VfGH vom 21.06.2002, g32/02

VfGH vom 21.06.2002, g32/02

Sammlungsnummer

16566

Leitsatz

Sachliche Rechtfertigung einer vereinfachten pauschalierten Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer bei kleineren Betrieben mit nur einer Betriebsstätte; keine sachliche Rechtfertigung der Regelung des Säumniszuschlags in der Oö Landesabgabenordnung; keine Berücksichtigung der tatsächlichen Verschiedenheit von Säumnisfällen bei einheitlicher Vorschreibung eines Säumniszuschlags von vier Prozent

Spruch

I. Die Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," im zweiten Satz des § 9 des Bundesgesetzes, mit dem eine Kommunalsteuer erhoben wird (Kommunalsteuergesetz 1993 - KommStG 1993), BGBl. Nr. 819, war nicht verfassungswidrig.

II. Die §§164 bis 169 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung 1996, LGBl. Nr. 107, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

III. Das von der im vorliegenden Verfahren mitbeteiligten Partei gestellte Kostenbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B342/01 eine auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom anhängig.

Dieser Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer ist Einzelunternehmer, der in der Landeshauptstadt Linz zwei Betriebsstätten (Würstelstände) unterhält. Mit Bescheiden des Magistrats der Landeshauptstadt Linz wurde (jeweils) die vom Beschwerdeführer für bestimmte Zeiträume zu entrichtende Kommunalsteuer in bestimmter Höhe festgesetzt und für die nicht rechtzeitig entrichtete Kommunalsteuer ein Säumniszuschlag iHv 4 vH zur Entrichtung vorgeschrieben. Den dagegen erhobenen Berufungen, in welchen im wesentlichen die Nichtanwendung des Freibetrages gemäß § 9 Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. 819, im folgenden KommStG 1993, und die Höhe der festgesetzten Säumniszuschläge gerügt wurde, wurde mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom (nur) teilweise Folge gegeben.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die Oberösterreichische Landesregierung im angefochtenen Bescheid keine Folge. Zur Begründung führt sie - im wesentlichen - aus, daß - da der Beschwerdeführer zwei Betriebsstätten unterhalte - die Befreiungsbestimmung des § 9 KommStG 1993 nicht zur Anwendung gelangen könne und gemäß § 166 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung 1996, LGBl. 107, im folgenden OÖ LAO, der Säumniszuschlag 4 vH des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages betrage, sodaß der Abgabenbehörde bei der Festsetzung der Höhe des Säumniszuschlages kein Ermessensspielraum zustehe.

2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof einerseits Bedenken hinsichtlich der Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," im zweiten Satz des § 9 KommStG 1993 und andererseits Bedenken ob der die Höhe des Säumniszuschlages regelnden Vorschrift des § 166 OÖ LAO entstanden. Der Gerichtshof hat daher das Beschwerdeverfahren mit Beschluß vom unterbrochen und von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet.

3. Mit Schriftsatz vom erstattete die Landeshauptstadt Linz eine Äußerung im Gesetzesprüfungsverfahren, in der sie zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," in § 9 KommStG 1993 Stellung nimmt und - sinngemäß - beantragt, die eben zitierte Wortfolge nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Außerdem wird - sinngemäß - der Antrag gestellt, der im Anlaßverfahren beschwerdeführenden Partei den Ersatz der der Landeshauptstadt Linz erwachsenden Kosten aufzuerlegen.

Hinsichtlich der im Prüfungsbeschluß (vorläufig) geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§164 bis 169 der OÖ LAO wird lediglich ausgeführt, daß eine Festlegung der Höhe des Säumniszuschlages in die Kompetenz des jeweiligen Landesgesetzgebers falle.

4. Die Bundesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom eine Äußerung zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," in § 9 KommStG 1993, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß § 9 KommStG 1993, idF BGBl. 819, nicht verfassungswidrig war.

5. Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete mit Schriftsatz vom eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der §§164 bis 169 der OÖ LAO entgegentritt und beantragt, die eben genannten Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu (lediglich) § 166 leg.cit. als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," im zweiten Satz des § 9 KommStG 1993, idF BGBl. 819:

1. Zur Rechtslage:

1.1. § 9 KommStG 1993 hatte in dem für den Beschwerdefall maßgebenden Abgabenzeitraum folgenden Wortlaut (der in Prüfung gezogene Satzteil ist hervorgehoben):

"Die Steuer beträgt 3 % der Bemessungsgrundlage. Übersteigt bei einem Unternehmen, das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält, die Bemessungsgrundlage im Kalendermonat nicht 20 000 S, wird von ihr 15 000 S abgezogen."

1.2. Durch ArtIV des Abgabenänderungsgesetzes 2001, BGBl. I 144/2001, erhielt der zweite Satz des § 9 KommStG 1993 folgende Fassung:

"Übersteigt bei einem Unternehmen die Bemessungsgrundlage im Kalendermonat nicht 1 460 Euro, wird von ihr 1 095 Euro abgezogen."

Gemäß § 16 Abs 6 KommStG 1993, idF BGBl. I 144/2001, ist die eben zitierte (nunmehrige) Fassung des § 9 KommStG 1993 "erstmals für den Monat Jänner 2002 anzuwenden".

2. Zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens:

Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, daß die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogene Wortfolge anzuwenden, unzutreffend wäre. Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," im zweiten Satz des § 9 KommStG 1993, idF BGBl. 819, zulässig.

3. Den Verfassungsgerichtshof haben folgende Bedenken zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bezüglich der Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," im zweiten Satz des § 9 KommStG 1993, idF BGBl. 819, veranlaßt:

"Grundsätzlich soll somit Kommunalsteuer offenbar nicht erhoben werden, wenn die Bemessungsgrundlage einen bestimmten Bagatellbetrag nicht übersteigt. Die Ausnahme gilt aber nur dann, wenn das Unternehmen nur eine einzige Betriebsstätte hat. Dies scheint zu bewirken, daß Unternehmen mit der gleichen Bemessungsgrundlage (Summe der Arbeitslöhne) nur deswegen verschieden behandelt werden, weil sie im einen Fall bloß eine, im anderen Fall hingegen zwei oder mehr Betriebsstätten haben. Die Differenzierung wird besonders auffällig, wenn es sich dabei jeweils um Betriebe mit einem einzigen Arbeitnehmer handelt (bei denen die zweite Betriebsstätte somit - wie offenbar auch im Beschwerdefall - vom Unternehmer selbst betreut wird).

2. Der Gerichtshof kann für diese Differenzierung vorderhand keine sachliche Rechtfertigung erkennen:

Die Erläuterungen (1238 BlgNR, 18. GP) halten zu der fraglichen Einschränkung folgendes fest:

'Der Freibetrag von 15 000 S soll nur für Unternehmen mit einer einzigen Betriebsstätte gelten. Im Regelfall werden bei Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten die Arbeitslöhne so hoch sein, daß der Freibetrag keine Auswirkung hat.'

Die Materialien liefern damit nicht eine sachliche Begründung für die unterschiedliche Behandlung von Unternehmen mit einer bzw. mehreren Betriebsstätten, sondern meinen bloß, daß der Freibetrag im letzteren Fall in der Regel ohnehin keine Auswirkung habe (weil in diesen Fällen die Lohnsumme regelmäßig über dem Freibetrag liege). Diese Begründung dürfte als sachliche Rechtfertigung der fraglichen Differenzierung nur dann und insoweit ausreichen, wenn in der Tat Unternehmen mit mehr als einer Betriebsstätte jedenfalls im Regelfall eine Lohnsumme jenseits des Freibetrages aufwiesen. Nur wenn dies zuträfe, dürfte es gerechtfertigt sein, jene Unternehmen mit mehr als einer Betriebsstätte, deren Lohnsumme jedoch unter dem Freibetrag liegt, von der Begünstigung auszunehmen (d.h. als 'Härtefälle' nicht zu beachten).

Nun legt der Beschwerdeführer Unterlagen vor, wonach allein in Oberösterreich eine erhebliche Anzahl von Betrieben mit mehr als einem Standort existiert, die lediglich einen oder zwei Mitarbeiter beschäftigen. Die belangte Behörde ist dem in ihrer Gegenschrift nicht entgegengetreten. Es scheint somit doch so zu sein, daß die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Annahme, Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten hätten praktisch immer eine Lohnsumme jenseits der Freibetragshöhe, nicht zutrifft. Existiert aber eine erhebliche Zahl von Unternehmen, bei denen trotz Vorliegens von zwei oder gar mehr Betriebsstätten die Lohnsumme unter dem Freibetrag liegt, dann kann der Verfassungsgerichtshof wenigstens vorläufig keine sachliche Rechtfertigung dafür finden, warum diesen Betrieben die Inanspruchnahme des Freibetrages versagt wird. Es ist vorderhand auch nicht ersichtlich, daß ins Gewicht fallende Gründe der Verwaltungsvereinfachung oder der Gedanke der Verhinderung von Mißbräuchen eine solche Regelung rechtfertigen könnten."

4.1. In ihrer Äußerung vom führt die Bundesregierung zu den vom Verfassungsgerichtshof (vorläufig) geäußerten Bedenken aus, daß es der Zweck der Kommunalsteuer sei, den Gemeinden die durch Betriebsstätten entstehenden Lasten teilweise abzugelten und die dazu erforderlichen Einnahmen zu sichern. Mehrere Betriebsstätten würden im Regelfall für die Gemeinden höhere Lasten verursachen, weshalb die Situation von Unternehmen mit nur einer einzigen Betriebsstätte mit der Situation von Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten nicht vergleichbar sei; eine Gleichbehandlung sei daher nicht geboten.

Der Verfassungsgerichtshof habe sich demgegenüber ausschließlich mit der möglichen Rechtfertigung der Regelung als Durchschnittsbetrachtung der tatsächlichen Lohnsummensituation beschäftigt. Bei einer bundesweiten Durchschnittsbetrachtung könnten - so die Bundesregierung weiter - Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten im Regelfall sehr wohl eine Lohnsumme aufweisen, bei der der Freibetrag keine Auswirkung mehr habe. Das im Anlaßverfahren vom Beschwerdeführer vorgelegte Zahlenmaterial sei nach Ansicht der Bundesregierung nicht geeignet, das Gegenteil darzulegen.

4.2. Die Regelung des § 9 KommStG 1993 (idF vor der Novelle BGBl. I 144/2001) stelle überdies - was auch ein Vergleich mit der durch die Novelle erfolgten Neuregelung zeige - eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung dar; befänden sich beispielsweise die Betriebsstätten eines Unternehmens in mehreren Gemeinden, sei eine Aufteilung des Freibetrages notwendig. Die Bundesregierung illustriert sodann diesen Mehraufwand anhand einer Information des Bundesministeriums für Finanzen (AÖF 27/2002) zu den Änderungen im KommStG 1993 durch das Abgabenänderungsgesetz 2001, BGBl. I 144. Im Interesse einer sparsamen Administration müsse es dem Gesetzgeber erlaubt sein, die Vollziehung von Freibetragsregeln für niedrige Steuerlasten entsprechend verwaltungsökonomisch und damit "grobfiltriger" zu gestalten.

4.3. Die Bundesregierung verweist überdies auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 96/13/0018, in dem dieser Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt sei, daß § 9 KommStG 1993 nicht unsachlich sei; in seiner Entscheidung habe der Verwaltungsgerichtshof auf die Ausgleichsfunktion der Kommunalsteuer für die Belastung durch Betriebsstätten und die einfache verwaltungstechnische Handhabbarkeit hingewiesen.

4.4. Abschließend verweist die Bundesregierung auf die - durch die oben bereits wiedergegebene - nunmehrige Fassung des § 9 KommstG 1993 (Abgabenänderungsgesetz 2001, BGBl. I 144) und die Erläuterungen zur RV (827 BlgNR, 21. GP), wonach die Novelle das Ziel verfolgt habe, Härten zu vermeiden. Der Gesetzgeber habe dafür eine "aufwendigere" Verwaltung in Kauf genommen und auf eine typisierende Abgeltung der auch durch mehrere "kleine" Betriebsstätten anfallenden Belastung verzichtet. Auf die Sachlichkeit des § 9 KommStG 1993, idF BGBl. 819, habe diese Novelle keinen Einfluß; sie sei lediglich Ausfluß einer der Rechtspolitik zuzuordnenden Wertentscheidung.

5. Die Stadt Linz als mitbeteiligte Partei verteidigt in ihrer Äußerung die Sachlichkeit der (bisherigen) Regelung des § 9 KommStG 1993 im wesentlichen mit dem Argument, daß Unternehmen mit mehr als einer Betriebsstätte typischerweise einerseits wirtschaftlich stärker seien und andererseits höhere Belastungen für die Gemeinden mit sich brächten als solche mit nur einer Betriebsstätte.

6. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die in Prüfung gezogene Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," im zweiten Satz des § 9 KommStG 1993, idF BGBl. 819, haben sich als nicht gerechtfertigt erwiesen:

Der Verfassungsgerichtshof bleibt zwar bei der im Prüfungsbeschluß (vorläufig) geäußerten Meinung, daß die von den Gesetzesmaterialien (Erläuterungen zur RV, 1238 BlgNR, 18. GP) vorgebrachte, oben wiedergegebene Begründung für die fragliche Einschränkung deren Sachlichkeit nicht zu belegen vermag, weil sie bloß besagt, daß der Freibetrag bei Unternehmen mit mehr als einer Betriebsstätte in der Regel nicht zur Anwendung kommen werde.

Wie die Bundesregierung - auch im Anschluß an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 96/13/0018 - aber zutreffend vorbringt, kann für die hier zu beurteilende Differenzierung nach der Zahl der Betriebsstätten im Rahmen der Kommunalsteuer eine sachliche Rechtfertigung bereits im Hinblick auf die Ausgleichsfunktion dieser Steuer für die Belastung durch Betriebsstätten gefunden werden:

Die bereits erwähnten Materialien zum KommStG 1993, Allgemeiner Teil, halten fest, daß Zweck und Wirkungsweise der Kommunalsteuer weitgehend denen der bisherigen Lohnsummensteuer entsprechen. Zweck der Lohnsummensteuer (als Teil der Gewerbesteuer) war es aber, den Gemeinden jene Lasten abzugelten oder zu erleichtern, die ihnen durch Gewerbebetriebe entstanden (vgl. auch Taucher, Kommunalsteuer - Kommentar, Wien 1998, § 1 Rz 3; Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz 1953, Wien 1994, Tz 0, Rz 15). Auch die Gewerbesteuer (und mit ihr die Lohnsummensteuer) knüpfte daher an die (im Gemeindegebiet gelegenen) Betriebsstätten des Gewerbebetriebes an (§§1, 25, 26 GewStG). Bei diesem rechtshistorischen und finanzpolitischen Hintergrund ist es aber nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, daß ein Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten typischerweise einer Gemeinde größere Lasten verursacht als ein solches mit bloß einer Betriebsstätte, und wenn die Gewährung eines Freibetrages demgemäß auf jene Unternehmen beschränkt wird, die bloß eine Betriebsstätte aufweisen. Bedenkt man diese Zusammenhänge, so wird auch der vom Beschwerdeführer des Anlaßfalles hervorgehobene Unterschied zu § 41 Abs 4 FLAG plausibel, geht es doch dort nicht um die Abgeltung von Gemeindelasten, sondern um die Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds, bei der eine Differenzierung wie die des § 9 KommStG 1993 in der Tat sachfremd erscheinen müßte.

Dazu kommt, worauf die Bundesregierung ebenfalls zutreffend verweist, die mit der bisherigen Regelung verbundene Verwaltungsvereinfachung, da die Handhabung eines Freibetrages im Falle mehrerer Betriebsstätten ohne Zweifel erhebliche administrative Belastungen nach sich ziehen muß.

Der Gerichtshof folgt somit der Einschätzung der Bundesregierung und des Verwaltungsgerichtshofes, daß es sich bei der in Prüfung gezogenen Vorschrift um eine auf einfache Handhabung Bedacht nehmende typisierende Regelung für Unternehmen geringen Umfangs handelt, die im Rahmen einer Objektsteuer, die an den Begriff der Betriebsstätte anknüpft und der Abgeltung von Gemeindelasten dient, sachlich gerechtfertigt ist.

7. Da § 9 KommStG 1993, idF BGBl. 819 - wie oben bereits dargelegt - durch das Abgabenänderungsgesetz 2001, BGBl. I 144, mit Wirkung eine neue Fassung erhalten hat, hatte sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung zu beschränken, daß die Wortfolge ", das nur eine einzige Betriebsstätte unterhält," im zweiten Satz des § 9 KommStG 1993, idF BGBl. 819, nicht verfassungswidrig war.

III. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§164 bis 169 der OÖ LAO 1996, LGBl. 107:

1. Zur Rechtslage:

1.1. Nach § 164 Abs 1 OÖ LAO tritt dann, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein. Dieser beträgt 4 vH des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (§166 leg.cit.). Diese Verpflichtung tritt u.a. dann nicht ein,


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wenn gemäß § 159 Abs 1 leg.cit. ein Ansuchen um Zahlungserleichterung (Stundung oder Ratenzahlung) eingebracht und diesem Ansuchen stattgegeben wurde; dann tritt nämlich vor Ablauf des Zeitraumes, für den Zahlungserleichterungen bewilligt wurden, die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages erst ein, wenn infolge eines Terminverlustes (§177 Abs 5 leg.cit.) ein Rückstandsausweis (§176 leg.cit.) ausgestellt wird;


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wenn einem solchen zeitgerecht eingebrachten Ansuchen nicht stattgegeben wurde, weil dann für die Zahlung der Abgabe eine Nachfrist von zwei Wochen zu setzen ist; erst mit deren ungenütztem Ablauf tritt die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages ein;


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wenn auf Grund eines Antrages gemäß § 160 OÖ LAO die Aussetzung der Einhebung der Abgabe bewilligt wird; die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages für den von der Aussetzung betroffenen Teil der Abgabe tritt dann erst mit ungenütztem Ablauf der Frist des § 160 Abs 6 ("bis zum Ablauf eines Monats") ein. Wird einem fristgerecht eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, dann tritt die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages erst ein, wenn die Abgabe nicht spätestens einen Monat nach Bekanntgabe des den Antrag erledigenden Bescheides entrichtet wird.

Gemäß § 168 OÖ LAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages überdies dann nicht, wenn die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschulden zeitgerecht entrichtet hat.

Nach § 169 OÖ LAO entfällt die bereits eingetretene Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages in bestimmten Fällen, die aber im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben können.

1.2. Diese Rechtslage hat im Ergebnis zur Folge, daß der Säumniszuschlag - sofern nicht ein Ansuchen um Zahlungserleichterung bzw. ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung eingebracht wurde - bei bloßer Versäumung von Zahlungsterminen zu entrichten ist, und zwar, wenn diese mehr als fünf Tage beträgt, in jedem Fall; wenn sie weniger beträgt, dann, wenn innerhalb der letzten sechs Monate (andere) Abgabenschulden nicht zeitgerecht entrichtet wurden.

1.3. Zusammenfassend bedeutet dies, daß im Fall eines Terminverlustes von mehr als fünf Tagen


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unabhängig von der Ursache des Terminverlustes,
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unabhängig von der Dauer der Säumnis und
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unabhängig vom Grad des Verschuldens des Abgabepflichtigen

ein Säumniszuschlag iHv 4 vH des nicht entrichteten Betrages angelastet wird.

2. Zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof vertrat in seinem Prüfungsbeschluß vom die (vorläufige) Auffassung, daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides § 166 OÖ LAO angewendet und daß auch der Verfassungsgerichtshof diese Gesetzesstelle bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerde anzuwenden habe. Da diese Vorschrift mit den §§164, 165 sowie 167 bis 169 leg.cit. eine untrennbare Einheit zu bilden scheine, beschloß der Gerichtshof die §§164 bis 169 leg.cit. insgesamt in Prüfung zu ziehen.

2.2. In ihrer Äußerung vom pflichtet die Oberösterreichische Landesregierung dem Verfassungsgerichtshof insofern bei, als sie nicht in Abrede stellt, daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides § 166 OÖ LAO angewendet habe und daß auch der Verfassungsgerichtshof diese Gesetzesstelle bei der Behandlung des Beschwerdeverfahrens B342/01 anzuwenden hätte.

Der (vorläufigen) Annahme des Gerichtshofes, § 166 OÖ LAO bilde mit den §§164, 165 sowie 167 bis 169 leg.cit. eine untrennbare Einheit, tritt die Oberösterreichische Landesregierung jedoch mit der Begründung entgegen, daß - wie sich aus dem Prüfungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes ergebe - nicht die Festsetzung eines Säumniszuschlages schlechthin verfassungsrechtlich bedenklich sei, sondern lediglich das gesetzlich fixierte, vom Ausmaß und den Ursachen der Versäumung unabhängige Ausmaß des Säumniszuschlages iHv 4 vH des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

2.3. Insofern die Oberösterreichische Landesregierung die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen in Zweifel zieht, weil sie die Auffassung vertritt, der Verfassungsgerichtshof hätte lediglich Bedenken gegen die die Höhe des Säumniszuschlages normierende Bestimmung des § 166 OÖ LAO, übersieht sie, daß die Bedenken aus dem Gesamtzusammenhang abgeleitet werden müssen, weil die Höhe des Säumniszuschlages nur in Bezug auf die Umstände, unter denen der Säumniszuschlag verhängt wird, von Bedeutung ist.

Der Gerichtshof bleibt daher bei seiner Auffassung, daß zwischen der die Höhe des Säumniszuschlages regelnden Bestimmung des § 166 OÖ LAO und den anderen in Prüfung gezogenen Vorschriften ein untrennbarer Zusammenhang besteht.

Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

3. Der Verfassungsgerichtshof hegte aus folgenden Überlegungen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§164 bis 169 der OÖ LAO:

"1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zum Abgabenrecht die Auffassung entwickelt, daß vom Gesetzgeber verhängte Sanktionen, auch wenn es sich formell nicht um Strafen handelt, im Vergleich mit anderen Sanktionen des Abgabenrechtes dem aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebot gehorchen und überdies eine angemessene, nicht überschießende Reaktion auf das Fehlverhalten des Abgabepflichtigen darstellen müssen (z.B. VfSlg. 10.517/1985, 10.926/1986, 12.240/1989, 12.763/1991). Er hat es daher für gleichheitswidrig erachtet, wenn Sanktionen in einem exzessiven Mißverhältnis zur Art des Gesetzesverstoßes stehen (z.B. VfSlg. 12.151/1989, 12.546/1990) bzw. wenn für die Verwirklichung von Tatbeständen stark verschiedenen Unrechtsgehaltes stets zwingend die gleiche Sanktion zu verhängen ist (VfSlg. 12.240/1989).

...

Berücksichtigt man, daß im Fall der Nichtzahlung auf Grund strafbaren Verhaltens (somit im Fall der typischen Abgabenhinterziehung) das strafbare Verhalten selbst (verwaltungs)strafrechtlich sanktioniert ist, und daß im Fall der Nichtzahlung im Gefolge einer verspäteten Abgabe von Abgabenerklärungen die verspätete Abgabe der Erklärung ihrerseits durch die Verhängung eines Verspätungszuschlages iHv 10 vH des nicht entrichteten Betrages sanktioniert werden kann (§105 OÖ LAO), dann zeigt sich, daß der Säumniszuschlag eine vom Verschulden und von der strafrechtlichen Wertung unabhängige Sanktion für die bloße Versäumung von Zahlungsfristen ist, somit eine Funktion erfüllt, die in anderen Bereichen der Rechtsordnung den Verzugszinsen zukommt (vgl. in diesem Sinne schon VfSlg. 10.517/1985 zu § 9 GebührenG).

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht der Meinung, daß es dem Steuergesetzgeber von Verfassungs wegen schlechthin verwehrt wäre, die Versäumung von Zahlungsterminen mit fixen, vom Ausmaß und den Ursachen der Versäumung unabhängigen Sanktionen zu verknüpfen. An der rechtzeitigen Begleichung von Abgabenverbindlichkeiten besteht ein öffentliches Interesse, das es - auch unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes - rechtfertigt, die Einhaltung von Zahlungsterminen auch durch feste, lediglich von der Höhe des fraglichen Abgabenbetrages abhängige, jedoch vom zeitlichen Ausmaß der Versäumnis oder von sonstigen Umständen unabhängige Sanktionen abzusichern. In diesem Sinne hat der Gerichtshof gegen die in der BAO vorgesehene Regelung eines Säumniszuschlages iHv 2 vH des Verkürzungsbetrages bisher keine Bedenken gehabt (vgl. VfSlg. 9924/1984). Er hat es auch für unbedenklich erachtet, daß der Säumniszuschlag auch dann zu entrichten ist (d.h. nicht zurückzuzahlen ist), wenn sich letztlich herausstellt, daß die zugrundeliegende Abgabe zu Unrecht vorgeschrieben wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , B621/98).

2.2. Auf der anderen Seite ist jedoch zu bedenken, daß die Verhängung einer fixen, lediglich von der Höhe des nicht entrichteten Abgabenbetrages abhängigen Sanktion mit dem Gedanken von Verzugszinsen grundsätzlich unvereinbar ist. Es wird damit offenbar nicht der Schaden vergütet, der dem Gläubiger durch die Verzögerung der Zahlung zugefügt wird (§1333 ABGB), sondern lediglich die Einhaltung von Zahlungsterminen abgesichert. Dem Gesetzgeber dürfte es daher nach der vorläufigen Meinung des Gerichtshofes nicht freistehen, solche Sanktionen in beliebiger Höhe allein in Abhängigkeit von der Höhe des nicht rechtzeitig entrichteten Abgabenbetrages vorzusehen, würde doch damit für Tatbestände unterschiedlichen 'Unrechtsgehaltes' - nämlich für Verzögerungen ganz unterschiedlichen Ausmaßes - stets zwingend die gleiche Sanktion verhängt werden. Eine derartige Sanktion erscheint nur dann sachgerecht, wenn sie einen geringen Prozentsatz des maßgebenden Abgabenbetrages nicht überschreitet.

Solches trifft aber für die hier in Rede stehende Vorschrift des § 166 OÖ LAO nicht zu. Im Ergebnis bedeutet die Vorschreibung eines Säumniszuschlages iHv 4 vH des nicht rechtzeitig entrichteten Betrages nämlich, daß für jene zweifellos nicht zu vernachlässigende Fallgruppe, bei der Zahlungsfristen um eine oder zwei Wochen überschritten wurden, die gleiche Sanktion verhängt wird wie für die Fallgruppe, bei der Abgaben vorsätzlich verkürzt und vielleicht mit einer Verzögerung von mehreren Jahren entrichtet werden. Während für die erste Fallgruppe eine Sanktion verhängt wird, die - auf das Jahr gerechnet - Verzugszinsen iHv bis zu 200 vH gleichkommt, lägen für die andere Gruppe die Verzugszinsen noch unter denen des bürgerlichen Rechts. Mit den gesetzlichen Verzugszinsen nach bürgerlichem Recht - welche die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift als Rechtfertigung anführt - wäre der Säumniszuschlag ja nur dann vergleichbar, wenn die Säumnis stets genau ein Jahr beträgt.

2.3. Da die Höhe des Säumniszuschlages nach der hier zu beurteilenden Regelung vom zeitlichen Ausmaß der Fristversäumung vollkommen unabhängig ist, scheint diese Regelung überdies zu dem paradoxen, dem Gesetzeszweck (Sicherung fristgerechter, zumindest aber rascher Abgabenentrichtung) entgegenstehenden Effekt zu führen, daß - ist der Zahlungstermin einmal versäumt - ein ökonomisch rational handelnder Abgabepflichtiger die Entrichtung der Abgabe weiter hinausschieben müßte, um die Belastung durch den Säumniszuschlag relativ zu vermindern bzw. um mit dem nicht entrichteten Abgabenbetrag jene (Zins)Erträge zu erzielen, die ihm die Entrichtung des Säumniszuschlages erlauben: Gelingt es dem Abgabepflichtigen, den fraglichen Betrag hinreichend lange gut verzinst anzulegen, dann kann er durch Nichtentrichtung jenen Betrag erwirtschaften, der ihm letztlich bei bzw. wegen verspäteter Entrichtung als Säumniszuschlag vorgeschrieben werden wird. Nimmt er hingegen die Versäumung des Zahlungstermins zum Anlaß, um die Abgabe möglichst rasch zu entrichten (was anscheinend Sinn dieser Sanktion ist), dürfte die wirtschaftliche Belastung durch den Säumniszuschlag am stärksten ins Gewicht fallen.

2.4. Die zu beurteilende Rechtslage scheint auch keine anderen Regelungen zu enthalten, die geeignet wären, die - vorläufig geäußerten - Bedenken des Gerichtshofes zu entkräften. Insbesondere dürfte es nicht möglich sein, die Höhe des Säumniszuschlages im Einzelfall nach der Dauer der Fristüberschreitung abzustufen."

4.1. Die Oberösterreichische Landesregierung führt zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 166 OÖ LAO aus, daß die dort normierte Höhe des Säumniszuschlages (von 4 vH) im Interesse der Erreichung des Zieles - eine rechtzeitige Entrichtung von Abgaben zu bewirken - nicht unangemessen hoch sei. Was mögliche Härtefälle in Bezug auf eine nur sehr kurzfristige Entrichtungssäumigkeit anbelange, sei - so die Oberösterreichische Landesregierung - zu bedenken, daß schon am zweiten Tag der Säumigkeit die in Zinsen umgerechnete Belastung bei einem Säumniszuschlag iHv 4 vH nur mehr so hoch sei wie am ersten Säumigkeitstag bei einem Säumniszuschlag iHv 2 vH. Diese Unterschiede würden sich auch in weiterer Folge relativ schnell verringern, sodaß von einer besonders vermehrten Anzahl von Härtefällen gegenüber der in der BAO vorgesehenen Regelung, wonach der Säumniszuschlag 2 vH betrage, nicht die Rede sein könne.

Wörtlich wird hiezu überdies noch folgendes ausgeführt:

"Aus dieser Sicht relativieren sich auch die vom Verfassungsgerichtshof angeführten Beispiele (Gegenüberstellung jener Fallgruppe, bei der Zahlungsfristen um eine oder zwei Wochen überschritten wurden und diejenigen, bei der Abgaben vorsätzlich verkürzt oder vielleicht mit einer Verzögerung von mehreren Jahren entrichtet werden).

Der im Prüfbeschluss angeführte Effekt, dass - ist der Zahlungstermin einmal versäumt - ein ökonomisch rational handelnder Abgabepflichtiger die Entrichtung der Abgabe weiter hinausschieben müsste, um die Belastung durch den Säumniszuschlag relativ zu vermeiden, kann ebenfalls von der Oö. Landesregierung nicht gesehen werden. Einem ökonomisch rational handelnden Abgabepflichtigen müsste im Gegenteil durchaus bewusst sein, dass die nicht rechtzeitige Entrichtung von Abgaben auch strafbar ist und die Dauer des Verzugs der Entrichtung von Abgaben durchaus in der Höhe der jeweils zu verhängenden Strafe seinen Niederschlag finden wird. Ähnlichen Argumenten, wie sie hier im Prüfbeschluss vorgetragen werden, hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 9924/1984 im Übrigen selbst entgegengehalten, dass die Finanzbehörde kaum die Säumnis von einem Jahr auf sich beruhen lassen werde."

4.2. Die Oberösterreichische Landesregierung bestreitet nicht, daß mit der Verhängung einer fixen, lediglich von der Höhe des nicht entrichteten Abgabenbetrages abhängigen Sanktion primär die Einhaltung von Zahlungsterminen abgesichert werden soll. Dieser Zweck sei nur erfüllbar, wenn die Belastung von vornherein ein Ausmaß erreichen würde, das es für den Steuerzahler nicht günstiger mache, einen bloßen Verzugszinssatz für ein paar Tage in Kauf zu nehmen. Keinesfalls könne aber davon ausgegangen werden, daß der Regelung von vornherein keinerlei Schadensvergütung immanent sei. Abgesehen vom Schaden, der durch die verspätete Abgabenentrichtung an sich entstehe, führe nämlich die eingetretene Säumnis - unabhängig von ihrer Dauer - zu einer zusätzlichen Bearbeitungstätigkeit und damit einem Mehraufwand für die Behörde, da der Säumniszuschlag ja bescheidmäßig festgelegt werden müsse; insofern käme es durch den Säumniszuschlag zu einer Schadensvergütung, die der Abgabenbehörde in ihrer Eigenschaft als Gläubiger zugute käme.

Wörtlich führt die Oberösterreichische Landesregierung hiezu überdies folgendes aus:

"Gerade diese Umstände in ihrem Zusammenhalt


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die Notwendigkeit einer vom Abgabenschuldner spürbaren Höhe des Säumniszuschlages und


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der von der Verzugsdauer unabhängige Verwaltungsaufwand sowie


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das Fehlen einer (zusätzlichen) Verzugszinsenregelung

rechtfertigen es nach Ansicht der Oö. Landesregierung, säumige Abgabenschuldner mit einer fixen, lediglich von der Höhe des nicht rechtzeitig entrichteten Abgabenbetrages abhängigen Sanktion zu belasten. Unter diesen Gesichtspunkten stellen die Vorschriften über den Säumniszuschlag eine Pauschallösung dar, die im Interesse der Verwaltungsökonomie liegt und die als einfache und leicht handhabbare Regelung trotz möglicher vereinzelt bewirkter Härtefälle verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. wiederum das Erkenntnis VfSlg. 9924/1984)."

Ein bloßer Vergleich mit dem System von Verzugszinsen scheine daher jedenfalls zu kurz gegriffen, weil eine darauf eingeschränkte Betrachtungsweise im Ergebnis wohl zwangsläufig das gesamte grundsätzlich akzeptierte System des Säumniszuschlages in Frage stellen würde.

5. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die in Prüfung gezogenen Normen der OÖ LAO haben sich als zutreffend erwiesen und konnten von den Argumenten der Oberösterreichischen Landesregierung nicht zerstreut werden:

5.1. Der Verfassungsgerichtshof teilt durchaus die Auffassung der Oberösterreichischen Landesregierung, daß dem Säumniszuschlag mehrere Funktionen zukommen und er nicht bloß mit den Verzugszinsen nach bürgerlichem Recht zu vergleichen ist. Bereits der Prüfungsbeschluß bringt zum Ausdruck, daß es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, die Versäumung von Steuerzahlungsterminen mit fixen, vom Ausmaß und den Ursachen der Versäumung unabhängigen Sanktionen zu verknüpfen; dieser Beschluß hält auch fest, daß die Verhängung einer fixen, lediglich von der Höhe des nicht entrichteten Abgabenbetrages abhängigen Sanktion mit dem Gedanken von Verzugszinsen grundsätzlich unvereinbar ist und daß mit dem Säumniszuschlag somit offenbar die Einhaltung von Zahlungsterminen abgesichert werden soll. Das zentrale, auf Vorjudikatur gestützte Bedenken des Gerichtshofes ging nun gerade dahin, daß es dem Gesetzgeber nicht freistehen dürfte, solche Sanktionen in beliebiger Höhe nur in Abhängigkeit von der Höhe des nicht rechtzeitig entrichteten Abgabenbetrages vorzusehen, weil damit für Verzögerungen ganz unterschiedlicher Quantität und Qualität stets zwingend die gleiche Sanktion verhängt wird. Dies erscheine nur dann sachgerecht, wenn die Sanktion einen geringen Prozentsatz des maßgebenden Abgabenbetrages nicht überschreite.

5.2. Die Oberösterreichische Landesregierung hält dem entgegen, der Säumniszuschlag müsse spürbar sein und ein Ausmaß erreichen, das es nicht günstiger mache, bloße Verzugszinsen für ein paar Tage in Kauf zu nehmen. Der Gerichtshof kann dem beipflichten, die Schlußfolgerung jedoch nicht teilen. Zu betrachten ist ja nicht eine Säumigkeit von einem Jahr (bei der ein Säumniszuschlag iHv 4 vH den gesetzlichen Verzugszinsen entspräche), sondern die typischen, meist wesentlich kürzeren Säumnisse, bei denen ein Säumniszuschlag iHv 4 vH Verzugszinsen von zum Teil exorbitanter Höhe entspricht. Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, daß auch ein Säumniszuschlag geringerer Höhe durchaus spürbar ist und einen hinreichenden Anreiz für rechtzeitige Zahlung bildet.

Nicht nachvollziehbar ist für den Gerichtshof das in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument der Oberösterreichischen Landesregierung, daß ein Säumniszuschlag iHv 4 vH auch bei kurzzeitiger Säumnis nicht als Härte betrachtet werden könne, weil schon am zweiten Tag der Säumigkeit die in Zinsen umgerechnete Belastung bei einem Säumniszuschlag iHv 4 vH nur mehr so hoch sei wie am ersten Säumigkeitstag bei einem Säumniszuschlag iHv 2 vH. Was damit bewiesen werden soll, ist unklar. Widerlegt wird damit jedenfalls nicht, daß bei einem einheitlichen Säumniszuschlag iHv 4 vH Fälle mit ganz unterschiedlichem Ausmaß der Säumnis und mit unterschiedlichen sonstigen Begleitumständen formal gleich und damit nicht ihrer tatsächlichen Verschiedenheit entsprechend behandelt werden. Diese durch den Säumniszuschlag bewirkte Gleichbehandlung ungleicher Fälle schien dem Gerichtshof - und er bleibt bei dieser Auffassung - nur dann tolerabel, wenn das Ausmaß des Säumniszuschlages einen geringen Prozentsatz des maßgebenden Abgabenbetrages nicht überschreitet, der mit einem Säumniszuschlag iHv 4 vH aber überschritten ist. Das Vorbringen der Oberösterreichischen Landesregierung war nicht geeignet, dieses Bedenken zu zerstreuen.

5.3. Die Oberösterreichische Landesregierung verweist ferner darauf, daß der Säumniszuschlag auch eine Schadensvergütungsfunktion erfülle, weil er den mit der Zahlungsverzögerung verbundenen Verwaltungsaufwand abdecken soll. Konkret genannt wird dabei allerdings nur der mit der bescheidmäßigen Festlegung des Säumniszuschlages selbst verbundene Aufwand. Es ist sicherlich gerechtfertigt, bei der Auferlegung eines Säumniszuschlages, der in erster Linie die Einhaltung von Zahlungsterminen sichern soll, auch den administrativen Aufwand, der durch die Auferlegung selbst entsteht (im Hinblick auf die EDV-unterstützte Bescheidausfertigung allerdings in der Regel nicht ins Gewicht fällt), in Rechnung zu stellen. Das ändert aber nichts daran, daß die Auferlegung des Säumniszuschlages in erster Linie der Absicherung pünktlicher Abgabenentrichtungen dient, weshalb der Säumniszuschlag - wenn er lediglich auf die Höhe des nicht rechtzeitig entrichteten Abgabenbetrages abstellt - angesichts der dargelegten Bedenken einen geringfügigen Prozentsatz dieses Betrages nicht überschreiten darf. Aber selbst wenn man die Oberösterreichische Landesregierung so verstehen wollte, daß durch Säumigkeiten ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand (Beitreibungsaufwand) entsteht, wäre es nicht gerechtfertigt, unabhängig vom Ausmaß der nun tatsächlich eintretenden administrativen Belastung einen Säumniszuschlag iHv 4 vH des nicht entrichteten Betrages zu fordern, wird diese Sanktion doch auch dann verhängt, wenn die Zahlung bereits freiwillig erfolgt ist (d.h. im häufigen Fall des bloßen Übersehens von Zahlungsterminen) und ein Beitreibungsaufwand gar nicht anfällt.

6.1. Die Oberösterreichische Landesregierung vertritt überdies die Auffassung, daß - im Falle des Zutreffens der konkreten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes - die Aufhebung des § 166 OÖ LAO ausreichen würde, um einen verfassungskonformen Zustand herzustellen.

Wörtlich führt sie hiezu folgendes aus:

"Mangels einer unbedingten gesetzlichen Vorgabe über die Höhe des Säumniszuschlages hätte die Behörde den Säumniszuschlag künftig im Rahmen einer Ermessensentscheidung festzusetzen. Für solche Ermessensentscheidungen, die im Bereich des Abgabenrechts durchaus öfter vorkommen, ordnet § 18 Oö. Landesabgabenordnung 1996 ausdrücklich an, dass diese innerhalb der Grenzen des Gesetzes nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen sind. Wie etwa Christoph Ritz bemerkt, sind die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens in den betreffenden Bestimmungen nur ausnahmsweise genannt; in der Regel sind sie lediglich erschließbar aus dem Zweck der Norm (vgl. Christoph Ritz, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Wien 1994, Randnummer 5 zu § 20). Da der Zweck der Vorschriften über den Säumniszuschlag besonders klar und eindeutig erfassbar ist, scheinen Bedenken im Hinblick auf eine nicht ausreichende gesetzliche Determiniertheit speziell in Bezug auf diesen Abgabentatbestand unangebracht zu sein.

Der Säumniszuschlag bezweckt ohne jeden Zweifel, die rechtzeitige Entrichtung der Abgabe zu bewirken (so auch die Feststellung des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis VfSlg. 9924/1984). Im Rahmen dieses Zweckes wäre - auch ohne ausdrückliche Festlegung des exakten Ausmaßes des Säumniszuschlages - schon auf Grund eines Vergleiches mit den einschlägigen Bestimmungen in der Bundesabgabenordnung (BAO) und der darauf bezugnehmenden Judikatur und Literatur eine gewisse abstrakte Sichtweise in der Art zulässig, dass eine amtswegige Überprüfung der genauen Ursachen für die konkrete Säumnis unterbleiben kann. Allerdings dürfte die ausdrückliche Aufforderung zur Beachtung des Billigkeitskriteriums eine dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatz entsprechende Berücksichtigung des Ausmaßes und der Ursachen in der Versäumung bewirken (vgl. wiederum Christoph Ritz, aaO, RN 7 zu § 20, der unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung das Kriterium der Billigkeit als 'Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei' definiert). Eine gewisse Determinante wird schließlich auch sein, welcher Schaden dem Abgabengläubiger durch die verspätete Entrichtung der Abgabenschuld entsteht ('unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände' ...)."

6.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag diese Auffassung nicht zu teilen: Mit dem aus Art 18 B-VG abzuleitenden Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit gesetzlicher Tatbestände, dem aus Gründen des Rechtsschutzes gerade im Zusammenhang mit eingriffsnahen Gesetzen besondere Beachtung zu schenken ist (vgl. hiezu z.B. VfSlg. 15.468/1999 mwN), wäre es nicht vereinbar, das Ausmaß der finanziellen Sanktionen bei Versäumung von Steuerzahlungsterminen vollkommen in Schwebe zu lassen. Gerade dazu käme es aber, würden aus dem Kreis der in Prüfung gezogenen Normen jene für unbedenklich erklärt werden, welche die Voraussetzungen für die (verpflichtende) Vorschreibung des Säumniszuschlages regeln, und würde lediglich jene Norm herausgegriffen und aufgehoben, die über die Höhe des Säumniszuschlages Auskunft gibt. Wäre dann doch bei einer solcherart veränderten Rechtslage nicht einmal erkennbar, ob die Behörde bei der Festsetzung des Säumniszuschlages an eine Obergrenze gebunden ist bzw. ob der Säumniszuschlag in Abhängigkeit von der Höhe der nicht (rechtzeitig) entrichteten Abgabe oder in absoluten Beträgen erhoben werden darf.

7. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher als zutreffend erwiesen, weshalb die §§164 bis 169 OÖ LAO als verfassungswidrig aufzuheben waren.

8. Die Setzung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmungen beruht auf Art 140 Abs 5 dritter Satz B-VG. Die Fristsetzung soll legistische Vorkehrungen ermöglichen.

9. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz

B-VG.

10. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Oberösterreich zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG iVm §§64 f. VfGG.

IV. Dem Antrag der beteiligten Partei (der Landeshauptstadt Linz), der im Anlaßverfahren beschwerdeführenden Partei den Ersatz der Kosten für die von ihr erstattete Äußerung im verzeichneten Ausmaß aufzuerlegen, war schon deshalb nicht stattzugeben, weil im Verfahren nach §§62 bis 65 VfGG ein Kostenzuspruch nicht vorgesehen ist.

V. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.