VfGH vom 17.12.1992, g319/91

VfGH vom 17.12.1992, g319/91

Sammlungsnummer

13318

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des ÖffnungszeitenG 1991 über die allgemeinen Öffnungszeiten an Werktagen (Bestimmung von Zeiten für das Offenhalten von Verkaufsstellen und einer Gesamtoffenhaltezeit) unter dem Blickwinkel der Erwerbsausübungsfreiheit; keine Verletzung des Gleichheitssatzes angesichts der wettbewerbsordnenden Funktion der Ladenschlußregelungen; Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung der Bestimmungen über die Ermächtigung an den Landeshauptmann zur Anordnung eines späteren Ladenschlusses mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre der Antragsteller

Spruch

Die Anträge auf Aufhebung des § 2 Abs 5 Öffnungszeitengesetz 1991 werden mit Ausnahme der Worte "60 Stunden,", der Antrag auf teilweise Aufhebung des § 6 wird zur Gänze zurückgewiesen.

Im übrigen werden die Anträge abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die zu G308/91 antragstellende GesmbH und Co KG, deren Geschäftsführerin zugleich einzige Kommanditistin und einzige Gesellschafterin der Komplementär-GesmbH ist, betreibt in Wien ein Textilhandelsunternehmen insbesondere mit Trachtenbekleidung. Ihr Antrag auf Aufhebung von Teilen der Wiener Ladenschlußverordnung 1965 war mit Anlaß für die amtswegige Prüfung des § 3 Abs 1 und 3 Ladenschlußgesetz und die Aufhebung dieser Bestimmungen durch das Erkenntnis VfSlg. 11558/1987 und führten in der Folge zur Aufhebung des § 2 Abs 4 der genannten Ladenschlußverordnung durch das Erkenntnis VfSlg. 11731/1988; er war ferner mit Anlaß zur amtswegigen Prüfung des § 2 Abs 1 und von Teilen des Abs 4 Ladenschlußgesetz, die zur Aufhebung dieser Bestimmungen durch das Erkenntnis VfSlg. 12094/1989 führte und die Aufhebung des § 1 der Wiener Ladenschlußverordnung durch das Erkenntnis VfSlg. 12158/1989 nach sich zog. Ein weiterer Antrag auf Aufhebung des § 3 Abs 1 Ladenschlußgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. 421/1988 blieb im Erkenntnis VfSlg. 12094/1989 allerdings erfolglos. Die Gesellschaft gehörte jedoch zu den Antragstellern in den zu G25-30/90 protokollierten Verfahren, die mit Erkenntnis vom zur Aufhebung des § 2 Abs 1 des seit der Novelle BGBl. 633a/1989 so genannten Öffnungszeitengesetzes führte.

Der gleichfalls in Wien etablierte Antragsteller zu G319/91 handelt insbesondere mit Einrichtungsgegenständen, Leuchten und Textilien für den Wohnbedarf; in seinem Betrieb ist dem Vorbringen zufolge außer der Ehefrau nur noch eine Halbtagskraft mit tätig. Auch er gehörte zu den Antragstellern des Verfahrens G25-30/90.

1. Mit nahezu gleichlautenden Anträgen begehren die Antragsteller nunmehr die Aufhebung des § 2 Abs 1 und 5, die zu G308/91 antragstellende Gesellschaft auch des § 6 Abs 2 litb und Abs 3 Öffnungszeitengesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 397/1991 (ÖZG; in dieser Fassung wurde das Gesetz durch BGBl. Nr. 50/1992 als "Öffnungszeitengesetz 1991" wiederverlautbart).

Diese Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"§2. (1) Die Verkaufsstellen (§1 Abs 1 bis 3) dürfen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, an Werktagen von 6 Uhr bis - ausgenommen Samstag - 19.30 Uhr offengehalten werden.

...

(5) Die Gesamtoffenhaltezeit gemäß § 2 Abs 1 und 4 sowie § 3 Abs 1 darf innerhalb einer Kalenderwoche 60 Stunden, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln 66 Stunden nicht überschreiten."

§ 6. ...

(2) Der Landeshauptmann kann allgemein oder für die Verkaufsstellen bestimmter Art einen späteren Ladenschluß anordnen, und zwar an Samstagen spätestens um 18 Uhr, an sonstigen Werktagen spätestens um 20 Uhr

(a) ...

(b) für besonders wichtige Tourismusorte oder für touristisch besonders wichtige Teile von Orten, in denen ein reger Geschäftsverkehr zu erwarten ist, während der Hauptverkehrszeiten des Jahres.

(3) Für besonders wichtige Tourismusorte oder touristisch besonders wichtige Teile von Orten gemäß Abs 2 litb kann der Landeshauptmann während der Sommerzeit gemäß dem Zeitzählungsgesetz, BGBl. Nr. 78/1976, an Werktagen ausgenommen Samstag auch einen Ladenschluß bis spätestens 21 Uhr anordnen."

Da nach Aufhebung des § 1 der Wiener Ladenschlußverordnung durch das Erkenntnis VfSlg. 12158/1989 noch keine neue Verordnung zur Regelung des Ladenschlusses an Werktagen erlassen worden sei, wirke sich das Gesetz auf die Antragsteller unmittelbar aus.

Die angegriffenen Bestimmungen verstießen gegen die Erwerbsfreiheit und das Gleichheitsgebot. Der Gesetzgeber lege in überschießender Weise neben einer Maximaloffenhaltezeit auch die Uhrzeit für das Offenhalten fest. Er anerkenne zwar die Notwendigkeit, in Fremdenverkehrsgebieten die Öffungszeiten der Nachfrage in den Abendstunden anzupassen, überlasse aber die Entscheidung einem Verwaltungsorgan. Dabei lasse das Frauen-Nachtarbeitsgesetz die Arbeit in offenen Verkaufsstellen bis 23 Uhr zu (§4 Abs 6) und gebe damit zu erkennen, daß das Beschäftigen von Dienstnehmerinnen bis zu diesem Zeitpunkt erforderlich sein kann. Für Männer bestehe kein Verbot der Nachtarbeit und auch angesichts der Ausnahmen vom Nachtarbeitsverbot für Frauen sei die Öffnungszeitenregelung unsachlich. Nach betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen aus neuester Zeit (Hinweis auf Clemenz/Inderst, Ökonomische Analyse der Ladenöffnungszeiten, 1989) bedürften die der Ladenschlußregelung unterstellten Ziele einer neuerlichen Überprüfung. Ihr Gewicht sei im Verhältnis zur Intensität des Eingriffs in die Erwerbsfreiheit relativ gering, der Eingriff im übrigen aber weder adäquat noch sonst sachlich zu rechtfertigen.

Es werde auch Ungleiches gleich behandelt. Entweder sei es sachlich gerechtfertigt, die Öffnungszeiten unter Hinweis auf die Lage der Dienstnehmer zu beschränken, dann müsse es aber auch sachlich gerechtfertigt sein, den Einsatz der Dienstnehmer als Kriterium für eine differenzierende Regelung heranzuziehen. Oder aber es sei nicht gerechtfertigt, dann müsse die angegriffene Regelung aufgehoben werden. Gesetzliche Regelungen müßten "Einfallspforten" für Abwägungs- und Differenzierungsprozesse enthalten oder selbst grundrechtskonform differenzieren (Hinweis auf VfSlg. 11737/1988 Wiener Kammeroper).

In § 6 lasse das Gesetz erkennen, daß es in Fremdenverkehrsorten oder Teilen davon einen Bedarf an längeren Öffnungszeiten gebe; die Entscheidung, ob diesem Bedarf tatsächlich Rechnung getragen werde, überlasse es aber einem Verwaltungsorgan. Ohne derartige Sonderregelung sei den Handelsgewerbetreibenden ein Offenhalten am Abend auch dann verboten, wenn aufgrund der Einkaufsbedürfnisse und -möglichkeiten der Touristen die Nachfrage stark ist (wie dies beim Unternehmen der zu G308/91 antragstellenden Gesellschaft der Fall sei). Die Existenz dieser Ermächtigungsregelung sei allerdings "mehr ein Indiz für die Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs 1 als selbst Sitz einer Verfassungswidrigkeit"; da sich die Verfassungswidrigkeit aber aus dem Zusammenwirken der Normen ergebe, fechte die antragstellende Gesellschaft "vorsichtshalber auch die ... Ausnahmeregelung an".

Ergänzend legen die Antragsteller statistische Unterlagen vor, woraus ersichtlich sei, daß von den 40.929 Einzelhandelsbetrieben im Bundesgebiet 11.426 ohne unselbständig Beschäftigte und 10.070 nur mit einem unselbständig Beschäftigten betrieben werden. Es handle sich also nicht bloß um Härtefälle.

2. Die Bundesregierung hält den Antrag auf Aufhebung von Teilen des § 6 ÖZG für unzulässig, weil sich diese Bestimmungen nicht an die antragstellende Gesellschaft, sondern an den Landeshauptmann richteten (Hinweis auf VfSlg. 11823/1988). Im übrigen verteidigt sie die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes: die Ziele, denen die Ladenschlußregelungen dienten, lägen im öffentlichen Interesse und die Bestimmung von Zeiten, in denen die Verkaufsstellen von Handelsbetrieben am Abend und in der Nacht geschlossen zu halten sind, stellten an sich ein taugliches Mittel zur Erreichung dieser Ziele dar. So habe der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß zum Gesetzesprüfungsverfahren, das mit Erkenntnis VfSlg. 12094/1989 geendet habe, ausgeführt, er bezweifle nicht, daß es sachlich gerechtfertigt wäre,

"würde das Ladenschlußgesetz etwa - in Entsprechung der Regelung des § 12 Arbeitszeitgesetz - vorschreiben, daß die Verkaufsstellen in der Nacht durch elf Stunden geschlossen zu halten sind; auch dürfte es (angesichts der großen Zahl der im Handel beschäftigten weiblichen Dienstnehmer) keine unverhältnismäßige Einschränkung der Erwerbsfreiheit darstellen, würde das Ladenschlußrecht - in Übereinstimmung mit den Regelungen des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. Nr. 237/1969 - ein Geschlossenhalten zu jenen Zeiten anordnen, in denen die Beschäftigung von Frauen als Nachtarbeit grundsätzlich verboten ist, was gemäß § 3 Abs 2 leg. cit. in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr der Fall ist".

Eben von diesen Erwägungen habe sich der Gesetzgeber bei der Novelle zum ÖZG leiten lassen. § 2 Abs 1 sollte die Möglichkeit geben, "die Öffnungszeiten über 18.30 Uhr hinaus auszudehnen und damit einer bestimmten Nachfragestruktur zu entsprechen" (AB 227 BlgNR 18.GP, 2). Das Geschlossenhalten sei nur für 10 1/2 Stunden angeordnet, während der Verfassungsgerichtshof 11 Stunden für gerechtfertigt gehalten habe. Den Beschäftigten und ihren Familien solle ein Mindestmaß an gemeinsamer Freizeit am Abend ermöglicht werden (eine Funktion, die der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 12094/1989 für die Wochenendruhe als gewichtig angesehen habe). Da die Abschlußarbeiten nach Schließen der Verkaufsstellen noch eine gewisse Zeit beanspruchen, komme die Regelung zudem an jene Zeit (nämlich 20 Uhr) heran, ab der für die im Handel beschäftigten Frauen die Nachtarbeit verboten sei.

Die Beschränkung der Gesamtoffenhaltezeit auf 60 (statt wie bisher auf 60,5) Stunden dürfte angesichts der größeren Dispositionsfreiheit in bezug auf Beginn und Ende der Öffnungszeiten gleichfalls keinen Verstoß gegen die Freiheit der Erwerbsbetätigung darstellen. Nach einem Bericht des Zentral-Arbeitsinspektorats sei seit Einführung der flexiblen Öffnungszeiten in den Handelsbetrieben die Zahl der Verstöße gegen das Arbeitnehmerschutzrecht ohnedies schon angestiegen. Zwischen Klein- und Großbetrieben zu unterscheiden sei nach dem Erkenntnis VfSlg. 11558/1987 kein Grund.

II. Die Anträge sind nur in bezug auf § 2 Abs 1 und die Wortfolge "60 Stunden," in Abs 5 zulässig. Auch insoweit sind sie aber nicht begründet.

1. Voraussetzung für die Antragslegitimation nach dem letzten Satz des Art 140 Abs 1 B-VG ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt (vgl. z.B. VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988). Daß die Antragsteller von § 2 Abs 1 ÖZG unmittelbar betroffen sind, bedarf keiner näheren Begründung mehr. Da sie allerdings keinen Kleinverkauf von Lebensmitteln betreiben, ist § 2 Abs 5 auf sie nur insoweit anwendbar, als er sich auf andere Verkaufsstellen bezieht; insoweit wären seine Rechtswirkungen aber durch Aufhebung der Worte "60 Stunden," beseitigt.

Indem die antragstellende Gesellschaft einräumt, daß die Existenz der angefochtenen Teile des § 6 "mehr ein Indiz für die Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs 1 als selbst Sitz einer Verfassungswidrigkeit" ist und die Anfechtung insoweit nur "vorsichtshalber" geschieht, deutet sie selbst Zweifel an der Zulässigkeit des Antrages an. Die Bundesregierung ist mit ihrem Einwand im Recht, daß Bestimmungen, die sich in der Ermächtigung an den Landeshauptmann erschöpfen, für bestimmte Orte oder Ortsteile einen späteren Ladenschluß anzuordnen, für die daran interessierten Handelsbetriebe niemals unmittelbar wirksam werden und daher die Rechtsstellung ihrer Inhaber nicht berühren können. Es genügt in diesem Zusammenhang der Hinweis auf den zur gleichartigen Ermächtigung des § 2 Abs 4 Ladenschlußgesetz 1958 ergangenen Zurückweisungsbeschluß VfSlg. 11823/1988.

In diesen Punkten sind auch die vorliegenden Anträge mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

2. Schon im Erkenntnis VfSlg. 11558/1987 hat der Verfassungsgerichtshof betont, daß die - gegeneinander abzuwägenden - Ziele, denen die Ladenschlußregelungen dienen, an sich im öffentlichen Interesse liegen. Sowohl die Festlegung einer höchstzulässigen Gesamtoffenhaltezeit (§2 Abs 5) wie auch das Gebot einer Mindestnachtruhe von 19.30 Uhr bis 6 Uhr sind für sich und in ihrem Zusammenwirken taugliche Mittel, den Ausgleich zwischen den Interessen der Verbraucher, der Gewerbetreibenden und der Arbeitnehmer herbeizuführen. Als verfassungswidrig hat der Gerichtshof bisher nur Regelungen erkannt, die selbst im Falle einer besonders gelagerten Nachfragesituation das Offenhalten über die Sperrzeit hinaus verboten und die Entscheidung über die vom Gesetz als notwendig anerkannte Möglichkeit der Verlängerung der Offenhaltezeit einem Verwaltungsorgan (dem Landeshauptmann) eingeräumt hatten.

Daß aus verfassungsrechtlichen Gründen die Gesamtoffenhaltezeit länger sein müsse als bisher, wurde nirgends ausgesprochen. Vielmehr hat der Gerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 12094/1989 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Anerkennung der individuellen Gestaltung der abendlichen Sperrstunden zu gar keiner Verlängerung der Gesamtoffenhaltezeit führen müßte, wenn dafür der Unternehmer verpflichtet würde, seine Verkaufsstellen zu einer anderen Zeit, in der er ansonsten zum Offenhalten ermächtigt wäre, in entsprechendem Ausmaß geschlossen zu halten. Für begründet erachtet wurde der Vorwurf, daß die Regelung "auch eine solche individuelle Anpassung der Offenhaltezeit, die von der allgemeinen Offenhaltezeit nur in geringem Maße abweicht und die Gesamtoffenhaltezeit nicht verlängert", ohne zureichenden Grund ausschließe. Dem damals befristet in Geltung gestandenen ArtII Z 1 der Ladenschlußgesetz-Novelle BGBl. 421/1988, wonach der Handelsgewerbetreibende berechtigt war, "entweder einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17 Uhr" offenzuhalten, wurde nur "angesichts dessen andersartiger und bloß beschränkter Gestaltungsermächtigung" die sanierende Wirkung abgesprochen.

An dieser Beurteilung hat das Erkenntnis vom , G25-30/90, das die Verschiebung der Abendsperre von 18 Uhr auf

18.30 Uhr für unzureichend befand, um dem Bedürfnis nach individueller Gestaltung der Ladenöffnungszeit Rechnung zu tragen, ausdrücklich festgehalten.

Nach der in Prüfung stehenden Regelung des ÖZG steht bei einer Gesamtoffenhaltezeit von 60 Stunden ein Rahmen von 6 Uhr bis 19.30 Uhr offen. (Die Regelung für den Samstag - §§3 und 3a - ist nicht angegriffen und bleibt daher hier insgesamt außer Betracht). Nach dem Ladenschlußgesetz 1958, wie es dem Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 12094/1989 vorlag, mußte von 18 Uhr bis 7.30 Uhr geschlossen gehalten werden (§2 Abs 1) und war der Landeshauptmann ermächtigt anzuordnen, daß die Verkaufsstellen um höchstens eine Stunde später zu schließen sind (§2 Abs 5). Vor diesem Hintergrund erweist sich die in Prüfung stehende Regelung als merkliche Erweiterung des Spielraums für eine individuelle Gestaltung des Offenhaltens von Verkaufsstellen. Sie reicht über die seinerzeit dem Landeshauptmann erteilte Ermächtigung deutlich hinaus. Dazu kommt die Möglichkeit, einmal wöchentlich (ausgenommen Samstag) bis 21 Uhr offenzuhalten (§2 Abs 4). Insgesamt ist dem Handelsgewerbetreibenden daher die Möglichkeit gegeben, die Geschäftstätigkeit weitgehend der Marktsituation anzupassen und insbesondere seine Ware zu Zeiten anzubieten, zu denen eine nicht unbeachtliche Nachfrage vorhanden ist, wie etwa auch an Standorten, wo die berufstätige Bevölkerung nach der Heimfahrt von der Arbeitsstätte erst gegen Abend Gelegenheit zum Einkaufen findet (VfSlg. 12094/1989).

Einer solchen Regelung kann aus den in den Vorerkenntnissen bereits hinreichend dargelegten, hier nicht zu wiederholenden Gründen unter dem Blickwinkel der Erwerbsfreiheit nicht entgegengetreten werden. Sie ist in Anbetracht der geringeren Schwere des Eingriffs und des Gewichts der verfolgten Ziele verhältnismäßig und trägt den in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung (vgl. Grabenwarter, Ladenschlußrecht, 1992, 204 ff). Daß der Landeshauptmann die Abendsperre in besonderen Fällen oder für bestimmte Orte verlegen kann (§6 Abs 2 und 3), ändert nichts daran, daß nach der allgemeinen Regelung innerhalb des gesteckten Rahmens es dem Gewerbetreibenden überlassen ist, die Öffnungszeiten zu bestimmen. Die Notwendigkeit des Einschreitens eines Verwaltungsorganes zur Konkretisierung der im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen ist daher ohne Einfluß auf die Verfassungsmäßigkeit der Regel. Welche Bedeutung es hat, wenn ein Landeshauptmann trotz Vorliegens der Voraussetzungen eine solche Verlegung der Abendsperre unterläßt, ist nicht zu erörtern, da die Anträge aus einem solchen Unterlassen eine Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs 1 und 5 ÖZG nicht ableiten.

Aus dem Frauen-Nachtarbeitsgesetz ist gegen die Abendsperre von 19.30 Uhr nichts zu gewinnen. Den durch die Festsetzung der regelmäßigen Nachtruhe ab 20 Uhr eröffneten Spielraum schöpft die angegriffene Regelung im praktischen Ergebnis - wenn man die Fertigbedienung (§8 Abs 1 ÖZG) und allfällige Abschlußarbeiten nach 19.30 Uhr mit einbezieht - ohnedies aus. Die Sonderbestimmung des § 4 Abs 6 will aber die Beschäftigung von Frauen bis 23 Uhr offenkundig nur in ausnahmsweise offenen Verkaufsstellen ermöglichen. Sie setzt also den regelmäßigen - nicht geschlechtsspezifischen - Arbeitszeitschutz in Gestalt von Ladenschlußvorschriften - wie derzeit eben im ÖZG - voraus und sorgt nur dafür, daß in den wenigen Fällen, in denen das Ladenschlußrecht von der Regel aus besonderen Gründen so weit abweicht, daß die Beschäftigung von Arbeitnehmern nach 20 Uhr in Betracht kommt, auch Frauen noch beschäftigt werden können. In dieser äußersten Grenze müssen sich daher die Ladenschlußvorschriften nicht ihrerseits ausrichten.

3. Was den Vorwurf der Gleichheitsverletzung betrifft, weil nicht zwischen Unternehmen unterschieden wird, die Arbeitnehmer beschäftigen, und solchen, die das nicht tun, ist auf die wettbewerbsordnende Funktion der Ladenschlußregelungen zu verweisen. Rechtfertigt oder erfordert der Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern, Gewerbetreibenden und Verbrauchern eine Regelung von der Art, wie der Gesetzgeber sie getroffen hat, so ist es nicht unsachlich, wenn er eine Benachteiligung von Betrieben zu vermeiden trachtet, die Arbeitnehmer beschäftigen (müssen). Dazu kommt - abgesehen von einer Erleichterung der Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften -, daß auch Handelsgewerbetreibende ohne Arbeitnehmer oder solche, die auf deren Einsatz verzichten müßten, durch den Wettbewerb zu überlangen Geschäftszeiten genötigt werden könnten, die vielfach betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären, - ein Umstand, der den Gesetzgeber zwar nicht verhält, auf das freie Spiel der Kräfte Einfluß zu nehmen, einer solchen Einflußnahme aber ein sachliches Anknüpfungsmerkmal bietet und sie daher seinem rechtspolitischen Ermessen anheimstellt. Das Streben nach Ordnung des Wettbewerbs kann in diesem Punkt zwar einen übermäßigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit allein nicht rechtfertigen (VfSlg. 11558/1987); eine Regelung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Erwerbsfreiheit standhält, wird aber auch nicht allein deswegen unsachlich, weil sie möglichst wettbewerbsneutral gestaltet ist. Es liegt darin also keine Verletzung des Gleichheitssatzes, da die Ladenschlußvorschriften nicht allein von der sozialpolitischen Schutzfunktion zugunsten der Arbeitnehmer getragen werden.

Die vorgebrachten Bedenken treffen also insgesamt nicht zu. Die Anträge sind in der Sache abzuweisen.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, wurde von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).