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VfGH vom 30.11.1985, g34/85

VfGH vom 30.11.1985, g34/85

Sammlungsnummer

10709

Leitsatz

NaturschutzV Rosengarten; § 4 Abs 2 der als Landesgesetz in Geltung stehenden V des Reichsstatthalters in Tir. und Vbg. vom 6. Feber 1942 über das Naturschutzgebiet Rosengarten widerspricht als unbestimmte Ermächtigung, Ausnahmen von gesetzlichen Verboten zu erteilen, dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG

Spruch

§4 Abs 2 der nach § 40 des Tir. Naturschutzgesetzes, LGBl. 15/1975, Anlage Z 2, als Landesgesetz in Geltung stehenden V des Reichsstatthalters in Tir. und Vbg. vom 6. Feber 1942 über das Nautrschutzgebiet Rosengarten in den Gemeinden Patsch und Igls, Kreis Innsbruck, Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Tir. und Vbg. Nr. 4, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Tir. ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im LGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VwGH sind Verfahren über Beschwerden gegen zwei Bescheide der Tir. Landesregierung anhängig, mit welchen beantragte Ausnahmegenehmigungen für Baumaßnahmen gemäß § 4 der V des Reichsstatthalters in Tir. und Vbg. vom 6. Feber 1942 über das Naturschutzgebiet Rosengarten in den Gemeinden Patsch und Igls, Kreis Innsbruck, Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Tir. und Vbg. Nr. 4, iVm. § 40 Abs 1 des Tir. Naturschutzgesetzes, LGBl. 15/1975 nicht erteilt worden waren. Der VwGH vermeint bei Beurteilung dieser Beschwerden den § 5 Abs 2 der NaturschutzgebietsV Rosengarten anwenden zu müssen, welcher folgendermaßen lautet:

"In besonderen Fällen können Ausnahmen von den Vorschriften dieser Verordnung von mir genehmigt werden."

Der VwGH beantragt die Aufhebung dieser Bestimmung als verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen das Gebot der Bestimmtheit von Gesetzen (Art18 Abs 1 B-VG) und verweist zur Begründung seiner Anträge auf die Ausführungen im Erk. des (= VfSlg. 9883/1983), mit dem die wörtlich gleichlautende Bestimmung des § 5 Abs 2 der nach § 40 des Tir. Naturschutzgesetzes, Anlage Z 5, als Landesgesetz in Geltung stehenden V des Reichsstatthalters in Tir. und Vbg. vom über das Naturschutzgebiet Karwendel wegen Verstoßes gegen Art 18 B-VG als verfassungswidrig aufgehoben worden sei.

2. Die Tir. Landesregierung hat zu beiden Anträgen des VwGH im Hinblick auf die in dem genannten Erk. des zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die V über das Naturschutzgebiet Rosengarten steht seit als landesgesetzliche Vorschrift in Geltung (§§39 Abs 1, 40 Abs 1 iVm. Anlage Z 2 des Tir. Naturschutzgesetzes). Die näheren Ausführungen hierüber in Abschn. II. des oben genannten Erk. des über die Geltung der Karwendelschutzverordnung als Landesgesetz treffen auch für den vorliegenden Fall zu.

Es ist nichts hervorgekommen, was Anlaß geben könnte, daran zu zweifeln, daß der VwGH die bekämpfte Bestimmung in den bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden hat.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Der VfGH hat mit dem bereits erwähnten Erk. vom den - der hier bekämpften Bestimmung wortgleichen - Abs 2 des § 5 der V des Reichsstatthalters in Tir. und Vbg. vom über das Naturschutzgebiet Karwendel wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG als verfassungswidrig aufgehoben. Der VfGH hat diese Entscheidung im wesentlichen damit begründet, es sei einerseits aus der V selbst und ihrem ursprünglichen normativen Zusammenhang für eine Determinierung des Verhaltens der Behörde nichts zu gewinnen, andererseits könne auch aus dem Inhalt und der ursprünglichen Zielsetzung der KarwendelschutzV nicht entschieden werden, ob die Behörde bei Anwendung des § 5 Abs 2 den Maßstab der §§13 und 24 oder den Maßstab des § 19 Abs 3 erster Satz des Tir. Naturschutzgesetzes analog heranziehen solle.

Diese Erwägungen gelten auch für die V über das Naturschutzgebiet Rosengarten, deren § 3 im wesentlichen mit § 3 der KarwendelschutzV wortgleich ist (mit der Einschränkung, daß er keine Regelung entsprechend der lith des § 3 der KarwendelschutzV über das Erfordernis der Zustimmung der höheren Naturschutzbehörde zur Errichtung von Schutzhütten, Straßen und Leitungen enthält) und deren § 5 dem § 4 der hier bekämpften V inhaltlich entspricht.

Der Umstand, daß die NaturschutzV Rosengarten - im Gegensatz zur KarwendelschutzV - keine Bestimmung enthält, durch welche von vornherein auf die Notwendigkeit von Eingriffen in die Natur Bedacht genommen wird, die aus öffentlichem Interesse gestattet werden müssen, ändert daran nichts. Denn dies allein rechtfertigt es nicht, der hier bekämpften Ausnahmeregelung einen Inhalt beizumessen, wonach sie (lediglich) dazu dient, die Vereinbarkeit von Ausnahmen mit dem Gesetzeszweck zu prüfen oder eine Interessenabwägung vorzunehmen, die (damalige) Behörde wollte sich vielmehr in der Handhabung der Gewährung von Ausnahmen nicht binden (wozu sie nach Lage der Dinge auch keine Veranlassung hatte, s. hiezu ebenfalls das genannte Erk. des ).

Im einzelnen wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die ausführliche Begründung des genannten Erk. des VfGH verwiesen.

Da somit die angefochtene Bestimmung die unbestimmte Ermächtigung der Landesregierung enthält, Ausnahmen von gesetzlichen Verboten zu erteilen, widerspricht sie dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG und ist daher als verfassungswidrig aufzuheben.

Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.