnungsermächtigungen – wie etwa der nun geltende §19 Abs2 COVID-19-IG – finden sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Dieser Initiativantrag wurde nach einem Begutachtungsverfahren am vom Gesundheitsausschuss in Verhandlung genommen und ein öffentliches Hearing durchgeführt, im Zuge dessen auch namhafte Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften und der Medizin eingeladen wurden, die aus ihrer Sicht relevanten Aspekte vorzutragen und für weiterführende Fragen der Abgeordneten zum Nationalrat zur Verfügung zu stehen (siehe das Protokoll vom öffentlichen Expertenhearing im Gesundheitsausschuss am : StenProtGA 27. GP, 21. Sitzung, 2 ff.; vgl zur Bedeutung des parlamentarischen Prozesses aus der Sicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte etwa EGMR [GK], Fall S.A.S., Appl 43.835/11, NLMR 4/2014). Auch im Zuge dieser Debatte wurde – soweit die Erforderlichkeit präventiver Maßnahmen wie der Impfung von Einzelnen nicht grundsätzlich abgelehnt wurde – hervorgehoben, dass das COVID-19-IG mit Blick auf mögliche künftige Entwicklungen der Pandemie ein flexibles System vorsehen solle, das es ermögliche, den verfassungsrechtlichen Anforderungen kontinuierlich Rechnung zu tragen. Es gehe um die vorausschauende "Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Covid-19-Impfpflicht, die unter ständiger Kontrolle und dynamischer Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten und an die jeweiligen Erkenntnisse" allenfalls genützt werden können sollen. Das Gesetz soll in seiner Ausgestaltung eine flexible Reaktion auf sich ständig ändernde, der Pandemie geschuldete Bedingungen ermöglichen. Es schaffe mit der grundsätzlichen Entscheidung, dass eine Impfung im Lichte der Zielsetzung des Gesetzes eine verhältnismäßige Möglichkeit sei, die Pandemie wirksam zu bekämpfen, die notwendige gesetzliche Grundlage, die Verpflichtung zur Impfung flexibel und situationsadäquat umzusetzen.
Nach der Debatte und dem Hearing im Gesundheitsausschuss wurde ein gesamtändernder Abänderungsantrag eingebracht, der zwar auch weiterhin die Verpflichtung zur Impfung im COVID-19-IG normiert, den Gesetzesentwurf aber unter anderem dahingehend modifiziert, dass insbesondere durch die Verordnungsermächtigung des §19 Abs2 COVID-19-IG eine höchstmögliche Flexibilität sichergestellt werden soll. Wörtlich wird dazu beispielsweise Folgendes ausgeführt (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP, 16):
"Sowohl die Angemessenheit als auch die Geeignetheit gelinderer Mittel sind an die jeweilige epidemiologische Situation anzupassen, sodass auch nach Beschlussfassung dieses Bundesgesetzes eine kontinuierliche Beurteilung der Lage stattzufinden hat, um die Eignung und die Verhältnismäßigkeit der Impfpflicht evaluieren zu können und damit die Verfassungskonformität dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten. Dem tragen sowohl ein umfassendes begleitendes Monitoring (§19 Abs1) als auch die Verordnungsermächtigung des §19 Abs2 Rechnung, mit der auf geänderte Gegebenheiten wie das Auftreten neuer Virusvarianten sowie eine Veränderung des infektionsepidemiologischen Geschehens reagiert werden kann."
Schließlich hat der Nationalrat am das COVID-19-IG in der Fassung BGBl I 4/2022 beschlossen, das am kundgemacht wurde und gemäß §20 Abs1 leg cit am in Kraft getreten ist.
Bereits am , in Kraft getreten am , wurde vom BMSGPK die COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, erlassen. Diese Verordnung präzisiert, unter welchen Voraussetzungen ein "gültiger Impfstatus" vorliegt (anerkannte Impfstoffe, Impfintervalle, Umfang der Impfpflicht), und normiert Ausnahmen von der Verpflichtung zur Impfung sowie Bestimmungen betreffend ärztliche Bestätigungen.
Wie zuvor dargetan, ist das COVID-19-IG am in Kraft getreten, doch sah – so das Konzept dieses Gesetzes – der erste, bis gleichsam als "Informations- und Anlaufphase" gestaltete Geltungszeitraum noch keine Sanktion für das Nichtbefolgen des in §1 Abs1 COVID-19-IG angeordneten Verhaltens vor (vgl §1 Abs1 und §10 Abs1 COVID-19-IG).
In der Folge hat der BMSGPK schon mit gemäß §19 Abs2 COVID-19-IG im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates die COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, erlassen, mit der er festgelegt hat, dass die §§1, 4, 10 und 11 COVID-19-IG sowie die §§1 und 4 COVID-19-IV "nicht auf Sachverhalte anzuwenden [sind], die sich nach Inkrafttreten dieser Verordnung ereignen" und sohin wurde die Verpflichtung zur Impfung im Ergebnis ausgesetzt. Mit BGBl II 198/2022 wurde diese Anordnung vom BMSGPK im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates bis zum verlängert.
Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass derzeit zwar das COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, idF BGBl I 22/2022 und die COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, in Kraft stehen, jedoch auf Grund der COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, idF BGBl II 198/2022 die Verpflichtung zur Impfung und die diese Verpflichtung ausgestaltenden Bestimmungen im Ergebnis nicht vollzogen werden.
Vor diesem – derzeit geltenden – rechtlichen Hintergrund sind nun die vom Antragsteller als verfassungswidrig erachteten Regelungen des COVID-19-IG zu beurteilen.
2.3. Zum System des COVID-19-IG, BGBl I 4/2022:
2.3.1. Voranzustellen ist, dass der Gesetzgeber sohin mit dem COVID-19-IG eine grundsätzliche Verpflichtung zur Impfung vorgesehen hat. Den Eingriff in die grundrechtliche Stellung des Einzelnen und damit die Abwägungsentscheidung zugunsten der Angemessenheit einer Verpflichtung zur Impfung im Interesse des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gegenüber der Freiheit des Einzelnen hat er – vorausgesetzt die in einer konkreten pandemischen Situation gegebene Eignung und Erforderlichkeit einer bestimmten Ausgestaltung der Verpflichtung zur Impfung (siehe dazu Punkt IV.2.4.) – somit selbst vorgenommen. In diese Abwägung hat der Gesetzgeber – neben dem Schutz der Gesundheitsinfrastruktur – einbezogen, dass es vulnerablen Personen typischerweise nicht freisteht, durch eigene Vorkehrungen für ihren Gesundheitsschutz zu sorgen, da sie vielfach nur auf einen reduzierten Impfschutz vertrauen können. Andererseits darf es nicht zu einer ausschließlichen Fokussierung auf vulnerable Personen auf Kosten Dritter kommen, ohne die gegenläufigen Interessen abzuwägen und zu berücksichtigen.
2.3.2. Eine Impfung stellt einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar, der zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes grundsätzlich die Einwilligung des Betroffenen voraussetzt. Die gesetzlich vorgesehene Verpflichtung zur Impfung ist daher als besonders schwerer Eingriff zu qualifizieren. Zwar kann die Verpflichtung zur Impfung nicht durch Ausübung unmittelbaren Zwanges durchgesetzt werden (vgl §1 Abs3 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, idF BGBl I 22/2022), doch bleibt dem Normadressaten de facto keine Alternative, weil er nur die Möglichkeit hat, seinen Wohnsitz außerhalb des Bundesgebietes zu wählen oder die Gefahr einer Bestrafung in Kauf zu nehmen.
Hinsichtlich der Intensität dieses Eingriffes ist festzuhalten, dass die Reichweite des COVID-19-IG dadurch begrenzt wird, dass gemäß §3 leg cit Ausnahmen auf Grund medizinischer Kontraindikationen vorgesehen sind (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP, 6), die durch Verordnung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers zu präzisieren sind (vgl §2 COVID-19-IV, BGBl II 52/2022). Auch ist der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister dazu verpflichtet, gemäß §4 COVID-19-IG den Umfang der Verpflichtung zur Impfung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft mit Verordnung festzulegen (vgl §4 COVID-19-IV, BGBl II 52/2022).
Dem schweren Eingriff in die grundrechtlich verbürgte körperliche Unversehrtheit stehen jedoch folgende rechtfertigende Gründe gegenüber:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Fall Vavřička auf die Bedeutung der gesellschaftlichen Solidarität gegenüber besonders schutzbedürftigen und nur durch eine Herdenimmunität zu schützenden Personen hingewiesen. Zum Schutz dieser Gruppen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, kann von jedem Einzelnen verlangt werden, ein mit einer Impfung einhergehendes geringes Gesundheitsrisiko auf sich zu nehmen (EGMR [GK], Fall Vavřička ua, Appl 47.621/13, NLMR 2021, 156 [Z279, 306]; vgl auch VfSlg 11.917/1988).
Dieser Gedanke der gesellschaftlichen Solidarität trägt auch in der vorliegenden Situation. Vulnerable Personen, die eine Impfung auf Grund medizinischer Kontraindikation nicht in Anspruch nehmen können bzw bei denen die Wirksamkeit einer Impfung gemindert ist, sind auf diese gesellschaftliche Solidarität angewiesen, um auch weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können (siehe dazu den Executive Report der GECKO-Sitzung vom , 6; vgl auch AB 1312 BlgNR 27. GP, 3). Dem Gesetzgeber kann zudem nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Basis der überwiegenden Meinung der Wissenschaft davon ausgeht, dass das COVID-19-IG dem Schutz der (öffentlichen) Gesundheit insofern dient, als geimpfte Personen einem deutlich geringeren Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes ausgesetzt sind (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP, 2; vgl auch den Ersten Monitoringbericht und den "Zweite[n] Bericht zum begleitenden Monitoring der Impfpflicht gegen COVID-19" vom [im Folgenden: Zweiter Monitoringbericht]) und damit einhergeht, dass die Gesundheitsinfrastruktur durch an SARS-CoV-2 erkrankten Personen weniger belastet wird, da – im Regelfall – eine Hospitalisierung vermieden werden kann. Dass an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur während einer Pandemie ein berücksichtigungswürdiges Interesse letztlich zum Schutz der Gesundheit aller besteht, hat der Verfassungsgerichtshof schon in VfSlg 20.399/2020 festgehalten.
2.3.3. Im COVID-19-IG hat der Gesetzgeber ferner den prozessualen Ablauf im Hinblick auf das Einsetzen der konkreten Verpflichtung zur Impfung und ihrer verwaltungsstrafrechtlichen Durchsetzung grundgelegt und zu deren näheren Ausgestaltung auch Verordnungsermächtigungen geschaffen; das betrifft neben der schon erwähnten Festlegung des Umfanges der Verpflichtung zur Impfung (§4 Abs4 COVID-19-IG) zunächst etwa den Erinnerungs- und Impfstichtag (vgl insbesondere die §§5 und 9 COVID-19-IG). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit §19 Abs2 leg. cit. die Grundlage dafür geschaffen, dass der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates in die Lage versetzt wird, "unverzüglich auf aktuelle Entwicklungen" zu reagieren (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP, 32). Diese gesetzliche Ermächtigung sieht vor, dass der zuständige Bundesminister nicht nur die Nichtverfügbarkeit von Impfstoffen, sondern auch – im Falle einer wesentlichen Änderung des Standes der Wissenschaft – die Eignung und die Erforderlichkeit der gesetzlichen Verpflichtung zur Impfung stets zu beachten hat. Mit §19 Abs2 COVID-19-IG ermöglicht der Gesetzgeber sohin ein flexibles Reagieren auf die volatilen pandemischen und wissenschaftlichen Entwicklungen; damit stellt er sicher, dass den Anforderungen an die Eignung und Erforderlichkeit der Verpflichtung zur Impfung entsprechend Rechnung getragen wird.
Die gesetzliche Regelung begegnet somit im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dienen diese Verordnungsermächtigungen – wie auch die derzeit geltende COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, idF BGBl II 198/2022 zeigt – doch gerade dazu, stets die engen verfassungsrechtlichen Grenzen einer Verpflichtung zur Impfung zu beachten. Dieses System ermöglicht, dass der zuständige Bundesminister dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechend, im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates (§18 COVID-19-IG; vgl zur Qualität der Mitwirkung des Hauptausschusses VfSlg 12.947/1991), jederzeit das verfassungsrechtlich Gebotene festlegen kann bzw muss. Die Schwere des Eingriffes der Verpflichtung zur Impfung gebietet es, diese Bestimmung verfassungskonform als kontinuierliche und strenge (Kontroll- und) Reaktionspflicht des zuständigen Bundesministers im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen zu verstehen (vgl §19 Abs2 COVID-19-IG: "hat […] unverzüglich anzuordnen"; vgl weiters AB 1312 BlgNR 27. GP, 14: mit §19 Abs2 COVID-19-IG gehe "die Verpflichtung zur kontinuierlichen Bewertung und regelmäßigen Evaluierung" einher).
Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister ist – wie bereits beschrieben – damit aber nicht nur ermächtigt, sondern im Lichte der verfassungsrechtlichen Einschränkungen verpflichtet, die gesetzliche Verpflichtung zur Impfung auf Basis dieser gesetzlichen Grundlagen stets den sich laufend ändernden Bedingungen anzupassen; das Ob, das Wie und das Wann der Impfpflicht sowie wer der Impfpflicht letztlich ab einem bestimmten Zeitpunkt unterliegt, ist sohin durch dieses flexible System zu bestimmen (vgl AB 1312 BlgNR 27. GP).
Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Blickwinkel des Art18 B-VG und des Rechtsstaatsprinzipes im vorliegenden Kontext keine Bedenken gegen diese weitreichenden Verordnungsermächtigungen (vgl VfSlg 11.632/1988), weil das Gesetz – mit Blick auf die Materie und den Gesamtzusammenhang – die wesentlichen Determinanten für das Handeln der Vollziehung vorgibt (vgl etwa VfSlg 4644/1964, 12.947/1991, 16.911/2003; Ranacher/Sonntag, Art18 B-VG, in: Kahl/Khakzadeh/Schmid [Hrsg.], Kommentar Bundesverfassungsrecht, 2021, Rz 26).
Auf das Wesentliche zusammengefasst verpflichtet §19 Abs2 COVID-19-IG in verfassungskonformer Interpretation den Verordnungsgeber zur kontinuierlichen Bewertung und regelmäßigen Evaluierung der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Verpflichtung zur Impfung. Bei dieser Beurteilung hat der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister insbesondere auf die Wirksamkeit und Risiken der zur Verfügung stehenden Impfstoffe, auf die Ermächtigung, die Verpflichtung zur Impfung auf bestimmte Sachverhalte – auch durch die Einschränkung der Verpflichtung auf bestimmte Personen- und Berufsgruppen bzw Angehörige bestimmter Einrichtungen – einzuschränken, sowie darauf zu achten, ob der intensive Eingriff in die körperliche Unversehrtheit angesichts des konkreten Schutzbedarfes vulnerabler Personengruppen und des Schutzes der Gesundheitsinfrastruktur nicht durch andere, Grundrechte weniger einschränkende Maßnahmen (wie etwa eine temporäre Maskenpflicht beim Zusammentreffen mehrerer Menschen) vermieden werden kann.
Bei dieser verfassungsrechtlich gebotenen laufenden Evaluierung der Ausgestaltung der gesetzlichen Verpflichtung zur Impfung durch Verordnung hat der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister auch alle anderen ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeiten zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes in der Zeit der Pandemie (vgl etwa das COVID-19-MG: von der Maskenpflicht bis zum Lockdown) in die Betrachtung einzubeziehen, hat der Gesetzgeber doch Grundlagen für ganz unterschiedliche Maßnahmen – auch hinsichtlich der Eingriffsintensität – geschaffen. Dass die Beurteilung auch für den Verfassungsgerichtshof nachvollziehbar sein muss, versteht sich von selbst (vgl zur Dokumentationspflicht etwa VfSlg 20.399/2020).
Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist im hier gegebenen Zusammenhang hervorzuheben, dass der Gesetzgeber durch die Einbindung des Hauptausschusses des Nationalrates gemäß §18 Abs1 COVID-19-IG jedenfalls auch seine Mitwirkung in derart notgedrungen faktenbasierten Entscheidungen sichergestellt hat.
Daher hat der Verfassungsgerichtshof – auch diesen Gesichtspunkt einbeziehend – keine Bedenken gegen §19 Abs2 COVID-19-IG.
2.4. §19 Abs2 COVID-19-IG gewährleistet, dass die Verpflichtung zur Impfung nur dann zum Tragen kommt, wenn sie im Lichte der Zielsetzung geeignet und erforderlich ist. Dabei sind die Grenzen des Art8 EMRK zu beachten:
In Bezug auf das beste Mittel zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Vavřička klar, dass es keinen Konsens der Konventionsstaaten über ein einziges Modell gibt. Es besteht vielmehr ein Spektrum von Strategien, das von einer bloßen Empfehlung zur freiwilligen Impfung bis hin zu einer rechtlichen Verpflichtung reicht (EGMR, Fall Vavřička ua, Z278).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weist darauf hin, dass die Einführung einer Impfpflicht nicht per se unzulässig ist, sondern unter gewissen Voraussetzungen zum Schutz der Bevölkerung vor schwerwiegenden Krankheiten gerechtfertigt ist: Wenn daher die Ansicht vertreten wird, dass eine Strategie der freiwilligen Impfung nicht ausreicht, um eine Herdenimmunität herzustellen oder aufrechtzuerhalten oder eine Herdenimmunität auf Grund der Art der Krankheit (zB Tetanus) keine Rolle spielt, können die innerstaatlichen Behörden vernünftigerweise eine Strategie der Impfpflicht einführen, um einen angemessenen Grad des Schutzes vor schwerwiegenden Krankheiten zu erreichen (EGMR, Fall Vavřička ua, Z288).
2.4.1. Die grundsätzlich gemäß §1 Abs1 COVID-19-IG angeordnete – derzeit nicht anzuwendende – Verpflichtung zur Impfung stellt jedenfalls – wie allseits zugestanden – einen Eingriff in den Schutzbereich des Art8 EMRK dar.
Die vom Antragsteller bekämpften Regelungen begründen – vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte – einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art8 Abs1 EMRK, konkret auf Achtung der physischen Integrität des Antragstellers (vgl EGMR, Fall Vavřička ua, Z263; , Fall Solomakhin, Appl 24.429/03 [Z33 f.]; , Fall Salvetti, Appl 42.197/98; siehe auch Kopetzki, Unterbringungsrecht I, 1995, 407 ff.). Damit einher geht das Recht der Person, selbst zu entscheiden, ob sie sich einer bestimmten medizinischen Behandlung unterwerfen will (vgl EKMR , Fall Herczegfalvy, Appl 10.533/83, EuGRZ1992, 588 [Z257]; EKMR , Fall Acmanne ua, Appl 10.435/83). Wie der Verfassungsgerichtshof schon in VfSlg 20.433/2020 betont hat, räumt der Gesetzgeber dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im Bereich medizinischer Behandlungen einen zentralen Stellenwert ein und zwar unabhängig davon, ob die Entscheidung aus medizinischer Sicht zweckmäßig ist. Auch wenn die Verpflichtung zur Impfung nicht durch Ausübung unmittelbaren Zwanges durchgesetzt werden kann (vgl §1 Abs3 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, idF BGBl I 22/2022), bleibt dem Normadressaten alternativ nur ein Wechsel seines Wohnsitzes außerhalb des Bundesgebietes bzw – nach Wirksamwerden der Sanktionsnorm gemäß §10 Abs1 COVID-19-IG – die Gefahr einer Bestrafung in Kauf zu nehmen. Dieser Eingriff in die körperliche Integrität und das damit in Zusammenhang stehende Selbstbestimmungsrecht ist vor diesem Hintergrund auch als besonders schwer zu qualifizieren (vgl zum Schutzbereich des Art8 EMRK im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen etwa Kopetzki, aaO, 407 ff.; vgl weiters Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts unter besonderer Berücksichtigung der Regelungen betreffend COVID-19, 2020, 50 ff.).
2.4.2. Gemäß Art8 Abs1 EMRK hat jedermann unter anderem Anspruch auf Achtung seines Privatlebens. Art8 Abs2 EMRK legt fest, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in die durch Abs1 geschützten Rechtsgüter zulässig ist. Ein Eingriff in das in diesem Artikel verbürgte Grundrecht ist nach Art8 Abs2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Ein solcher Eingriff ist daher verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er geeignet und erforderlich ist, eines der genannten legitimen Ziele zu erreichen, und überdies verhältnismäßig ist (vgl VfSlg 19.653/2012 mwN).
Das vom Gesetzgeber mit dem COVID-19-IG verfolgte Ziel, durch eine hohe Durchimpfungsrate einerseits die Verbreitung von COVID-19 zum Schutz vulnerabler Personen, die eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht in Anspruch nehmen können, zu verhindern sowie andererseits durch die damit bewirkte Reduktion des Risikos schwerer Krankheitsverläufe und der Letalität die Kapazitäten der Gesundheitsinfrastruktur zu schonen und dadurch die Gesundheit der Menschen und die Gesundheitsinfrastruktur zu schützen, dient den gewichtigen öffentlichen Interessen des Schutzes des Lebens und der Gesundheit (vgl VfSlg 20.399/2020; AB 1312 BlgNR 27. GP, 2). Betrachtet man die Entwicklungen der Pandemie in den letzten Jahren, so ergibt sich ein Bild von immer wiederkehrenden Infektionswellen, die – an den jeweiligen Spitzen – das Gesundheitssystem bzw die Gesundheitsinfrastruktur stark belasteten (vgl etwa die Fachliche Begründung zur 5. COVID-19-NotMV vom ). Hinzu kommt, dass Experten zufolge die Richtung der SARS-CoV-2-Veränderung nicht vorhersehbar ist; zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Virus hin zu einem einfachen Erkältungsvirus entwickelt, eine Entwicklung hin zu einem Virus ähnlich der Influenza oder einem noch gefährlicheren ist aber ebenso denkbar (vgl die Stellungnahme der Bundesregierung unter Hinweis auf den Ersten Monitoringbericht der gemäß §19 Abs1 COVID-19-IG beim Bundeskanzleramt eingerichteten Kommission gemäß §8 BMG, BGBl 76/1986: "Nach den bisherigen Erfahrungen mit COVID-19 ist es als sehr wahrscheinlich anzusehen, dass im Herbst 2022 eine neue, möglicherweise massive Infektionswelle droht. Selbst wenn die Pathogenität der dann dominierenden Varianten diejenige der Omikron-Varianten nicht übersteigen sollte, könnte – wenn keine Vorkehrungen getroffen werden – das Virus auf eine Bevölkerung treffen, deren Immunität massiv abgenommen hat […], und könnte damit zu einer weitaus höheren Krankheitslast führen als die Omikron-Varianten im Winter 2021. Eine Überlastung des Gesundheitssystems wäre dann keinesfalls auszuschließen, und ebenso wenig, dass zu ihrer Vermeidung wiederum drastische Freiheitseingriffe [zB Lockdown] erforderlich würden."). Der Gesetzgeber kann vor dem Hintergrund dieser Historie und auf Basis der eingeholten Fachexpertise (vgl insbesondere AB 1312 BlgNR 27. GP und den Ersten Monitoringbericht sowie den Zweiten Monitoringbericht) davon ausgehen, dass auch in den kommenden Monaten eine Wiederholung derartiger Bedrohungssituationen durch das Virus nicht mit relevanter Sicherheit ausgeschlossen werden kann und die Gefahrenlage der vergangenen Jahre insbesondere für vulnerable Personen und für die Gesundheitsinfrastruktur sohin weiterhin bestehen bleibt. Dabei sind die durch andere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie (wie insbesondere längere Lockdowns) entstehenden Auswirkungen zu berücksichtigen.
2.4.3. Der Antragsteller bringt vor, die Verpflichtung zur Impfung sei nicht erforderlich, zumal mit Tests und Masken eine Ansteckung nicht nur effektiver, sondern auch weniger eingriffsintensiv hintangehalten werden und die Verpflichtung zur Impfung auf Risikogruppen beschränkt werden könne.
In diesem Zusammenhang weist die Bundesregierung unter anderem darauf hin, dass in einer Durchschnittsbetrachtung zu erwarten sei, dass der Effekt der Masken im Sinne einer Verhinderung von Ansteckungen in der Praxis deutlich unter dem in Studien ermittelten Effekt liege. Das Risiko der damit einhergehenden Unsicherheiten sei dabei stets vor dem Hintergrund der jeweiligen epidemiologischen Lage zu bewerten. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass FFP2-Masken im Gegensatz zu Impfungen keinen Immunschutz vermitteln würden. Ein gültiger Testnachweis verringere zwar die Wahrscheinlichkeit infektiös zu sein, könne eine Infektiosität während der Gültigkeitsdauer aber nicht ausschließen. Wenn außerdem keine Immunität der getesteten Person vorliege, steige das Risiko einer Übertragung noch weiter an, da nicht-immunisierte getestete Personen, unabhängig von der Gültigkeitsdauer des Testnachweises, im Gegensatz zu Genesenen und Geimpften keinen immunologischen Schutz vor Infektion und Transmission aufweisen würden. Sollte eine Person trotz negativem Test mit SARS-CoV-2 infiziert sein und Viren in kontagiösen Mengen ausscheiden, so könne nicht davon ausgegangen werden, dass – wie bei geimpften (und genesenen) Personen – Mechanismen wirksam werden, die die Übertragung des Virus durch die infizierte Person auf andere Personen reduzieren können. Diese Maßnahmen hätten daher keine einem Immunschutz vergleichbaren Effekte. Es handle sich dabei insbesondere nicht um nachhaltige, sondern nur um kurz- bzw allenfalls mittelfristige Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers sei auch eine Verpflichtung zur Impfung nur für vulnerable Personen kein gelinderes Mittel, da auch Normalstationen in die Betrachtung miteinbezogen werden müssten und bei der Interpretation der Belagszahlen der Faktor mitbedacht werden müsse, dass Ausgangsbeschränkungen gegolten haben. Zudem würden die Statistiken klar zeigen, dass die Mehrheit der Personen, die stationär behandelt werden mussten, über keine oder nur eine unzureichende Immunisierung gegen SARS-CoV-2 verfügt hätten. Ferner sei eine Reduktion des Infektionsgeschehens in jüngeren Altersgruppen durch Impfungen notwendig, da in vergangenen Pandemiewellen das Infektionsgeschehen zunächst in jüngeren Altersgruppen angestiegen sei und sich dann in ältere Altersgruppen ausgeweitet habe. Es sei nach derzeitigem Wissensstand davon auszugehen, dass erst eine Durchimpfung von über 90 Prozent die notwendige Entlastung des Gesundheitssystems bewirken würde.
Dem Antragsteller ist insofern zuzustimmen, als mit Blick auf den besonders schweren Eingriff in die körperliche Integrität, die der Verpflichtung zur Impfung innewohnt, auch ein strenger Maßstab bei der Prüfung der Erforderlichkeit heranzuziehen ist. Nun ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass niemand gezwungen werden kann, sich zwangsweise "behandeln" zu lassen (vgl §1 Abs3 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, idF BGBl I 22/2022). Würde die Verpflichtung zur Impfung bloß mit dem "Schutz vor sich selbst" argumentiert, könnte dies jedenfalls den Eingriff nicht rechtfertigen (vgl zur Gurtenanlegepflicht VfSlg 11.917/1988).
Die Verpflichtung zur Impfung, die als besonders schwerer Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht bezüglich der körperlichen Integrität zu qualifizieren ist, lässt sich dann rechtfertigen, wenn sie auch unbedingt erforderlich ("unerlässlich") ist, um das legitime Ziel des Gesetzgebers zu erreichen. Hiebei ist insbesondere auch bei Erlassung der entsprechenden Verordnung gemäß §19 Abs2 COVID-19-IG zu berücksichtigen, ob andere, gleich wirksame, aber weniger eingriffsintensive Mittel zur Erreichung der gesetzten Ziele zur Verfügung stehen (etwa die Beschränkung der Verpflichtung zur Impfung auf bestimmte Berufs- oder Personengruppen bzw eine einrichtungsbezogene Beschränkung). Die Verpflichtung muss in ihrer konkreten Ausgestaltung diesen Kriterien (treffsicher) entsprechen (vgl etwa den Executive Report der GECKO-Sitzung vom 21. und bzw vom ; ).
Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister ist – wie bereits dargetan – mit dem im Rahmen des §19 COVID-19-IG geschaffenen Regelungssystem genau dazu berufen, die Erforderlichkeit der Verpflichtung zur Impfung laufend zu evaluieren (vgl zum begleitenden Monitoring insbesondere §19 Abs1 COVID-19-IG sowie den Ersten und Zweiten Monitoringbericht) und gegebenenfalls die Verpflichtung zur Impfung überhaupt oder bloß für bestimmte Sachverhalte auszusetzen. Dieser aus §19 Abs2 COVID-19-IG erfließenden Verpflichtung ist der BMSGPK, indem er mit der COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, idF BGBl II 198/2022 die Verpflichtung zur Impfung vorerst ausgesetzt hat, derzeit nachgekommen.
Mit der noch während der "Informations- und Anlaufphase", also vor Eintritt der Strafbarkeit gemäß §10 Abs1 COVID-19-IG erlassenen COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, sowie der ersten Novelle BGBl II 198/2022 hat der BMSGPK von seiner Ermächtigung in §19 Abs2 COVID-19-IG auch Gebrauch gemacht und unter laufender wissenschaftlicher Begleitung im Ergebnis die Verpflichtung zur Impfung für den Zeitraum vom bis zum vorläufig für nicht anwendbar erklärt (vgl Erster und Zweiter Monitoringbericht).
Angesichts dieser derzeit geltenden COVID-19-Nichtanwendungsverordnung, BGBl II 103/2022, idF BGBl II 198/2022 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die zulässigerweise angefochtenen Bestimmungen (vgl VfSlg 15.116/1998).
2.5. Zum Gleichheitssatz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG:
Hier genügt es auf die Ausführungen zu Art8 EMRK zu verweisen; die im COVID-19-IG grundgelegte Verpflichtung zur Impfung für Personen ab Vollendung des 18. Lebensjahres, die ihren Wohnsitz in Österreich haben, begegnet vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber gewählten Regelungssystems hinsichtlich des Vorbringens keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher – soweit er sich auf §1 Abs1, §4 Abs1 bis 4 und §19 Abs2 COVID-19-IG, BGBl I 4/2022, sowie die COVID-19-IV, BGBl II 52/2022, bezieht – abzuweisen.
2. Im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2022:G37.2022 |
Schlagworte: | COVID (Corona), Privat- und Familienleben, Rechtsstaatsprinzip, Einvernehmen, Nationalrat, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Verordnungserlassung, Determinierungsgebot, Geltungsbereich (örtlicher) eines Gesetzes, Bundesminister, Strafe (Verwaltungsstrafrecht), VfGH / Weg zumutbarer, VfGH / Individualantrag, Eventualantrag, VfGH / Bedenken, Gesundheitswesen, Auslegung verfassungskonforme, VfGH / Prüfungsumfang |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.