VfGH vom 13.03.2003, G368/02

VfGH vom 13.03.2003, G368/02

Sammlungsnummer

16852

Leitsatz

Keine verfassungsgesetzliche Grundlage der bloß einfachgesetzlichen Ermächtigung zur Berichtigung auch materieller Fehler bei der Kundmachung eines Gesetzes im Rahmen einer Druckfehlerberichtigung durch den Bundeskanzler; Verstoß gegen das Gebot der vollständigen Publikation eines Gesetzesbeschlusses im Bundesgesetzblatt; keine verfassungskonforme Auslegung im Wege der Versteinerung des Druckfehlerbegriffs oder einer systematischen Interpretation möglich; Widerspruch auch zum Rechtsstaatsprinzip; Gesetzwidrigkeit der Druckfehlerberichtigung hinsichtlich der Ambulanzgebühr im Hinblick auf die bereinigte Rechtslage nach Aufhebung der gesetzlichen Ermächtigung und Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Teils der gesetzlichen Regelung der Ambulanzgebühr wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung

Spruch

I. § 2a Abs 2 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1996 (BGBlG), BGBl. Nr. 660/1996, in der Fassung des Art 1 Z 4 des Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996, das Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH), das Einkommensteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Erdgasabgabegesetz, das Staatsdruckereigesetz 1996, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2002), BGBl. I Nr. 47/2001, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Die Z 9 der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Berichtigung von Druckfehlern im Bundesgesetzblatt, BGBl. I Nr. 114/2002, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. § 135a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, idF des Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, BGBl. I Nr. 35/2001, regelt den Behandlungsbeitrag-Ambulanz.

Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 35/2001 ist vom Nationalrat am beschlossen worden (s. StenProt NR XXI. GP, 65. Sitzung, S 66 ff). § 135a ASVG hatte in diesem Beschluß folgenden Wortlaut:

"Behandlungsbeitrag - Ambulanz

§135a. (1) Für jede Inanspruchnahme einer ambulanten Behandlung nach diesem Abschnitt

1. in Krankenanstalten, die über Landesfonds finanziert werden,

2. in bettenführenden Vertragskrankenanstalten,

3. in bettenführenden eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger (mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation), soweit es sich nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme oder Jugendlichen- oder Vorsorge-(Gesunden-)untersuchung handelt,

ist pro Ambulanzbesuch ein Behandlungsbeitrag zu zahlen. Liegt ein entsprechender Überweisungsschein vor, so beträgt der Behandlungsbeitrag 150 S, sonst 250 S. Der Behandlungsbeitrag darf pro Versicherten (Angehörigen) 1 000 S im Kalenderjahr nicht übersteigen. Der Behandlungsbeitrag ist jeweils für ein Quartal im Nachhinein, erstmalig spätestens am , einzuheben.

(2) Der Behandlungsbeitrag darf nicht eingehoben werden

1. für Kinder nach § 123 Abs 2 Z 2 bis 6 und Abs 4 sowie Kinder nach § 260 ohne anderes Einkommen,

2. wenn in medizinischen Notfällen, wegen Lebensgefahr oder aus anderen Gründen unmittelbar eine stationäre Aufnahme erfolgt,

3. in Fällen, in denen ein Auftrag eines Sozialversicherungsträgers oder eines Gerichts im Zusammenhang mit einem Verfahren über Leistungssachen zur Einweisung in eine Ambulanz zwecks Befundung und Begutachtung (§22 Abs 3 zweiter Halbsatz KAG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 5/2001) vorliegt,

4. für Personen, die auf Grund der Richtlinien nach § 31 Abs 5 Z 16 von der Rezeptgebühr befreit sind,

5. für Personen, die Leistungen infolge einer Schwangerschaft im Rahmen des Mutter-Kind-Passes oder Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft in Anspruch nehmen,

6. für Personen, die Teile des Körpers nach § 120 Abs 2 oder Blut(plasma) spenden,

7. bei Behandlung für Dialyse oder bei Strahlen- oder Chemotherapie in Ambulanzen,

8. wenn der (die) Versicherte (Angehörige) im Zusammenhang mit ein und demselben Behandlungsfall an Ambulanzen anderer Fachrichtungen weiterüberwiesen wird.

Dies gilt nicht, wenn der Ambulanzbesuch durch schuldhafte Beteiligung an einem Raufhandel bedingt ist oder sich als unmittelbare Folge von Trunkenheit oder Missbrauch von Suchtgiften erweist.

(3) Die Einhebung des Behandlungsbeitrages erfolgt durch die zuständigen Krankenversicherungsträger, denen auch die Feststellung jener Fälle obliegt, in denen nach Abs 2 kein Behandlungsbeitrag eingehoben werden darf. Der Krankenversicherungsträger hat nach Maßgabe der vom Hauptverband hiezu erlassenen Richtlinien (§31 Abs 5 Z 16b) bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des Versicherten auf Antrag von der Einhebung des Behandlungsbeitrages abzusehen oder einen bereits entrichteten Behandlungsbeitrag rückzuerstatten.

(4) Die mit der Einhebung des Behandlungsbeitrages verbundenen Verwaltungskosten der Krankenversicherungsträger dürfen je Kalenderjahr mit nicht mehr als 6,5 Prozent der Summe der in diesem Kalenderjahr vorgeschriebenen Behandlungsbeiträge verrechnet werden und sind bei der Rückführung des Verwaltungs- und Verrechnungsaufwandes nach § 588 Abs 14 außer Acht zu lassen."

Dieser Gesetzesbeschluß des Nationalrates wurde vom Präsidenten des Nationalrates am selben Tag gemäß § 83 Geschäftsordnungsgesetz 1975 ausgefertigt und sodann dem Bundesrat übermittelt, der in seiner Sitzung vom - ohne Vorliegen eines Ausschußberichtes - beschloß, gegen den Gesetzesbeschluß keinen Einspruch zu erheben (vgl. StenProt BR, 675. Sitzung, S 37).

Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten (GZ 630 930/1-V/1/01) des Bundeskanzlers ergibt sich, daß der Gesetzesbeschluß sodann am in der Präsidentschaftskanzlei eingelangt und an diesem Tag vom Bundespräsidenten gemäß Art 47 Abs 1 B-VG beurkundet worden ist. Noch am selben Tag wurde der Gesetzesbeschluß dem Bundeskanzleramt rückübermittelt.

Nach Gegenzeichnung der Beurkundung durch den Bundeskanzler (Art47 Abs 3 B-VG) wurde seitens der zuständigen Abteilung des Bundeskanzleramtes die Verlautbarung des Gesetzesbeschlusses unter Nr. 35 im Teil I des Bundesgesetzblattes am veranlaßt.

Wie den vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Akten entnommen werden kann, war Gegenstand der Beurkundung durch den Bundespräsidenten und der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler der im betreffenden Geschäftsstück einliegende (Original-)Gesetzesbeschluß des Nationalrates vom .

2. Der in der Folge unter BGBl. I Nr. 35/2001 kundgemachte Text des Bundesgesetzes, mit dem (ua.) das ASVG geändert wird, weicht vom Wortlaut des beurkundeten Beschlusses des Nationalrates insoweit ab, als der zweite Satz des § 135a Abs 3 ASVG den (genau eine Textzeile einnehmenden) Teil "vom Hauptverband hiezu erlassenen Richtlinien (§31 Abs 5 Z 16b) bei Vorliegen einer besonderen" nicht enthält und somit (bloß) lautet:

"(3) ... Der Krankenversicherungsträger hat nach Maßgabe der sozialen Schutzbedürftigkeit des Versicherten auf Antrag von der Einhebung des Behandlungsbeitrages abzusehen oder einen bereits entrichteten Behandlungsbeitrag rückzuerstatten."

3. Mit Z 9 der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Berichtigung von Druckfehlern im Bundesgesetzblatt, BGBl. I Nr. 114/2002, ausgegeben am , wurde § 135a Abs 3 ASVG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2001 in der Weise berichtigt, daß der zweite Satz zur Gänze neu kundgemacht und dabei die - zunächst entfallene, nachstehend hervorgehobene - Wortfolge eingefügt wurde:

"(3) ... Der Krankenversicherungsträger hat nach Maßgabe der vom Hauptverband hiezu erlassenen Richtlinien (§31 Abs 5 Z 16b) bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des Versicherten auf Antrag von der Einhebung des Behandlungsbeitrages abzusehen oder einen bereits entrichteten Behandlungsbeitrag rückzuerstatten."

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat am aus Anlaß von Beschwerdeverfahren gemäß Art 144 B-VG gegen Bescheide betreffend die Vorschreibung eines Behandlungsbeitrages-Ambulanz iS des § 135a ASVG (idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2001) beschlossen, von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit des § 135a ASVG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2001 zu prüfen.

2. In diesem - zu G218-221/02 geführten - Gesetzesprüfungsverfahren sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Z 9 der Kundmachung BGBl. I Nr. 114/2002 sowie ob der Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs 2 BGBlG entstanden, weshalb er am beschlossen hat, beide Bestimmungen einem Normenprüfungsverfahren zu unterziehen.

Der Verfassungsgerichtshof ging hiebei - vorläufig - davon aus, daß er die Z 9 der Kundmachung BGBl. I Nr. 114/2002 im Gesetzesprüfungsverfahren zu G218-221/02 anzuwenden hätte: Der Verfassungsgerichtshof sei nämlich - in Übereinstimmung mit dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum - bisher davon ausgegangen, daß Druckfehlerberichtigungen rückwirkende Kraft auf den Tag der Kundmachung des berichtigten Rechtsaktes zukomme. Für das Gesetzesprüfungsverfahren zu G218-221/02 sei angesichts dessen zu klären, ob dieses Verfahren zum Teil als unzulässig geworden einzustellen sei oder aber die Kundmachung BGBl. I Nr. 114/2002 eo ipso auch den Gegenstand des Gesetzesprüfungsverfahrens geändert habe, ohne daß es einer Ergänzung des Prüfungsbeschlusses bedürfte.

3.1. § 2a BGBlG wurde durch das - seit dem in Kraft stehende - Budgetbegleitgesetz 2002, BGBl. I Nr. 47/2001, geschaffen; sein Abs 2 enthält eine Definition des Begriffs des Druckfehlers. § 2a BGBlG hat folgenden Wortlaut (der in Prüfung genommene Teil ist hervorgehoben):

"§2a. (1) Der Bundeskanzler kann durch Kundmachung in dem Teil des Bundesgesetzblattes, in dem der Fehler unterlaufen ist, berichtigen:

1. Druckfehler in Verlautbarungen des Bundesgesetzblattes;

2. Verstöße gegen die innere Einrichtung dieses Blattes (Nummerierung der einzelnen Verlautbarungen, Seitenangabe, Angabe des Ausgabe- und Versendungstages u. dgl.).

(2) Druckfehler im Sinne des Abs 1 Z 1 ist jede Abweichung des Kundmachungstextes vom Original des Beschlusses der zu verlautbarenden Rechtsvorschrift, die im Zuge der Drucklegung unterlaufen ist, unabhängig davon, ob durch die Abweichung der materielle Inhalt der Rechtsvorschrift geändert worden ist."

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluß vom Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs 2 BGBlG (idF des Budgetbegleitgesetzes 2002) aus dem Blickwinkel sowohl des gewaltenteilenden Prinzips als auch des Rechtsstaatsprinzips geäußert:

"... Nach Art 24 B-VG ist die Gesetzgebung des Bundes vom Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat auszuüben. Beiden Vertretungskörpern ist damit die "Hauptfunktion" im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens übertragen (vgl. - mwN - Korinek, Art 47 B-VG Rz 4, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht). Diese Funktion, Gesetze (im formellen Sinne) zu erlassen, ist somit speziellen Staatsorganen vorbehalten (vgl. Schick, Art 24 B-VG Rz 6, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht). Organen der Vollziehung dürfte die Erlassung auch sonstiger generell-abstrakter Normen, somit von Gesetzen im materiellen Sinne, lediglich insoweit zustehen, als eine entsprechende verfassungsgesetzliche Ermächtigung besteht (s. insbesondere Art 18 Abs 2 B-VG sowie die - zahlreichen - Ermächtigungen an Verwaltungsorgane, sog. verfassungsunmittelbare Verordnungen zu erlassen: zB Art 18 Abs 3, 78c Abs 2, 97 Abs 3, 102 Abs 5, 118 Abs 6 B-VG; § 8 Abs 5 litd ÜG 1920; § 16 Abs 1 F-VG 1948).

Darüber hinaus überträgt das B-VG einzelnen Organen der Vollziehung des Bundes (Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesregierung) die Aufgabe, an der erwähnten Hauptfunktion der Erlassung von Bundesgesetzen mitzuwirken (s. insbesondere Art 41 Abs 1 sowie die Art 47 ff B-VG). Hiedurch wird der Vollziehung bundesverfassungsgesetzlich eine Mitwirkungsfunktion im Gesetzgebungsverfahren des Bundes zugewiesen, woraus sich in gewisser Weise ein Einfluß der Vollziehung auf die Gesetzgebung ergibt, wie es auch den geschichtlichen Vorbildern in der monarchischen Verfassung entsprechen dürfte (vgl. Schick, Art 24 B-VG Rz 9, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht). Das bereits aus dem systematischen Zusammenhang des Zweiten ('Gesetzgebung des Bundes') sowie des Dritten Hauptstückes ('Vollziehung des Bundes') des B-VG erschließbare (grundlegende) Prinzip der Trennung von Gesetzgebung und Vollziehung dürfte hiedurch vom Verfassungsgesetzgeber selbst in gewisser Weise abgeschwächt worden sein.

... Durch die hiemit die Prüfung genommene Bestimmung des § 2a Abs 2 BGBlG dürfte dem Bundeskanzler jedoch der Sache nach eine bundesverfassungsgesetzlich nicht vorgesehene, zusätzliche Aufgabe im Rahmen der Bundesgesetzgebung zugewiesen worden sein. Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, daß es unzulässig sein dürfte, im Wege eines einfachen Gesetzes die verfassungsgesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsfunktionen der Vollziehung an der Gesetzgebung beliebig auszugestalten und zu erweitern:

... Dieses Bedenken besteht zunächst darin, daß eine solche Befugnis des einfachen Gesetzgebers mit der bundesverfassungsgesetzlich in bestimmter Weise vorgenommenen, insoweit anscheinend als abschließend zu beurteilenden Ausgestaltung nicht bloß der Trennung, sondern auch des Zusammenspiels von Gesetzgebung und Vollziehung nicht vereinbar sein dürfte.

... Eine systematische Zusammenschau der Art 49 und 49a B-VG dürfte dieses Bedenken des Verfassungsgerichtshofes begründen:

a) Nach Art 49a B-VG kann der Bundeskanzler - gemeinsam mit dem zuständigen Bundesminister - Bundesgesetze sowie im Bundesgesetzblatt kundgemachte Staatsverträge 'mit verbindlicher Wirkung' im Bundesgesetzblatt wiederverlautbaren. Aus diesem Anlaß kann der wiederverlautbarte Rechtsakt in verschiedenen Punkten verändert werden (s. im einzelnen Art 49a Abs 2 B-VG; so können etwa 'Unstimmigkeiten' richtiggestellt, Kurztitel festgesetzt sowie Neunumerierungen vorgenommen werden). Gerichte und Verwaltungsbehörden sind von dem der Herausgabe jenes Bundesgesetzblattes, das den wiederverlautbarten Text enthält, folgenden Tag hinsichtlich aller danach verwirklichten Tatbestände an diesen Text gebunden (Art49a Abs 3 B-VG; s. dazu VfSlg. 14.774/1997).

b) Wie sich aus Art 49a Abs 2 B-VG ergibt, ist es somit bloß in engen Grenzen gestattet, im Text eines Gesetzes aus Anlaß seiner Wiederverlautbarung Änderungen vorzunehmen. Für Druckfehlerberichtigungen bestehen dagegen keine ausdrücklichen verfassungsgesetzlichen Vorgaben. Es dürfte angesichts dessen dem (einfachen) Bundesgesetzgeber nach Art 49 Abs 3 B-VG nicht auch die Ermächtigung zukommen, Druckfehlerberichtigungen in einem über Art 49a Abs 2 B-VG hinausgehenden Umfang zuzulassen, insbesondere nicht in einem Fall, in dem der kundgemachte Text einen gegenüber dem zugrunde liegenden Beschluß des Nationalrates veränderten Inhalt hat und eine Berichtigung im Rahmen der Wiederverlautbarung somit einer inhaltlichen Änderung des Gesetzes gleichkäme. Aus Art 49a Abs 2 B-VG scheint vielmehr - arg. a minori ad maius - abzuleiten zu sein, daß (zumindest) im Falle eines Fehlers, der dem kundgemachten Text einen vom zugrunde liegenden Beschluß abweichenden Inhalt gegeben hatte, dessen Berichtigung durch ein Organ der Vollziehung nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen verfassungsgesetzlichen Ermächtigung zulässig sein dürfte. Eine solche verfassungsgesetzliche Grundlage dürfte unabhängig davon erforderlich sein, ob die Berichtigung - im Sinne des bisherigen Verständnisses der Wirkungen einer Druckfehlerberichtigung - jedenfalls rückwirkende Kraft entfaltet (welche Wirkung einer Wiederverlautbarung ausdrücklich nicht zukommt) oder anzunehmen ist, daß einer den materiellen Inhalt des berichtigten Gesetzes ändernden Berichtigung Verbindlichkeit erst ab ihrer Kundmachung zukommt.

... § 2a Abs 2 BGBlG dürfte aber auch jenen Anforderungen nicht

entsprechen, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben:

... Wie Art 49 B-VG entnommen werden kann, kommt

rechtsverbindliche Kraft ausschließlich dem kundgemachten Text einer Rechtsvorschrift zu (s. von neuem VfSlg. 3719/1960). Soweit § 2a Abs 2 BGBlG dazu ermächtigt, einen der Kundmachung anhaftenden Fehler auch dann zu berichtigen, wenn dieser Fehler den materiellen Inhalt der kundzumachenden Norm verändert hat, so bedeutet eine Berichtigung dieses Fehlers nichts anderes, als daß die zunächst (mangelhaft) kundgemachte Norm inhaltlich geändert wird, dh. eine bisher nicht kundgemachte Norm (bzw. ein nicht kundgemachter Teil einer Norm) mit zeitlicher Verzögerung erstmals kundgemacht wird.

... Die in Prüfung genommene Gesetzesbestimmung dürfte daher bewirken, daß der Bürger nicht mehr darauf vertrauen kann, daß sein Verhalten an jenen Rechtsvorschriften gemessen wird, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht sind. Dieses Bedenken dürfte auch nicht dadurch zu entkräften sein, daß nur solchen Druckfehlerberichtigungen rückwirkende Kraft zugebilligt wird, die den materiellen Inhalt des Gesetzes unverändert lassen (wie es dem bisherigen Verständnis entspricht), da die zuletzt genannte Beurteilung dem einzelnen in der Regel nicht immer möglich sein dürfte; jedenfalls dürfte aber auch in dieser Sichtweise schon durch die Weite der durch § 2a Abs 2 BGBlG geschaffenen Ermächtigung die bundesverfassungsgesetzlich an die Kundmachung (Art49 Abs 1 B-VG) geknüpfte Verbindlichkeit des verlautbarten Gesetzestextes in einer Weise regelmäßig in Frage stehen, die mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar zu sein scheint.

... Der Verfassungsgerichtshof nimmt - vorläufig - auch den Standpunkt ein, daß es vor dem Hintergrund des Art 49 Abs 1 sowie des Art 49a Abs 3 B-VG, wonach einem Normtext prinzipiell erst ab dem Zeitpunkt seiner Kundmachung im Bundesgesetzblatt Verbindlichkeit zukommt, dem einzelnen nicht zugemutet werden soll, sich durch Studium der parlamentarischen Materialien Kenntnis vom genauen Wortlaut eines vom Nationalrat gefaßten Gesetzesbeschlusses zu verschaffen, um beurteilen zu können, ob eine Berichtigung des - möglicherweise mangelhaft - kundgemachten Gesetzestextes zu gewärtigen ist.

... Es begegnet zwar - nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (s. zB VfSlg. 2872/1955, 3665/1959, 5051/1965, 5411/1966, 6182/1970 uva.) - bereits angesichts des Wortlauts des Art 49 Abs 1 B-VG (vorbehaltlich jener Beschränkungen, die sich aus dem Gleichheitssatz, insbesondere aus dem daraus abgeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes, sowie aus Art 7 Abs 1 EMRK ergeben) im allgemeinen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn einem kundgemachten Gesetz im Wege eines Gesetzgebungsaktes rückwirkend ein veränderter Inhalt gegeben wird. Daraus dürfte jedoch hier bereits deshalb nichts zu gewinnen sein, weil eine Druckfehlerberichtigung iS des § 2a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 BGBlG kein Gesetzgebungs-, sondern ein Vollziehungsakt ist, uzw., wie zuletzt in VfSlg. 15.579/1999 (S 112) ausgesprochen worden ist, eine Rechtsverordnung iS des Art 139 Abs 1 B-VG (so auch - mit Nachweisen des einschlägigen Schrifttums - Thienel, ÖJZ 2001, 861 [868]), Art 49 Abs 1 B-VG indes dem Gesetzgeber die Prärogative einräumen dürfte, die Rückwirkung eines Gesetzes oder aber auch sein Inkrafttreten in Teilen zu verschiedenen Zeitpunkten anzuordnen."

3.3. Bedenken gegen die Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. I Nr. 114/2002 ergäben sich schließlich daraus, daß deren Z 9 bei Aufhebung des § 2a Abs 2 BGBlG nach dem dann heranzuziehenden Maßstab des § 2a Abs 1 Z 1 BGBlG als gesetzwidrig zu beurteilen sein dürfte, sofern sich herausstellen sollte, daß die Kundmachung die Grenzen des Begriffs der Druckfehlerberichtigung im Sinne des bisherigen verfassungsrechtlichen Begriffsverständnisses überschritten habe.

4.1. Die Bundesregierung hat eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand erstattet, worin die Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs 2 BGBlG wie folgt verteidigt wird (Hervorhebungen wie im Original):

"... Gemäß Art 49 Abs 1 B-VG hat der Bundeskanzler ua. die Bundesgesetze im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Durch Art 49 Abs 3 B-VG wird der Gesetzgeber ermächtigt, über das Bundesgesetzblatt ein besonderes Bundesgesetz zu erlassen. Dass in Kundmachungen von Bundesgesetzen enthaltene Mängel vom Bundeskanzler berichtigt werden dürfen (oder dass dies einfachgesetzlich vorgesehen werden kann), sagt das B-VG nicht.

... Der Verfassungsgerichtshof erachtete die Berichtigung von Druckfehlern bisher in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich unbedenklich, vertrat allerdings - überwiegend - die Ansicht, dass von einem berichtigungsfähigen Druckfehler nur dann gesprochen werden könne, wenn durch den Fehler der materielle Gesetzesinhalt nicht verändert wird. Fehler, die zu einer Veränderung des Inhaltes einer Vorschrift führen, seien dagegen nicht als Druckfehler, sondern als Publikationsmängel anzusehen, die einer Berichtigung nicht zugänglich seien (vgl. VfSlg. 3719/1960, 14.851/1997, 15.579/1999; anders VfSlg. 14.146/1995).

Demgegenüber kommt Thienel (Sanierung von Kundmachungsmängeln von Bundesgesetzen, ÖJZ 2001, 861 [871 ff], siehe auch derselbe, Art 48, 49, in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht [1999 ff], Rz. 78 ff) nach einer ausführlichen Untersuchung der Rechtsentwicklung und Praxis von 1849 bis 1920 und der österreichischen und deutschen Staatsrechtslehre vor und nach 1920 zu folgendem Ergebnis (Hervorhebungen nicht im Original):

'Die historische Entwicklung zeigt, dass Berichtigungen von Kundmachungen auch von Gesetzeskundmachungen - immer als zulässig angesehen wurden. Wenn die Verfassung vor diesem historischen Hintergrund den einfachen Gesetzgeber ermächtigt, Regelungen über das BGBl zu treffen, ist zu schließen, dass der einfache Gesetzgeber auch die Berichtigung von Fehlern bei der Kundmachung - im historisch üblichen Umfang - vorsehen darf. Der dargestellte historische Hintergrund zeigt aber, dass Berichtigungen auch dann üblich waren und als zulässig angesehen wurden, wenn es dadurch zu einer Änderung des materiellen Normgehalts der berichtigten Vorschrift kommt. ...

Eine historische Auslegung führt daher zu dem Zwischenergebnis, dass es dem einfachen Bundesgesetzgeber auf Grund der Ermächtigung des Art 49 Abs 3 B-VG nicht verwehrt ist, Berichtigungen im aufgezeigten Umfang auch dann vorzusehen wenn dadurch der materielle Inhalt der berichtigten Vorschrift geändert wird. Man kann dies auch damit rechtfertigen, dass es nur darum geht, dem 'wahren Willen' des Parlaments zum Durchbruch zu verhelfen, wenn dieser infolge eines Fehlers bei der Kundmachung nicht korrekt zum Ausdruck gebracht wird.'

Ähnlich äußert sich auch Funk (Die Berichtigung von Verlautbarungsfehlern in Gesetzblättern. Möglichkeiten und Grenzen der Behebung von Druckfehlern und ähnlichen Mängeln, insbesondere bei Gesetzen, in Rill-FS [1995], 77 [88 f], Hervorhebung nicht im Original):

'Die historische Diagnose zeigt, daß Regelungen über die Behebung von Druckfehlern und ähnlichen Mängeln von Anfang an auf der Ebene unterhalb des Verfassungsrechts angesiedelt waren. Schon in der konstitutionellen Monarchie standen diese Regelungen außerhalb des Verbandes der Staatsgrundgesetze des Jahres 1867, deren Änderung einer qualifizierten Mehrheit in beiden Kammern des Reichsrates vorbehalten blieb. An diesem Standort hat sich auch später nichts geändert; Regelungen dieses Inhalts sind stets Teile des materiellen, nicht aber des formellen Verfassungsrechts geblieben. Geht man von einem historisch-versteinernden Verständnis des Verfassungsbegriffes der Bundesverfassung aus, so erscheint die Zuordnung zum materiellen Verfassungsrecht systemkonform. Regelungen über die Berichtigung von Druckfehlern und ähnlichen Mängeln in Gesetzblättern können durch einfaches Gesetz geschaffen werden.'

... Vor dem Hintergrund dieser historischen Rechtslage erweist sich, worauf Thienel (aaO, 873) hinweist, die restriktive Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Druckfehlerberichtigungen als problematisch. Das historische Verständnis legt nämlich den Schluss nahe, dass mit dem Ausdruck 'Druckfehler' herkömmlich auch Abweichungen vom Original verstanden wurden, die den materiellen Inhalt verändern. Tatsächlich wurde dies in der österreichischen Staatsrechtslehre etwa von Lukas (Gesetzespublikation in Österreich und im Deutschen Reiche [1903], 233 ff) sowie von der gesamten deutschen Staatsrechtslehre vertreten, wobei namentlich Laband (Berichtigungen von Reichsgesetzen, DJZ 1903, 301 ff [insb. 302]) die Notwendigkeit einer Berichtigung von 'Verkündigungsfehlern' gerade für jene Fälle hervor hebt, deren Berichtigung laut Einleitungsbeschluss unzulässig sein soll:

'Fehler, welche den Sinn stören oder entstellen; dahin gehören namentlich unrichtige Ziffern, Auslassungen eines für den Sinn erheblichen Wortes, fehlerhafte Verweisungen auf andere Gesetzesstellen'.

Und auch in der älteren Lehre zum B-VG wurden - wie selbstverständlich - Druckfehlerberichtigungen auch dann als zulässig angesehen, wenn es zu einer Änderung des materiellen Gesetzesinhaltes kommt; so sieht Lenhoff (Fehlerhafte, geltungslose und unanwendbare Gesetze, JBl 1933, 103 [104]) als 'Druckfehler' alle 'Abweichungen des Abdruckes vom Originale' an und schreibt weiter:

'Die Berichtigung des Druckfehlers ist also Rechtserzeugung, da an Stelle des kundgemachten Rechtsinhaltes ein neuer Rechtsinhalt verlautbart wird.'

Die Rechtsentwicklung von 1849 bis 1920, die im Jahr 1920 vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundene und offensichtlich stillschweigend akzeptierte Praxis der Druckfehlerberichtigung sowie die in der österreichischen und deutschen Staatsrechtslehre vor und nach 1920, soweit ersichtlich, einhellig vertretene Auffassung sprechen also allesamt für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Berichtigung (auch) von Druckfehlern, durch die es zu einer Änderung des materiellen Inhalts der Rechtsvorschrift kommt. Die Zulässigkeit derartiger Druckfehlerberichtigungen wurde geradezu als selbstverständlich angesehen. Die im Erkenntnis VfSlg. 3719/1960 postulierte begriffliche Unterscheidung zwischen '(berichtigungsfähigen) Druckfehlern' und 'Publikationsmängeln' ist historisch nicht nachweisbar: Diese Begriffe werden vielmehr durchwegs synonym verwendet; vereinzelt wird sogar die Notwendigkeit der Berichtigung - nur - für den Fall hervor gehoben, dass der 'Druckfehler' zu einer Änderung des materiellen Gesetzesinhalts geführt hat (Laband, aaO). Mit diesem historischen Verständnis hat sich der Verfassungsgerichtshof, wie Thienel (aaO, 873) bemerkt, bisher nie auseinander gesetzt.

... Da den bisherigen Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes jeweils einfachgesetzliche Bestimmungen zugrunde lagen, die keine Legaldefinition des Begriffes Druckfehler enthielten, ging der Verfassungsgerichtshof darin ohne weiteres von der von ihm postulierten Abgrenzung zwischen 'Druckfehlern' und 'Publikationsmängeln' aus. In keinem seiner Erkenntnisse hat der Verfassungsgerichtshof allerdings zum Ausdruck gebracht, dass dem einfachen Gesetzgeber eine Änderung der Definition des Begriffes 'Druckfehler' aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt sei. Wenn er im Erkenntnis VfSlg. 3719/1960 einen Vergleich zwischen der entsprechenden Ermächtigung des (Salzburger) Gesetzes über das Landesgesetzblatt ('Druckfehler in Verlautbarungen des Landesgesetzblattes') und den §§62 Abs 4 AVG und 419 Abs 1 ZPO ('andere offenbare Unrichtigkeiten') anstellt und daraus den Schluss zieht,

'daß der Gesetzgeber sich bei der Berichtigung genereller Rechtsnormen bewußt eine größere Beschränkung auferlegt hat als bei der Berichtigung individueller Hoheitsakte',

dann weist er, im Gegenteil, darauf hin, dass es sich dabei um einen Akt der Selbstbeschränkung des Gesetzgebers handelt und nicht um eine Unterlassung, zu der dieser von Verfassungs wegen verpflichtet ist. Sogar im 'Leiterkenntnis' VfSlg. 3719/1960 wird also ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Definition des Begriffes 'Druckfehler' - und also auch: bei der Umschreibung der Reichweite der Ermächtigung zur Berichtigung von Kundmachungsmängeln - implizit anerkannt und auch der Einleitungsbeschluss selbst will dies nicht schlechterdings ausschließen (...).

... 'Druckfehler' ('Publikationsmängel') sind so alt wie die Kundmachung in gedruckten Kundmachungsblättern selbst. Derartige Fehler können auch nicht durch Anwendung größtmöglicher Sorgfalt im Rahmen der Drucklegung vermieden werden. Bereits das [ABGB] enthält in seinem § 991 einen - bis heute nicht berichtigten - Druckfehler, nämlich die unrichtige Paragraphenbezeichnung '§891'. Dass Art 49 Abs 1 B-VG den Bundeskanzler verpflichtet, die 'Originalurkunde' vollständig und originaltreu zu publizieren, ist unstrittig; fraglich ist jedoch, was geschehen soll, wenn Original (das 'Publicandum') und Kundmachung (das 'Publicatum') voneinander abweichen.

Die mit dem Erkenntnis VfSlg. 3719/1960 beginnende restriktive Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Druckfehlerberichtigungen hatte zur Folge, dass sog. 'Publikationsmängel' (im Sinne der Terminologie des VfGH) nicht (mehr) berichtigt werden konnten. Da auch die 'Ersetzung' fehlerhafter Gesetzespublikationen durch eine neuerliche mangelfreie Publikation vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 16.152/2001 für rechtswidrig erkannt wurde, erwies sich eine Definition des Begriffes 'Druckfehler' als unumgänglich, wenn vom Original (des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates) abweichende Kundmachungen nicht auf Dauer (bzw. bis zu ihrer Sanierung durch den Gesetzgeber oder einer allfälligen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof) Bestand haben sollten.

Durch Art. 1] des Budgetbegleitgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 47/2001, wurde § 2 Abs 7 BGBlG aufgehoben und an seiner Stelle ein neuer § 2a in das Gesetz eingefügt, dessen Abs 2 die bereits zitierte Legaldefinition des Begriffes 'Druckfehler' enthält. ...

...

... Es trifft zu, dass der Bundesgesetzgeber damit auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Druckfehlerberichtigungen 'reagiert' hat. Tatsächlich ist er jedoch nur zum historischen Verständnis des Begriffes 'Druckfehler' zurückgekehrt und hat ausdrücklich klar gestellt, was bei wörtlicher und historisch-systematischer Interpretation auch der Vorgängerbestimmung des § 2 Abs 7 BGBlG hätte entnommen werden können.

Aus gegebenem Anlass sei jedoch betont, dass die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme bot, eine Erweiterung der gesetzlichen Ermächtigung zur Berichtigung von Druckfehlern sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen verwehrt (...): Denn hat man einmal erkannt, dass der Gesetzesvorbehalt des Art 49 Abs 2 B-VG 1920 (Art49 Abs 3 B-VG) auch die Ermächtigung beinhaltet, durch (einfaches) Bundesgesetz die Berichtigung von Druckfehlern vorzusehen (in diesem Sinne Funk und Thienel sowie implizit auch die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes), dann kann aus dem Umstand, dass Kundmachungsmängel (im weiteren Sinn) in der Praxis vor und nach dem In-Kraft-Treten der Bundesverfassung im Jahr 1920 unabhängig davon berichtigt wurden, ob mit der Berichtigung eine Änderung des materiellen Inhalts der Rechtsvorschrift verbunden war - wobei dies in der österreichischen und deutschen Staatsrechtslehre einhellig für zulässig oder sogar geboten erachtet wurde -, wohl nur der Schluss gezogen werden, dass es von Verfassungs wegen jedenfalls nicht von vornherein unzulässig ist, durch (einfaches) Bundesgesetz auch eine Berichtigung derartiger Mängel vorzusehen (so auch Thienel, aaO, 873; aA anscheinend Funk, aaO, 91).

... Aus demselben Grund kann aber auch nicht davon gesprochen werden, dem Bundeskanzler sei durch § 2a Abs 2 BGBlG 'der Sache nach eine bundesverfassungsgesetzlich nicht vorgesehene, zusätzliche Aufgabe im Rahmen der Bundesgesetzgebung zugewiesen worden' oder die durch § 2a Abs 2 BGBlG geschaffene Rechtslage sei mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung bzw. mit dem durch die Bundesverfassung abschließend normierten Zusammenspiel zwischen Gesetzgebung und Vollziehung bei der Erlassung von Bundesgesetzen unvereinbar.

Im Zweiten Hauptstück des B-VG ist unter dem Titel 'Gesetzgebung des Bundes' nicht bloß die Tätigkeit der die Gesetzgebung ausübenden Organe des Bundes, sondern der gesamte 'Weg der Bundesgesetzgebung' geregelt, also auch insoweit, als daran Organe der Vollziehung beteiligt sind (vgl. Kelsen/Froehlich/Merkl, Die Bundesverfassung vom [1922], 92). Abschnitt D des Zweiten Hauptstückes sieht neben den Zuständigkeiten der Organe der Bundesgesetzgebung Nationalrat und Bundesrat - aber auch des Volkes (vgl. Kelsen/Froehlich/Merkl, aaO) - einzelne Zuständigkeiten von Organen der Vollziehung vor. Da diese Zuständigkeiten in Abschnitt D ausdrücklich und abschließend geregelt sind, kann eine Auseinandersetzung mit der Reichweite des (grundlegenden) Prinzips der Gewaltentrennung und deren Abschwächung hier unterbleiben; auch diese könnte nämlich nichts anderes ergeben, als sich bereits aus den einzelnen Bestimmungen des Abschnittes D ergibt.

Von den Zuständigkeiten des Bundeskanzlers im Rahmen der Bundesgesetzgebung kommt hier nur dessen Zuständigkeit zur Kundmachung der Bundesgesetze (und bestimmter Staatsverträge) nach Art 49 Abs 1 B-VG in Betracht; durch diese Bestimmung wird 'die Finalisierung ... des Gesetzgebungsverfahrens ... in die Hand des Bundeskanzlers gelegt' (Ringhofer, Bundesverfassung [1977], 158).

Wie der bereits mehrfach angesprochene historische Kontext zeigt, wurde die Berichtigung von Kundmachungsmängeln (im weiteren Sinn) durch den Bundeskanzler nie als 'zusätzliche Aufgabe' angesehen, die zur Kundmachung hinzutritt, sondern als Teilaspekt und integrierender Bestandteil seiner Funktion eines Kundmachungsorgans. (Für die Kundmachung von Verordnungen wird dies vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 13.910/1994 [S 359] auch durchaus anerkannt.) Dieser Auffassung ist zuzustimmen: Wäre die Berichtigung von Kundmachungsmängeln (im weiteren Sinn) tatsächlich eine 'zusätzliche Aufgabe' des Bundeskanzlers im Rahmen der Bundesgesetzgebung, so wäre nicht nur die Berichtigung von 'Publikationsmängeln', sondern auch die Berichtigung von 'Druckfehlern' (im Sinne der Terminologie des Verfassungsgerichtshofes) verfassungswidrig; auch damit würde der Bundeskanzler nämlich eine Kompetenz im Rahmen der Bundesgesetzgebung ausüben, die in der Bundesverfassung nicht vorgesehen ist. Dass jedoch die Berichtigung der letzteren Kategorie von Kundmachungsmängeln von seiner Funktion als Kundmachungsorgan umfasst sei, die ersteren hingegen nicht, kann nach Ansicht der Bundesregierung mangels irgendwelcher Anhaltspunkte im Wortlaut der Bundesverfassung nicht überzeugend begründet werden.

... Die Kundmachung einer vom Original des Gesetzesbeschlusses abweichenden Fassung stellt einen Verstoß gegen Art 49 Abs 1 B-VG dar, der als solcher nicht mehr sanierbar ist. Es wäre jedoch kaum verständlich, wollte man annehmen, dass die Bundesverfassung Abweichungen der Kundmachung vom originalen Gesetzesbeschluss auf Dauer (bzw. bis zu einer allfälligen Aufhebung der gesetzwidrig kundgemachten Vorschrift durch den Verfassungsgerichtshof) toleriert und für diesen Fall lediglich die Möglichkeit der Fassung eines neuen, wörtlich unveränderten Gesetzesbeschlusses durch den Nationalrat gebietet (die eine mängelfreie Kundmachung als solche ja überhaupt nicht bewirken kann). Durch § 2a BGBlG soll daher, wie in den Erläuterungen zu dieser Bestimmung ausgeführt, der Grundsatz der originalgetreuen Wiedergabe des Gesetzesbeschlusses in der Kundmachung verwirklicht und dem wahren Willen des Gesetzgebers, so wie er in dem von ihm beschlossenen, 'originalen' Text zum Ausdruck kommt, zum Durchbruch verholfen werden. Wie Laband (aaO) zutreffend bemerkt, ist dies nämlich auch und gerade bei solchen Kundmachungsmängeln notwendig, durch die der materielle Gesetzesinhalt verändert wird. Daher sprechen nach Auffassung der Bundesregierung die besseren Gründe für die Auffassung, dass die Berichtigung von sämtlichen Kundmachungsmängeln einen Teilaspekt der dem Bundeskanzler nach Art 49 Abs 1 B-VG zukommenden Funktion eines Kundmachungsorgans darstellt, der in dem auf Grund des Art 49 Abs 3 B-VG ergehenden Bundesgesetz in verfassungsrechtlich zulässiger Weise näher geregelt werden kann.

Gerade wegen des Grundsatzes der originalgetreuen Wiedergabe des Gesetzesbeschlusses in der Kundmachung vermag die Bundesregierung allerdings - insoweit im Gegensatz zu Thienel (aaO, 873) - aus Art 49 B-VG keinerlei quantitative Schranken für den Umfang der Berichtigung von - den materiellen Gesetzesinhalt verändernden - Druckfehlern herauszulesen, sofern der Text nach erfolgter Berichtigung mit dem Original des Gesetzesbeschlusses übereinstimmt (...). Denn selbst wenn Berichtigungen, die mehr als einzelne Absätze einer Bestimmung zum Gegenstand hatten, in der historischen Praxis nicht vorgekommen sein sollten, kann daraus nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass sie unzulässig sind. Plausibler erscheint hier die Annahme, dass allfällige Auslassungen ganzer Absätze, Paragraphen oder gar Abschnitte im Zuge der Drucklegung regelmäßig auffallen werden, sodass sich die Notwendigkeit zur Berichtigung solcher Mängel auch in der Vergangenheit, wenn überhaupt, höchst selten ergeben haben, dürfte.

... Auch die vom Verfassungsgerichtshof durch die Zusammenschau mit den Regelungen über die Wiederverlautbarung herausgearbeiteten Bedenken vermag die Bundesregierung nicht zu teilen.

Richtig ist, dass für die Druckfehlerberichtigung im Gegensatz zur Wiederverlautbarung keine ausdrücklichen verfassungsgesetzlichen Vorgaben bestehen. Daraus kann jedoch nicht der (Größen-)Schluss gezogen werden, dass Druckfehlerberichtigungen durch einfaches Bundesgesetz nicht in einem über Art 49a Abs 2 B-VG hinausgehenden Umfang vorgesehen werden dürfen. Bei der Druckfehlerberichtigung einerseits und der Wiederverlautbarung andererseits handelt es sich um voneinander zu unterscheidende Institute mit unterschiedlichem Regelungsgegenstand und jeweils unterschiedlichen Zielsetzungen: Zweck der Druckfehlerberichtigung ist es, bestimmte Diskrepanzen zwischen Original des (Gesetzes-)Beschlusses ('publicandum') und Kundmachung ('publicatum') zu berichtigen, Zweck der Wiederverlautbarung hingegen, die zum Stichtag geltende Fassung des Gesetzes richtig darzustellen; Maßstab der Druckfehlerberichtigung ist das Original des (Gesetzes-)Beschlusses, Maßstab der Wiederverlautbarung hingegen die vom kundgemachten Text (des Gesetzesbeschlusses) abweichende geltende Rechtslage; oder, allgemeiner formuliert: durch die Druckfehlerberichtigung wird der kundgemachte Text dem Originaltext tendenziell ähnlicher, durch die Wiederverlautbarung tendenziell unähnlicher.

Wenn einfachgesetzliche Ermächtigungen zur Berichtigung von Kundmachungsmängeln (im weiteren Sinn) vom Verfassungsgesetzgeber im Jahr 1920 vorgefunden und stillschweigend akzeptiert worden sind, ändert die spätere Einführung und rechtliche Ausgestaltung des Instituts der Wiederverlautbarung daran voraussetzungsgemäß nichts. Irgendwelche Anhaltspunkte für eine implizite materielle Derogation bieten weder die Rechtsänderungen der Jahre 1947 (Erlassung des Wiederverlautbarungsgesetzes 1947) noch des Jahres 1981 (Einfügung des Art 49a in das B-VG) sowie insbesondere die des Jahres 1996, in dem der Nationalrat in ein und derselben Sitzung sowohl eine Neufassung der Art 49 und 49a B-VG als auch das geltende BGBlG beschlossen hat, ohne die Schaffung einer verfassungsgesetzlichen Ermächtigung für die Berichtigung von Druckfehlern oder eine Anpassung ihrer gesetzlichen Voraussetzungen an die Kriterien des Art 49a Abs 2 B-VG auch nur in Erwägung zu ziehen.

... Des weiteren hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass § 2a Abs 2 BGBlG den Anforderungen, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben, nicht entspricht. Soweit einem Gesetz durch eine Druckfehlerberichtigung rückwirkend ein veränderter Inhalt beigegeben wird, könne der einzelne Rechtsunterworfene nämlich nicht darauf vertrauen, dass sein Verhalten an den im Bundesgesetzblatt kundgemachten Vorschriften gemessen wird. Aus der Tatsache, dass die rückwirkende Erlassung von Gesetzen nicht prinzipiell ausgeschlossen ist, könne nicht abgeleitet werden, dass durch einen Akt der Vollziehung die Rückwirkung eines Gesetzes angeordnet werden kann.

... Die Bundesregierung vermag diese Bedenken aus folgenden Überlegungen nicht zu teilen:

Vorauszuschicken ist zunächst, dass der Verfassungsgerichtshof gegen die Rückwirkung von Druckfehlerberichtigungen als solche bisher keine verfassungsrechtlichen Bedenken hatte, wie etwa das Erkenntnis VfSlg. 14.146/1995 zeigt, wo er die rückwirkende Berichtigung der Kundmachung über die Wiederverlautbarung der Kärntner Krankenanstaltenordnung, in der zwei Paragraphen und ein Absatz fehlten, für unbedenklich erachtete. Auch ist davon auszugehen, dass der Verfassungsgesetzgeber im Jahr 1920, spätestens jedoch im Jahr 1996 stillschweigend akzeptiert hat, dass Druckfehlerberichtigungen rückwirkende Kraft zukommt.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es dem Organ, das die Druckfehlerberichtigung vornimmt, ja weder frei steht, zu bestimmen, ob dieser rückwirkende Kraft zukommen soll, noch bis zu welchem Zeitpunkt. Dass der Druckfehlerberichtigung rückwirkende Kraft zukommt, ergibt sich ausschließlich und unmittelbar aus dem Gesetz; enthält ein Gesetz beispielsweise ein In-Kraft-Tretens-Datum, dann wirkt die Druckfehlerberichtigung genau zu jenem Zeitpunkt zurück, der im Gesetz für das In-Kraft-Treten vorgesehen hat, und trägt damit der Absicht des Gesetzes so weit wie möglich Rechnung.

Mit Thienel (aaO, 874) ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die rechtsstaatliche Funktion der Kundmachung von Gesetzen jedenfalls dann nicht beeinträchtigt werden kann, wenn die Druckfehlerberichtigung während einer allfälligen Legisvakanz - also vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes - erfolgt. In diesen Fällen kann ein schützwürdiges Vertrauen des Rechtsunterworfenen schon deswegen nicht verletzt werden, weil es zu keiner rückwirkenden Anwendung des Gesetzes kommt. Im Übrigen ist zu differenzieren:

Die Kundmachung von Rechtsvorschriften soll es dem einzelnen ermöglichen, sich Sicherheit über die für ihn maßgeblichen Normen zu verschaffen; der kundgemachte Text soll als verbindlich und geltend angesehen werden können. Soweit rückwirkende Gesetzesänderungen nicht von Verfassungs wegen ausgeschlossen sind, besteht allerdings, was die rechtsstaatliche Funktion der Kundmachung betrifft, kein Unterschied, ob sie unmittelbar durch eine gesetzliche Bestimmung oder - nach mangelhafter Kundmachung einer solchen - erst durch eine nachträgliche Druckfehlerberichtigung bewirkt werden: hier kann es nur mehr darauf ankommen, ob die neue Rechtslage mit dem im originalen Beschluss zum Ausdruck kommenden Willen der gesetzgebenden Körperschaft in Einklang steht.

Nun kann die rückwirkende Änderung der Rechtslage allerdings auf Grund sonstiger verfassungsgesetzlicher Schranken (wie sie sich etwa aus Art 7 Abs 1 EMRK oder dem aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art 7 B-VG erfließenden Grundsatz des Vertrauensschutzes ergeben) im Einzelfall unzulässig sein. Diese sonstigen verfassungsgesetzlichen Schranken hat der Gesetzgeber (Nationalrat) jedenfalls und unabhängig davon zu beachten, dass die Erlassung rückwirkender Gesetze durch Art 49 Abs 1 B-VG nicht ausgeschlossen wird. Die Bundesregierung vermag allerdings nicht zu erkennen, warum der Bundeskanzler im Rahmen der Berichtigung von Druckfehlern in dieser Hinsicht anderen verfassungsgesetzlichen Vorgaben unterliegen sollte als der Nationalrat; dies gebietet ja gerade das rechtsstaatliche Prinzip, dessen Sinn darin gipfelt, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden. Soweit daher die Bestimmung des § 2a Abs 1 BGBlG davon spricht, dass der Bundeskanzler Druckfehler berichtigen 'kann', ist sie gerade wegen ihrer offenen Formulierung verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Berichtigung dann - aber auch nur dann - zu unterbleiben hat, wenn ihr solche verfassungsgesetzlichen Schranken entgegenstehen. Die Einhaltung dieser Schranken kann - wie nicht zuletzt das vorliegende Verfahren zeigt - vom Verfassungsgerichtshof in einem Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art 139 B-VG überprüft werden.

In einem derartigen Fall bestünde die einzige Möglichkeit, eine verfassungskonforme Rechtslage herzustellen, darin, einen neuerlichen Beschluss des Nationalrates - verbunden mit einer fehlerfreien Kundmachung - herbeizuführen. Dass dieser - zweifelsfrei wenig zweckmäßige - Weg aber in jedem Fall, in dem es im Zug der Kundmachung zu Druckfehlern kommt, eingeschlagen werden muss, lässt sich weder der verfassungsgesetzlichen noch der einfachgesetzlichen Rechtslage entnehmen."

4.2. Der Bundeskanzler ist dem Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der Z 9 der Kundmachung BGBl. I Nr. 114/2002 nicht entgegengetreten.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

Es hat sich nichts ergeben, was an der Zulässigkeit des Gesetzes- sowie des Verordnungsprüfungsverfahrens zweifeln ließe:

Insbesondere hat sich die Annahme des Verfassungsgerichtshofes als zutreffend herausgestellt, er hätte die in Prüfung genommenen Bestimmungen in dem zu G218-221/02 anhängigen Gesetzesprüfungsverfahren anzuwenden.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt auch dabei, daß eine Kundmachung betreffend die Berichtigung von Druckfehlern im Gesetzblatt als Verordnung iS des Art 139 Abs 1 B-VG zu qualifizieren ist [s. zB VfSlg. 15.579/1999, S 112; aus dem Schrifttum zB Lenhoff, Fehlerhafte, geltungslose und unanwendbare Gesetze, JBl 1933, 103 (104); Thienel, Sanierung von Kundmachungsmängeln von Bundesgesetzen, ÖJZ 2001, 861 (868 mwN)].

Beide Verfahren erweisen sich damit insgesamt als zulässig.

B. In der Sache:

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind auch begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof bleibt - in Übereinstimmung mit dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum [s. die Nachweise bei Thienel, ÖJZ 2001, 861 (868 FN 34)] - dabei, daß Druckfehlerberichtigungen rückwirkende Kraft auf den Tag der Kundmachung des berichtigten Gesetzes zukommt. Wie bereits im hg. Erkenntnis VfSlg. 15.579/1999, S 112, klargestellt, erscheint die Annahme, eine Druckfehlerberichtigung sei bloß ex nunc wirksam, bereits deshalb ausgeschlossen,

"weil eine so gedachte zeitliche Aufeinanderfolge von Normen, nämlich der - im Zeitraum zwischen Kundmachung des Gesetzes und Erlassung der Berichtigungskundmachung - fehlerhaften Rechtsvorschrift und der erst ab der Berichtigungskundmachung geltenden berichtigten Bestimmung, zu einer zeitlich und sachlich derart unterschiedlich gestalteten Gesetzeslage führte, daß sie ihrer Bedeutung nach als ein - unzulässiger - Eingriff in die Prärogative der Gesetzgebung gewertet werden müßte".

Es ist nicht ersichtlich, daß der Bundesgesetzgeber bei Erlassung des § 2a BGBlG beabsichtigt hätte, von diesem Verständnis abzugehen. Der Verfassungsgerichtshof ist daher - ebenso wie die Bundesregierung - der Auffassung, daß auch Druckfehlerberichtigungen iS des § 2a BGBlG rückwirkende Kraft zukommt.

2.1. Bereits die vorrepublikanische Zeit hatte die Möglichkeit gekannt, fehlerhafte Kundmachungen im (damaligen) Reichsgesetzblatt zu berichtigen [s. im einzelnen Thienel, ÖJZ 2001, 861 (871 ff)], uzw. zunächst ohne Bestehen einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage. Erst die Kundmachung des Ministers des Innern vom , RGBl. Nr. 225/1907, enthielt Vorschriften über "die Richtigstellung von Druckfehlern und sonstigen Unrichtigkeiten im Reichsgesetzblatte ...". § 1 leg. cit. hatte folgenden Wortlaut:

"Die Berichtigung von Druckfehlern oder sonstigen Verstößen, die bei der Einschaltung des authentischen Textes von Gesetzen, von zu publizierenden Staatsverträgen, von Verordnungen und sonstigen Bekanntmachungen im Reichsgesetzblatte für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder unterlaufen sind, wird vom Minister des Innern im Einvernehmen mit denjenigen Ministern, in deren Ressort die zu berichtigende Verlautbarung gehört, im Reichsgesetzblatte kundgemacht.

Verstöße, welche im Reichsgesetzblatte in Bezug auf die innere Einrichtung dieses Blattes (Numerierung der einzelnen Kundmachungen und Stücke des Reichsgesetzblattes, Paginierung desselben, Angabe des Ausgabe- und Versendungstages u. dgl.) unterlaufen sind, werden mittels Kundmachung des Ministers des Innern im Reichsgesetzblatte berichtigt."

Zu Beginn der republikanischen Zeit wurde diese Kundmachung durch die Vollzugsanweisung des Deutschösterreichischen Staatsrates vom , StGBl. Nr. 8/1919, ersetzt, die - auszugsweise - folgenden Wortlaut hatte:

"§1.

Druckfehler, die bei der Einschaltung des authentischen Textes von Verlautbarungen im Staatsgesetzblatte unterlaufen sind, werden mittels Kundmachung des Staatskanzlers im Einvernehmen mit denjenigen Staatssekretären, in deren Wirkungskreis die zu berichtigende Verlautbarung gehört, im Staatsgesetzblatte berichtigt.

§2.

Verstöße, die im Staatsgesetzblatte in Bezug auf die innere Einrichtung dieses Blattes (Numerierung der einzelnen Kundmachungen und Stücke des Staatsgesetzblattes, Paginierung, Angabe des Ausgabe- und Versendungstages u. dgl.) unterlaufen sind, werden mittels Kundmachung des Staatskanzlers im Staatsgesetzblatte berichtigt."

Art 49 Abs 2 B-VG 1920, BGBl. Nr. 1/1920, bestimmte, daß über das Bundesgesetzblatt ein "besonderes Bundesgesetz" zu ergehen hat. Auf Grund dieses Auftrags an den Gesetzgeber erging das Bundesgesetz vom über das Bundesgesetzblatt, BGBl. Nr. 33/1920.

§ 2 Abs 4 dieses Gesetzes lautete wie folgt:

"Druckfehler in Verlautbarungen des Bundesgesetzblattes, ferner Verstöße, die in bezug auf die innere Einrichtung dieses Blattes (Numerierung der einzelnen Verlautbarungen und Stücke, Seitenangabe, Angabe des Ausgabe- und Versendungstages u. dgl.) unterlaufen sind, werden mittels Kundmachung des Bundeskanzleramtes im Bundesgesetzblatt berichtigt."

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieses Bundesgesetzes (1 BlgNR I. GP, 4) heißt es:

"[D]ie bisher im Verordnungswege geregelte Form der Berichtigung der Verlautbarungen, die strenge genommen Gegenstand der gesetzlichen Regelung sein muß, [wurde] in den Gesetzentwurf übernommen."

Mit dem Bundesgesetz vom , mit dem das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt geändert wird, BGBl. Nr. 106/1972, wurde § 2 neugefaßt. Abs 4 wurde dabei zu Abs 6, ohne daß dies eine inhaltliche Änderung bedeutet hätte.

Mit dem Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 (BGBlG), BGBl. Nr. 660/1996, wurden die Vorschriften über die Berichtigung von Druckfehlern im Bundesgesetzblatt - geringfügig - geändert. Der nunmehrige § 2 Abs 7 BGBlG lautete wie folgt:

"Druckfehler in Verlautbarungen des Bundesgesetzblattes, ferner Verstöße gegen die innere Einrichtung dieses Blattes (Numerierung der einzelnen Verlautbarungen, Seitenangabe, Angabe des Ausgabe- und Versendungstages u. dgl.) werden durch Kundmachung des Bundeskanzlers in dem Teil des Bundesgesetzblattes, in dem diese Fehler unterlaufen sind, berichtigt."

Bis zum Inkrafttreten des § 2a BGBlG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2002 gab es somit keine gesetzliche Definition des Begriffs "Druckfehler"; dessen Inhalt wurde vielmehr stets vorausgesetzt. Es kann offenbleiben, ob die Wendung "... oder sonstigen Verstößen ..." in § 1 der vorhin wiedergegebenen Vollzugsanweisung vom dahin verstanden werden kann, daß auch über Druckfehler hinausgehende Kundmachungsmängel berichtigt werden durften: Bereits die Vollzugsanweisung vom sah nämlich in ihrem § 1 nur mehr die Berichtigung von "Druckfehlern" vor und ließ in § 2 die Berichtigung "sonstiger Verstöße" nur insoweit zu, als es sich um solche "in Bezug auf die innere Einrichtung" des Staatsgesetzblattes handelte.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2002, BGBl. I Nr. 47/2001, wurde § 2 Abs 7 BGBlG aufgehoben und ein neuer § 2a geschaffen, der wie folgt lautet:

"§2a. (1) Der Bundeskanzler kann durch Kundmachung in dem Teil des Bundesgesetzblattes, in dem der Fehler unterlaufen ist, berichtigen:

1. Druckfehler in Verlautbarungen des Bundesgesetzblattes;

2. Verstöße gegen die innere Einrichtung dieses Blattes (Nummerierung der einzelnen Verlautbarungen, Seitenangabe, Angabe des Ausgabe- und Versendungstages u. dgl.).

(2) Druckfehler im Sinne des Abs 1 Z 1 ist jede Abweichung des Kundmachungstextes vom Original des Beschlusses der zu verlautbarenden Rechtsvorschrift, die im Zuge der Drucklegung unterlaufen ist, unabhängig davon, ob durch die Abweichung der materielle Inhalt der Rechtsvorschrift geändert worden ist."

Die Erläuterungen der zugrunde liegenden Regierungsvorlage (499 BlgNR XXI. GP [Besonderer Teil, zu Art 1 Z 3 und 4]) begründen die insoweit getroffene Neuregelung wie folgt:

"Im Erkenntnis VfSlg. 3719/1960 hat der Verfassungsgerichtshof zum Begriff des 'Druckfehlers' ausgeführt:

'Aus den vorgelegten Akten konnte festgestellt werden, dass dem Beschluss der Landesregierung der vollständige Text vorgelegen, dieser beschlossen und danach an die Druckerei abgegangen ist. Der Fehler kann also erst dort geschehen sein. Dennoch fällt ein derartiger Fehler (Auslassen eines ganzen Absatzes) nicht unter den Begriff eines 'Druckfehlers'. Denn entscheidend ist nicht die Stelle, wo der Fehler unterlaufen ist, sondern wie er äußerlich in Erscheinung tritt, weil für den Rechtsunterworfenen nicht der beschlossene Text, sondern ausschließlich der kundgemachte Text maßgebend ist. Es ist daher nur zu untersuchen, ob er nach Art und Umfang als Druckfehler zu werten ist, der berichtigt werden kann. Unter Druckfehlern in einem Gesetzestext sind nicht nur unrichtig gesetzte Buchstaben, Zahlen, Zeilen usw., sondern auch Auslassungen zu verstehen, sofern sie nur den materiellen Gesetzesinhalt unverändert lassen. Diese Voraussetzung ist aber jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn eine ganze, in sich geschlossene Rechtsregel ausfällt. In einem solchen Fall liegt nicht mehr ein Druckfehler, sondern ein Publikationsmangel vor.'

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann der Fall eintreten, dass Abweichungen des Kundmachungstextes vom Original des Beschlusses der zu verlautbarenden Rechtsvorschrift, die im Zuge der Drucklegung unterlaufen sind, nicht mehr berichtigt werden können. Da dies äußerst unzweckmäßig ist, soll - in verfassungsrechtlich zulässiger Weise (vgl. Thienel, Art 48, 49, in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht [1999], Rz. 78) - eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Berichtigung auch solcher Fehler geschaffen werden, indem der Begriff 'Druckfehler' in einer Zweifel ausschließenden Weise definiert wird.

Vor dem Hintergrund des Erkenntnisses VfSlg. 15.579/1999 erscheint die Feststellung angebracht, dass mit der vorgeschlagenen Änderung der Grundsatz der originalgetreuen Wiedergabe des Gesetzesbeschlusses in der Kundmachung verwirklicht werden soll. Wenn und weil durch die Berichtigung des Druckfehlers dem wahren Willen des Gesetzgebers, so wie er in dem von ihm beschlossenen, 'originalen' Text zum Ausdruck kommt, zum Durchbruch verholfen werden soll (vgl. mutatis mutandis VfSlg. 13.910/1994, 14.501/1996), kann die Berichtigung auch nicht als Eingriff in die Prärogative der Gesetzgebung gewertet werden. Wollte man die gegenteilige Auffassung vertreten, so hieße dies, dass das gesetzgebende Organ genötigt wäre, ein Gesetz nur deswegen unverändert neuerlich zu beschließen, weil der Verwaltung im Zuge der Kundmachung bestimmte Fehler unterlaufen sind; dass dergestalt der Prärogative der Gesetzgebung besser entsprochen ist, darf füglich bezweifelt werden."

2.2. Das erste und für die folgende Rechtsprechung grundlegende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Begriff des "Druckfehlers" erging zum Salzburger Landesgesetz über das Landesgesetzblatt, LGBl. Nr. 12/1946: Dieses hatte in seinem § 2 Abs 3 eine mit § 2 Abs 7 BGBlG idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2002 nahezu gleichlautende Bestimmung enthalten:

"Druckfehler in Verlautbarungen des Landesgesetzblattes, ferner Verstöße, die im Bezug auf die innere Einrichtung dieses Blattes (Nummerierung der einzelnen Verlautbarungen und Stücke, Seitenangabe, Angabe des Ausgabe- und Versendungstages und dergleichen) unterlaufen sind, werden mittels Kundmachung der Landeshauptmannschaft im Landesgesetzblatt berichtigt."

In VfSlg. 3719/1960 (S 176) legte der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung dahin aus, daß bei jedem Fehler - unabhängig davon, welcher Stelle er anzulasten ist - zu untersuchen ist, ob er nach Art und Umfang als Druckfehler zu werten ist, der berichtigt werden kann.

Wörtlich heißt es sodann:

"Unter Druckfehler in einem Gesetzestext sind nicht nur unrichtig gesetzte Buchstaben, Zahlen, Zeilen usw., sondern auch Auslassungen zu verstehen, sofern sie nur den materiellen Gesetzesinhalt unverändert lassen. Diese Voraussetzung ist aber jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn eine ganze in sich geschlossene Rechtsregel ausfällt. In einem solchen Fall liegt nicht mehr ein Druckfehler, sondern ein Publikationsmangel vor. Andernfalls wäre eine Druckfehlerberichtigung eine Gesetzesverlautbarung mit rückwirkender Kraft."

Dieser Standpunkt wurde in den Erkenntnissen VfSlg. 15.579/1999 sowie 16.152/2001 ausdrücklich bekräftigt; von ihm abzugehen, besteht kein Anlaß.

Als Druckfehler iS dieses Verständnisses ist - abgesehen von Schreibfehlern und anderen offenkundigen Unrichtigkeiten - demnach jede Abweichung des (für die Rechtsverbindlichkeit allein maßgebenden) kundgemachten Textes vom beschlossenen Text anzusehen, soweit hiedurch der materielle Gesetzesinhalt, wie er offenkundig gemeint ist, nicht verändert worden ist. Berichtigungen bereits (fehlerhaft) kundgemachter Gesetzestexte, die über dieses Begriffsverständnis hinausgehend auch den Inhalt der Norm verändern, verstoßen im Sinne dieser Rechtsprechung gegen das in Art 49 Abs 1 B-VG verankerte Gebot der vollständigen Publikation des Gesetzesbeschlusses im Gesetzblatt. Diese Verfassungswidrigkeit könnte auch nicht durch eine neuerliche Kundmachung des gesamten Gesetzestextes beseitigt werden (vgl. VfSlg. 16.152/2001).

2.3. Gemäß Art 49 Abs 1 B-VG sind Bundesgesetze vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Diese Anordnung ist dahin zu verstehen, daß die vom Bundespräsidenten beurkundeten (Art47 Abs 1 B-VG) Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates - nach Gegenzeichnung der Beurkundung durch den Bundeskanzler (Art47 Abs 3 B-VG) - im Bundesgesetzblatt kundzumachen sind (idS ausdrücklich § 2 Abs 1 Z 1 BGBlG; s. auch VfSlg. 16.152/2001, S 695 f).

Art 49 Abs 3 B-VG bestimmt, daß über das Bundesgesetzblatt ein besonderes Bundesgesetz zu ergehen hat. Einrichtung sowie Funktion des Bundesgesetzblattes sind damit einer besonderen gesetzlichen Regelung vorbehalten. Diese Kompetenznorm ermächtigt überdies dazu, die Berichtigung von Druckfehlern im Bundesgesetzblatt gesetzlich zu regeln [vgl. Funk, Die Berichtigung von Verlautbarungsfehlern in Gesetzblättern, FS Rill (1995) 77 (87 ff)].

3. Der Verfassungsgerichtshof bleibt zunächst bei seiner schon im Prüfungsbeschluß dargelegten Auffassung, daß es dem Gesetzgeber prinzipiell unbenommen bleibt, den zulässigen Umfang von Druckfehlerberichtigungen im einzelnen zu bestimmen.

3.1. Was die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen den Umfang der in § 2a Abs 2 BGBlG eingeräumten Ermächtigung betrifft, so verteidigt die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs 2 BGBlG in erster Linie damit, daß der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung lediglich zum "historischen Verständnis des Begriffes 'Druckfehler' zurückgekehrt" sei und ausdrücklich klargestellt habe, "was bei wörtlicher und historisch-systematischer Interpretation auch der Vorgängerbestimmung des § 2 Abs 7 BGBlG hätte entnommen werden können". Die Praxis vor und nach Inkrafttreten des B-VG 1920 habe nämlich - in Übereinstimmung mit dem zeitgenössischen rechtswissenschaftlichen Schrifttum - Kundmachungsmängel (im weiteren Sinn) unabhängig davon berichtigt, ob die Berichtigung eine Änderung des materiellen Inhalts der Rechtsvorschrift zur Folge hatte.

3.1.1. Mit diesem Vorbringen dürfte sich die Bundesregierung gegen die vorhin (Pkt. III.B.2.2.) zusammengefaßte Vorjudikatur wenden, indem sie gegen diese den Einwand erhebt, ein - dem Bundesverfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 vorgeblich geläufiges und von ihm akzeptiertes - historisches Verständnis des Druckfehlerbegriffs außer acht gelassen zu haben [idS auch die Kritik bei Thienel, ÖJZ 2001, 861 (873)].

3.1.2. Dem ist zunächst zu entgegnen, daß ein gleichsam "versteinerndes" Verständnis des - zudem nicht dem formellen Verfassungsrecht angehörenden - Druckfehlerbegriffs systematische Gesichtspunkte, wie sie sich zT erst aus der neueren Rechtsentwicklung ergeben haben, nicht ausreichend berücksichtigt (s. Pkt. III.B.3.2.). Hinzu kommt, daß einem solchen Verständnis bloß eine Staatspraxis des Zeitraums 1849-1920 zugrunde liegt, von der erst darzutun wäre, daß sie durch die Kundmachung des Ministers des Innern aus 1907 bzw. durch die Vollzugsanweisung des Staatsrates aus 1919 rechtlich gedeckt war, zumal nicht die Rede davon sein kann, die Vorgängerbestimmungen des heutigen § 2a BGBlG hätten zur Berichtigung von Kundmachungsfehlern in diesem Umfang ausdrücklich ermächtigt.

3.1.3. Funk [FS Rill (1995) 77 (94 f)] hat zudem zu Recht betont, daß die Befugnis eines Vollziehungsorgans, fehlerhaft kundgemachte Gesetzgebungsakte zu berichtigen, in rechtsvergleichender Sicht nicht losgelöst von dem Umstand gewürdigt werden sollte, in welchem Maße die gesetzgebende von der vollziehenden Gewalt verfassungsrechtlich getrennt ist. Für eine rechtshistorisch vergleichende Betrachtungsweise kann aber nichts anderes gelten. Nun ist aber zu bedenken, daß die monarchische Verfassung keine "Gewaltenteilung" zwischen Legislative und Exekutive, wie sie dem heutigen Verständnis entspricht, gekannt hat [so insbesondere Tezner, Der Kaiser (1909) 5 ff; s. auch Ulbrich, in:

Mischler/Ulbrich (Hrsg.), Österreichisches Staatswörterbuch Bd IV2 (1909) 67: "Gesetz ist ein Regierungsakt des Monarchen, der verfassungsmäßig an die Zustimmung der Volksvertretung gebunden ist ..."]. Dem auch in der mündlichen Verhandlung von der Bundesregierung wiederholten Hinweis auf die - anscheinend weitgehende [s. die Beispiele bei Thienel, ÖJZ 2001, 861 (872 FN 58 sowie 873 FN 61)] - Staatspraxis der monarchischen Verfassung kommt somit auch unter diesem Gesichtspunkt für die Frage der Verfassungskonformität des § 2a Abs 2 BGBlG kein entscheidender Argumentationswert zu.

3.1.4. Es bestehen aber auch sonst keine Anhaltspunkte dafür (und die Bundesregierung hat solche auch nicht vorgebracht), der Bundesverfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 habe bei Schaffung des Art 49 Abs 2 B-VG 1920 (heute: Art 49 Abs 3 B-VG) die Staatspraxis unter der monarchischen Verfassung stillschweigend sanktionieren wollen.

3.2. Auch verfassungssystematische Gesichtspunkte vermögen die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht zu zerstreuen:

3.2.1. Die Bundesregierung weist an sich zutreffend darauf hin, daß die eingangs (Pkt. III.B.2.2.) zusammengefaßte Vorjudikatur zum Inhalt des Begriffs "Druckfehler" (bloß) die Frage zu behandeln hatte, wie der im maßgebenden Verlautbarungsgesetz (VfSlg. 3719/1960:

Salzburger Landesgesetz über das Landesgesetzblatt 1946, LGBl. Nr. 12/1946; VfSlg. 14.851/1997: Kärntner Kundmachungsgesetz, LGBl. Nr. 25/1986; VfSlg. 15.579/1999: Salzburger Landesgesetz über das Landesgesetzblatt, LGBl. Nr. 75/1993; VfSlg. 16.152/2001: BGBlG idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2002) vorkommende - nicht näher definierte - Begriff "Druckfehler" auszulegen sei. Wenngleich der Verfassungsgerichtshof in dieser Rechtsprechung die Zulässigkeit einfachgesetzlicher Regelungen der Druckfehlerberichtigung aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht in Zweifel gezogen hat, so behandelt in der Tat keines dieser Erkenntnisse die dem Gesetzgeber bei Regelung des zulässigen Umfangs von Druckfehlerberichtigungen aus verfassungsrechtlicher Sicht etwa auferlegten Beschränkungen.

3.2.2. Daraus kann aber - anders als die Bundesregierung meint - schon aus folgenden Gründen nicht abgeleitet werden, daß solche Beschränkungen nicht bestünden:

a) Nach Art 24 B-VG ist die Gesetzgebung des Bundes vom Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat auszuüben. Beiden Vertretungskörpern ist damit die "Hauptfunktion" im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens übertragen [vgl. - mwN - Korinek, in:

Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Art 47 B-VG Rz 4]. Diese Funktion, Gesetze (im formellen Sinne) zu erlassen, ist somit speziellen Staatsorganen vorbehalten [vgl. Schick, in:

Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Art 24 B-VG Rz 6]. Organen der Vollziehung kommt die Erlassung auch sonstiger generell-abstrakter Normen, somit von Gesetzen im materiellen Sinne, lediglich insoweit zu, als sie hiezu verfassungsgesetzlich ermächtigt sind (s. insbesondere Art 18 Abs 2 B-VG sowie die - zahlreichen - Ermächtigungen an Verwaltungsorgane, sog. verfassungsunmittelbare Verordnungen zu erlassen: zB Art 18 Abs 3, 78c Abs 2, 97 Abs 3, 102 Abs 5, 118 Abs 6 B-VG; § 8 Abs 5 litd ÜG 1920).

b) Das B-VG weist allerdings einzelnen Organen der Vollziehung des Bundes (Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesregierung) - neben dem Bundesvolk (vgl. Art 43, 44 Abs 3 B-VG) - die Aufgabe zu, an der erwähnten Hauptfunktion der Erlassung von Bundesgesetzen in gewisser Weise mitzuwirken (s. insbesondere Art 41 Abs 1 sowie die Art 47 ff B-VG). Der Vollziehung kommt insoweit eine Mitwirkungsfunktion im Gesetzgebungsverfahren des Bundes zu. Diese Mitwirkung erlaubt es den beteiligten Organen der Vollziehung, auf den Gesetzgebungsprozeß in gewissem Maße Einfluß zu nehmen. Das B-VG schwächt insofern das bereits aus seiner Systematik [vgl. bloß die Überschriften des Zweiten ("Gesetzgebung des Bundes") und des Dritten Hauptstückes ("Vollziehung des Bundes")] erschließbare (grundlegende) Prinzip der Trennung der Gesetzgebung von der Vollziehung etwas ab.

c) Die Kundmachung der Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates ist ebenso wie die Vornahme allfälliger Berichtigungen als Mitwirkung eines Vollziehungsorgans - des Bundeskanzlers - an der Gesetzgebung des Bundes anzusehen. Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, (auch) diese Formen der Mitwirkung ohne verfassungsgesetzliche Ermächtigung beliebig auszugestalten oder zu erweitern:

aa) Nach Art 49a B-VG kann der Bundeskanzler - gemeinsam mit dem zuständigen Bundesminister - Bundesgesetze sowie im Bundesgesetzblatt kundgemachte Staatsverträge "mit verbindlicher Wirkung" im Bundesgesetzblatt wiederverlautbaren. Aus diesem Anlaß ist es zulässig, das Gesetz (den Staatsvertrag) in verschiedener Hinsicht zu verändern (s. im einzelnen Art 49a Abs 2 B-VG; so können etwa "Unstimmigkeiten" richtiggestellt, Kurztitel festgesetzt sowie Neunumerierungen vorgenommen werden). Gerichte und Verwaltungsbehörden sind von dem der Herausgabe jenes Bundesgesetzblattes, das den wiederverlautbarten Text enthält, folgenden Tag (sic!) hinsichtlich aller danach verwirklichten Tatbestände an diesen Text gebunden (Art49a Abs 3 B-VG; s. dazu VfSlg. 14.774/1997).

bb) Wie sich aus Art 49a Abs 2 B-VG ergibt, ist es somit zum einen bloß in engen Grenzen gestattet, im Text eines Gesetzes aus Anlaß seiner Wiederverlautbarung Änderungen vorzunehmen; zum anderen wirkt der wiederverlautbarte Text nur ex nunc.

Für Druckfehlerberichtigungen bestehen zwar keine ausdrücklichen verfassungsgesetzlichen Vorgaben. Wie sich indessen aus Art 49a Abs 2 B-VG ergibt, hat der Bundesverfassungsgesetzgeber es offenbar als geboten angesehen, etwa zur bloßen Anpassung an eine geänderte Schreibweise eine ausdrückliche Ermächtigung zu schaffen und den wiederverlautbarten Text - ungeachtet dessen, daß die zuständigen Vollziehungsorgane hiebei nicht befugt sind, diesen inhaltlich zu ändern - lediglich ex nunc wirksam werden zu lassen. Es würde angesichts dessen einen unerklärbaren Wertungswiderspruch bedeuten, wollte man annehmen, daß Art 49 Abs 3 B-VG es dem einfachen Gesetzgeber überließe, Berichtigungen der hier in Rede stehenden Art (also unter Einschluß von Änderungen des materiellen Rechts) mit uneingeschränkter Rückwirkung zuzulassen.

Daraus ist zu schließen, daß dem (einfachen) Bundesgesetzgeber nach Art 49 Abs 3 B-VG nicht auch die Ermächtigung zukommen kann, Druckfehlerberichtigungen in einem über Art 49a Abs 2 B-VG hinausgehenden Umfang zuzulassen, insbesondere nicht in einem Fall, in dem der kundgemachte Text einen gegenüber dem zugrunde liegenden Beschluß des Nationalrates veränderten Inhalt hat und eine Berichtigung somit einer inhaltlichen Änderung des Gesetzes gleichkäme.

3.3. Es verfängt auch der Einwand der Bundesregierung nicht, der Nationalrat habe im Jahr 1996 "in ein und derselben Sitzung sowohl eine Neufassung der Art 49 und 49a B-VG als auch das geltende BGBlG beschlossen ..., ohne die Schaffung einer verfassungsgesetzlichen Ermächtigung für die Berichtigung von Druckfehlern ... auch nur in Erwägung zu ziehen". Eine solche Argumentation - soll sie zielführend sein - setzt zumindest den Nachweis voraus, daß solche Erwägungen - würde man die Meinung der Bundesregierung zum Verständnis des Druckfehlerbegriffs nicht teilen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
nahegelegen wären. Davon kann aber schon deshalb keine Rede sein, weil die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Fragen der verfassungsrechtlichen Fundierung der einfachgesetzlichen Bestimmungen über die Druckfehlerberichtigung nicht aufwerfen konnte. Das "Schweigen" des Bundesverfassungsgesetzgebers zu diesem Thema aus Anlaß der Neufassung der Art 49 und 49a B-VG ließe sich - im Gegenteil
-
auch dahin deuten, daß er ungeachtet der nach Auffassung der Bundesregierung restriktiven verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einen Bedarf, die Befugnisse des Bundeskanzlers in diesem Zusammenhang im Wege eines Verfassungsgesetzes zu erweitern, nicht gesehen hat.

Die Bundesregierung dürfte mit ihrem Vorbringen im übrigen das Erkenntnis VfSlg. 9280/1981 (S 326) im Auge haben, wonach nicht anzunehmen sei, daß der Nationalrat eine einfachgesetzliche Regelung ohne Bedachtnahme auf eine am selben Tag beschlossene verfassungsgesetzliche Regelung erlassen hätte. Ein solcher Fall liegt hier aber - wie dargelegt - nicht vor, weil sich aus dem BGBlG in der damals beschlossenen Fassung für den Rechtsstandpunkt der Bundesregierung nichts gewinnen läßt und die in Prüfung gezogene Bestimmung des § 2a Abs 2 BGBlG erst mit dem Budgetbegleitgesetz 2002 - also Jahre nach Inkrafttreten der Art 49 und 49a B-VG idF des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 659/1996 - erlassen worden ist.

3.4. § 2a Abs 2 BGBlG steht aber auch in Widerspruch zum rechtsstaatlichen Prinzip. Die Bundesregierung hat dazu vorgebracht, daß § 2a Abs 2 BGBlG dem "Grundsatz der originalgetreuen Wiedergabe des Gesetzesbeschlusses in der Kundmachung" bestmöglich Rechnung tragen will. Der Verwirklichung dieses gewiß beachtenswerten Anliegens stehen indes andere gewichtige verfassungsrechtliche Grundsätze entgegen:

3.4.1. Wie sich aus Art 49 B-VG ergibt, kommt rechtsverbindliche Kraft ausschließlich dem kundgemachten Text einer Rechtsvorschrift zu (so ausdrücklich VfSlg. 3719/1960, S 176). Soweit § 2a Abs 2 BGBlG dazu ermächtigt, einen der Kundmachung anhaftenden Fehler auch dann zu berichtigen, wenn dieser Fehler den materiellen Inhalt der kundzumachenden Norm verändert hat, so bedeutet eine Berichtigung dieses Fehlers nichts anderes, als daß die zunächst (unvollständig oder in sonstiger Weise fehlerhaft) kundgemachte Norm inhaltlich geändert, dh. eine bisher nicht kundgemachte Norm (bzw. ein nicht kundgemachter Teil einer Norm) mit zeitlicher Verzögerung erstmals kundgemacht werden kann.

3.4.2. Die Regelung des § 2a Abs 2 BGBlG bewirkt also, daß der Bürger nicht mehr darauf vertrauen kann, daß sein Verhalten an jenen Rechtsvorschriften gemessen wird, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht sind. Die Weite der durch § 2a Abs 2 BGBlG geschaffenen Ermächtigung stellt die bundesverfassungsgesetzlich an die Kundmachung (Art49 Abs 1 B-VG) geknüpfte Verbindlichkeit des verlautbarten Gesetzestextes in einer Weise in Frage, die mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar ist. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner Auffassung, daß dem einzelnen nicht zugemutet werden soll, sich durch Studium der parlamentarischen Materialien Kenntnis vom genauen Wortlaut eines vom Nationalrat gefaßten Gesetzesbeschlusses zu verschaffen, um (durch Vergleich mit dem kundgemachten Text) abschätzen zu können, ob - im Fall einer Divergenz - eine Berichtigung des kundgemachten Gesetzes zu gewärtigen ist.

3.4.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. zB VfSlg. 2872/1955, 3665/1959, 5051/1965, 5411/1966, 6182/1970 uva.) begegnet es zwar bereits angesichts des Wortlauts des Art 49 Abs 1 B-VG im allgemeinen - und abgesehen von den sich insbesondere aus dem Gleichheitssatz, wie etwa aus dem daraus abgeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes, sowie aus Art 7 Abs 1 EMRK ergebenden grundrechtlichen Schranken - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, einem kundgemachten Gesetz im Wege eines (weiteren) Gesetzgebungsaktes rückwirkend einen veränderten Inhalt zu geben. Für die Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs 2 BGBlG ist daraus aber nichts abzuleiten:

a) Nach der mit VfSlg. 167/1922 beginnenden, ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es zwar zulässig, eine Verordnung rückwirkend in Kraft zu setzen, wenn das Gesetz die verordnungserlassende Behörde hiezu ausdrücklich ermächtigt. Die Rückwirkung eines Gesetzes (oder aber auch sein Inkrafttreten in Teilen zu verschiedenen Zeitpunkten) anzuordnen (soweit dem nicht sonstige Verfassungsvorschriften entgegenstehen), ist demgegenüber nach Art 49 Abs 1 B-VG eine Prärogative des Gesetzgebers, und zwar auch dann, wenn sich die Notwendigkeit, über die allfällige Rückwirkung eines Gesetzes zu entscheiden, gerade daraus ergibt, daß bei Publikation des Gesetzesbeschlusses ein den Inhalt der beschlossenen Norm verändernder Publikationsmangel unterlaufen ist. Nach der geltenden Verfassungslage ist es auch in einer solchen Situation Sache des Gesetzgebers, eine "Reparatur" des Gesetzes auf die ihm angemessen erscheinende Weise vorzunehmen und dies bloß mit Wirkung ex nunc oder - sofern nicht zB grundrechtliche Schranken dem entgegenstehen - mit Wirkung ex tunc zu tun. Es ist dem einfachen Gesetzgeber aber verwehrt, diese Befugnis ohne ausdrückliche verfassungsgesetzliche Grundlage einem Vollziehungsorgan zu übertragen. Es wäre insbesondere völlig ausgeschlossen, mit der Bundesregierung anzunehmen, dem Bundeskanzler sei ein Ermessen eingeräumt, ob und allenfalls mit welcher zeitlichen Wirkung er eine Druckfehlerberichtigung vornehmen soll.

b) Dieses, in der Argumentation der Bundesregierung nicht bedachte verfassungsrechtliche Hindernis läßt auch den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Weg, gesetzändernde Druckfehlerberichtigungen (nur) dann für unzulässig zu erachten, wenn einer rückwirkenden Gesetzesänderung grundrechtliche Schranken der oben genannten Art entgegenstünden, nicht als gangbar erscheinen. Ein solcher - von der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung als Ermessen bezeichneter - Spielraum in der Frage, ob eine (an sich gebotene) Druckfehlerberichtigung vorzunehmen ist oder nicht, ist dem Bundeskanzler - wie dargelegt - nicht eingeräumt worden, und er dürfte ihm aus verfassungsrechtlicher Sicht durch einfaches Gesetz auch nicht eingeräumt werden.

3.5. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes finden sich somit durch das Gesetzesprüfungsverfahren bestätigt: Die Zulassung der Berichtigung von Fehlern, die dem kundgemachten Gesetz einen vom zugrunde liegenden Gesetzesbeschluß abweichenden materiellen Inhalt geben, durch einfaches Gesetz bedarf einer verfassungsgesetzlichen Grundlage.

Da eine solchen Rechtsgrundlage fehlt, war § 2a Abs 2 BGBlG wegen Widerspruchs zu Art 49 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.

3.6. Für das Außerkrafttreten des § 2a Abs 2 BGBlG war keine Frist zu bestimmen; dies aus folgenden Gründen:

Mit der gesetzlichen Ermächtigung zur Vornahme einer Druckfehlerberichtigung wird dem Bundeskanzler (nur) die Kompetenz eingeräumt, einen bereits kundgemachten Text eines Bundesgesetzes in bestimmter Weise abzuändern; ein darüber hinausgehender Inhalt kommt seiner Kundmachung nicht zu. Der Geltungsgrund des geänderten Gesetzestextes selbst ist ab dem Zeitpunkt der erfolgten Kundmachung der Druckfehlerberichtigung der betreffende Gesetzesbeschluß des Nationalrates und nicht etwa § 2a Abs 2 BGBlG. Es genügt daher, wenn sich die Druckfehlerberichtigung im Zeitpunkt ihrer Kundmachung auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage stützen konnte; deren nachträglicher Wegfall mit Wirkung ex nunc vermag bereits früher vorgenommenen, auf § 2a Abs 2 des BGBlG gestützten Druckfehlerberichtigungen - mit Ausnahme jener, deren Prüfung Anlaß dieses Gesetzesprüfungsverfahrens war - nicht die gesetzliche Grundlage zu entziehen. Es besteht daher - anders als offenbar die Bundesregierung meint - insoweit kein "Sanierungsbedarf". Die Bestimmung einer Frist würde aber dem Bundeskanzler bis zu ihrem Ablauf weiterhin die Möglichkeit zu jedweden - in der Folge verfassungsrechtlich unangreifbaren - Druckfehlerberichtigungen im Verständnis des hiemit als verfassungswidrig erkannten § 2a Abs 2 BGBlG eröffnen.

3.7. Der Ausspruch über das Nichtwiederinkrafttreten früherer gesetzlicher Bestimmungen stützt sich auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG. Als eine solche Bestimmung käme nur der mit Art 1 Z 3 des Budgetbegleitgesetzes 2002 (gesondert) aufgehobene § 2 Abs 7 BGBlG in Betracht. Nach Aufhebung des § 2a Abs 2 BGBlG als verfassungswidrig bleibt aber ohnehin der dem früheren § 2 Abs 7 entsprechende § 2a Abs 1 BGBlG in Geltung.

3.8. Die Kundmachungspflicht des Bundeskanzlers ergibt sich aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG sowie aus § 65 iVm § 64 Abs 2 VfGG.

4. Auf Grund des Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens hat sich auch das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der Z 9 der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Berichtigung von Druckfehlern im Bundesgesetzblatt, BGBl. I Nr. 114/2002, als begründet herausgestellt:

4.1. Nach Aufhebung des § 2a Abs 2 BGBlG ist diese Kundmachung an § 2a Abs 1 BGBlG zu messen. Demnach kann der Bundeskanzler "Druckfehler in Verlautbarungen des Bundesgesetzblattes" berichtigen. Der - in § 2a Abs 1 Z 1 BGBlG vorkommende - Begriff "Druckfehler" ist hiebei (verfassungskonform) so zu verstehen wie etwa in VfSlg. 3719/1960 (S 176), nämlich als jede Abweichung des kundgemachten Textes vom zugrunde liegenden Beschluß, die den materiellen Gesetzesinhalt unverändert läßt.

4.2. Diesem Kriterium genügt die mit Z 9 der Kundmachung BGBl. I Nr. 114/2002 vorgenommene Druckfehlerberichtigung nicht:

Den vom Verfassungsgerichtshof für den Fall der Aufhebung des § 2a Abs 2 BGBlG geäußerten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung ist der Bundeskanzler im Verfahren - an dem er sich trotz gegebener Gelegenheit nicht beteiligt hat - nicht entgegengetreten.

Die Bedenken treffen auch zu: Der zunächst kundgemachte Wortlaut des zweiten Satzes des § 135a Abs 3 ASVG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2001 ließ noch annehmen, daß der zuständige Krankenversicherungsträger - zumindest soweit eine Regelung durch Richtlinien des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger noch nicht vorlag - eine Nachsicht vom Behandlungsbeitrag-Ambulanz auf Grund eigener Beurteilung der "sozialen Schutzbedürftigkeit" des Versicherten zu gewähren hatte. Erst die berichtigte Fassung des § 135a Abs 3 ASVG hat eine Bindung der Krankenversicherungsträger an die vom Hauptverband gemäß § 31 Abs 5 Z 16b ASVG (idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2001) erlassenen Richtlinien (s. dazu die "Richtlinien für die Nachsicht vom Behandlungsbeitrag-Ambulanz", Soziale Sicherheit 2001, 392, Amtliche Verlautbarung Nr. 69/2001, die rückwirkend mit in Kraft getreten sind) in der Weise bewirkt, daß eine solche Nachsicht vor Inkrafttreten dieser Richtlinien (oder nach deren Aufhebung) als gesetzlich ausgeschlossen anzusehen ist und daß es auf das Vorliegen einer "besonderen" sozialen Schutzbedürftigkeit im Sinne dieser Richtlinien ankommt; § 135a Abs 3 ASVG schließt es nunmehr auch aus, bei Beurteilung dieser besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit, allenfalls ergänzend zu diesen Richtlinien des Hauptverbandes, Regelungen in Satzungen bzw. Krankenordnungen von Krankenversicherungsträgern heranzuziehen.

4.3. Die Z 9 der Kundmachung BGBl. I Nr. 114/2002 hat somit den materiellen Inhalt des zweiten Satzes des § 135a Abs 3 ASVG verändert und steht damit in Widerspruch zu § 2a Abs 1 Z 1 BGBlG; sie war deshalb als gesetzwidrig aufzuheben.

4.4. Die Kundmachungspflicht des Bundeskanzlers ergibt sich aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG sowie aus § 61 iVm § 60 Abs 2 VfGG.