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VfGH vom 17.06.1987, g33/87

VfGH vom 17.06.1987, g33/87

Sammlungsnummer

11373

Leitsatz

Gerichtsantrag auf Aufhebung des ersten Satzes in § 16 Abs 5 MietrechtsG; unterschiedliche Sanktionen für

die Überschreitung der Höchstzulässigkeitsgrenzen bei Hauptmietzinsen einerseits und bei Untermietzinsen andererseits; ua. im Hinblick auf die sachlich gerechtfertigte Schaffung inhaltlich verschiedener Mietrechtstypen keine Gleichheitswidrigkeit der an die beiden Rechtseinrichtungen angepaßten Detailvorschriften

Spruch

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 26. Feber 1986, Z Msch 16/85-19, wurde in der Mietrechtssache des Antragstellers I G wider den Antragsgegner K P über die Angemessenheit des begehrten Hauptmietzinses (iSd § 16 Mietrechtsgesetz, BGBl. 520/1981 idF BGBl. 559/1985 - MRG) entschieden. Der Antragsgegner ergriff dagegen Rekurs, den das Landesgericht Linz mit Beschluß vom , Z 13 R 378/86-24, (nur) teilweise erledigte; die (Rekurs-)Entscheidung ua. darüber, ob der antragstellende Mieter einen Rückforderungsanspruch (iSd § 27 Abs 3 iVm § 16 Abs 5 1. Satz MRG) habe, blieb einem späteren Zeitpunkt vorbehalten.

Zugleich stellte das Landesgericht Linz in dieser bei ihm anhängigen Rekurssache gemäß Art 140 B-VG iVm Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag, der VfGH möge den 1. Satz des § 16 Abs 5 MRG als verfassungswidrig aufheben, und zwar (ausschließlich) wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot (Art7 Abs 1 B-VG, Art 2 StGG, Art 14 EMRK).

1.1.2. Das antragstellende Gericht führte zunächst zur Frage der Präjudizialität der aufzuhebenden Norm aus:

"Für die Erledigung . . . (des) verbleibenden anhängigen

Rekursteiles ist die Bestimmung des § 16 Abs 5 Satz 1 MRG igF,

wonach der nach dem Abs 1 dieser Bestimmung vereinbarte

Hauptmietzins so weit unwirksam ist, als er den für den

Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage,

Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag

überschreitet, präjudiziell. Denn bei Anwendung dieser Bestimmung

ergäbe sich die Unwirksamkeit des für die Zeit ab Oktober 1984

vereinbarten monatlichen Mietzinses . . . bis zur Höhe des

rechtskräftig festgestellten iSd § 16 Abs 1 MRG angemessenen Betrages

. . . ; der daraus folgende Rückforderungsanspruch gemäß § 27 Abs 3

MRG würde zum Zuspruch des Überschreitungsbetrages gemäß § 37 Abs 4 MRG - zumindest bis zum in erster Instanz zuerkannten und vom Antragsteller unbekämpft gebliebenen Betrag führen."

In der Sache selbst wurde der Aufhebungsantrag ua. folgendermaßen begründet:

"Das MRG beschränkt die Möglichkeit freier Mietzinsvereinbarungen insoweit, als 1) der höchstzulässige Hauptmietzins a) den sich aus Nutzfläche und Ausstattungskategorie ergebenden (§16 Abs 2 MRG), b) ausnahmsweise den für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen (§16 Abs 1 MRG) Betrag, 2) der höchstzulässige Untermietzins die im Vergleich zum vom Untervermieter entrichteten Mietzins angemessene Gegenleistung nicht unverhältnismäßig übersteigen darf.

Als Sanktion für einen Verstoß gegen diese Bestimmungen sieht im Fall der Hauptmiete § 16 Abs 5 MRG die Nichtigkeit der Überschreitungsbeträge vor - was die Rückforderung ex tunc ermöglicht, während der Untermieter gemäß § 26 Abs 2 MRG bloß die Ermäßigung des Untermietzinses auf die angemessene Gegenleistung ab dem folgenden Zinstermin verlangen kann.

Da den Vertragsteilen im Gegensatz zu den ziffernmäßig bestimmten Kategoriehöchstbeträgen nach § 16 Abs 2 MRG in der Regel die Grenzen sowohl des § 16 Abs 1 MRG ('angemessener Betrag') als auch des § 26 Abs 1 MRG ('die angemessene Gegenleistung nicht unverhältnismäßig übersteigender' Untermietzins) nicht exakt erkennbar sind (vgl. Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, S 344 f), erscheint dem antragstellenden Gericht vorliegende Ungleichbehandlung der Folgen einer Mietzinsüberschreitung sachlich nicht gerechtfertigt."

1.2. Die zur Äußerung aufgeforderte Bundesregierung erstattete eine Gegenschrift; sie verteidigte darin die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Norm, stellte den Antrag, der VfGH wolle § 16 Abs 5 Satz 1 MRG nicht als

verfassungswidrig aufheben, und brachte begründend ua. wörtlich vor:

" . . . Der Gesetzgeber des MRG hat im Rahmen der ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit das Mietverhältnis grundsätzlich anders gestaltet als das Untermietverhältnis. Die sachliche Rechtfertigung hiefür ist in dem Umstand gegeben, daß die Rechtsstellung der Hauseigentümer als Vermieter eine gänzlich andere ist als jene eines Mieters, der als Untervermieter auftritt.

Das MRG hat - ähnlich wie das frühere, am außer Kraft getretene Mietengesetz 1922 - in zahlreichen Regelungen die Rechtsposition des Untermieters als weniger schutzwürdig angesehen als die des Hauptmieters und hat daher dessen Rechte im Vergleich zu denjenigen des Hauptmieters (in dessen Verhältnis zum Hauseigentümer oder Fruchtnießer) grundsätzlich anders ausgestaltet. So hat beispielsweise der Untermieter gegenüber dem Untervermieter in Ansehung des Mietzinses keinerlei Verrechnungs- und Verwendungsanspruch (die in den §§3 bis 6 und § 21 Abs 3 bis 5 MRG angeführten Ansprüche stehen dem Untermieter nicht zu), d.h. der Untervermieter darf den vom Untermieter einkassierten Mietzins zur Gänze für sich behalten, ohne daß ihn irgendeine Verwendungspflicht trifft; demgegenüber hat der Hauseigentümer oder Fruchtnießer - jedenfalls im Fall eines entsprechenden Antrages der Mieterseite (§6 Abs 1 MRG) - den eingehobenen Hauptmietzins für die Erhaltung und Verbesserung des Miethauses aufzuwenden; er darf nur bei Vornahme von Reparaturen und Verbesserungen gemäß § 20 Abs 1 Z 2 litb MRG einen einmaligen Zuschlag von 20 % der Rechnungssumme zusätzlich zu den tatsächlichen Ausgaben als fiktive Ausgabe in die Mietzinsreserve verrechnen; erst nach zehn Jahren kann der Hauseigentümer oder Fruchtnießer den nicht für Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten verbrauchten Teil des Mietzinses - zuzüglich der auf das Miethaus entfallenden Vermögenssteuer - verrechnungsfrei behalten. Im Fall des Eigenbedarfes des Vermieters kann ein Untermieter (anders als ein Hauptmieter in den Fällen des § 30 Abs 2 Z 8 MRG) generell ohne jegliche Beistellung von Ersatzwohnungen gekündigt werden (§30 Abs 2 Z 12 MRG); den Untervermieter trifft - anders als den Hauseigentümer - keine durch vertragliche Vereinbarungen unabdingbare Pflicht zur Erhaltung des Mietgegenstandes (§3 MRG gilt bloß für den Hauseigentümer, nicht aber auch für den Untervermieter). Darüber hinaus besteht bei Untermietsverhältnissen kein Eintrittsrecht der Angehörigen im Todesfall, und es besteht auch kein Recht auf Wohnungstausch. Die Regelungen des MRG bewirken daher in ihrer Summe eine völlig andere Position des Untermieters gegenüber der Position des Mieters. Ein 'punktueller' Vergleich einzelner Bestimmungen, wie ihn der Antrag des Landesgerichtes Linz anstellt, läßt dies völlig außer Acht. In diesem Sinn hat der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 10001/1984 die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Kreditunternehmen gegenüber anderen Unternehmen mit ihrer sich aus der Rechtsordnung ergebenden rechtlichen Sonderstellung als gerechtfertigt angesehen . . . "

1.3. Die im verfassungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Partei I G gab ebenfalls eine Stellungnahme ab, in der sie für die Abweisung des Aufhebungsantrages eintrat.

1.4. Abs 5 Satz 1 der mit "Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses" überschriebenen Vorschrift des § 16 MRG hat folgenden Wortlaut:

"Übersteigt der nach Abs 1 vereinbarte Hauptmietzins den für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag, so ist die Mietzinsvereinbarung so weit unwirksam, als sie dieses Höchstmaß überschreitet."

2. Der VfGH hat erwogen:

2.1. Zu den Prozeßvoraussetzungen:

Zunächst sei vorausgeschickt, daß der VfGH nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Rechtsmittelgericht an eine bestimmte Gesetzesauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung darf daher ein Antrag eines an sich antragslegitimierten Gerichtes iSd Art 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der (gerichtlichen) Entscheidung im Anlaßfall bildet (vgl. zB VfSlg. 9911/1983; und die dort zitierte Vorjudikatur).

Es kann nun - im Hinblick auf die beim Landesgericht Linz als Rekursgericht zur Entscheidung heranstehende Mietrechtssache - keinesfalls mit Grund gesagt werden, daß das antragstellende Gericht die Präjudizialität des § 16 Abs 5 Satz 1 MRG denkunmöglich bejaht habe.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Gesetzesprüfungsantrag gemäß Art 140 B-VG zulässig.

2.2. Zur Sache:

Der VfGH vermag die Bedenken des Landesgerichtes Linz ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesstelle - die im wesentlichen darin gipfeln, daß das MRG für die Überschreitung der Höchstzulässigkeitsgrenzen bei Hauptmietzinsen einerseits (§16 Abs 5 Satz 1) und bei Untermietzinsen anderseits (§26 Abs 2) unterschiedliche Sanktionen vorsehe aus folgenden Überlegungen nicht zu teilen:

Zunächst ist davon auszugehen, daß der Bundesgesetzgeber

mit dem MRG an die schon bisher unterschiedlich behandelten

Erscheinungen der Haupt- und Untermiete (§§1091 ff, 1098 ABGB,

Mietengesetz BGBl. 210/1929) anknüpft und diese

Unterschiedlichkeiten, wie die Bundesregierung in ihrer

schriftlichen Äußerung zutreffend hervorhebt, im Rahmen seiner

rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit nicht nur festschrieb, sondern

- teilweise - weiter ausbaute (vgl. Würth-Zingher,

Mietrechtsgesetz2, Anm. 1 zu § 2, S 13: "Die Begriffe Hauptund

Untermieter bedeuten nun . . . vollberechtigter Mieter und Mieter

minderen Rechts . . . ; wer welche Stellung erlangt, ist kasuistisch

geregelt"). Wenn auf solche Weise - den jeweiligen Erfordernissen des Rechtsverkehrs adäquate - verschiedenartige Vertragsinstrumente geschaffen wurden, so kann es - im Blick auf bestehende Unterschiede im Tatsächlichen - grundsätzlich nicht gleichheitswidrig sein, für jedes dieser Vertragsmodelle angemessene Sanktionen für Mietzinsüberschreitungen vorzusehen, die naturgemäß voneinander ebenso abweichen können wie die gesetzlichen Vertragsformen selbst, und zwar je nachdem, ob es sich um Haupt- oder um Untermietfälle handelt. Die sinngemäße Argumentation des Landesgerichtes, unbedenklich - iS des Art 7 Abs 1 B-VG - sei wohl die Normierung inhaltlich verschiedener Mietrechtstypen (Haupt-, Untermiete), nicht aber die Statuierung verschiedener Rechtsfolgen für Zinsüberschreitungen, krankt an einem unlösbaren Widerspruch. Dies schon deshalb, weil sie - da angesichts aller Unterschiede zwischen den beiden (Miet-)Phänomenen nicht nachgewiesen wird und auch nicht zu ersehen ist, weshalb gerade die aus der (gar nicht in Zweifel gezogenen) Gesamtregelung herausgegriffenen Sanktionsnormen gleichförmig und übereinstimmend formuliert sein müssen - auf jede im MRG different beantwortete (Detail-)Frage der Haupt- und Untermiete zuträfe, d.h. letzten Endes zwangsläufig zu einem einheitlichen Mietbegriff überhaupt führen würde: Das Rekursgericht machte sich im gegebenen Zusammenhang ausschließlich die - nicht gerechtfertigten verfassungsrechtlichen Bedenken Würths, in:

Korinek-Krejci (Hrsg.), Handbuch zum Mietrechtsgesetz, S 344 f, zu eigen (s. auch: Würth, in: Rummel (Hrsg.), Kommentar zum ABGB, RZ 6 zu § 16 MRG, S 3191), indem es ersichtlich vermeint, daß Verstöße gegen § 16 Abs 1 MRG (: Fälle der Hauptmiete) Vertragsnichtigkeit ex tunc nach sich zögen, dagegen § 26 Abs 2 MRG (: Fälle der Untermiete) nur eine (Zins-)Herabsetzung ex nunc zuließe, obgleich für die Höhe sowohl des Haupt- als auch des Untermietzinses im wesentlichen gleiche Angemessenheitskriterien mit geringem Bestimmtheitsgrad zu gelten hätten. Aus der Ähnlichkeit der Regelungen zur Haupt- und Untermietzinshöhe läßt sich aber nicht die Gleichheitswidrigkeit der bekämpften Norm ableiten, denn nicht dieser vom anfechtenden Gericht punktuell gesehene Teilbereich des Haupt- und Untermietrechtes gibt hier den Ausschlag, sondern der Umstand, daß der Gesetzgeber, wie schon einleitend festgehalten, mit Haupt- und Untermiete an sich Rechtspositionen unterschiedlicher Stärke schaffen und einräumen wollte. Geht man aber von einer solchen durchaus sachlichen Differenzierung im Grundsätzlichen aus, liegt auf der Hand, daß die den beiden Rechtseinrichtungen angepaßten Detailvorschriften nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden dürfen.

Der Antrag des Landesgerichtes war darum als unbegründet abzuweisen.

2.3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.