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VfGH vom 04.10.2000, g37/00

VfGH vom 04.10.2000, g37/00

Sammlungsnummer

15959

Leitsatz

Verfassungsrechtlich unbedenkliche Klarstellung in der Steiermärkischen Gemeindeordnung hinsichtlich der Verpflichtung der Aufsichtsbehörde zur Mitteilung der für die Aufhebung einer Verordnung maßgeblichen Gründe an die Gemeinde "spätestens" mit der Kundmachung

Spruch

Das Wort "spätestens" in § 100 Abs 2 Stmk. Gemeindeordnung, LGBl. für Steiermark Nr. 115/1967, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu V1/97 ein Verordnungsprüfungsantrag einer steirischen Gemeinde zur Prüfung einer Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung anhängig, mit welcher eine Verordnung dieser Gemeinde wegen angeblicher Rechtswidrigkeit in Ausübung des Aufsichtsrechtes gem. § 100 Abs 2 Stmk. Gemeindeordnung, LGBl. für Steiermark Nr. 115/1967, aufgehoben worden ist.

Die Gemeinde bekämpft die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung wegen inhaltlicher und formeller Gesetzwidrigkeit.

2. Aus Anlaß des Verordnungsprüfungsverfahrens waren beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Wortes "spätestens" in § 100 Abs 2 Stmk. Gemeindeordnung entstanden, weshalb er ein amtswegiges Prüfungsverfahren einleitete.

Sein Bedenken umschrieb der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf VfSlg. 12308/1990 wie folgt:

"2.2. Der Steiermärkische Landesgesetzgeber hat in der Steiermärkischen Gemeindeordnung vorgesehen, daß die Gründe, die für die Gesetzwidrigkeit der Verordnung sprechen, 'spätestens mit der Kundmachung der die Aufhebung verfügenden Verordnung im Landesgesetzblatt mitzuteilen' sind. (§100 Abs 2 Steiermärkische Gemeindeordnung, LGBl. für Steiermark Nr. 115/1967) Dies scheint mit Art 119a Abs 6 B-VG - vor dem Hintergrund der erwähnten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - in Widerspruch zu stehen, da nach dem Sprachsinn eine Begründung, die 'spätestens' zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen muß, offenbar auch schon früher mitgeteilt werden darf.

2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen diese Regelung daher das Bedenken, daß durch sie der Zweck des Art 119a B-VG, nämlich der Gemeinde gesicherte Kenntnis vom letzten Stand der Überlegungen der Aufsichtsbehörde zu verschaffen, vereitelt wird. Nach dieser Gesetzesstelle hat die Gemeinde das Recht, von den Gründen für die Aufhebung einer Gemeindeverordnung zweimal Kenntnis zu erlangen:

Einmal im Rahmen der Anhörung jene Gründe, aus denen die Aufhebung der Gemeindeverordnung beabsichtigt ist: diese Anhörung hat den Zweck, der Gemeinde (vergleichbar dem Parteiengehör im Verwaltungsverfahren nach dem AVG) Gelegenheit zu geben, zu diesen Gründen Stellung zu nehmen. Der Gemeinde sind dann aber auch jene Gründe, die schließlich für die Aufhebung (gegebenenfalls ungeachtet einer sich dagegen aussprechenden Stellungnahme der Gemeinde) maßgeblich gewesen sind, gleichzeitig mit der Kenntnisnahme von der Aufhebung mitzuteilen, und zwar nicht - wie der Verfassungsgerichtshof in erwähnten Erkenntnis ausgeführt hat - 'irgendwie und irgendwann', sondern gleichzeitig mit der Aufhebung.

2.2.2. Das Wort 'spätestens' in § 100 Abs 2 leg. cit. scheint nun der gleichzeitigen Bekanntgabe der Begründung durch die Aufsichtsbehörde zwar nicht entgegenzustehen, wohl aber jedenfalls dann, wenn die bereits im Rahmen der Anhörung bekanntgegebenen Gründe auch zur Aufhebung der Verordnung geführt haben, eine frühere Bekanntgabe dieser Gründe genügen zu lassen."

3. § 100 Abs 2 Steiermärkische Gemeindeordnung, LGBl. für Steiermark Nr. 115/1967, lautet (das von amtswegen geprüfte Wort ist hervorgehoben):

"Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordnungen (Abs1) aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde spätestens mit der Kundmachung der die Aufhebung verfügenden Verordnung im Landesgesetzblatt mitzuteilen. Vor der Erlassung einer solchen Verordnung ist der Gemeinde Gelegenheit zur Äußerung zu geben."

c) Art 119a Abs 6 B-VG lautet:

"Die Gemeinde hat im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnungen der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordnungen nach Anhörung der Gemeinde durch Verordnung aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen."

4. Die Steiermärkische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie folgendes vorbringt:

"Auszugehen ist von der Bestimmung des Art 119a Abs 6 B-VG, die die Aufsichtsbehörde verpflichtet, gesetzwidrige Verordnungen der Gemeinde aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen. Der Begriff 'gleichzeitig' stellt auf den Zeitpunkt der Aufhebung der Verordnung ab. Dies hat auch der Verfassungsgerichtshof im Erk. VfSlg 12.308/1990 so gesehen. Der Wortlaut des § 100 Abs 2 Stmk. GemO weicht nun vom Wortlaut des Art 119a Abs 6 B-VG dahingehend ab, dass die Gründe der Gemeinde spätestens mit der Kundmachung der die Aufhebung verfügenden Verordnung im Landesgesetzblatt mitzuteilen sind.

Der Verfassungsgerichtshof sieht den die Verfassungswidrigkeit begründenden Widerspruch des § 100 Abs 2 Stmk. GemO zu Art 119a Abs 6 B-VG darin, dass durch das Wort 'spätestens' zum Ausdruck gebracht wird, dass die Begründung offenbar auch schon früher als zum Zeitpunkt der Kundmachung mitgeteilt werden darf. Damit würde der Gesetzgeber insbesondere zum Ausdruck bringen, dass der Mitteilungspflicht auch dadurch Genüge getan werden kann, dass die Gründe, die zur Aufhebung der Verordnung geführt haben, ausschließlich im Rahmen der Anhörung bekannt gegeben werden. Dies würde aber den Zweck des Art 119a Abs 6 B-VG wie er vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg 12.308/1990 verstanden wurde - nämlich der Gemeinde gesicherte Kenntnis vom letzten Stand der Überlegung der Aufsichtsbehörde zu verschaffen - vereiteln. Nach der vom Verfassungsgerichtshof im Unterbrechungsbeschluss vertretenen Rechtsmeinung, erfordert es die Verfassungsbestimmung des Art 119a Abs 6 B-VG, dass die Mitteilung der Gründe immer gleichzeitig mit der Aufhebung der Verordnung erfolgt.

Dem Erkenntnis VfSlg 12.308/1990 lag der Sachverhalt zu Grunde, dass es die Aufsichtsbehörde gänzlich unterlassen hatte, der Gemeinde die Gründe für die Aufhebung der Verordnung mitzuteilen. Sie hat sich darauf berufen, dass der Gemeinde die Gründe aus dem vorangehenden Schriftverkehr faktisch bekannt sein müssten. Eine solche Vorgangsweise - nämlich das gänzliche Unterlassen der Mitteilung von Gründen bei Aufhebung einer Verordnung - hat der Verfassungsgerichtshof als nicht vereinbar mit Art 119a Abs 6 B-VG qualifiziert, da dadurch dem Zweck der Bestimmung, der Gemeinde gesicherte Kenntnis von jenen Gründen zu vermitteln, die nach dem letzten Stand der Überlegungen der Gemeindeaufsichtsbehörde zur Aufhebung der Gemeindeverordnung wegen Gesetzwidrigkeit führten, nicht entsprochen wird. Der Verfassungsgerichtshof stellte insbesondere klar, dass nur eine formelle, unauswechselbare, bindende Verordnungsbegründung geeignet ist, das vom Gesetzgeber offenbar angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich die Gemeinde in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls eine der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde entsprechende Ersatzregelung zu treffen oder aber den von der Verfassung vorgesehenen Rechtsschutz vor dem VfGH zu suchen.

Die Steiermärkische Landesregierung pflichtet diesen Erwägungen grundsätzlich bei, sie können aber auf die in Prüfung gezogene Bestimmung des § 100 Abs 2 Stmk. GemO nicht übertragen werden.

§100 Abs 2 Stmk. GemO stellt nämlich lediglich eine Präzisierung des Art 119a Abs 6 B-VG dar, ohne das grundsätzliche Erfordernis eines gesonderten Mitteilungsaktes der Aufsichtsbehörde gegenüber der betroffenen Gemeinde im Fall der Aufhebung in Frage zu stellen.

§ 100 Abs 2 erster Satz Stmk. GemO normiert:

'Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordnungen aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde spätestens mit der Kundmachung der die Aufhebung verfügenden Verordnung im Landesgesetzblatt mitzuteilen.'

Das Anhörungsverfahren ist gesondert im zweiten Satz dieser Bestimmung geregelt:

'Vor der Erlassung einer solchen (Anm: die Aufhebung verfügenden Verordnung) ist der Gemeinde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben'

Nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung unterscheidet § 100 Abs 2 Stmk. GemO klar zwischen dem Vorgang der Aufhebung der Verordnung und der daraus resultierenden Mitteilungspflicht der Gründe und dem der Aufhebung vorangehenden Anhörungsverfahren, in dem der Gemeinde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Das im ersten Satz normierte ausdrückliche Erfordernis der Mitteilung der Gründe bezieht sich eindeutig auf den Fall der Aufhebung der Verordnung; setzt diese also voraus, damit eine Mitteilungspflicht überhaupt entsteht. Die mitzuteilenden Gründe sind nach dem Wortlaut der Bestimmung ausschließlich jene, die für die Aufhebung der Verordnung maßgeblich sind.

Das im zweiten Satz des § 100 Abs 2 leg. cit. gesondert geregelte Anhörungsverfahren, das einer eventuellen Aufhebung vorangeht, kann diese Mitteilungspflicht der Behörde nicht substituieren, da die Mitteilungspflicht hinsichtlich der für die Aufhebung maßgeblichen Gründe überhaupt erst in einem späteren Zeitpunkt aktuell wird. Möglicherweise werden im vorangehenden Anhörungsverfahren Erwägungen oder Bedenken der Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der Verordnung geäußert, die in einem späteren Zeitpunkt eventuell zur Aufhebung der Verordnung führen können. Der Gesetzgeber spricht aber eindeutig von einer Mitteilung der Gründe für die Aufhebung ('... gesetzwidrige Verordnungen aufzuheben und die Gründe hiefür ... mitzuteilen ...').

Diesem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes kann nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung nicht der Inhalt unterstellt werden, dass auch bereits vor Aufhebung der Verordnung geäußerte Bedenken den 'Gründen für die Aufhebung' gleich zu setzen sind.

Wurden bereits Erwägungen in einem früheren Zeitpunkt mitgeteilt, so sind diese im Zeitpunkt der Mitteilung eben lediglich Erwägungen oder Bedenken. Von 'Gründen für die Aufhebung' im Sinne des § 100 Abs 2 Stmk. GemO kann aber erst gesprochen werden, wenn diese Bedenken hinreichend konkretisiert sind und sich herausgestellt hat, dass sie letztendlich wirklich zur Aufhebung der Verordnung geführt haben. Solche 'Gründe' können daher überhaupt erst dann vorliegen, wenn die Entscheidung der Aufsichtsbehörde ergangen ist, wobei diese unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Gemeinde zu den von der Aufsichtsbehörde im vorangehenden Anhörungsverfahren geäußerten Bedenken getroffen wird. Decken sich die im Anhörungsverfahren mitgeteilten Bedenken mit den für die Aufhebung letztendlich maßgeblichen Gründen, so sind als Gründe für die Aufhebung die bereits geäußerten Bedenken mitzuteilen.

Zu berücksichtigen ist, dass der Verfassungsgesetzgeber in Art 119a Abs 6 B-VG eine andere Regelungstechnik gewählt hat und die Bedeutung des Begriffes 'gleichzeitig' unter Berücksichtigung dieser Regelungstechnik zu ermitteln ist. Im zweiten Satz des Abs 6 werden der Vorgang der Aufhebung der Verordnung und das vorangehende Anhörungsverfahren gemeinsam geregelt ('Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordnungen nach Anhörung der Gemeinde aufzuheben ...'), weshalb es in weiter Folge auch einer zusätzlichen Präzisierung bedarf, auf welchen der beiden Verfahrensschritte sich die ausdrückliche Mitteilungspflicht der Aufsichtsbehörde bezieht. Dies wird durch die Klarstellung im zweiten Halbsatz erreicht, nämlich dass die Mitteilung der Gründe gleichzeitig mit der Aufhebung der Verordnung zu erfolgen hat. Dieser enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Mitteilung der für die Aufhebung maßgeblichen Gründe und der Aufhebung der Verordnung, ist aber nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung bereits durch die von Art 119a Abs 6 B-VG abweichende Regelungstechnik des § 100 Abs 2 Stmk. GemO von vornherein außer Zweifel gestellt. Der Wortlaut des Gesetzes ist diesbezüglich eindeutig, so dass die gesonderte Erwähnung dieses zeitlichen Zusammenhanges durch das Wort 'gleichzeitig' nicht erforderlich ist (denkbare Variante zB: 'Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordnungen aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen. Die Mitteilung hat spätestens mit der Kundmachung .... im Landesgesetzblatt zu erfolgen.').

Dem Begriff 'spätestens' in § 100 Abs 2 Stmk. GemO kann nicht der Zweck unterstellt werden, die ausdrückliche Mitteilungspflicht nach Aufhebung einer Verordnung durch die Mitteilung von Bedenken im Anhörungsverfahren ersatzlos entfallen zu lassen. Durch die Einfügung dieses Begriffes sollte lediglich eine Präzisierung des maßgeblichen Zeitpunktes der Mitteilung der Gründe - und zwar nach erfolgter Beschlussfassung der Landesregierung über die Aufhebung - erreicht werden. Art 119a Abs 6 B-VG stellt hinsichtlich des für die Mitteilung der Gründe maßgeblichen Zeitpunkts auf jenen der 'Aufhebung' der Verordnung ab. Es bleibt jedoch unbestimmt, welcher Zeitpunkt damit genau gemeint ist. Denkbar ist der Zeitpunkt, in dem die Aufsichtsbehörde die Entscheidung trifft, die Verordnung aufzuheben, dh der Zeitpunkt der Beschlussfassung der Landesregierung. Weiters der Zeitpunkt, in dem die Aufhebungsverordnung kundgemacht wird, wobei hier wiederum nach der Stmk. GemO der Zeitpunkt der Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde (§100 Abs 3) oder jener der Kundmachung im Landesgesetzblatt (§100 Abs 2) maßgeblich sein kann. Als weitere Möglichkeit könnte auf das Inkrafttreten der Aufhebungsverordnung abgestellt werden. Wann eine Aufhebungsverordnung in Kraft tritt, bestimmt sich nach dem Steiermärkischen Kundmachungsgesetz, LGBl. Nr. 25/1999 idF LGBl. Nr. 45/1999, da die GemO diesbezüglich keine Sonderbestimmung enthält. § 8 des Stmk. Kundmachungsgesetzes sieht grundsätzlich vor, dass Rechtsvorschriften mit de(m) in ihnen festgelegten Tag in Kraft treten (Abs1) bzw. wenn kein bestimmter Tag festgelegt ist, mit dem der Kundmachung folgenden Tag (Abs2).

§ 100 Abs 2 Stmk. GemO präzisiert den maßgeblichen Zeitpunkt für die Mitteilung der Begründung nun dahingehend, dass - unabhängig vom Inkrafttreten der Aufhebungsverordnung und der nach § 100 Abs 3 leg. cit. geforderten Kundmachung - die Mitteilung der Gründe spätestens mit der Kundmachung im Landesgesetzblatt zu erfolgen hat. Gemäß § 8 Abs 2 des Stmk. Kundmachungsgesetzes gilt als Tag der Kundmachung der Tag, an dem das Stück des Landesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wird. Dadurch wird der für die Mitteilung maßgebliche Zeitpunkt exakt bestimmbar. Eine solche Klarstellung dient dem Interesse der Rechtssicherheit und dürfte durchaus auch dem Zweck des Art 119a Abs 6 B-VG in der vom Verfassungsgerichtshof vorgenommenen Auslegung entgegen kommen.

Dass diese ausdrückliche Mitteilung der für die Aufhebung maßgeblichen Gründe grundsätzlich erst nach Entscheidung über die Aufhebung zu erfolgen hat - dh frühestens mit Beschlussfassung der Landesregierung - ist nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung auf Grund des Wortlautes des § 100 Abs 2 erster Satz Stmk. GemO und seines systematischen Zusammenhanges mit dem zweiten Satz erkennbar und bedarf keiner gesonderten Normierung. Der Verfassungsgerichtshof übersieht, dass der Gesetzgeber in § 100 Abs 2 Stmk. GemO nicht einfach Art 119a Abs 6 B-VG wortgleich übernommen und nicht bloß den Begriff 'gleichzeitig' durch den Begriff 'spätestens' ausgetauscht hat, sondern - wie oben dargelegt - eine ganz andere Regelungstechnik gewählt hat, wodurch diesen in beiden Regelungen der Präzisierung in zeitlicher Hinsicht dienenden Begriffen jeweils eine andere Bedeutung beizumessen ist. Zu beachten ist insbesondere auch, dass sich der Begriff 'spätestens' nicht undifferenziert auf die 'Aufhebung' als solches bezieht - wie eben der Begriff 'gleichzeitig' in Art 119a Abs 6 B-VG -, sondern eine exaktere Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes innerhalb des Aufhebungsvorganges vornimmt ('spätestens mit der Kundmachung .... im Landesgesetzblatt').

Abgesehen davon, stehen die im Unterbrechungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass die durch die Verwendung des Wortes 'spätestens' theoretisch durch den Gesetzgeber ermöglichte Mitteilung der Gründe zu einem früheren Zeitpunkt als den der Aufhebung der Verordnung grundsätzlich nicht mit Art 119a B-VG vereinbar sei, in Widerspruch zu seiner in VfSlg 14.780/1997 vertretenen Rechtsmeinung. Der Gerichtshof hatte in diesem Erk. über den Antrag einer Gemeinde auf Aufhebung einer Aufhebungsverordnung der NÖ Landesregierung zu entscheiden. Die antragstellende Gemeinde führte als Begründung an, dass die Aufsichtsbehörde die Gründe nicht gleichzeitig mit Aufhebung der Verordnung mitteilte, sondern auf ein früheres Schreiben verwies, in dem die Gründe genannt waren. Der Verfassungsgerichtshof qualifizierte diesen Verweis auf das frühere Schreiben als ausreichende Mitteilung der Aufhebungsgründe iSd Art 119a Abs 6 B-VG und führte dazu aus:

'Zwar reicht es VfSlg. 12308/1990 zufolge nicht aus, wenn die Aufsichtsbehörde die Begründung ihrer Verordnungsaufhebung der Gemeinde - lediglich - im Zuge des nach Art 119a Abs 6 zweiter Satz B-VG vorgesehenen Anhörungsverfahrens mitteilt. Ausgehend von den oben wiedergegebenen Überlegungen in VfSlg. 12308/1990, wonach es für eine im Sinne der zitierten Verfassungsvorschrift mit Rücksicht auf deren Zweck ausreichende Begründung einer Verordnungsaufhebung darauf ankommt, 'der Gemeinde gesicherte Kenntnis von jenen Gründen zu vermitteln, die nach dem letzten Stand der Überlegungen der Gemeindeaufsichtsbehörde' zur Aufhebung der Gemeindeverordnung wegen Gesetzwidrigkeit führten, vermag der VfGH die Bedenken der antragstellenden Gemeinde gleichwohl nicht zu teilen. Kraft ausdrücklichen Verweises auf das Schreiben der NÖ Landesregierung vom 'als Begründung' erlangen damit die in diesem Schreiben von der Niederösterreichischen Landesregierung mitgeteilten Gründe für die Annahme der Rechtswidrigkeit der von der Marktgemeinde Mauerbach erlassenen V die Qualität einer solcherart 'formelle(n), unauswechselbare(n), bindende(n) Verordnungsbegründung', wie sie der VfGH in VfSlg. 12308/1990 forderte. Es wäre ein in Anbetracht des vom VfGH für maßgeblich erachteten Zwecks des Art 119a Abs 6 zweiter Satz B-VG nicht zu begründender formaler Standpunkt, wollte man verlangen, daß die Landesregierung bei Erlaß einer Aufhebungsverordnung die dafür schon früher mitgeteilten, unveränderten Gründe neuerlich abschreibt und übermittelt. Kommt es vielmehr darauf an, 'der Gemeinde gesicherte Kenntnis von jenen Gründen zu vermitteln, die nach dem letzten Stand der Überlegungen der Gemeindeaufsichtsbehörde' zur Aufhebung der Gemeindeverordnung wegen Gesetzwidrigkeit führten, so muß es auch genügen, gleichzeitig mit der Aufhebungsverordnung ausdrücklich auf bereits früher mitgeteilte Gründe für die Rechtswidrigkeit der Gemeindeverordnung hinzuweisen, um dadurch das 'offenbar angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich die Gemeinde in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls einer der Rechtsansicht entsprechende Ersatzregelung zu treffen ...'.

Nach der in diesem Erk. geäußerten Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes steht also Art 119a Abs 6 B-VG einer bereits vor Aufhebung der Verordnung erfolgten Mitteilung der Gründe grundsätzlich nicht entgegen. Voraussetzung ist jedoch, dass das Erfordernis der ausdrücklichen Mitteilung der Gründe nach Aufhebung der Verordnung als solches nicht in Frage gestellt und durch das Anhörungsverfahren substituiert wird. Erforderlich ist es daher, gleichzeitig mit der Aufhebungsverordnung zumindest ausdrücklich auf die bereits früher mitgeteilten Gründe hinzuweisen.

§ 100 Abs 2 Stmk. GemO ist nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung mit dieser Interpretation des Art 119a Abs 6 B-VG durchaus vereinbar, da das Bestehen einer ausdrücklichen Mitteilungspflicht in Folge der Aufhebung der Verordnung - wie oben dargestellt - als solches nicht bezweifelt werden kann. Allein die Verwendung des Wortes 'spätestens' im ersten Satz des Abs 2 kann unter Berücksichtigung des sonstigen Wortlautes, des Zweckes dieser Formulierung, des systematischen Zusammenhanges mit dem zweiten Satz sowie der Unterschiede zur Regelungstechnik des Art 119a Abs 6 B-VG nicht die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung begründen.

Nach dem vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation wäre § 100 Abs 2 Stmk. GemO in dem Sinne zu interpretieren, dass die Aufsichtsbehörde bei Aufhebung einer Gemeindeverordnung immer der Pflicht zur ausdrücklichen Mitteilung der maßgeblichen Gründe unterliegt. Beruft sie sich auf bereits im Anhörungsverfahren mitgeteilte Gründe, so ist sie verpflichtet, dies der Gemeinde durch einen ausdrücklichen Verweis auf diese Gründe mitzuteilen. Unabhängig aber davon, in welcher Form die Mitteilung der Gründe erfolgt, kann diese frühestens ab der Beschlussfassung der Aufsichtsbehörde erfolgen, da in einem früheren Zeitpunkt die Verordnung noch nicht aufgehoben ist und daher auch noch nicht die für die Aufhebung maßgeblichen Gründe feststehen. Spätestens hat die Mitteilung auf Grund der in § 100 Abs 2 Stmk. GemO getroffenen Präzisierung bis zum Zeitpunkt der Kundmachung der Aufhebungsverordnung im Landesgesetzblatt zu ergehen.

Da das Gesetz somit einer Auslegung zugänglich ist, die verfassungswidrige Ergebnisse vermeidet, ist dieser Auslegung der Vorzug einzuräumen und einer Aufhebung des § 100 Abs 2 Stmk. GemO wegen Verfassungswidrigkeit die Grundlage entzogen (zum Gebot der verfassungskonformen Interpretation vgl. zB VfSlg. 5923/1969, 9367/1982, 11.296/1987, 11.466/1987, 15.199/1998)."

5. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

5.1. Die im Ausgangsverfahren V1/97 angefochtene Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung erging in Ausübung des Aufsichtsrechtes über den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (vgl. Art 119a Abs 6 B-VG). Gem. Art 139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Gemeindeaufsichtsbehörde nach Art 119a Abs 6 B-VG auf Antrag der betreffenden Gemeinde.

Die Gemeinde Edelschrott ist daher zur Antragstellung vor dem Verfassungsgerichtshof legitimiert.

Das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher, da auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen, zulässig.

5.2. Die Steiermärkische Landesregierung hat bei Erlassung der von der Gemeinde angefochtenen Verordnung § 100

Abs2 Steiermärkische Gemeindeordnung angewendet. Auch der Verfassungsgerichtshof hat bei der Prüfung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung § 100 Abs 2 Steiermärkische Gemeindeordnung anzuwenden. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

5.3. Der Verfassungsgerichtshof schließt sich den von der Steiermärkischen Landesregierung vorgetragenen Gründen für die Rechtfertigung der amtswegig in Prüfung gezogenen Wortfolge aus folgenden Gründen an:

Gem. Art 119a Abs 6 B-VG sind die Gründe für die Aufhebung der Verordnung der Gemeinde "gleichzeitig" mit der Aufhebung der Verordnung mitzuteilen. Aufgrund der Textierung des § 100 Abs 2 Stmk. GemO, nämlich durch die Erwähnung des Aufhebungsverfahrens (unter Einschluß der Mitteilungspflicht) im ersten Satz einerseits und des einer Aufhebung zwingend vorzuschaltenden Anhörungsverfahren im zweiten Satz andererseits ist gewährleistet, daß die im ersten Satz angeordnete Mitteilung von den Gründen der Aufhebung jedenfalls nicht schon in der im zweiten Satz erwähnten Anhörung der Gemeinde bestehen kann. Das Wort "spätestens" im ersten Satz dieser Gesetzesstelle kann daher - im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation - auf den Zeitraum zwischen der Beschlußfassung über die Aufhebungsverordnung und deren Kundmachung bezogen werden. Da - wie die Stmk. Landesregierung mit Recht hervorhebt - Art 119a Abs 6 B-VG nicht näher regelt, welcher Zeitpunkt für die "Gleichzeitigkeit" der Bekanntgabe der zur Aufhebung einer Gemeindeverordnung führenden Gründe der maßgebliche ist, kommt jeder Zeitpunkt von der Beschlußfassung über die Aufhebung der Verordnung (womit die Gründe im Sinne der Vorjudikatur "unauswechselbar" festgelegt werden) bis zur Kundmachung der Aufhebungsverordnung in Betracht. Die Wendung, die Mitteilung über diese Gründe habe "spätestens" mit der Kundmachung zu erfolgen, erweist sich daher im Ergebnis als verfassungsrechtlich unbedenkliche Klarstellung.

5.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

6. Dies konnte gem. § 19 Abs 4 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.