VfGH vom 22.02.2016, G365/2015
Leitsatz
Verfassungswidrigkeit einer novellierten Regelung über die Betrauung des Österreichischen Integrationsfonds mit der Zertifizierung und Evaluierung von Deutsch-Integrationskursen infolge Übertragung hoheitlicher Aufgaben ohne Einrichtung des erforderlichen Weisungszusammenhanges zu den obersten Organen der Vollziehung im Hinblick auf Vorjudikatur
Spruch
I. § 16 Abs 2 und 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl I Nr 100/2005, idF BGBl I Nr 38/2011, war bis zum Ablauf des verfassungswidrig.
II. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien,
"§16 Abs 2 und Abs 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG idF des Bundesgesetzes, BGBl I Nr 40/2014, in eventu
§16 Abs 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG in der Fassung des Bundesgesetzes, idF. BGBl I Nr 40/2014, in eventu
§16 Abs 5 erster Satz Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG in der Fassung des Bundesgesetzes, idF. BGBl I Nr 40/2014"
als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. § 16 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) lautete in seiner Stammfassung BGBl I 100/2005:
"Kursangebot
§16. (1) Die angebotenen Kurse haben jedenfalls zu enthalten:
1. für das Modul 1 den Erwerb der Fähigkeit des Lesens und Schreibens und
2. für das Modul 2 Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen alltäglicher Texte sowie von Themen des Alltags mit staatsbürgerschaftlichen Elementen und Themen zur Vermittlung der europäischen und demokratischen Grundwerte, die eine Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich ermöglichen.
(2) Die Zertifizierung der Kurse und die Evaluierung der vermittelten Lehrinhalte werden vom Österreichischen Integrationsfonds vorgenommen. Die Kurse werden mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu drei Jahren zertifiziert; die Zertifizierung kann auf Antrag um jeweils drei Jahre verlängert werden.
(3) Auf die Bereitschaft der Länder und Gemeinden, die schon vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes Kurse im Sinne des Abs 1 durchgeführt und finanziert haben und sich bereit erklären, diese weiterhin durchzuführen, ist bei der Zertifizierung Bedacht zu nehmen. Kostenbeteiligungen der Länder und Gemeinden vermindern Beiträge gemäß § 15 nicht.
(4) Die Inhalte der Kurse in Bezug auf Lernziele, Lehrmethode und Qualifikation des Lehrpersonals, die Anzahl der Unterrichtseinheiten sowie Form und Inhalt der Kursbestätigung werden durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festgelegt.
(5) Der Österreichische Integrationsfonds kann die Zertifizierung während der Gültigkeit entziehen, wenn die Lernziele, die Lehrmethode oder die Qualifikationen des Lehrpersonals nicht Abs 1 entsprechen."
2. Mit BGBl I 38/2011 wurde § 16 NAG novelliert. § 16 NAG lautete in dieser Fassung, die am in Kraft trat:
"Kursangebot
§16. (1) Die angebotenen Deutsch-Integrationskurse haben jedenfalls vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen alltäglicher Texte sowie von Themen des Alltags mit staatsbürgerschaftlichen Elementen und Themen zur Vermittlung der europäischen und demokratischen Grundwerte zu enthalten, um den Drittstaatsangehörigen zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu befähigen.
(2) Die Zertifizierung der Kurse und die Evaluierung der vermittelten Lehrinhalte werden vom Österreichischen Integrationsfonds vorgenommen. Die Kurse werden mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu drei Jahren zertifiziert; die Zertifizierung kann auf Antrag um jeweils bis zu drei Jahre verlängert werden.
(3) Auf die Bereitschaft der Länder und Gemeinden, die schon vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes Kurse im Sinne des Abs 1 durchgeführt und finanziert haben und sich bereit erklären, diese weiterhin durchzuführen, ist bei der Zertifizierung Bedacht zu nehmen. Kostenbeteiligungen der Länder und Gemeinden vermindern Beiträge gemäß § 15 nicht.
(4) Die Inhalte der Kurse in Bezug auf Lernziele, Lehrmethode und Qualifikation des Lehrpersonals, die Anzahl der Unterrichtseinheiten sowie Form und Inhalt der Kursbestätigung werden durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festgelegt.
(5) Der Österreichische Integrationsfonds kann die Zertifizierung während der Gültigkeit entziehen, wenn die Lernziele, die Lehrmethode oder die Qualifikationen des Lehrpersonals nicht Abs 1 oder der nach Abs 4 erlassenen Verordnung entsprechen. Nach einem Entzug der Zertifizierung ist eine neuerliche Zertifizierung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten zulässig."
3. Der Verfassungsgerichtshof sprach mit Erkenntnis VfSlg 19.728/2012 aus, dass § 16 Abs 2 und 5 NAG in der (Stamm-)Fassung BGBl I 100/2005 verfassungswidrig war.
4. Mit der Novelle BGBl I 122/2015, die am in Kraft trat, wurde § 16 NAG (idF BGBl I 38/2011) folgender Absatz 6 angefügt:
"(6) Der Österreichische Integrationsfonds ist in Wahrnehmung der ihm gemäß §§14 bis 16 übertragenen Aufgaben dem Bundesminister für Inneres gegenüber weisungsgebunden."
In der Regierungsvorlage (RV 650 BlgNR 25. GP, 3) wird dazu im Wesentlichen ausgeführt:
"Mit dem vorgeschlagenen Abs 6 sollen die Vorgaben aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom zu G75/12 umgesetzt werden. In diesem Erkenntnis wurde festgehalten, dass der Österreichische Integrationsfonds im Rahmen von Zertifizierungen von Kursträgern und Entziehungen dieser Zertifizierungen hoheitlich tätig wird und damit dieses behördliche Handeln jeweils als Bescheid zu qualifizieren sei. Aufgrund der Übertragung von hoheitlichen Aufgaben gemäß dem 4. Hauptstück des 1. Teiles des NAG auf den Österreichischen Integrationsfonds im Wege der Beleihung bedarf es daher der gesetzlichen Ausgestaltung des Weisungszusammenhanges zwischen dem Bundesminister für Inneres, als oberstes Organ der Vollziehung im Anwendungsbereich des NAG (vgl. Vollzugsklausel des § 83), und dem Österreichischen Integrationsfonds. Durch diese Anpassung kommt es somit zu keiner Änderung für die Praxis bei der Abwicklung der Integrationsvereinbarung bzw. der Deutsch-Integrationskurse."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag des Verwaltungsgerichts Wien liegt eine Beschwerde des Vereins "Aktives Lernen" Bildungsinstitut für Sprachen und Kultur multikulturelle Aktivitäten (im Folgenden: "die beteiligte Partei") an das antragstellende Verwaltungsgericht Wien zugrunde:
1.1. Der Österreichische Integrationsfonds (im Folgenden: "ÖIF") entzog der beteiligten Partei mit Bescheid vom mit Wirkung ab gemäß § 16 Abs 5 NAG die Zertifizierung als Kursträger für Deutsch-Integrationskurse. Trotz mehrfacher Beanstandungen durch den ÖIF sei es bei der beteiligten Partei zu fehlerhaften Bewertungen der Prüfungen gekommen, es bestehe der Verdacht der Beeinflussung von Prüfungsergebnissen und es seien nicht zertifizierte Kursleiter zum Einsatz gelangt; weiters sei gegen Meldepflichten verstoßen worden.
1.2. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der ÖIF mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Daraufhin stellte die beteiligte Partei rechtzeitig einen Vorlageantrag an das Verwaltungsgericht Wien.
2. Das Verwaltungsgericht Wien führt zur Zulässigkeit seines Antrags aus:
"Im gegenständlichen Fall wurde der vorlageantragstellenden Partei mit Bescheid des ÖIF gemäß § 16 Abs 5 NAG idF. BGBl I Nr 40/2014, die mit Bescheid des ÖIF vom erstmals gem. § 16 Abs 2 NAG idF BGBl I Nr 100/2005 iVm § 1 Abs 1 IV-V erteilte Zertifizierung als Kursträger für Deutsch-Integrationskurse für alle Standorte entzogen.
Im gegenständlichen Fall gelangt daher die Bestimmung des § 16 NAG idF. BGBl I Nr 40/2014 – in der zuletzt mit der NAG-Novelle, BGBl I Nr 38/2011 geänderten Textierung – zur Anwendung.
Auch wenn im vorliegenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien lediglich Rechtssache die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zertifizierung als Kursträger iSd § 16 Abs 2 NAG unter Anwendung des § 16 Abs 5 NAG ist, so bildet der Ausgang dieses Verfahrens – jedenfalls im Falle der rechtskräftigen Abweisung der Beschwerde – die Grundlage für einen allenfalls nachfolgenden Antrag gem. § 16 Abs 2 NAG, weshalb im gegenständlichen Fall eine sachliche Wechselwirkung zwischen der Norm des § 16 Abs 2 und jener des § 16 Abs 5 NAG besteht. Zudem stellt sowohl die in Absatz 5 wie auch Absatz 2 dem ÖIF übertragene Aufgabe hoheitliches Handeln dar, sodass beide Bestimmungen daher gedanklich in einer rechtlichen Einheit gesehen werden müssen (in diesem Sinne ).
Gem. Art 131 Abs 1 B VG erkennen, soweit sich aus Absatz 2 und 3 nicht anderes ergibt, über Beschwerden nach Art 130 Abs 1 B VG die Verwaltungsgerichte der Länder. Das Verwaltungsgericht des Bundes erkennt, soweit sich aus Absatz 3 nicht anderes ergibt, über Beschwerden gem. Art 130 Abs 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Dem gegenständlichen Antrag liegt keine Angelegenheit des Art 102 Abs 2 B VG zugrunde. Die Errichtung einer eigenen Bundesbehörde[…] gem. Art 102 Abs 4 BVG in dieser Angelegenheit ist ebenso wenig ersichtlich.
Die Voraussetzungen für den gegenständlichen Gesetzesprüfungsantrag liegen sohin vor."
3. Die Bedenken, die das Verwaltungsgericht Wien zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, legt es wie folgt dar:
"Der Verfassungsgerichtshof wurde zu B1687/10 im Rahmen einer auf Art 144 B VG gestützten Beschwerde mit einer am erfolgten Erledigung des ÖIF, mit der der beschwerdeführenden Partei die Zertifizierung als Kursträger für Alphabetisierungs- und Deutsch-Integrationskurse für den Standort Linz gem. § 16 Abs 5 NAG entzogen wurde, befasst.
Diese Beschwerde behauptete die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleistete[n] Rechte, weil – so die Beschwerde weiter – der Bescheidcharakter dieser Erledigung des ÖIF außer Zweifel stehe. Begründet wurde dies damit, dass § 16 Abs 5 NAG den ÖIF dazu ermächtige, durch einseitigen Rechtsakt ein subjektives Recht zu beschneiden, und darin nach dem Rechtsquellensystem der österreichischen Bundesverfassung grundsätzlich die Einräumung staatlicher Hoheitsgewalt zu sehen sei. Die Betrauung des ÖIF mit Aufgaben der staatlichen Hoheitsverwaltung entspreche nicht den vom Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Beleihung, zumal insbesondere es an der Sicherstellung effektiver Leitungs- und Steuerungsfunktionen eines obersten Bundesorgans fehle. Darüber hinaus sei diese Bestimmung aus kompetenzrechtlicher Sicht zu hinterfragen und verstoße sie schließlich auch gegen das Determinierungsgebot nach Art 18 B VG.
Die im Prüfbeschluss des Verfassungsgerichtshofes geäußerten Bedenken in dieser Sache bezogen sich auf die Frage, ob die Übertragung staatlicher Aufgaben auf den ÖIF im Rahmen des § 16 Abs 2 und 5 NAG idF BGBl I Nr 100/2005 als Rechtsträger des Privatrechts innerhalb der in seinem Erkenntnis betreffend die Übertragung von Aufgaben an die Austro Control G.m.b.H., VfSlg 14.473/1996, entwickelten als verfassungsrechtlich zulässig erachteten Grenzen einer solchen zulässigen Übertragung erfolgte. Eine solche liege demnach dann vor, wenn die Beleihung nur in Bezug auf 'vereinzelte Aufgaben' erfolge, und zudem der beliehene Rechtsträger bei der Ausübung dieser Ermächtigung unter ein oberstes Organ unterstellt werde, das gem. Art 76 Abs 1 B VG (bzw. Art 105 Abs 2) und Art 142 B VG verantwortlich ist. Weiters sei zu prüfen, ob die Bestimmung des § 16 Abs 2 und 5 NAG in verfassungskonformer Weise entstanden sei.
Für den Verfassungsgerichtshof ist eine solche Unterstellung demnach nur dann verfassungskonform, wenn ein dem Nationalrat gegenüber verantwortliches oberstes Organ weiterhin Steuerungsmöglichkeiten besitzt, die es ihm ermöglichen, für die Gesetzmäßigkeit der Vollziehung in effektiver Weise zu sorgen, und ihm den zuständig gemachten Einrichtungen gegenüber Weisungsbefugnisse ausdrücklich eingeräumt sind. Aus Art 20 Abs 1 B VG ist in diesem Zusammenhang die Verpflichtung des Gesetzgebers abzuleiten, Rechtsvorschriften zu erlassen, die einem obersten Organ eine effektive Leitungs- und Steuerungsfunktion einräumen, und dabei insbesondere ein umfassendes Weisungsrecht einzurichten.
Gemäß Art 102 Abs 1 B VG üben im Bereich der Länder die Vollziehung des Bundes der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden in mittelbarer Bundesverwaltung aus. Ohne Zustimmung der Länder (Art102 Abs 4 B VG) dürfen nur in den in Art 102 Abs 2 B VG genannten Angelegenheiten eigene Bundesbehörden errichtet werden. Zumal sich das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz auf den [K]ompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 3 B VG stützt, müsse in diesem Zusammenhang geprüft werden, ob Art 102 B VG auch im Falle der Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private zum Trage komme, und ob diesfalls die Zustimmung der Länder zu den in Prüfung gezogenen Bestimmungen eingeholt wurde oder nicht (vgl. VfSlg 16.400./2001; 17.341/2004; 17.421/2004)[.]
Die Bundesregierung stellte in ihrer Äußerung die Qualität der Zertifizierung von Kursen bzw. die Entziehung der Zertifizierung als hoheitliche Aufgaben in Abrede, räumte jedoch gleichzeitig ein, dass bejahendenfalls bei der Schaffung des § 16 Abs 2 und 5 B VG die vom Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur markierten Grenzen, die das B VG der Betrauung von selbstständigen Rechtsträgern mit hoheitlichen Aufgaben durch den einfachen Gesetzgeber setzt, überschritten worden seien.
Der Verfassungsgerichtshof gelangte schließlich in diesem Erkenntnis vom , G75/12, zu dem Ergebnis, dass durch § 16 Abs 2 und 5 NAG dem ÖIF hoheitliche Aufgaben, insbesondere bei der Entziehung der Kurszertifizierung, übertragen wurden, ohne gleichzeitig den erforderlichen Weisungszusammenhang zu einem obersten Organ der Vollziehung herzustellen, weshalb es sich im Falle von sich auf diese Bestimmungen stützenden Entscheidungen des ÖIF – bei verfassungskonformer Interpretation des § 16 Abs 5 NAG – vor dem Hintergrund des in Art 144 B VG zugrunde gelegten Rechtsschutzsystems um einen Bescheid handle. Da es aber der Gesetzgeber in concreto unterlassen habe, die notwendigen Weisungszusammenhänge zu obersten Organen der Vollziehung einzurichten, stehe außer Zweifel, dass die Grenzen des Art 20 Abs 1 B VG überschritten wurden und die Bestimmungen des § 16 Abs 2 und 5 NAG dem in Art 20 Abs 1 und Art 77 B VG zum Ausdruck kommenden Organisationskonzept der Bundesverfassung widersprechen.
IV.2. Zumal der Wortlaut des § 16 Abs 2 und 5 NAG infolge dieses Erkenntnisses bei nachfolgenden Novellierungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes in dem für die gegenständliche Entscheidung relevanten Umfang unverändert belassen wurde und bislang auch in keiner anderen Bestimmung im NAG dieser Weisungszusammenhang des ÖIF zu obersten Organen der Vollziehung des Bundes eingerichtet wurde, sind die voranstehenden Ausführungen auf die gegenständlich maßgebliche Fassung des § 16 Abs 2 und 5 [NAG] (BGBl I Nr 40/2014) übertragbar.
Im Übrigen wurde im Zuge der Schaffung des § 16 Abs 2 und 5 NAG – weder in der Stammfassung noch in der nunmehr geltenden Fassung im Zuge der Novellierung, BGBl I Nr 38/2011, – offenkundig auch nicht die Einholung der Zustimmung aller Länder nach den Vorgaben des Art 102 Abs 4 B VG für die Übertragung der darin festgelegten hoheitlichen Aufgaben (mittelbare Bundesverwaltung) auf den ÖIF eingeholt (s. insb. RV 1078 der Beilagen, XXIV. GP, S. 3). Dies ist eine Voraussetzung für das 'verfassungsgemäße Zustandekommen' (Art47 Abs 1 B VG) des betreffenden Gesetzes. Sie muss in formeller Weise erteilt werden und in der Kundmachung des Bundesgesetzes zum Ausdruck kommen (vgl. Mayer , Bundesverfassungsrecht, 4. Auflage, I.5. zu Art 102 B VG).
Gemäß dem in Art 102 Abs 1 erster Satz B VG normierten Grundsatz der mittelbaren Bundesverwaltung sollen Verwaltungsaufgaben des Bundes durch den Landeshauptmann und den ihm unterstellten Landesbehörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung (im organisatorischen Sinn) vollzogen werden. Daraus wird insbesondere das Gebot gefolgert, dass – abgesehen vom Fall der ausschließlichen Besorgung von erstinstanzlichen Agenden der mittelbaren Bundesverwaltung durch das Bundesministerium – der Weisungszusammenhang und die Leitungshoheit beim Landeshauptmann zu bleiben hat. Unzulässig sind daher Vollziehungskonstruktionen, welche den Landeshauptmann schlechthin umgehen (vgl. in diesem Sinne VfSlg 11.403/1987; Tessar , Bundesverfassungsrechtliche Organisationsprinzipien staatlichen Handelns und Ausgliederung, Verlag Österreich, Wien 2010, S. 987f).
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G11/10 ua, V17/10 ua, ausgesprochen hat[,] darf die Errichtung von eigenen Bundesbehörden gemäß Art 102 Abs 4 B VG für andere als die im Art 102 Abs 2 B VG bezeichneten Angelegenheiten nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen. Es hätte daher zu jenen Bestimmungen, mit welchem der ÖIF als selbständige Behörde eingerichtet wurde und ihm die in § 16 NAG genannten Aufgaben zugewiesen wurden, die Zustimmung der Länder im Sinne des Art 102 Abs 4 B VG eingeholt werden müssen.
Dazu sei angemerkt, dass der Österreichische Integrationsfonds als Rechtsträger des Privatrechts eingerichtet ist und dem gesamten aktuellen Rechtsbestand (Gesetzen und Verordnungen) auch nicht zu entnehmen ist, dass die Errichtung des ÖIF sowie die gegenständliche Betrauung mit Aufgaben in Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 'verfassungsgemäß', insbesondere nach den Regeln des Verfahrens gem. Art 102 Abs 4 B VG erfolgt ist. Im Ergebnis ergeben sich für das antragstellende Gericht somit Zweifel, ob die Vollziehung hoheitlicher Aufgaben durch den ÖIF derzeit aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig ist bzw. der ÖIF als beliehener Rechtsträger bei der Ausübung der in § 16 NAG normierten Ermächtigungen in Vollziehung einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung tätig werden darf.
Ein Indiz für das verfassungswidrige Zustandekommen der Übertragung der in § 16 Abs 2 und 5 NAG idgF genannten hoheitlichen Aufgaben auf den ÖIF lässt sich auch daran erkennen, dass die Bundesregierung derzeit plant, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz mit der Begründung dahingehend in seinem § 16 NAG zu ändern, dass mit dem vorgeschlagenen Absatz 6 die Vorgaben aus dem oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom insofern umgesetzt werden sollten, als er nunmehr bei der Besorgung der in § 16 NAG übertragenen Aufgaben unter eine effektive Leitungs- und Steuerungsfunktion eines obersten Bundesorgans unterstellt werden soll. In diesem Zusammenhang wird nunmehr erstmals ausdrücklich erwähnt, dass es hiezu gem. Art 102 Abs 4 B VG der Zustimmung aller Länder bedürfe (vgl. RV 650 der Beilagen XXV. GP).
Da nach Ansicht des antragstellenden Verwaltungsgerichts der ÖIF seinen Bescheid vom sowie die Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde mit seiner Beschwerdevorentscheidung vom auf diese möglicherweise verfassungswidrige bzw. in verfassungswidriger Weise zustande gekommene Norm des § 16 Abs 5 NAG stützte, wird der vorliegende Gesetzesprüfungsantrag gestellt."
4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zum Antrag ausführt:
"1. Mit seinem auf Art 140 Abs 1 iVm Art 135 Abs 4 iVm Art 89 Abs 2 B VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien aus Anlass eines bei ihm anhängigen Verfahrens über die Beschwerde gegen einen Bescheid des Österreichischen Integrationsfonds, mit dem die gemäß § 1 Abs 1 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (IV-V) erteilte Zertifizierung als Kursträger für Deutsch-Integrationskurse gemäß § 16 Abs 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes — NAG, BGBI. I Nr 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr 40/2014, entzogen wurde, die Aufhebung des § 16 Abs 2 und 5 NAG, in eventu die Aufhebung des § 16 Abs 5 NAG, in eventu die Aufhebung des § 16 Abs 5 erster Satz NAG jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 40/2014.
2. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G75/12 (= VfSlg 19.728/2012) hegt das Verwaltungsgericht Wien im Wesentlichen die Bedenken, dass die angefochtenen Bestimmungen in Widerspruch zu den Vorgaben des Art 20 Abs 1 B VG und dem in Art 77 B VG zum Ausdruck kommenden Organisationskonzept der Bundesverfassung stünden, da es der Gesetzgeber unterlassen habe, die notwendigen Weisungszusammenhänge zu obersten Organen der Vollziehung einzurichten. Zudem sei die Regelung entgegen den Vorgaben des Art 102 Abs 4 B VG ohne Zustimmung der Länder erfolgt.
3.1. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass der Nationalrat am einen Beschluss über ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert wird, gefasst hat, wonach dem § 16 NAG ein Abs 6 über die Weisungsbindung des Österreichischen Integrationsfonds gegenüber dem Bundesminister für Inneres angefügt wird. Der Gesetzesbeschluss geht auf die Regierungsvorlage 650 BIgNR 25. GP zurück. Der in der Regierungsvorlage vorgeschlagene Gesetzestext wurde vom Nationalrat unverändert beschlossen. Die beschlossene Regelung lautet wie folgt:
'1. Dem § 16 wird nach Abs 5 folgender Abs 6 angefügt:
'(6) Der Österreichische Integrationsfonds ist in Wahrnehmung der ihm gemäß §§14 bis 16 übertragenen Aufgaben dem Bundesminister für Inneres gegenüber weisungsgebunden.''
3.2. Der Bundesrat hat am beschlossen, keinen Einspruch gegen diesen Gesetzesbeschluss zu erheben. Der Gesetzesbeschluss wurde gemäß Art 42a B VG den Ämtern aller Landesregierungen bekanntgegeben und wird nach Erfüllung der Voraussetzungen des Art 42a B VG bzw. des Art 102 Abs 4 B VG kundgemacht werden.
3.3. Mit dieser Neuregelung werden die Vorgaben des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.728/2012 betreffend einen notwendigen Weisungszusammenhang zwischen dem Österreichischen Integrationsfonds und obersten Organen der Vollziehung umgesetzt (s. RV 650 BIgNR 25. GP, 3).
4. Im Übrigen nimmt die Bundesregierung von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand."
5. In Hinblick auf die Novellierung des § 16 NAG durch das Bundesgesetz BGBl I 122/2015 ersuchte der Verfassungsgerichtshof das antragstellende Verwaltungsgericht Wien um Mitteilung, ob der Antrag auf Aufhebung des § 16 Abs 2 und 5 NAG aufrechterhalten wird.
Das Verwaltungsgericht Wien äußerte sich dazu folgendermaßen:
"Dem gegenständlichen beim Verwaltungsgericht Wien anhängigen Beschwerdeverfahren liegt eine Beschwerdevorentscheidung des ÖIF vom hinsichtlich eines Bescheids vom zugrunde, der unter Anwendung des § 16 Abs 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBI. I Nr 100/2005 idF des Bundesgesetzes, BGBI. I Nr 38/2011, ergangen ist. In dieser Fassung bestand ein Weisungszusammenhang zwischen dem Bundesminister für Inneres und dem Österreichischen Integrationsfond, so wie dieser mit der Novelle, BGBI. I Nr 122/2015, nunmehr zur Herstellung einer effektiven Leitungs- und Steuerungsfunktion in § 16 Abs 6 NAG eingefügt wurde, noch nicht.
Zumal § 16 Abs 6 NAG nicht rückwirkend in Kraft gesetzt wurde, wurde der verfahrensgegenständliche Bescheid zu einem Zeitpunkt erlassen, als der aus Sicht des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH G75/2012 sowie B1687/10) bezogen auf die Beleihung des ÖIF gem. § 16 NAG erforderliche Weisungszusammenhang zwischen dem ÖIF und einem obersten Organ der Vollziehung noch nicht hergestellt wurde. Der ÖIF hat demnach mit dieser Entscheidung mangels Zuständigkeit die Grenzen des Art 20 Abs 1 B VG überschritten, weshalb der diesem Gesetzprüfungsantrag zugrundeliegende Bescheid aus Sicht des Verwaltungsgerichts Wien von einer unzuständigen Behörde entgegen den Bestimmungen der Bundesverfassung erlassen wurde.
Die Heilung einer solchen Verfassungswidrigkeit kann durch die – erst nach Bescheiderlassung und im Übrigen pro futuro wirkende – mit in Kraft getretene novellierte Fassung des § 16 NAG schon deshalb nicht eintreten, weil das Verwaltungsgericht Wien als Prüfmaßstab für die Verfassungskonformität des angefochtenen Bescheides im bezughabenden Beschwerdeverfahren nicht die nunmehr geltende Fassung des § 16 NAG des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (idF BGBI. I Nr 122/2015), sondern jene Fassung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes heranzuziehen hat, die vom ÖIF im Zeitpunkt seiner Entscheidung anzuwenden war (BGBI. I Nr 40/2014 in der mit der NAG-Novelle, BGBI. I Nr 38/2011 eingeführten Textierung).
Es liegt aus Sicht des Verwaltungsgerichts Wien daher gegenständlich ein ähnlicher Fall, wie jener, der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G75/2012, zugrunde lag, vor. Insofern besteht weiterhin Präjudizialität, weshalb der gegenständliche Antrag vollinhaltlich aufrechterhalten wird."
6. Letztlich ersuchte der Verfassungsgerichtshof das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst um Mitteilung (und gegebenenfalls entsprechende Nachweise), ob die Länder der Novellierung des § 16 NAG durch BGBl I 122/2015 nach Art 102 Abs 4 B VG zugestimmt haben.
Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst legte die entsprechenden Erklärungen der Länder vor.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B VG bzw. des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Dagegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen, soweit die Präjudizialität für den gesamten Antrag gegeben ist, nicht zur Gänze unzulässig, sondern führt, ist der Antrag in der Sache begründet, im Falle der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 16.989/2003 mwN, 19.684/2012 und 19.746/2013).
Gemäß § 62 Abs 1 erster Satz VfGG muss ein Gesetzesprüfungsantrag das Begehren enthalten, das – nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige – Gesetz seinem gesamten Inhalt oder in bestimmten Stellen aufzuheben. Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des § 62 Abs 1 VfGG zu erfüllen, muss – wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach (zB VfSlg 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995, 14.634/1996) ausgesprochen hat – die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll (vgl. dazu mwN VfSlg 15.775/2000, 16.340/2001, 18.175/2007, 19.583/2011).
Ein Antrag, der die konkrete Fassung der zur Aufhebung begehrten Norm nicht deutlich erkennen lässt, erfüllt das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des § 62 Abs 1 VfGG nicht. Es ist dem Verfassungsgerichtshof nämlich verwehrt, Gesetzesbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen, in welcher Fassung ihre Aufhebung begehrt wird, zu prüfen und im Fall des Zutreffens der geltend gemachten Bedenken aufzuheben (vgl. dazu VfSlg 11.802/1988, 14.261/1995, 14.634/1996, 15.962/2000 und ua.).
1.3. Das Verwaltungsgericht Wien beantragt die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen in der Fassung BGBl I 40/2014. Dabei handelt es sich um die zum Zeitpunkt der Antragstellung durch das Verwaltungsgericht Wien jüngste Novellierung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, von der allerdings § 16 NAG nicht erfasst war. Es geht aus dem Antrag – insbesondere aus der Formulierung in der Begründung, dass die Bestimmung des § 16 NAG "in der zuletzt mit der NAG-Novelle, BGBl I Nr 38/2011 geänderten Textierung" zur Anwendung gelange – mit hinreichender Deutlichkeit im Sinne des § 62 VfGG hervor, dass das Verwaltungsgericht Wien die Aufhebung des § 16 Abs 2 und 5 NAG in der Fassung BGBl I 38/2011 beantragt.
1.4. Es ist nicht denkunmöglich, wenn das antragstellende Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass es – im Rahmen der Prüfung des vom ÖIF erlassenen Bescheids bzw. der Beschwerdevorentscheidung des ÖIF und bei der Beurteilung, ob es § 16 NAG in der Fassung vor oder nach der Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl I 122/2015 anzuwenden hat (zB ) – § 16 Abs 5 NAG in der Fassung BGBl I 38/2011 zu beurteilen hat.
Da zwischen § 16 Abs 5 und § 16 Abs 2 NAG ein untrennbarer Zusammenhang besteht (vgl. VfSlg 19.728/2012 zu § 16 NAG idF BGBl I 100/2005, ist die Anfechtung sowohl von § 16 Abs 2 als auch von § 16 Abs 5 NAG zulässig.
1.5. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Das Verwaltungsgericht Wien äußert zum einen das Bedenken, die angefochtenen Bestimmungen des § 16 Abs 2 und 5 NAG stünden im Widerspruch zu Art 20 Abs 1 B VG, weil der Gesetzgeber es unterlassen habe, einen Weisungszusammenhang zwischen dem ÖIF und obersten Organen der Vollziehung einzurichten. Zum anderen äußert das Verwaltungsgericht Wien das Bedenken, dass zu jenen Bestimmungen, mit welchen der ÖIF als selbständige Behörde eingerichtet worden sei und diesem die in § 16 NAG genannten hoheitlichen Aufgaben zugewiesen worden seien, die Zustimmung der Länder im Sinne des Art 102 Abs 4 B VG eingeholt hätte werden müssen, dies aber nicht erfolgt sei.
2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.728/2012 ausgeführt hat, wurden dem ÖIF mit § 16 Abs 2 und 5 NAG hoheitliche Aufgaben übertragen, ohne einen entsprechenden Weisungszusammenhang zu obersten Organen der Vollziehung vorzusehen. Da dies auch auf den insoweit unveränderten § 16 Abs 2 und 5 NAG idF BGBl I 38/2011 zutrifft, widersprechen die angefochtenen Bestimmungen dem Organisationskonzept der Bundesverfassung, wie es insbesondere in Art 20 Abs 1 und Art 77 B VG zum Ausdruck kommt (vgl. dazu bereits VfSlg 19.728/2012).
2.3. Ob das zweite Bedenken des Verwaltungsgerichts Wien zutrifft, kann dahin stehen, weil die Länder jedenfalls zur Novelle BGBl I 122/2015 ihre Zustimmung erteilt haben; mit dieser Novelle wurde zwar § 16 NAG (nur) ein Abs 6 angefügt, der Verfassungsgerichtshof geht aber auf Grund des notwendigen Zusammenhangs dieses Abs 6 mit Abs 2 und 5 in § 16 NAG davon aus, dass die Zustimmung der Länder alle diese Absätze des § 16 NAG erfasst.
2.4. Mit der Novelle BGBl I 122/2015 wurde § 16 NAG ein Abs 6 angefügt, demzufolge der ÖIF "in Wahrnehmung der ihm gemäß §§14 bis 16 übertragenen Aufgaben dem Bundesminister für Inneres gegenüber weisungsgebunden" ist. § 16 Abs 6 NAG trat am in Kraft (§82 Abs 20a NAG).
Damit wurde nun zwischen dem ÖIF, dem in § 16 Abs 2 und 5 NAG unverändert hoheitliche Aufgaben übertragen sind, und dem Bundesminister für Inneres als oberstem Organ der verfassungsmäßig gebotene Weisungszusammenhang hergestellt.
Da somit die angefochtenen Bestimmungen des § 16 Abs 2 und 5 NAG durch die Novelle BGBl I 122/2015 mit deren Inkrafttreten am konvalidiert sind, war § 16 Abs 2 und 5 NAG bis zum Ablauf des verfassungswidrig (vgl. VfSlg 12.325/1990, 17.001/2003 und 18.479/2008).
V. Ergebnis
1. Es ist somit festzustellen, dass § 16 Abs 2 und 5 NAG idF BGBl I 38/2011 bis zum Ablauf des verfassungswidrig war.
2. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2016:G365.2015