zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 01.03.1990, g319/89

VfGH vom 01.03.1990, g319/89

Sammlungsnummer

12284

Leitsatz

Keine Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Schaffung einer - verdeckten - gewerblichen Zulassungsregel für sogenannte Einkaufszentren (nach Maßgabe des Lokalbedarfs) in einem Raumordnungsgesetz; grundsätzliche Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Erlassung einer gewerberechtlichen Bedarfsprüfungsregelung

Spruch

Die Wortfolge "oder die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes" in § 21 Abs 5 Z 2 des (Niederösterreichischen) Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-5, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mit Beschluß vom änderte der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gänserndorf das örtliche Raumordnungsprogramm ua. insofern ab, als a) im Bereich des Grundstücks Nr. 1267 der Katastralgemeinde Gänserndorf die Widmungs- und Nutzungsart "Bauland-Einkaufszentrum" (anstelle von "Grünland-Landwirtschaft") und b) für den anschließenden Bereich zwischen der Bundesstraße 8 und den Landeshauptstraßen 9 und 11 die Widmungs- und Nutzungsart "Bauland-Betriebsgebiet" (anstelle "Grünland-Landwirtschaft") festgelegt wurden.

1.1.2. Die Niederösterreichische Landesregierung versagte dieser Verordnung mit Bescheid vom , ZR/1-R-111/16, gemäß § 21 Abs 5 Z 2 und Abs 7 iVm § 22 Abs 3 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 (NÖ ROG 1976) die aufsichtsbehördliche Genehmigung, und zwar im wesentlichen mit folgender Begründung:

" . . . Durch den Sachverständigen wurden . . . Anfang Februar 1988 in Gänserndorf und in den angrenzenden Gemeinden lokale Erhebungen und Beobachtungen zur Situation der Nahversorgung durchgeführt. Der äußere (optische) Eindruck der Geschäfte und die Beobachtung des Geschäftslebens (Befragungen wurden nicht durchgeführt) bestätigten im Großen und Ganzen die Untersuchung der Standort- und Marktberatungsges.m.b.H sowie auch die Befürchtungen und massiven Einsprüche gegen die Errichtung eines Einkaufszentrums in Gänserndorf.

Die große Zahl, die Branchenvielfalt und der Spezialisierungsgrad der Geschäfte von Gänserndorf, die im Ortszentrum Bahnstraße-Hauptstraße vorhanden sind, weisen auf die große übergemeindliche Bedeutung von Gänserndorf als Einkaufsort hin.

Derzeit bestehen vier Supermärkte, welche mit Sicherheit in die Nahversorgung der umgebenden Gemeinden eingreifen. Sie haben übergemeindliche Bedeutung und sind zum Teil erst in jüngster Zeit errichtet worden. Das Nahversorgungsgefüge in den umgebenden Gemeinden befindet sich derzeit anscheinend . . . in einer schwierigen 'Reaktionsphase' auf diese gravierende Strukturveränderung im Distributionsbereich wie auch im Konsumverhalten der Bevölkerung. Die Supermärkte der Firmen Konsum und Billa sind in den Hauptgeschäftsstraßen situiert, jener der Firma Löwa zentrumsnahe gegen den Bahnhof und der Markt der Firma Hofer hat seinen Standort außerhalb des Zentrums an der B8 am östlichen Ortseingang von Gänserndorf. Der letztgenannte Standort ist aus übergemeindlicher Sicht besonders verkehrsgünstig und in hohem Maße an Kunden orientiert, die mit Kraftfahrzeugen diesen Markt besuchen. Dies wurde durch eine halbstündige Beobachtung des Käuferverhaltens bestätigt. Der Standort des geplanten Einkaufszentrums ist aus überörtlicher Sicht besonders verkehrsgünstig und sind daher jedenfalls größere Auswirkungen auf die durch die B8, LH 9 und LH 10 angebundenen Gemeinden zu erwarten als sie etwa derzeit von dem im Zentrum gelegenen Konsum ausgehen.

Bei der Besichtigung der Nahversorgungssituation in den Gemeinden der Umgebung von Gänserndorf wurde festgestellt, daß fast alle Siedlungen wenigstens noch ein Lebensmittelgeschäft aufweisen, es sich aber um kleine und kleinste Betriebe handelt. Dies und die meist relativ niedrigen Einwohnerzahlen der zuzuordnenden Siedlungen (oft nur knapp 300 Einwohner) deuten darauf hin, daß es sich um 'Minderbetriebe' handelt bzw. diese Lebensmittel- und Gemischtwarengeschäfte keine ausreichende oder alleinige Existenzbasis bieten. Diese reagieren auf Strukturveränderungen im Handel besonders sensibel und sind für Geschäftsschließungen besonders anfällig. Wissenschaftlichen, schon vor einigen Jahren durchgeführten Berechnungen zufolge . . . (sind) für einen modernen, rentablen Lebensmittel- und Gemischtwarenbetrieb, der einen der allgemeinen Einkommenslage und dem erforderlichen Zeit- und Müheaufwand entsprechenden Ertrag abwirft, rund 1000 Einwohner im Einzugsbereich erforderlich. Nach empirischen Untersuchungen dürfte in Niederösterreich dieser Einwohnerwert einstweilen noch niedriger anzusetzen sein, jedoch nicht unter 500 bis 600 Einwohnern. Aus der Relation der Einwohnerzahl in den Siedlungen zu den Lebensmittel- und Gemischtwarengeschäften erscheinen die Betriebe in Stripfing, Zwerndorf, Baumgarten, Oberweiden, Schönfeld, Mannersdorf/March, Stillfried und Grub stark gefährdet und können den Betriebsinhabern nicht die alleinige ausreichende Existenzgrundlage bieten. Jeder weitere Kaufkraftabfluß könnte dort zu Geschäftsschließungen führen. Außerdem sind als Folge der Ansiedlung von Supermärkten in Gänserndorf in der jüngsten Zeit in diesen kleinen, aber auch in den anderen größeren Siedlungen des Gänserndorfer Umlandes Strukturveränderungen zu erwarten. Die Errichtung eines zusätzlichen Einkaufszentrums könnte aber bei der schon derzeit angespannten Situation unkontrollierbar und lawinenartig eine negative Entwicklung in der Nahversorgung der Umgebung von Gänserndorf auslösen, sodaß die Errichtung eines Einkaufszentrums in Gänserndorf aus überörtlicher Sicht in die bisherige geordnete wirtschaftliche Entwicklung eingreift und die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes anderer Gemeinden wesentlich beeinträchtigt.

Nach dem verkehrstechnischen Gutachten vom erscheint die vorgesehene Erschließung des geplanten Einkaufszentrumsbereiches aus verkehrstechnischer Sicht im wesentlichen unbedenklich. Einer (gemeint wohl: Bei) Realisierung des Vorhabens sind jedoch verschiedene verkehrsplanerische und verkehrstechnische Aspekte zu berücksichtigen.

Für die erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen (Verkehrserschließung, Kanal- und Wasserversorgung) liegt nur teilweise ein Kostenrahmen vor.

Da es sich hiebei um umfangreiche und kostenintensive Maßnahmen handelt, kann nicht ausgeschlossen werden, daß diese einen finanziellen Aufwand zur Folge hätten, durch den die Erfüllung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen der Gemeinde gefährdet wäre.

Abschließend kommt der Amtssachverständige daher in seinem Gutachten zum Ergebnis, daß zu den beantragten Änderungen nach den Bestimmungen des NÖ ROG 1976 mehrfach Tatbestände vorliegen, welche im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes stehen.

Dieses Ergebnis der Begutachtung wurde der Stadtgemeinde Gänserndorf . . . bekanntgegeben, gleichzeitig mitgeteilt, daß deshalb den geplanten Änderungen des örtlichen Raumordnungsprogrammes die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt werden müßte.

Gemäß § 21 Abs 6 dieses Gesetzes wurde dem Gemeinderat die Gelegenheit eingeräumt, hiezu innerhalb einer Frist von acht Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gänserndorf hat sich in seiner Sitzung vom mit dem Gutachten des Amtssachverständigen bzw. den durch die Abteilung R/1 daraus gezogenen Schlußfolgerungen eingehend befaßt und stimmenmehrheitlich beschlossen, auf den geplanten Änderungen zu beharren.

Hiezu hat der Amtssachverständige der Abteilung R/2 in seinem Gutachten vom festgestellt, daß dieser Gemeinderatsbeschluß die entwicklungsbedingten Veränderungen seit der Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes klarstellt und auch näher auf die Erschließung, die technische Infrastruktur sowie auch auf die finanziellen Auswirkungen eingeht.

Die Aussagen dieses Gemeinderatsbeschlusses zur Frage

der Nahversorgungsverträglichkeit des geplanten Einkaufszentrums

bestätigen die bereits vorhandene schwierige Situation der

Nahversorgung und der Kaufkraftabflüsse im Umgebungsbereich des

Einkaufszentrums. Sie liefern jedoch keinerlei weitere Unterlagen

dafür, daß durch die zusätzliche Errichtung eines

Einkaufszentrums mit einer geplanten Verkaufsfläche von rund

2000 m2 keine wesentliche Gefährdung der Nahversorgung anderer

Gemeinden gegeben ist. Sie entkräften daher nicht die

Feststellungen des Gutachtens . . . , wonach augenscheinlich ist,

daß die vorhandenen Nahversorger bereits an der Untergrenze einer Weiterführung der Betriebe angelangt sind und daher jede zusätzliche Gefährdung durch attraktive Einkaufsmöglichkeiten die Aufgabe dieser Betriebe in greifbare Nähe rückt.

Die Abteilung R/1 ist auf Grund dieser durchaus

schlüssigen Feststellungen des Amtssachverständigen der Ansicht,

daß durch die geplante Festlegung der Widmungs- und Nutzungsart

Bauland-Einkaufszentrum für das Grundstück Nr. 1267, KG

Gänserndorf, und die damit mögliche Errichtung eines

Einkaufszentrums die Nahversorgung mit Gütern des täglichen

Bedarfes anderer Gemeinden wesentlich beeinträchtigt wird. . . "

1.2. Gegen den Bescheid der Landesregierung erhob die Stadtgemeinde Gänserndorf eine auf Art 144 (Abs1) B-VG gegründete Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (protokolliert zu B419/89), in der sie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines gegen die Kompetenznorm des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG verstoßenden und darum verfassungswidrigen Landesgesetzes (nämlich des § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG 1976) sowie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung (Art116 Abs 1, 118 Abs 4, 119a Abs 8 iVm Abs 9 B-VG)

behauptete und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrte.

1.3.1.1. Aus Anlaß dieser Beschwerdesache leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B419/89-10, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Wortfolge "oder die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes" in § 21 Abs 5 Z 2 des (Niederösterreichischen) Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-5, ob ihrer Verfassungsmäßigkeit (Art140 Abs 1 B-VG) ein (protokolliert zu G319/89).

1.3.1.2. In den Gründen des Prüfungsbeschlusses heißt es ua. wörtlich:

" . . . Einleitend ist festzuhalten, daß der Verfassungsgerichtshof bisher gegen Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG verstoßende Raumplanungsvorschriften über Einkaufszentren der Bundesländer Oberösterreich (VfSlg. 9543/1982), Steiermark (VfSlg. 10.483/1985) und Vorarlberg (VfSlg. 11.393/1987) als verfassungswidrig aufhob, die sich mit Einkaufszentren befassenden Bestimmungen des Landes Tirol (), des Landes Kärnten () und des Landes Steiermark (: ROG in seiner nach dem Gesetzesprüfungserkenntnis VfSlg. 10.483/1985 novellierten Fassung - ) jedoch als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtete.

Der Verfassungsgerichtshof nahm in seinen beiden

Erkenntnissen VfSlg. 9543/1982 (über die Aufhebung des 2. Satzes

der Z 3 des § 2 Abs 6 Oö. ROG, LGBl. 18/1972, idF der

Nov. LGBl. 15/1977) und VfSlg. 10.483/1985 (über die Aufhebung

eines Teils des § 51 Abs 7 und des 2. Satzes der Z 3 im § 3

Abs7 Stmk. ROG 1974, LGBl. 127/1974, idF der

Nov. LGBl. 51/1980) den Rechtsstandpunkt ein, daß

landesgesetzliche (Raumordnungs-)Vorschriften zur

Standortplanung, welche die Errichtung sog. 'Einkaufszentren' an

Voraussetzungen knüpfen, die mit dem jeweiligen Lokalbedarf (nach

derartigen Betrieben) identisch sind, 'von keiner anderen als der

gewerberechtlichen Betrachtungsweise' ausgehen: Normen dieses

Regelungsinhalts, dh. über eine Bedarfsprüfung bzw. eine Prüfung

der Wettbewerbsverhältnisse im Sinn des Gewerberechts, bevor ein

neuer Betrieb entstehen darf, sind also - da die Erlassung

solcher Vorschriften nach Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG in die

ausschließliche Kompetenz des Bundesgesetzgebers fällt -

verfassungswidrig. Die wegen Verstoßes gegen Art 10 Abs 1 Z 8

B-VG aufgehobenen Bestimmungen des Oö. ROG und des Stmk. ROG 1974

hatten den als verfassungswidrig erkannten Regelungsinhalt

freilich unterschiedlich umschrieben. Nach § 2 Abs. 6 Z 3 Oö. ROG

sollten 'Geschäftsbauten für den überörtlichen Bedarf ... nur auf

Standorten vorgesehen werden, für die ein genügend großer

Einzugsbereich vorhanden ist, der durch bestehende Betriebe

einschließlich solcher für den örtlichen Bedarf nicht ohnehin

bereits ausreichend versorgt ist, und ... nur insoweit zugelassen

werden, als die Aufrechterhaltung und Sicherung der Nahversorgung

der Bevölkerung ... insbesondere mit Waren und Leistungen des

täglichen Bedarfes ... nicht gefährdet wird'. In § 3 Abs 7 Z 3

Stmk. ROG 1974 war der Gesichtspunkt der Bedarfsdeckung zwar ebenfalls ausschließlicher Zulassungsmaßstab, aber nicht mit der gleichen Deutlichkeit wie im Oö. ROG ausgedrückt (: 2. Satz des § 2 Abs 6 Z 3), weil die Gefährdung der Nahversorgung, anders als im Oö. ROG, nicht (mehr) als besonderer Versagungsgrund aufschien.

Auch die Vorarlberger landesgesetzlichen Vorschriften der Novelle (zum RPlG) LGBl. 31/1985 schufen insgesamt (: § 2 Abs 2 lite (teilweise) iVm § 14 Abs 6 bis 11) ein Zulassungssystem für 'Einkaufszentren' nach alleiniger Maßgabe des gewerberechtlichen Lokalbedarfs, das mit der Kompetenzrechtslage des B-VG (Art10 Abs 1 Z 8) nicht im Einklang stand. Verglichen mit den zunächst aufgehobenen Regelungen der Bundesländer Oberösterreich und Steiermark, schlug der Vorarlberger Landesgesetzgeber dabei aber einen neuen legislativ-technischen Weg ein. So statuierte er mit § 2 Abs 2 lite RPlG idF der Nov. LGBl. 31/1985 ein weiteres Raumplanungsziel, nämlich die 'Sicherung der Nahversorgung'. Dieses Ziel konnte - neben das schon in der Stammfassung der Gesetzesstelle enthaltene Planungsziel (: 'Vorsorge für geeignete Standortbereiche für Betriebe des Handels ... unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Entwicklung') gestellt - nicht als eine (iSd Erkenntnisses VfSlg. 9543/1982) verfassungsrechtlich unbedenkliche schlichte Bedachtnahmeregel verstanden werden, weil ein derartiges Normverständnis dem Sprachgebrauch des Raumplanungsgesetzgebers zuwiderlief, der (auch) im § 2 Ab. 2 litd und g der Stammfassung des Gesetzes die 'Sicherung' bestimmter Bereiche und Umstände in vergleichbaren Formulierungen als eigenständige Raumplanungsziele postuliert und festgelegt hatte (vgl. auch den Bericht zur Regierungsvorlage über eine Änderung des RPlG aus dem Jahr 1985 (: 8. Beilage zu den Sitzungsberichten des XXIV. Vorarlberger Landtags), der die 'Sicherung der Nahversorgung' (in § 2 Abs 2 lite RPlG) expressis verbis als (neues) 'Raumplanungsziel' kennzeichnete). Dabei diente das Raumplanungsziel 'Sicherung der Nahversorgung' in § 2 Abs 2 lite RPlG - das als eines von mehreren Zielen dieser Art an sich durchaus 'kompetenzneutral' sein könnte - ausschließlich der wirksamen Steuerung der Zulassung der Errichtung und des Betriebs von Einkaufszentren; es war - so im Blick auf die unauflösbar enge Verflechtung (des § 2 Abs 2 lite RPlG) mit den auf das Phänomen der 'Einkaufszentren' zugeschnittenen Vorschriften des § 14 Abs 6 bis 11 leg.cit. - offenkundig, daß dieses Ziel das für solche Handelsbetriebe entscheidende Zulassungskriterium (iS einer Prüfung des Lokalbedarfs) abgab, das mögliche andere Planungsziele überlagerte und verdrängte: War nämlich die Nahversorgung gesichert, dh. die Bevölkerung durch bestehende Betriebe bereits ausreichend versorgt, so kam die Errichtung neuer Einkaufszentren keinesfalls (mehr) in Betracht.

Die einschlägige Rechtslage des Bundeslandes Tirol nun war mit der des Bundeslandes Vorarlberg vor Aufhebung der §§2 Abs 2 lite und 14 Abs 6 bis 11 (Vorarlberger) RPlG nicht vergleichbar. Denn ein Regelungsziel Bedarfsdeckung iSd Gewerberechts ('Nahversorgungsziel'), wie es der Vorarlberger Landesgesetzgeber (in entsprechender Verdrängung anderer Raumplanungsziele) im Zusammenhang mit § 14 Abs 6 bis 11 RPlG in § 2 Abs 2 lite RPlG ausdrücklich und unmißverständlich postuliert hatte, fand sich im Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 (TROG 1984), LGBl. 4/1984, nicht (s. besonders § 1 Abs 2 dieses Landesgesetzes): Das TROG 1984 umschrieb nämlich in seinem § 1 Abs 1 die Aufgaben und Ziele der überörtlichen Raumordnung nur ganz allgemein mit 'geordneter Gesamtentwicklung' des Landes ua. im Hinblick auf die 'abschätzbaren wirtschaftlichen ...

Bedürfnisse seiner Bewohner', also völlig kompetenzneutral. Das

galt gleichermaßen für die Zielbestimmung des § 1 Abs 2 litk

TROG 1984 ('Vorsorge für eine ausreichende Versorgung der

Bevölkerung und der Wirtschaft mit notwendigen Gütern in

Krisenzeiten'). Dazu blieb anzumerken, daß § 1 Abs 2 TROG,

LGBl. 10/1972, mit Landesgesetz vom

(4. Raumordnungsgesetz-Novelle), LGBl. 88/1983, neu gefaßt wurde

(TROG aus 1972 in der Folge wiederverlautbart mit LGBl. 4/1984

als TROG 1984), somit § 1 Abs 2 litd des Gesetzes in seiner

ursprünglichen Fassung (lautend: ' ... Vorsorge für ein

entsprechendes ... Versorgungsnetz') dem Rechtsbestand nicht mehr

angehörte.

Wie der Verfassungsgerichtshof im schon bezogenen Erkenntnis vom , B816/86, dartat, ließ sich der mit 'Sonderflächen für Einkaufszentren' betitelte § 16b TROG 1984 nach seinem Wortlaut für sich allein gesehen, ohne Koppelung an ein maßgebendes Raumordnungsziel nach Art des im aufgehobenen § 2 Abs 2 lite (Vorarlberger) RPlG, LGBl. 15/1973 idF der Nov. LGBl. 31/1985, umschriebenen, noch nicht als eine dem Landesgesetzgeber verwehrte Regelung ausschließlich zur Festlegung des Lokalbedarfs in gewerberechtlicher Bedeutung erkennen. Daß das System des § 16b TROG 1984 zur gewerberechtlichen Steuerung der Zahl neuer Einkaufszentren (nach Maßgabe des Lokalbedarfs) mißbraucht werden konnte - und zwar durch Vollzugsakte, die auf verfassungswidriger Gesetzesauslegung beruhen (vgl. auch Art 6 StGG) - vermochte daran nichts zu ändern: Entscheidend war einzig und allein die durch § 16b TROG 1984 geschaffene objektive Rechtslage. Sie aber ließ hier aus den bereits wiedergegebenen Überlegungen - ungeachtet des Umstands, daß Einkaufszentren nur auf entsprechenden Sonderflächen nach Maßgabe eines überörtlichen, also über ein Gemeindegebiet hinausgreifenden Entwicklungsprogramms errichtet werden dürfen - verfassungsrechtliche Bedenken (: Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG) nicht entstehen. (Daß Sonderwidmungen von Flächen für Einkaufszentren im Rahmen der Raumordnung an sich festgelegt werden dürfen, stellte der Verfassungsgerichtshof schon bisher nicht in Frage: VfSlg. 9543/1982).

Der Verfassungsgerichtshof hielt in seinem schon zitierten Erkenntnis vom , B684/87, dafür, daß die in Betracht kommenden Normen des Bundeslandes Kärnten in verfassungsrechtlicher Hinsicht ebenso zu sehen und zu beurteilen sind wie die des Landes Tirol. Denn zunächst fand sich (auch) im § 2 Ktn. ROG kein besonderes 'Nahversorgungsziel': Werden in Abs 1 des § 2 dieses Gesetzes die 'Zielsetzungen' der Raumordnung bloß in allgemein-präambelhafter Art umrissen ('Die Raumordnung hat der Schaffung günstigster Lebensbedingungen für die Bevölkerung Kärntens zu dienen ...'), so folgen in Abs 2, ziffermäßig (Z1 - 7) untergliedert und nach Lebensgebieten zusammengefaßt, spezielle 'Entwicklungsziele'. Eines davon (Z4 - Einleitungssatz), und zwar das (primär) eine 'Siedlungstätigkeit' zur Verdichtung der Bebauung anstrebende, gedenkt zwar (im ersten Teil eines der anschließenden (vier) Absätze) auch der 'Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen des täglichen Bedarfs ...', doch unmißverständlich nur im engsten Kontext mit anderen, gleichermaßen in Betracht zu ziehenden Umständen, so der - den Bevölkerungsbedürfnissen entsprechenden - Aufschließung der Siedlungsräume, ihrer Angliederung an das Verkehrsnetz, der Entfaltung des kulturellen und sozialen Lebens durch zweckentsprechende Einrichtungen sowie der Erfordernisse der Erholung und körperlichen Ertüchtigung. Selbst wenn man der in Z 4 subsidiär erfaßten Gewährleistung der 'Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen ...' das Gewicht eines eigenständigen Raumordnungsziels beilegen und diese Wendung nicht als schlichte Bedachtnahmeregel im Zusammenhang mit dem Einleitungssatz begreifen wollte, handelte es sich bei all dem bloß um eines von mehreren, im wesentlichen gleichgeordneten und gleichbedeutenden (Zielen) innerhalb eines - die eingangs postulierte 'Siedlungstätigkeit' zum Zweck einer Verdichtung der Bebauung begleitenden und unterstützenden - Zielkatalogs, sodaß im damaligen Fall allein schon von der Gesetzessystematik her - anders als im Erkenntnis VfSlg. 11.393/1987 (Bundesland Vorarlberg) - von einer Verdrängung aller sonstigen Planungsziele nicht mit Grund gesprochen werden konnte. So gesehen, erwiesen sich aber für das Bundesland Kärnten die im Landesgesetz LGBl. 76/1969 (§2 Abs 2 Z 4) umschriebenen Gesichtspunkte der Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgütern weder an sich noch in Verbindung mit dem später erlassenen GemeindeplanungsG (Novelle LGBl. 8/1977) - über Sonderwidmungen für Einkaufszentren - als zentrales und ausschließlich maßgebendes Zulassungskriterium für derartige Handelsbetriebe (im Sinn einer (dem Wesen nach gewerberechtlichen) Prüfung des Lokalbedarfs); vielmehr hat die Festlegung von (Sonder-)Flächen für Zentren dieser Art gemäß der Novelle LGBl. 8/1977 in Beachtung aller den Umständen nach in Betracht kommenden (Raumplanungs-)Zielsetzungen zu geschehen, eine Gesetzesauslegung, für die nicht zuletzt auch die Bestimmung des § 1 Abs 3 GemeindeplanungsG sprach, die expressis verbis anordnet, daß ein Flächenwidmungsplan keine planenden Maßnahmen vorsehen darf, deren Gestaltung oder Vollziehung Bundessache ist.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , B1399/87, darlegte, kommt nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz (in seiner nach dem Gesetzesprüfungserkenntnis VfSlg. 10.483/1985 novellierten Fassung) dem Begriff 'Sicherung der Nahversorgung' (vollständig zitiert: 'Sicherung einer ausreichenden Nahversorgung der Bevölkerung') eine andere normative Bedeutung zu als in den Anlaß zur Gesetzesaufhebung bietenden Prüfungssachen der Länder Oberösterreich (VfSlg. 9543/1982) und Vorarlberg

(VfSlg. 11.393/1987). Einerseits ergibt sich nämlich aus der Betrachtung des Gesamtzusammenhanges, in dem diese Rechtsvorschrift steht, daß der steiermärkische Landesgesetzgeber keineswegs ein vorrangiges Planungsziel festlegte, das mögliche andere Planungsziele überlagert oder verdrängt: Die 'Sicherung der Nahversorgung' ist bloß eines von mehreren Elementen bei der Bestimmung eigener Standorte für Einkaufszentren (als Einrichtungen für den überörtlichen Bedarf), die einen Teil der Standortvorsorge für private Handels- und Dienstleistungseinrichtungen überhaupt bildet, welche selbst wiederum anderen (im § 3 festgelegten) Planungszielen ('Raumordnungsgrundsätzen') keinesfalls vorgeordnet wurde; eine solche Regelung erschien durchaus als 'kompetenzneutral' im Sinn der dargelegten Vorjudikatur (s. insbesondere die oben ausführlich zitierten Erkenntnisse VfSlg. 11.393/1987 und B816/86). Zum gleichen Ergebnis führte zudem eine genauere Betrachtung der sprachlichen Fassung der die 'Sicherung der Nahversorgung' betreffenden Gesetzesstelle: Das Gesetz ordnet nämlich lediglich an, daß der erwähnte Umstand 'in Erwägung zu ziehen', also - mit anderen Worten gesagt - als einer unter mehreren mitzuberücksichtigen ist.

Zu diesen Erwägungen trat abrundend hinzu, daß das Stmk. ROG 1974 in seinem § 1 Abs 3 (in grundsätzlich gleicher Weise wie das (Kärntner) GemeindeplanungsG in § 1 Abs 3 -

s. dazu das oben angeführte Erkenntnis B684/87) eine die Bundeskompetenz sichernde Auslegungsregel enthält. Soweit nämlich durch die Bestimmungen des Stmk. ROG 1974 der Zuständigkeitsbereich des Bundes, darunter in Angelegenheiten des Gewerbes, berührt wird, kommt diesen Vorschriften keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung zu.

Das NÖ ROG 1976 enthält nun in § 1 (Begriffe und Leitziele) kein Planungsziel 'Sicherung der Nahversorgung'. In § 1 Abs 2 Z 7 NÖ ROG 1976 ist lediglich davon die Rede, daß die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen des täglichen Bedarfs sowie die medizinische Betreuung in ausreichendem Maße anzustreben ist. Ähnlich wie andere Raumordnungsgesetze normiert das NÖ ROG 1976 ein Verbot für die Errichtung von Einkaufszentren, solange nicht eine besondere Widmung in einem örtlichen Raumordnungsprogramm gemäß § 13 NÖ ROG 1976 verfügt wurde. Der das Verfahren zur Erlassung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes regelnde § 21 NÖ ROG 1976 sieht in Abs 5 vor, daß dieses Programm vor seiner Kundmachung der Genehmigung der Landesregierung bedarf. Die Landesregierung hat die Genehmigung des örtlichen Raumordnungsprogrammes gemäß § 21 Abs 5 Z 2 leg.cit. zu versagen, wenn es 'die geordnete wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung oder die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes anderer Gemeinden wesentlich beeinträchtigt'.

Wohl legt § 1 Abs 2 Z 7 NÖ ROG 1976 den Planungsbehörden bloß die Verpflichtung auf, die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen des täglichen Bedarfs in ausreichendem Maß anzustreben. Dieses Streben (Bemühen, Trachten) nach ausreichender Versorgung (mit solchen Gütern und Leistungen) kennzeichnet nach dem klaren Gesetzeswortlaut und nach der gewählten Gesetzessystematik nur eines von zahlreichen - im wesentlichen gleichgeordneten und gleichbedeutenden - Leitzielen, das keinen wie immer beschaffenen Ausschließlichkeitsanspruch erheben kann, also für sich allein sonstige Zielsetzungen des NÖ ROG 1976 weder überlagert noch verdrängt.

Das dürfte aber nichts daran ändern, daß § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG 1976 in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers nach Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG eingreift. Aus dieser landesgesetzlichen Vorschrift ergibt sich nämlich anscheinend, daß die Gemeinde in ihrem örtlichen Raumordnungsprogramm nur dann eine Sonderwidmung für Einkaufszentren vorsehen darf, wenn dadurch die 'Nahversorgung ... anderer Gemeinden' - ein Begriff, der noch näher zu untersuchen bleibt - nicht wesentlich beeinträchtigt wird: Der niederösterreichische Landesgesetzgeber scheint damit ein Regelungssystem für die Errichtung von Einkaufszentren geschaffen zu haben, das im Ergebnis dem mit Erkenntnis VfSlg. 9543/1982 aufgehobenen zweiten Satz in § 2 Abs 6 Z 3 Oö. ROG entspricht, indem er für die Standortplanung Voraussetzungen festlegte, die mit dem Lokalbedarf (in anderen Gemeinden) identisch sind, also von keiner anderen als einer gewerberechtlichen Betrachtungsweise ausgeht.

Zusammenfassend hegt der Verfassungsgerichtshof gegen die in Rede stehende Gesetzesstelle das Bedenken, daß sie vom Landesgesetzgeber kompetenzwidrig erlassen wurde, weil sie anscheinend unter den die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes begründenden Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' in Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG fällt."

1.3.2. Die Niederösterreichische Landesregierung verteidigte im Normenkontrollverfahren die in Prüfung genommene landesgesetzliche Bestimmung als verfassungsgemäß und führte im einzelnen ua. aus:

" . . . Nach Ansicht der Niederösterreichischen

Landesregierung kann . . . die zur Begründung der

Verfassungswidrigkeit zu den Raumordnungsgesetzen der Länder Oberösterreich (vgl. VfSlg. 9543/1982), Steiermark (vgl. VfSlg. 10.483/1985) und Vorarlberg (vgl. VfSlg. 11.393/1987) zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht ohne weiteres auf die Rechtslage in Niederösterreich angewendet werden. . .

Nach Ansicht der Niederösterreichischen Landesregierung geht es dagegen bei der geprüften Regelung des § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG nicht nur um die Aufrechterhaltung der Nahversorgung der Bevölkerung, somit nicht nur um die Bedarfsdeckung allein. Vor allem in ländlichen Gebieten bildet die Versorgung einen Teil der räumlichen Struktur und der Funktion einer Gemeinde oder eines Gemeindeteiles. Die im § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG festgelegte Wortfolge 'Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes anderer Gemeinden' bezieht sich auch deshalb nicht ausschließlich auf Einkaufszentren.

Dies ergibt sich schon aus § 17 Abs 1 NÖ ROG, wonach Einkaufszentren Betriebs- und Wohnbauten des Handels sind, in denen Güter mehrerer Warengruppen einschließlich Waren des täglichen Bedarfes, insbesondere Lebensmittel angeboten werden . . . Damit wird nach Ansicht der Niederösterreichischen Landesregierung klar, daß der im § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG normierte Untersagungstatbestand auch, aber nicht ausschließlich die Sicherung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs (auch in anderen - kleineren - Gemeinden) in einer zumutbaren Gehwegentfernung zum Ziel hat.

Die Niederösterreichische Landesregierung weist in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, daß ihrer Meinung nach die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht isoliert auf Einkaufszentren ausgerichtet ist. Dazu kommt noch, daß jede Gemeinde örtliche (innergemeindliche) und überörtliche (übergemeindliche) Funktionen erfüllt, deren Einrichtungen nicht gleichmäßig über das Gemeindegebiet verteilt, sondern meist im Hauptort einer Gemeinde konzentriert sind. Dazu zählen verschiedene öffentliche und privatwirtschaftliche Dienste und Einrichtungen, wie auch solche, die der Nahversorgung dienen. Eine wesentliche Beeinträchtigung dieser Nahversorgung gefährdet nun einerseits die räumliche Struktur, andererseits aber auch die innergemeindliche und die übergemeindliche Funktion einer Gemeinde. In weiterer Folge wird damit auch die geordnete wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung einer Gemeinde in Frage gestellt, sodaß der Landesgesetzgeber aus diesem Grund den Untersagungstatbestand 'Nahversorgung' legistisch in die Bestimmung des § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG mit einem inklusiven 'oder' eingefügt hat.

Die Nahversorgung der Bevölkerung ist ja selbst Teil der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Struktur und Entwicklung einer Gemeinde, da sie vor allem Dienstleistungen, wie zB Einzelhandelsbetriebe und Gasthäuser umfaßt. Betroffen sind hier also Fragen der räumlichen Struktur sowie die innergemeindlichen und übergemeindlichen Funktionen einer Gemeinde und ihre gegenseitige Abstimmung.

Damit bewegt sich der Landesgesetzgeber aber nach Ansicht der Landesregierung im raumordnerischen Regelungsbereich und somit im Bereich des Art 15 B-VG. Die Erhaltung der räumlichen Strukturen und der Funktionen einer Gemeinde sind kompetenzneutrale Ziele der Raumordnung, die durch die geprüfte Regelung nach Ansicht der Landesregierung zulässigerweise verfolgt werden.

Daß dieses Versorgungs- und Struktursicherungsziel vom Niederösterreichischen Landesgesetzgeber als eines von mehreren Zielen und diesen gleichwertig und gleichbedeutend angesehen worden ist, ergibt sich nicht nur aus § 1 Abs 2 Z 7 NÖ ROG, wonach die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen des täglichen Bedarfs in ausreichendem Maß anzustreben ist. Diese Zielvorgabe folgt auch aus den im § 14 Abs 2 NÖ ROG normierten Planungsrichtlinien, auf die bei der Erstellung von Flächenwidmungsplänen unter Berücksichtigung der überörtlichen Planungen Bedacht zu nehmen ist: Bei dieser Planung ist neben anderen - gleichwertigen - Planungskomponenten gemäß § 14 Abs 2 Z 10 auch vorzusehen, daß im Bauland-Wohngebiet unter anderem Flächen für Einrichtungen für die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs vorgesehen werden (konsequenterweise normiert § 16 Abs 3 leg.cit., daß im Bauland Gebäude, Bauwerke und Anlagen für Betriebe zur Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfes errichtet werden dürfen, ohne daß in diesem Zusammenhang auf den Sonderfall eines Einkaufszentrums nach § 17 leg.cit. eingegangen wird).

Der Landesgesetzgeber hat durch diese Zielvorgabe und Planungsrichtlinien den Gemeinden damit - gleichwertig mit anderen Aufgabenstellungen, aber nicht isoliert - aufgetragen, für eine Versorgung der Bevölkerung innerhalb der Gemeinde mit Gütern des täglichen Bedarfes Sorge zu tragen. Der Untersagungstatbestand des § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG soll nun verhindern, daß das Erreichen dieser Ziele durch kontraproduktive Maßnahmen anderer Gemeinden schon von vornherein unmöglich gemacht wird.

Die Niederösterreichische Landesregierung vermeint auch,

daß die Regelung des § 21 Abs 5 Z 4 NÖ ROG ebenfalls dafür

spricht, daß die Frage der Sicherung der Nahversorgung der

Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfes nicht

ausschließlich auf Einkaufszentren ausgerichtet werden darf. Die

Regelung ist nicht ausschließlich auf die Errichtung von

Einkaufszentren zugeschnitten. Der Landesgesetzgeber hätte sonst

nicht als eigenen Versagungstatbestand den Widerspruch zu § 17 NÖ

ROG normiert, der aber seinerseits - wie die Zitate der dort

angeführten Gesetzesbestimmungen zeigen - auch völlig

gleichwertig zu den anderen Beurteilungskriterien des § 21 Abs 5

NÖ ROG steht. Nach dieser Bestimmung ist das örtliche

Raumordnungsprogramm jedenfalls auch nach einer Reihe ganz

anderer Gesichtspunkte zu prüfen, wie zB nach den Auswirkungen

auf Verkehr, Infrastruktur, mögliche Beeinträchtigung von

Wohnbauland und Erholungsgebieten durch Störungen sowie auf

eventuelle Widersprüche zu überörtlichen Raumordnungsprogrammen

oder anderen rechtswirksamen Planungen, nach dem finanziellen

Aufwand, etc. Daraus wird ersichtlich, daß die Prüfung der

Nahversorgung nur ein Kriterium unter vielen ist. Ein

'Zulassungssystem' für Nahversorgungsbetriebe liegt nach Ansicht

der Landesregierung jedenfalls nicht vor. Eine empfindliche

Störung der Siedlungsstruktur . . . läßt sich aber nur dann

verhindern, wenn die Versagungstatbestände (auch) die durch eine

gestörte Nahversorgung gefährdeten sozialen und wirtschaftlichen

Gesichtspunkte mitberücksichtigen lassen. . . "

1.4. Die hier in erster Linie relevanten Bestimmungen des NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-5, (§1 Abs 2 Z 7, § 21 Abs 5 Z 2) haben folgenden Wortlaut:

§1 Abs 2 Z 7 NÖ ROG 1976

"Für die überörtliche und örtliche Raumordnung sind folgende Leitziele anzustreben:

7. Die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen des täglichen Bedarfs sowie die medizinische Betreuung ist in ausreichendem Maße anzustreben. Die Entfaltung des kulturellen und sozialen Lebens ist durch Einrichtungen, die diesem Zweck entsprechen, zu sichern. Den Erfordernissen der Erholung und der körperlichen Ertüchtigung ist Rechnung zu tragen. Die Sicherung geeigneter Standorte für Schulen, Kindergärten, Amtsgebäude, Einrichtungen gesetzlich anerkannter Religionsgesellschaften und Einrichtungen für die Gesunderhaltung der Bevölkerung (wie Parkanlagen, Erholungsstätten, Spielplätze, Sportanlagen) und Einrichtungen der Sozialhilfe ist anzustreben."

§21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG 1976

"Das örtliche Raumordnungsprogramm bedarf der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn es

2. die geordnete wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung oder die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes anderer Gemeinden wesentlich beeinträchtigt".

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Die Stadtgemeinde Gänserndorf macht in ihrer Beschwerde gegen den eingangs bezeichneten Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung über die Versagung der Genehmigung (einer Änderung) des örtlichen Raumordnungsprogrammes ua. die Verletzung ihres Rechts auf Selbstverwaltung gemäß Art 116 Abs 1 B-VG iVm Art 118 Abs 4, 119a Abs 8 und 9 B-VG geltend: Da es sich bei dem bekämpften Verwaltungsakt um einen in letzter Instanz ergangenen aufsichtsbehördlichen Bescheid handelt, geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die Stadtgemeinde - als Partei dieses Administrativverfahrens - kraft Art 119a Abs 9 B-VG zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art 144 B-VG legitimiert ist (vgl. ;

s. auch VfSlg. 11.163/1986). Dabei darf die Gemeinde einen solchen aufsichtsbehördlichen Bescheid (auch) wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Beschwerde ziehen, wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom , B890/86, (mit näherer Begründung) aussprach.

2.1.2. Wie der vor dem Verfassungsgerichtshof (zu B419/89) angefochtene Bescheid - in Spruch und Gründen - zeigt, wendete die Niederösterreichische Landesregierung die in Prüfung stehende Vorschrift des NÖ ROG 1976 bei Fällung ihrer Entscheidung tatsächlich - und denkmöglich - an (vgl. zB VfSlg. 11.393/1987).

Diese landesgesetzliche Norm bildet darum eine der Rechtsgrundlagen des angegriffenen - keinem weiteren administrativen Rechtszug unterliegenden und vor dem Verfassungsgerichtshof zulässigerweise in Beschwerde gezogenen - Verwaltungsaktes; sie ist demnach auch vom Verfassungsgerichtshof bei Schöpfung des Erkenntnisses über die von der beschwerdeführenden Gemeinde erhobene Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG anzuwenden und somit in dieser Beschwerdesache präjudiziell im Sinn des Art 140 Abs 1 Satz 1 B-VG.

Damit ist auch das Normenkontrollverfahren zulässig.

2.2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs sind auch begründet.

Im Gesetzesprüfungsverfahren kam nichts hervor, was die im Prüfungsbeschluß ausgebreiteten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Vorschrift des NÖ ROG 1976 hätte entkräften können. Die im Beschluß des Verfassungsgerichtshofs vom , B419/89-10, aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken erwiesen sich vielmehr aus den dort dargelegten Erwägungen als zutreffend:

Nach § 17 Abs 1 NÖ ROG 1976 dürfen Gebiete für "Einkaufszentren" lediglich in zentralen Orten gewidmet werden. Nur auf solchen Flächen (mit Nutzungsart "Gebiete für Einkaufszentren") ist die Errichtung von "Einkaufszentren" zulässig (§17 Abs 2 NÖ ROG 1976). Dazu legt der das Verfahren zur Erlassung eines örtlichen Raumordnungsprogramms regelnde § 21 NÖ ROG 1976 in seinem Abs 5 fest, daß ein derartiges Programm vor seiner Kundmachung der Genehmigung der Landesregierung bedürfe. Die Landesregierung wieder hat die Genehmigung dieses örtlichen Raumordnungsprogramms gemäß § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG 1976 (ua.) dann zu versagen, wenn es "die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes anderer Gemeinden wesentlich beeinträchtigt". Es stellt sich darum die Frage, ob eine Norm des Inhalts, die Landesregierung habe die Genehmigung eines örtlichen Raumordnungsprogramms ausschließlich deshalb zu verweigern, weil die Sonderwidmung für Einkaufszentren die Nahversorgung anderer Gemeinden beeinträchtigt, noch als gesetzliche Maßnahme auf dem - in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fallenden - Gebiet der Raumordnung einzustufen oder bereits als Regelung zu werten ist, die nur der Bundesgesetzgeber, gestützt auf Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG (: "Angelegenheiten des Gewerbes"), treffen darf. Schon im Erkenntnis VfSlg. 9543/1982 sprach der Verfassungsgerichtshof mit ausführlicher Begründung aus, daß es zwar zulässig sei, wenn der Landesgesetzgeber räumlich-funktionelle Erfordernisse - so auch das Erfordernis der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs - unter verschiedenen Aspekten in Betracht ziehe und berücksichtige, doch verbiete die Kompetenzrechtslage die landesgesetzliche Schaffung derartiger Raumordnungsvorschriften ausschließlich nach gewerberechtlichen Kriterien.

Der in Prüfung genommenen Regelung kann nun nicht attestiert werden, daß sie - wie § 1 Abs 2 Z 7 NÖ ROG 1976 - das Streben nach ausreichender Versorgung der Bevölkerung (mit Gütern und Leistungen des täglichen Bedarfs) nur als eines von mehreren - im wesentlichen gleichgeordneten und gleichbedeutenden - Leitzielen wertet, die eine entsprechende Abwägung verlangen. Vielmehr legt die in Rede stehende Wortfolge des § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG 1976 nach dem klaren und unmißverständlichen Gesetzestext fest, daß Einkaufszentren dort - und nur dort - zuzulassen sind, wo keine anderen Betriebe (in umliegenden Gemeinden) dadurch in ihrer Existenz gefährdet werden.

Der hier gegebene Regelungsinhalt (: Bedarfsdeckung) ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs unter den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes" (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG) zu subsumieren: Denn die Standortplanung, wie sie § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG 1976 vorsieht, ist untrennbar an Voraussetzungen gebunden, die mit dem gewerblichen Lokalbedarf vollkommen identisch sind. Wird die Nahversorgung anderer Gemeinden, die Bedarfsdeckung in diesen Gebieten, gefährdet, ist nämlich eine Sonderwidmung für Einkaufszentren jedenfalls unzulässig, und zwar ganz unabhängig von anderen - hier überhaupt nicht mehr in eine abwägende Betrachtung (mit-)einzubeziehenden - Planungszielen, mögen sie auch noch so bedeutsam sein.

Wenn die Landesregierung ersichtlich geltend macht, aus § 17 Abs 1 NÖ ROG 1976 gehe hervor, daß § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG 1976 die Sicherung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs zwar auch, aber nicht allein zum Ziel habe, so kann dem schon im Hinblick auf den Wortlaut dieser nur derartige Waren erfassenden Gesetzesstelle nicht gefolgt werden.

Daß Einkaufszentren, wie die Landesregierung betont, auch andere Warengruppen vertreiben (§17 Abs 1 NÖ ROG 1976), bleibt im gegebenen Zusammenhang bedeutungslos; genug daran, daß dann, wenn die Bedarfsprüfung in Beziehung auf Güter des täglichen Bedarfs negativ ausfällt, das (auch) Einkaufszentren vorsehende örtliche Raumordnungsprogramm keinesfalls genehmigt werden darf. Der Hinweis der Landesregierung auf den weiteren Versagungstatbestand des § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG

(: Beeinträchtigung der "geordnete(n) wirtschaftliche(n), kulturelle(n) und soziale(n) Entwicklung") geht schon deswegen fehl, weil es sich um eine völlig eigenständige (Versagungs-)Voraussetzung handelt, die mit dem strittigen Versagungsgrund (Gefährdung der Nahversorgung) nicht vermengt werden kann (arg. "oder"). Doch auch § 14 Abs 2 Z 10 NÖ ROG 1976 läßt sich hier der Auffassung der Landesregierung zuwider nicht mit Erfolg ins Treffen führen; denn daß im Bauland-Wohngebiet Flächen für Einrichtungen für die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs vorzusehen sind, ändert nichts an der grundsätzlichen Kompetenz des Bundes-, nicht aber des Landesgesetzgebers zur Erlassung einer gewerberechtlichen Bedarfsprüfungsregelung, wie sie nunmehr in Prüfung steht.

Der Verweis der Landesregierung auf § 21 Abs 5 Z 4 NÖ ROG 1976 verfängt ebenfalls nicht: Nach dieser Gesetzesnorm ist einem örtlichen Raumordnungsprogramm die Genehmigung auch dann zu versagen, wenn es dem § 17 NÖ ROG 1976, d.h. der dort enthaltenen allgemeinen (Standort-)Regelung für Einkaufszentren, widerspricht. Mit der in § 21 Abs 5 Z 2 NÖ ROG 1976 vorgesehenen Bedarfsprüfung hat diese Vorschrift ebensowenig zu tun wie die anderen in § 21 Abs 5 Z 4 NÖ ROG 1976 normierten Versagungstatbestände (Widerspruch zu einer Verordnung nach § 12 Abs 1 oder den Bestimmungen der §§13 Abs 2 und 3, 14 Abs 1 und 2, 15, 16 Abs 1 und 2, 18, 19 Abs 1 bis 4, 20 Abs 1 und 4 und 22 NÖ ROG 1976).

Materiell und zusammenfassend gesehen, schafft also der Landesgesetzgeber eine - verdeckte - gewerbliche Zulassungsregel für sogenannte Einkaufszentren (nach Maßgabe des Lokalbedarfs), die - im Hinblick auf das offenbar befürchtete Ausufern der Zahl dieser Betriebsstätten - gewerberechtspolitisch erwünscht sein mag, wofür er jedoch nach den Kompetenzbestimmungen des B-VG nicht zuständig ist, wie schon im Prüfungsbeschluß herausgestellt wurde.

2.3. Demzufolge mußte spruchgemäß entschieden werden.

2.4. Die Aussprüche über das Inkrafttreten der Aufhebung und die Kundmachungspflicht stützen sich auf Art 140 Abs 5, der frühere gesetzliche Bestimmungen betreffende Ausspruch auf Art 140 Abs 6 B-VG.