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VfGH vom 18.03.1980, G35/79

VfGH vom 18.03.1980, G35/79

Sammlungsnummer

8793

Leitsatz

Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. 376; § 5 Abs 3 gleichheitswidrig

Spruch

§5 Abs 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. 376, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Feber 1981 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Beim VfGH sind zu B14/79 und B64/79 Verfahren anhängig, die sich gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide der Finanzlandesdirektion für Sbg. wenden. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde der Anspruch der Beschwerdeführer auf Familienbeihilfe für ihre Kinder im Hinblick auf deren Verehelichung gem. § 5 Abs 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. 376 (künftig: FLAG), abgewiesen bzw. die Rückzahlung von Familienbeihilfe aufgetragen, soweit diese für den nach der Verehelichung des Kindes gelegenen Zeitraum bezogen wurde.

2. Bei den Beratungen des VfGH über diese Beschwerden haben sich Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 3 FLAG ergeben.

Der VfGH hat daher aus Anlaß dieser Beschwerden beschlossen, gem. Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung einzuleiten.

3. § 5 Abs 3 FLAG lautet:

"(3) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die verheiratet sind."

4. Der VfGH hat die bei ihm entstandenen Bedenken wie folgt umschrieben:

"a) Wie die Erläuterungen der Regierungsvorlage, auf die sich das Erkenntnis VfSlg. 5972/1969 berief, ausführten, geht § 5 Abs 3 FLAG von dem Gedanken aus, daß verheiratete Kinder aus dem Familienverband ausscheiden und deshalb keine Last für den Familienverband mehr darstellen. Diese Annahme des Gesetzgebers scheint all denjenigen Fällen nicht Rechnung zu tragen, in denen Jungvermählten eine eigene Hausstandsgründung vorerst nicht möglich ist. Die Familienlast der bis zur Verehelichung des Kindes nach dem Familienlastenausgleichsgesetz Anspruchsberechtigten wird in diesen Fällen durch den Formalakt der Eheschließung nicht gemindert, zumal die rechtliche Unterhaltsverpflichtung durch die Eheschließung eines Kindes keineswegs erlischt.

Der Verfassungsgerichtshof sieht vorerst keine Rechtfertigung für den durch § 5 Abs 3 FLAG auch dann bewirkten Ausschluß von einer Anspruchsberechtigung auf Familienbeihilfe für verehelichte Kinder, wenn diese aus dem Familienverband trotz der Eheschließung nicht ausscheiden. Insbesondere sieht der Verfassungsgerichtshof keine sachliche Rechtfertigung für einen Ausschluß von der Anspruchsberechtigung auf Familienbeihilfe in den Fällen, in denen der Unterhalt eines Kindes auch nach dessen Verehelichung von demjenigen weiterhin bestritten wird, der vor der Eheschließung dieses Kindes Anspruch auf Familienbeihilfe besaß.

Von Bedeutung ist hiebei auch, daß § 2 Abs 2 FLAG nicht nur denjenigen Personen Anspruch auf Familienbeihilfe einräumt, zu deren Haushalt das Kind gehört, sondern auch solchen Personen, die die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend tragen.

Der Verfassungsgerichtshof sieht auch für solche Fälle keine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluß vom Anspruch auf Familienbeihilfe.

b) Der Verfassungsgerichtshof ist nach wie vor der Ansicht, daß der Gesetzgeber im Rahmen der verfassungsgesetzlichen Schranken bei der Verfolgung rechtspolitischer (familienpolitischer) Ziele frei ist und nicht gehalten ist, Familienbeihilfen in unbeschränkter Weise zu gewähren, wenn dies für ihn eine Förderung rechtspolitisch unerwünschter Ziele bedeuten würde. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner wiedergegebenen Judikatur angenommen, daß ein solcher Fall unerwünschter Förderung bei § 5 Abs 3 FLAG vorliege, weil dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden könne, wenn er Frühehen rechtspolitisch als unerwünscht erachte. Der Verfassungsgerichtshof hat Bedenken, diese Ansicht zur sachlichen Rechtfertigung der Regelung weiter aufrechtzuerhalten. Das Familienlastenausgleichsgesetz räumt in seiner geltenden Fassung Ansprüche auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres für solche Kinder ein, die in Berufsausbildung stehen. Nach den geltenden gesellschaftlichen Auffassungen scheint es dem Verfassungsgerichtshof nicht möglich, eine Rechtfertigung der in Prüfung gezogenen Regelung darin zu erblicken, daß es dem Gesetzgeber freistehen muß, Frühehen nicht als förderungswürdig zu erachten. Wenn der Gesetzgeber für unverheiratete Kinder Ansprüche auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres einräumt, kann bei den durch § 5 Abs 3 FLAG betroffenen Eheschließungen von Frühehen nicht mehr die Rede sein. Mit den vom Gesetzgeber selbst gewählten maßgeblichen Altersgrenzen, insbesondere der des 27. Lebensjahres, hat der Gesetzgeber ein Ordnungssystem geschaffen, in dessen Rahmen er wohl zu Differenzierungen berechtigt ist, jedoch nur dann, wenn sie dem Gleichheitsgebot nicht widersprechen. Fehlt jede sachliche Rechtfertigung, und dies scheint für § 5 Abs 3 FLAG zuzutreffen, wonach trotz unterschiedlichster Lebenssachverhalte bei Eheschließung undifferenziert ein Ausschluß vom Familienbeihilfenanspruch erfolgt, so handelt der Gesetzgeber nicht mehr in Verfolgung rechtspolitischer Ziele, die von ihm frei gestaltet werden dürfen. Die Regelung scheint daher auch insoferne dem Gleichheitsgebot zu widersprechen.

c) § 2 Abs 3 FLAG räumt Personen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht nur für Kinder, sondern auch für Enkelkinder ein. Dies bewirkt, daß nach dem Familienlastenausgleichsgesetz Ansprüche auf Familienbeihilfe auch für Kinder verehelichter Kinder dann bestehen, wenn für diese Enkelkinder der Unterhalt überwiegend getragen wird. Hiebei beschränkt sich der Ausschluß vom Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 5 Abs 3 FLAG auf das verehelichte Kind.

Da § 5 Abs 3 FLAG ohne Rücksicht auf vollkommen unterschiedlich auftretende Lebenssachverhalte einen Ausschluß von der Familienbeihilfe nur daran orientiert, daß Kinder eine Ehe schließen, scheint es, daß auch Fälle betroffen werden, die nach sachlichen Gesichtspunkten vom Anspruch auf Familienbeihilfe nicht ausgeschlossen werden dürften. Der Verfassungsgerichtshof hat das Bedenken, daß § 5 Abs 3 FLAG auch insoferne mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar ist."

Der VfGH hat im Einleitungsbeschluß auch auf die wiederholten Novellierungen des FLAG verwiesen, wodurch die Rechtslage gegenüber der Stammfassung des Gesetzes wesentlich geändert wurde.

Des weiteren hat der VfGH darauf verwiesen, daß er sich mit der in Prüfung gezogenen Bestimmung bereits in zwei Vorerkenntnissen befaßt hat und damals keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen sie hatte, daß er sich aber aus den dargelegten Gründen vorläufig nicht in der Lage sieht, seine bisherige Ansicht aufrechtzuerhalten.

5. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet und hierin wörtlich ausgeführt:

"A. ... Den vom Verfassungsgerichtshof ... geäußerten Bedenken ... darf die Bundesregierung entgegenhalten:

In den seit dem Inkrafttreten des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 eingetretenen Änderungen dieses Gesetzes kann nach Auffassung der Bundesregierung kein Grund für eine geänderte Judikatur in bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 3 leg. cit. erkannt werden. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe und die Ausschließungsgründe sind im wesentlichen unverändert geblieben; eine Änderung, die als wesentlich angesehen werden könnte, spricht eher für die seinerzeitige Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes als für eine gegenteilige Meinung. Während bis zur Novelle BGBl. Nr. 646/1977 ein Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind darauf gestützt werden konnte, daß das Kind beim Anspruchswerber haushaltszugehörig war oder von ihm überwiegend erhalten wurde, besteht seit der genannten Novelle ein Anspruch wegen Tragung der Unterhaltskosten für ein nicht haushaltszugehöriges Kind nur mehr dann, wenn keine andere Person, zu deren Haushalt das Kind gehört, anspruchsberechtigt ist. Eine Person, die für ein nicht haushaltszugehöriges Kind die Unterhaltskosten überwiegend trägt, hat daher, im Gegensatz zu früher, nur in wenigen Ausnahmefällen einen Anspruch auf Familienbeihilfe. Diese Regelung, die darauf abzielt, die Familienbeihilfe dem Haushalt zuzuleiten, in dem das Kind betreut wird, hat auch für die Fälle der verheirateten Kinder Bedeutung, worauf noch näher eingegangen werden wird.

B. Mit der Gewährung von Familienbeihilfen verfolgt der Gesetzgeber die Absicht, die einer Familie für unversorgte Kinder entstehenden Lasten zu mildern (siehe Erläuterungen zur Regierungsvorlage in 549 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates,

XI. GP). Bei der Abgrenzung des Kreises der Kinder, die aus den Motiven des Familienlastenausgleiches noch als berücksichtigungswürdig anzusehen sind, ist der Gesetzgeber von typisierenden Merkmalen ausgegangen (siehe hiezu insbesondere § 2 Abs 1 und § 5).

So wie im Falle jeder Typisierung muß damit in Kauf genommen werden, daß in von der Norm abweichenden Einzelfällen Härten entstehen.

§5 Abs 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 schließt nun solche Kinder von der Beihilfengewährung aus, die verheiratet sind. In bezug auf den Status solcher Kinder hat sich der Gesetzgeber offenkundig von den Intentionen des bürgerlichen Rechts leiten lassen. Die Rechtswirkungen einer Ehe ergeben sich aus dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch und sind in bezug auf die Stellung einer Person in einer Familie erheblich. Mit der Eheschließung wird ein minderjähriges eheliches Kind volljährig (§175 ABGB), die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, zum Beistand und zur gegenseitigen Mitwirkung im Erwerb des anderen verpflichtet (§90). Die Ehegatten sind weiters verpflichtet, nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen (§94). Die Ehegatten haben weiters die Pflicht, an der Führung des gemeinsamen Haushaltes nach ihren persönlichen Verhältnissen mitzuwirken; ist ein Ehegatte nicht erwerbstätig, so obliegt diesem die Haushaltsführung (§95).

Angesichts der sich aus dem Zivilrecht ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten der Ehegatten kann die Annahme des Gesetzgebers, daß durch die Verehelichung eines Kindes ein Umstand eingetreten ist, der eine weitere Berücksichtigung dieser Kinder im Rahmen des Familienlastenausgleiches nicht mehr rechtfertigt, nach Auffassung der Bundesregierung als begründet angesehen werden. Die Erläuterungen zu § 5 Abs 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (549 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XI. GP) sehen dementsprechend die Rechtfertigung des Ausschlusses der verheirateten Kinder von der Familienbeihilfengewährung darin, daß die Kinder durch die Verehelichung aus ihrem bisherigen Familienverband ausscheiden. Bei typisierender Betrachtungsweise erscheint diese Annahme im Hinblick auf die zivilrechtlichen Konsequenzen einer Eheschließung auch zutreffend. Die Fälle, in denen die Kinder auch noch nach ihrer Verehelichung im Haushalt der Eltern verbleiben und (oder) von diesen ausschließlich erhalten werden, sind nach Auffassung der Bundesregierung auch im praktischen Leben nicht als typisch anzusehen.

Wenn der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung die Meinung vertreten hat, daß es dem Gesetzgeber freistehen muß, Frühehen nicht als förderungswürdig zu erachten, dann kann diese Meinung - nach den vorstehenden Ausführungen der Bundesregierung - nur dahin verstanden werden, daß der Gesetzgeber nicht verhalten ist, im Familienlastenausgleich noch solche Kinder zu berücksichtigen, die bereits selbst Familienpflichten übernommen und eine eigene Familie gegründet haben. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß im Familienlastenausgleich eine Berücksichtigung der Kinder bis zum vollendeten 27. Lebensjahr denkbar ist. Es ist sowohl nach den Intentionen des Zivilrechtes als auch nach der Lebenserfahrung die Regel, daß eine Eheschließung nach Abschluß der Berufsausbildung, d.

h. nach Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit erfolgt. Daher erscheint ein Abgehen von der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nach Auffassung der Bundesregierung nicht begründet.

C. Es wurde bereits ausgeführt, daß in den Anspruchsvoraussetzungen auf die Familienbeihilfe insoweit eine gewichtige Änderung eingetreten ist, als für die Gewährung der Familienbeihilfe die Haushaltszugehörigkeit des Kindes ausschlaggebend sein soll (§2 Abs 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967). Gerade bei verheirateten Kindern ist jedoch davon auszugehen, daß sie selbst dann ihren eigenen Haushalt führen, wenn sie gemeinsam bei den Eltern eines Ehegatten wohnen (analog § 2 Abs 5 letzter Satz). Damit wäre zwar noch ein Anspruch eines Elternteiles auf die Familienbeihilfe aus dem Titel der Tragung der Unterhaltskosten denkbar, jedoch ist ein solcher Anspruch nur subsidiär und im Grunde nicht für den Fall gedacht, daß die Kinder einen eigenen - auf familienhafter Basis eingerichteten - Haushalt führen. Die seit dem Inkrafttreten des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erfolgten Änderungen scheinen daher nach Auffassung der Bundesregierung kein Grund für eine Änderung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu sein.

D. Daß Kinder trotz ihrer Verehelichung den Eltern zwangsläufig weiter Unterhaltskosten verursachen, muß als außergewöhnlich angesehen werden. Dem hat der Gesetzgeber auch dadurch Rechnung getragen, daß er die entsprechenden Unterhaltsaufwendungen bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastung (§34 des Einkommensteuergesetzes 1972) berücksichtigt. Dieser Vorteil - der betragsmäßig unter Umständen größer ist als der Vorteil aus dem Bezug der Familienbeihilfe - würde dem Unterhaltsleistenden im Falle eines Anspruches auf die Familienbeihilfe jedenfalls verlorengehen. Es wäre daher die Behauptung unrichtig, durch den Ausschluß der verheirateten Kinder von der Familienbeihilfe wären deren Eltern generell schlechter gestellt als andere Eltern. Durch die Verehelichung werden im übrigen auch noch andere finanzielle Vorteile erworben (z. B. Abgeltungsbetrag gemäß § 35 EStG 1972, höhere Studienbeihilfe), die vom Standpunkt einer Gesamtbetrachtung der Rechtsordnung auch bei Beurteilung der Frage nach einer sachlichen Rechtfertigung der Bestimmung des § 5 Abs 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 nicht unberücksichtigt bleiben können. Die Tatsache, daß die Rechtsordnung die Verehelichung eines Kindes durch besondere Vorteile auszeichnet, die anderen Kindern nicht zukommen, läßt es als nicht unsachlich erscheinen, wenn die verheirateten Kinder die bisherigen Begünstigungen, wie sie den nicht verheirateten Kindern zustehen, verlieren."

Die Bundesregierung stellt aufgrund dieser Ausführungen den Antrag, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.

Der VfGH hat bei Entscheidung der anhängigen Beschwerdeverfahren die in Prüfung gezogene Vorschrift anzuwenden. Es ist nichts hervorgekommen, was zu Zweifeln an ihrer Präjudizialität Anlaß gäbe.

Auch sonst liegen die Voraussetzungen für die Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor.

III. Die Bedenken des Gerichtshofes haben sich als begründet erwiesen.

1. Die Bundesregierung ist der Meinung, der Gesetzgeber habe beim Ausschluß des Anspruchs auf Familienbeihilfe für verheiratete Kinder angesichts der sich aus dem Zivilrecht ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten der Ehegatten von einer typisierenden Betrachtungsweise ausgehen können, bei der in atypischen Einzelfällen auftretende Härten in Kauf genommen werden müßten. Der VfGH ist nicht dieser Ansicht. Weil nämlich § 5 Abs 3 FLAG in erster Linie gerade jene Fälle erfaßt, in denen für Kinder der Unterhalt von ihren Eltern auch nach deren Verehelichung weitergeleistet wird, handelt es sich dabei keineswegs um atypische Härtefälle, die außer Betracht bleiben könnten, sondern vielmehr um den Regelfall der Anwendung der in Prüfung stehenden Norm.

2. Der VfGH hat seine in den Erk. VfSlg. 5972/1969 und 6071/1969 vertretene Auffassung, daß gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 3 FLAG keine Bedenken bestünden, keineswegs auf die eben dargelegte und für unzutreffend befundene Ansicht der Bundesregierung gestützt. Der VfGH knüpfte vielmehr an die Erläuternden Bemerkungen zu § 5 Abs 3 der Regierungsvorlage (549 BlgNR, XI. GP) an, die von dem Gedanken ausgehen, daß verheiratete Kinder keine Last für den Familienverband mehr darstellen, weil sie durch ihre Eheschließung aus dem bisherigen Familienverband ausgeschieden sind. Ausgehend von dieser Prämisse führte der VfGH aus, der Gesetzgeber sei bei der Verfolgung rechtspolitischer (im vorliegenden Fall familienpolitischer) Ziele frei und nicht gehalten, Beihilfen in unbeschränkter Weise zu gewähren, wenn dies eine Förderung rechtspolitisch unerwünschter Ziele, zB die Förderung von Frühehen zur Folge hätte. Diese an sich zutreffende Ansicht vermag die Regelung des § 5 Abs 3 FLAG indes nicht zu rechtfertigen. Entscheidend ist nämlich, daß nach dem vom Gesetzgeber im FLAG gewählten System für die Anspruchsberechtigung die aus der Sorge für ein Kind resultierende wirtschaftliche Belastung maßgeblich ist. Wie bereits dargelegt, sind aber von der in Prüfung gezogenen Norm in erster Linie gerade jene Fälle betroffen, in denen die wirtschaftliche Belastung des bisher Anspruchsberechtigten trotz der Verehelichung seines Kindes weiterbesteht. Der Ausschluß von der Anspruchsberechtigung vermag aber - rechtspolitisch unerwünschte - Frühehen keineswegs hintanzuhalten, weil der bisher Anspruchsberechtigte von Rechts wegen nicht in der Lage ist, die Eheschließung zu verhindern. Ob der vom § 5 Abs 3 FLAG betroffene Anspruchsberechtigte eine Familienlast für ein Kind trotz dessen Verehelichung weiterzutragen hat, hängt, wenn die Ehegatten zur Bestreitung ihres Unterhaltes nicht in der Lage sind, ausschließlich davon ab, ob deren Eltern nach den Bestimmungen des Zivilrechtes weiter unterhaltsverpflichtet sind. § 5 Abs 3 FLAG knüpft somit an Umstände an, auf die der Anspruchsberechtigte keinerlei Einfluß nehmen kann. Es ist daher sachlich nicht zu rechtfertigen, die Eltern trotz gleichbleibender Belastung vom Anspruch auf Kinderbeihilfe auszuschließen.

3. Die Darstellung der Bundesregierung, wonach Unterhaltsverpflichtungen von Eltern gegenüber ihren verehelichten Kindern als außergewöhnliche Belastung gem. § 34 EStG die Inanspruchnahme steuerlicher Vorteile ermöglichen, trifft in dieser Allgemeinheit keinesfalls zu. Auch sie ist daher nicht geeignet, die in Prüfung gezogene Regelung sachlich zu rechtfertigen.

4. § 5 Abs 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. 376, war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.