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VfGH vom 16.06.1992, G317/91

VfGH vom 16.06.1992, G317/91

Sammlungsnummer

13094

Leitsatz

Aufhebung der für die Nachsicht vom gewerberechtlich vorgeschriebenen Befähigungsnachweis - zusätzlich zum Nachweis der vollen Befähigung - geforderten Voraussetzung der Unzumutbarkeit der Erbringung des Befähigungsnachweises oder des Vorliegens besonderer örtlicher Verhältnisse wegen Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit und der Berufsausbildungsfreiheit mangels öffentlichen Interesses an dieser Gewerbezugangsbeschränkung

Spruch

I. Die Wortfolge "1.a) ihm die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen, und 2." in § 28 Abs 1 Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

II. Im übrigen wird § 28 Abs 1 Gewerbeordnung 1973 nicht als verfassungswidrig aufgehoben. Insoweit wird der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1307/90 und B1394/90 auf Art 144 B-VG gegründete Beschwerden anhängig, die sich gegen die Verweigerung der Nachsicht vom gewerberechtlich jeweils vorgeschriebenen Befähigungsnachweis durch die belangte Behörde wenden. In den vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wird zwar die volle tatsächliche Befähigung der Beschwerdeführer zur Ausübung der von ihnen begehrten Gewerbeberechtigungen nicht in Zweifel gezogen, wohl aber das Vorliegen des mangels des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises kraft der Z. 1 des § 28 Abs 1 Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973) erforderlichen Ausnahmegrundes verneint.

§ 28 Abs 1 GewO 1973 lautet:

"Sofern eine Verordnung gemäß § 22 Abs 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis


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ausgenommen vom Erfordernis der Zusatzprüfung gemäß § 99 oder § 102
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zu erteilen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt und


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1.a) ihm die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen, und

2. keine Ausschließungsgründe gemäß § 13 vorliegen."

Aus Anlaß dieser Beschwerden beschloß der Verfassungsgerichtshof, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs 1 GewO 1973 zu prüfen.

Die vom Verfassungsgerichtshof in seinen Prüfungsbeschlüssen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 28 Abs 1 GewO 1973 gründen sich auf Art 6 und 18 StGG. Der Verfassungsgerichtshof ging davon aus, daß die Verweigerung der Nachsicht in die Freiheit zur Aufnahme einer Erwerbsbetätigung der Beschwerdeführer eingreift und die den Eingriff rechtfertigende Bestimmung des § 28 Abs 1 GewO 1973 daher den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen muß, die für gesetzliche, den Zugang zu einem Erwerb beschränkende Regelungen kraft Art 6 StGG gelten. Der Verfassungsgerichtshof bezweifelte das Vorliegen eines öffentlichen Interesses, das es rechtfertigt, einem von der Behörde als befähigt erkannten Bewerber um eine Gewerbeberechtigung diese zu verweigern, weil ihm auch die Erbringung des (in der Befähigungsnachweis-Verordnung) vorgesehenen Befähigungsnachweises subjektiv zumutbar wäre und keine besondere örtliche Bedarfslage für die Erteilung der Nachsicht und damit für die entsprechende gewerbliche Betätigung spricht. Er vertrat ferner die Auffassung, daß die Regelung des § 28 Abs 1 GewO 1973 durch die in dessen Z. 1 aufgestellten zusätzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis Ausbildungsmöglichkeiten ausschließe, die in gleicher Weise wie die in der Befähigungsnachweis-Verordnung geforderte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen lassen. Die Absolvierung ihrer Art nach dem regelmäßigen (in der Befähigungsnachweis-Verordnung geregelten) Ausbildungsgang gleichwertiger Ausbildungsgänge genüge nämlich zum Erwerbsantritt nicht, sofern nicht eine der in der Z. 1 des § 28 Abs 1 GewO 1973 genannten Voraussetzungen, - die inhaltlich keinerlei Bezug zur tatsächlichen Befähigung zur Erwerbsausübung besitzen - , zusätzlich vorliege. Diese zusätzlichen Voraussetzungen erschienen dem Verfassungsgerichtshof daher vorläufig auch der durch Art 18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Berufsausbildungsfreiheit zu widersprechen.

2. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zur Zl. 90/03/0271 eine Beschwerde gegen einen Berufungsbescheid anhängig, mit welchem der Beschwerdeführerin die Nachsicht vom Befähigungsnachweis zur Ausübung des Mietwagen-Gewerbes mit Personenkraftwagen und des Taxi-Gewerbes unter Hinweis auf § 28 Abs 1 GewO 1973 verweigert wurde, weil "einem durchschnittlich gebildeten Menschen von 55 Jahren durchaus zugemutet werden könne, seine Befähigung, die er behauptete, sich angeeignet zu haben, auch durch Ablegung der im Gesetz vorgeschriebenen Prüfung unter Beweis zu stellen".

Aus Anlaß der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde beschloß der Verwaltungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, § 28 Abs 1 GewO 1973 als verfassungswidrig aufzuheben, weil diese Bestimmung "mit den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erwerbsfreiheit gemäß Art 6 StGG und auf Berufsausbildungsfreiheit gemäß Art 18 StGG nicht vereinbar sei, weil durch diese Regelung Erwerbszugangsvoraussetzungen vom Gesetzgeber aufgestellt wurden, die nicht im öffentlichen Interesse liegen und die dem verfassungsgesetzlichen Gebot der gesetzlichen Anerkennung sachlich gleichwertiger Ausbildungsalternativen widersprechen". Im übrigen tritt der Verwaltungsgerichtshof den im Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , B1307/90, dargelegten und oben kurz wiedergegebenen verfassungsrechtlichen Bedenken bei.

3. Die Bundesregierung erstattete in allen drei, beim Verfassungsgerichtshof anhängigen, § 28 Abs 1 GewO 1973 betreffenden Gesetzesprüfungsverfahren gleichlautende Äußerungen, in denen beantragt wird, die Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen, in eventu aber auszusprechen, daß § 28 Abs 1 GewO 1973 nicht verfassungswidrig ist. Für den Fall der Aufhebung wird von der Bundesregierung der Antrag gestellt, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

Die Bundesregierung vertritt (in den Verfahren zu G317 und 318/91) die Auffassung, daß "den in den Einleitungsbeschlüssen gegen § 28 Abs 1 GewO 1973 geäußerten Bedenken ... durch die Aufhebung entsprechender Bestimmungen der GastgewerbeBefähigungsnachweisverordnung bzw. der Verordnung über den Befähigungsnachweis über die konzessionierten Gewerbe der Technischen Büros Rechnung getragen werden" könne. Hänge "die Starrheit oder Flexibilität des zur Erlangung einer Gewerbeberechtigung festgelegten Ausbildungsweges von der in Betracht kommenden Befähigungsnachweisverordnung ab, so wäre in erster Linie die Frage zu stellen, ob diese Starrheit, wenn sie sich als verfassungswidrig erweist, durch eine Änderung dieser Befähigungsnachweisverordnung beseitigt werden kann". Diese Frage stelle sich insbesondere dann, "wenn der Mangel der Nichtberücksichtigung von gleichwertigen Ausbildungsalternativen nicht bloß einen seltenen Härte- oder Ausnahmefall" bilde.

"Dem kann nach Auffassung der Bundesregierung nicht mit dem Argument begegnet werden, daß der Gesetzgeber in der Nachsichtsregelung des § 28 Abs 1 GewO 1973 selbst damit rechnet, daß auf einem anderen als dem in den Verordnungen gemäß § 22 Abs 3 GewO 1973 vorgezeichneten Weg derselbe Ausbildungsstand erreicht werden kann und daß gleichwertige Ausbildungsalternativen nicht in Verordnungen gemäß § 22 Abs 3 GewO 1973, sondern im Rahmen des § 28 GewO 1973 zu berücksichtigen sind. § 28 GewO 1973 stellt seinem Wesen nach nämlich bloß eine Ausnahmebestimmung dar, die als solche bloß in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen soll, die Bestimmung hat nicht den Zweck, parallele Ausbildungsmöglichkeiten zu eröffnen."

Im übrigen "dürften sowohl die ... Gesichtspunkte der Verwaltungsökonomie, das Interesse der Konsumenten, das Interesse von Mitbewerbern und nicht zuletzt auch das Ziel des Schutzes der betroffenen Berufsanwärter vor einem frustrierten Ausbildungsaufwand die Regelung des § 28 Abs 1 GewO 1973 im Lichte der Art 6 und 18 StGG verfassungsrechtlich gerechtfertigt erscheinen lassen. Angesichts des Umstandes, daß es sich bei dieser Regelung um eine Ausnahmebestimmung handelt, deren Zweck nicht die Eröffnung von parallelen Ausbildungswegen, sondern die Vermeidung von Härtefällen ist, scheint die Bestimmung durch diese öffentlichen Interessen geboten, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt."

Im einzelnen führt die Bundesregierung zur Darlegung ihres Standpunktes aus:

"Würden die von den Nachsichtswerbern zurückgelegten Ausbildungswege völlig gleichrangig neben dem primär vorgesehenen formalen Befähigungsnachweis stehen, so würden es Nachsichtswerber von vornherein darauf anlegen, etwa eine vorgesehene Befähigungsprüfung zu vermeiden, indem sie andere Ausbildungswege einschlagen und sodann nachzuweisen versuchen, sie besäßen die volle Befähigung. Bei Entfall der Ausnahmegründe des § 28 Abs 1 Z. 1 GewO 1973 könnten sich also viele Berufsinteressenten dazu ermuntert erachten, nicht den standardisierten, sondern einen von ihnen als gleichwertig eingeschätzten Ausbildungsweg einzuschlagen. Sie würden dann vielfach vor dem Problem eines zumindest teilweise frustrierten Ausbildungsaufwandes stehen. Für die Beibehaltung der in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle spricht also der Gedanke der Rechtssicherheit nicht nur für all jene, die die Leistung der betroffenen Gewerbetreibenden in Anspruch nehmen, sondern auch für die Anwärter der gebundenen und der betroffenen konzessionierten Gewerbe selbst.

Die Befähigungsnachweis-Verordnungen haben den Sinn, andere nicht als gleichwertig anerkannte Ausbildungsgänge auszuschließen, um eine entsprechende Qualifikation der Berufsanwärter sicherzustellen. Wählt der Berufsanwärter einen anderen Ausbildungsgang, so spricht der erste Anschein dafür, daß er damit nicht die volle Befähigung erworben hat, denn unter den nicht in den Befähigungsnachweisregelungen berücksichtigten denkmöglichen Ausbildungsgängen sind diejenigen bei weitem in der Überzahl, die eine nicht ausreichende Qualifikation vermitteln. Es ist daher viel wahrscheinlicher, daß ein Nachsichtswerber den durch die Befähigungsnachweisregelung vorausgesetzten Ausbildungsstand verfehlt hat, als daß er ihn erreicht hat. Vom Standpunkt der Normadressaten ist es daher zweckmäßig, daß im Gesetz niedergelegt wird, daß ein Nachsichtsansuchen nur in Ausnahmefällen aussichtsreich ist. Dies ist aber nicht anders möglich, als durch die Einführung der zusätzlichen Voraussetzung der mangelnden Zumutbarkeit des standardisierten Ausbildungsweges. Würde § 28 Abs 1 GewO 1973 den Charakter einer Ausnahmebestimmung verlieren, so würde dies bei den Normadressaten übertriebene Erwartungen erzeugen.

Nach Auffassung der Bundesregierung kann der Gesetzgeber durchaus davon ausgehen, daß zwar der gleiche Ausbildungsstand auf verschiedene Art erreicht werden kann, daß aber dem formalisierten Befähigungsnachweis Vorrang zukommt, weil die Behörde die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes - mag er auch gegeben sein - nur sehr schwer feststellen kann. Dies zeigt sich insbesondere bei den Handwerken, für die als Befähigungsnachweis die Ablegung der Meisterprüfung vorgeschrieben ist. Der wichtigste Teil der Meisterprüfung ist die Ausführung von Meisterarbeiten. Hier hat der Berufsanwärter die Gelegenheit zu zeigen, wie er mit den praktischen Anforderungen seines Berufes zurechtkommt. Diesen Berufstest müssen Nachsichtswerber nicht mitmachen, was zur Folge hat, daß auch bei genauer Ausleuchtung ihres Bildungsganges und ihrer bisherigen Tätigkeit die Behörde in vielen Fällen zum Schluß gelangen müßte, es sei zwar nicht ausgeschlossen, daß der Nachsichtswerber die volle Befähigung besitzt, es könne jedoch nicht als erwiesen angenommen werden, daß er die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen der Berufsausübung besitzt. Das Gesetz besteht daher auf der Ablegung der Prüfung, wenn es z.B. dem Nachsichtswerber aus persönlichen Gründen nicht unzumutbar ist, sich der Prüfung zu stellen.

Nähme der formalisierte Befähigungsnachweis keine Vorzugsstelle ein, so würde sich ein aus der Summe der Entscheidungen der Nachsichtsbehörde abgeleitetes 'sekundäres' Befähigungsnachweissystem entwickeln, wobei es völlig unwahrscheinlich ist, daß es nicht zu Inkonsistenzen und Wertungswidersprüchen zwischen dem formalisierten Befähigungsnachweis und dem in den Nachsichtsverfahren geforderten Nachweis der fachlichen Befähigung kommt. Wenn die Schaffung eines Befähigungsnachweises im allgemeinen als im öffentlichen Interesse zu erkennen ist, so ist es nur konsequent, wenn der Gesetzgeber Vorsorge dafür trifft, daß die Einheitlichkeit des Befähigungsnachweissystems nicht durch praktisch kaum vermeidbare Divergenzen zwischen dem standardisierten Befähigungsnachweis und der Entscheidungspraxis der Nachsichtsbehörden verloren geht."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.a. Die beim Verfassungsgerichtshof zu B1307/90 und B1394/90 anhängigen Beschwerden sind zulässig. Da der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über diese Beschwerden § 28 Abs 1 GewO 1973 anzuwenden hat sowie auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der genannten Gesetzesbestimmung zulässig.

b. Zulässig ist auch der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zu G16/92, da auch dieser bei seiner Entscheidung über die zur Zl. 90/03/0271 bei ihm anhängigen Beschwerde § 28 Abs 1 GewO 1973 anzuwenden hat.

2.a. § 22 Abs 1 GewO 1973 sieht vor, daß die Befähigung für gebundene und, soweit durch besondere Vorschriften vorgesehen, für konzessionierte Gewerbe durch Belege der in den Z. 1 bis 5 dieser Bestimmung angeführten Art nachzuweisen ist. Die Befähigung für ein Handwerk ist gemäß § 18 Abs 1 GewO 1973 durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung nachzuweisen. Gemäß § 21 GewO 1973 sind für alle Handwerke unter Bedachtnahme auf § 18 Abs 2 GewO 1973 Meisterprüfungsordnungen zu erlassen. Ebenso ist durch Verordnung nach § 22 Abs 3 GewO 1973 festzulegen, durch welche Belege der Befähigungsnachweis für ein bestimmtes gebundenes oder konzessioniertes Gewerbe erbracht wird. Sofern darin als Befähigungsnachweis das Zeugnis über eine Meisterprüfung oder (für gebundene und konzessionierte Gewerbe) über eine andere erfolgreich abgelegte Prüfung gefordert wird, sind fehlende Voraussetzungen für die Zulassung zu diesen Prüfungen gemäß § 28 Abs 6 GewO 1973 nachzusehen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers eine erfolgreiche Ablegung der Prüfung erwartet werden kann. Schließlich ist der vorgeschriebene Befähigungsnachweis nach der in Prüfung gezogenen Vorschrift des § 28 Abs 1 GewO 1973 unter den dort (in der Z. 1) angeführten besonderen Voraussetzungen fehlender Zumutbarkeit der Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises oder besonderer örtlicher Verhältnisse (von der Voraussetzung nach Z. 2 kann hier abgesehen werden) überhaupt nachzusehen, "wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt".

Daß auch bei fehlender Zumutbarkeit der Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises oder im Fall eines besonderen örtlichen Bedarfes nach entsprechenden gewerblichen Leistungen eine üblicherweise durch den formellen Befähigungsnachweis belegte tatsächliche Befähigung vorhanden sein muß, daß also die besonderen Voraussetzungen für die Nachsichtsgewährung nach der Z. 1 des § 28 Abs 1 GewO 1973 zusätzlich zu einer gehörigen faktischen Befähigung vorliegen müssen, beweisen auch die Abs 2 und 3 des § 28 GewO 1973. Danach darf nämlich (immer unter den Voraussetzungen der Z. 1 des § 28 Abs 1 GewO 1973) die Nachsicht nur für einen Teil des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises erteilt werden, sofern Bildungsgang und bisherige Tätigkeit des Nachsichtswerbers lediglich einen Teil der Berufsausbildung "zu ersetzen vermögen" oder es darf die Nachsicht nur mit Beschränkung auf eine Teiltätigkeit eines Gewerbes erteilt werden, "wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist". Aus den zuletzt angeführten Bestimmungen wird deutlich, daß im Wege der Nachsichtsgewährung nach § 28 Abs 1 GewO 1973 der Standard der "fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen", die gemäß § 16 Abs 2 GewO 1973 erforderlich sind, "um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können", nicht unterschritten werden darf.

Es entspricht auch der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwSlg. 12732A/1988; Zl. 88/04/0235; , Zl. 88/04/0310), der sich der Verfassungsgerichtshof trotz des nicht ganz eindeutigen Wortlautes des Gesetzes ("... angenommen werden kann, ...") anschließt, daß eine Nachsicht nach § 28 Abs 1 GewO 1973 lediglich von der durch die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften geforderten Art des Nachweises der erforderlichen Befähigung, nicht jedoch von der Befähigung selbst erteilt werden kann. Dieser auch im Wege der Nachsichtsgewährung nicht zu unterschreitende Befähigungsstandard ist in der jeweiligen, gemäß § 21 GewO 1973 erlassenen Meisterprüfungsordnung bzw. in der gemäß § 22 Abs 3 und 8 GewO 1973 erlassenen Verordnung über die erforderlichen Befähigungsnachweise implizit verbindlich festgelegt.

b. Der Verfassungsgerichtshof vermag angesichts des dargestellten, von der GewO 1973 normativ verwirklichten Systems zur Erreichung eines bestimmten Standards gewerblicher Leistungen, der durch eine entsprechende Befähigung der Gewerbeberechtigten sichergestellt wird, der Auffassung der Bundesregierung nicht zuzustimmen, wonach (- unter der Voraussetzung, daß die Anerkennung gleichwertiger Ausbildungsalternativen im Lichte der Art 6 und 18 StGG verfassungsrechtlich geboten ist -) gemäß § 22 Abs 3 GewO 1973 die alternativen Ausbildungswege in das Berufsausbildungssystem der jeweiligen Befähigungsnachweis-Verordnung miteinzubeziehen seien. Vielmehr war es der Wille des Gesetzgebers, - dem diesbezüglich auch vom Standpunkt der Art 6 und 18 StGG nicht entgegengetreten werden kann - , standardisierte, also einheitliche und überschaubare Ausbildungsgänge und Prüfungsanforderungen zu schaffen, die sich an der meisterlichen Ausführung der dem Gewerbe eigentümlichen Arbeiten (§18 Abs 2 GewO 1973 für Handwerker) orientieren und mit denen auf den "jeweiligen Stand der Entwicklung des betreffenden Gewerbes, auf die von Personen, die Leistungen des Gewerbes in Anspruch nehmen, üblicherweise gestellten Anforderungen, auf Gefahren ..., die von der Gewerbeausübung ausgehen können, auf die an die selbständige Ausübung des Gewerbes zu stellenden Anforderungen" (§22 Abs 3 GewO 1973) sowie insbesondere auch auf die "notwendigen kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse" (§18 Abs 2 GewO 1973) Bedacht genommen wird. Neben diesen schon aus Gründen der gebotenen Standardisierung der Anforderungen an gewerbliche Leistungen präzisen (und daher zwangsläufig relativ starren) Anordnungen über die konkreten Befähigungsnachweise sollte es auch Personen mit einer davon abweichenden Ausbildung bei Erreichung eines mindestens gleichen Ausbildungszieles im Wege der Nachsicht ermöglicht werden, entsprechende Gewerbeberechtigungen zu erlangen. Da es von vornherein undenkbar schien, der praktischen Vielfalt unterschiedlicher Ausbildungsgänge in den Verordnungen nach § 21 Abs 1 und § 22 Abs 3 GewO 1973 abschließend Rechnung zu tragen, berücksichtigte der Gesetzgeber die notwendige Elastizität beim Nachweis der gebotenen (und in den Befähigungsnachweis-Verordnungen sowie Meisterprüfungsordnungen gleichsam standardisierten) Befähigungen durch entsprechende Nachsichtsregelungen.

Die Erteilung einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis gemäß der in Prüfung gezogenen Bestimmung der GewO 1973 bildet - anders als die Bundesregierung meint - auch nicht nur einen seltenen Härte- oder Ausnahmefall. Da es weder möglich noch vom Gesetz intendiert ist, in den Verordnungen gemäß § 21 Abs 1 und § 22 Abs 3 GewO 1973 sämtliche Ausbildungsalternativen zur Erlangung des jeweils erforderlichen Befähigungsnachweises gleichsam erschöpfend aufzuzählen, können im heutigen Wirtschaftsleben die relativ engen Grenzen gewerblicher Berechtigungen nicht anders als durch Nachsichtserteilung den tatsächlichen, vornehmlich wirtschaftlichen Bedürfnissen angepaßt werden. Die in seinen Prüfungsbeschlüssen aufgeworfenen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes richten sich sohin - im Gegensatz zu den von der Bundesregierung angestellten Überlegungen - folgerichtig auch nicht gegen die in den Anlaßfällen angewendeten Befähigungsnachweis-Verordnungen, sondern gegen die restriktiven Voraussetzungen für die Nachsichtsgewährung, also gegen die Bestimmung des § 28 Abs 1 GewO 1973.

c. Die Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis greift in die Freiheit der Erwerbsbetätigung eines Nachsichtswerbers gemäß Art 6 StGG ein. § 28 Abs 1 GewO 1973 stellt gesetzliche Voraussetzungen auf, deren Erfüllung erst (durch Gewährung der Nachsicht) den Erwerbsantritt eines Nachsichtswerbers ermöglicht. § 28 Abs 1 GewO 1973 ist sohin aus dem Blickwinkel des Art 6 StGG nur dann verfassungsmäßig, wenn die vom Gesetzgeber normierten Voraussetzungen für die Gewährung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11625/1988, 11853/1988, 12094/1989; ).

Wie aus der unter a. geschilderten Regelung deutlich wird, fordert der Gesetzgeber für den Zugang zum Gewerbe durch Erteilung einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis gemäß § 28 Abs 1 GewO 1973 nicht nur die volle Befähigung des Nachsichtswerbers, die der Behörde auf andere Art und Weise als durch den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nachgewiesen wird, sondern zusätzlich (also kumulativ) noch die subjektive Unzumutbarkeit der Erbringung des in der Befähigungsnachweis-Verordnung oder Meisterprüfungsordnung vorgeschriebenen - regelmäßigen - Befähigungsnachweises oder das Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse, die für die Erteilung der Nachsicht sprechen, also beispielsweise einen besonderen örtlichen Bedarf nach den betreffenden gewerblichen Leistungen.

Jedenfalls dann, wenn es auf Grund der in den Nachsichtsregelungen zum Ausdruck gelangenden Auffassung des Gesetzgebers an sich möglich ist, die volle Befähigung zur Ausübung eines Gewerbes auch auf andere als die in der Befähigungsnachweis-Verordnung vorgesehene Art nachzuweisen, fehlt es an einem öffentlichen Interesse, den Zugang zum Gewerbe in diesem Fall nur unter besonderen, erschwerten Voraussetzungen zuzulassen. Zwar liegt es zweifellos im öffentlichen Interesse, einen gewissen Standard fachlicher Leistungen zu sichern und zu diesem Zweck den Nachweis entsprechender Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen im Sinne des § 16 Abs 2 GewO 1973 zu verlangen. Hingegen fehlt es an einem öffentlichen Interesse, in Fällen, in denen die Fähigkeit zur Erbringung fachlicher Leistungen des zu fordernden Standards nachweislich (wenn auch anders als auf die in der Befähigungsnachweis-Verordnung vorgesehene Art) vorliegt, den Zugang zum Gewerbe von weiteren erschwerenden Voraussetzungen abhängig zu machen. Wenn die volle tatsächliche Befähigung für eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit (wenn auch anders als in der Befähigungsnachweis-Verordnung vorgesehen) nachgewiesen wird, können jedenfalls Interessen der Konsumenten sowie allenfalls von Mitbewerbern an der Qualifikation des Nachsichtswerbers keine zureichenden Gründe bilden, um derart vollbefähigte Nachsichtswerber zum Gewerbe nur unter den weiteren Voraussetzungen zuzulassen, daß ihnen der "normale" Befähigungsnachweis nicht zuzumuten ist oder ein spezifischer örtlicher Bedarf besteht.

Die Befürchtung der Bundesregierung, daß sich bei Entfall der Ausnahmegründe des § 28 Abs 1 Z. 1 GewO 1973 viele Berufsinteressenten dazu ermuntert erachtet könnten, nicht den standardisierten, sondern einen von ihnen als gleichwertig eingeschätzten Ausbildungsweg einzuschlagen, um dann vor dem Problem eines zumindest teilweise frustrierten Ausbildungsaufwandes zu stehen, teilt der Verfassungsgerichtshof nicht. Das bestehende, vom Gewerberechtsgesetzgeber verwirklichte System zur Erbringung des Nachweises gewerblicher Befähigungen baut auf den (im Wege von Meisterprüfungsordnungen und Befähigungsnachweis-Verordnungen) gleichsam standardisierten und formalisierten Befähigungsnachweisen auf und wird durch die Gewährung von Nachsichten verschiedener Art lediglich ergänzt:

Fehlt es an einzelnen Voraussetzungen für die Zulassung zur Meisterprüfung oder zu einer anderen, in einer Befähigungsnachweis-Verordnung geforderten Prüfung, ist diese Voraussetzung nachzusehen, wenn der Bildungsgang und die bisherige Tätigkeit des Nachsichtswerbers eine erfolgreiche Ablegung der Prüfung erwarten lassen, wenn dieser sohin eine abgeschlossene Ausbildung (wenn auch noch keinen Nachweis der Befähigung) darzutun vermag. Ist darüber hinaus nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers anzunehmen, "daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt", so verzichtet der Gesetzgeber auf die in der Befähigungsnachweis-Verordnung umschriebene Art der Erbringung des Befähigungsnachweises. Da der Nachweis der Befähigung ohne die in der Befähigungsnachweis-Verordnung vorgeschriebene Prüfung in aller Regel einen schwierigeren und anspruchsvolleren Ausbildungsweg zur Erreichung des in jener Verordnung festgelegten Befähigungsstandards (vgl. Zl. 88/04/0235) voraussetzt, (- die Anlaßfälle vor dem Verfassungsgerichtshof zum vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren, bei denen die Beschwerdeführer nicht nur eine akademische Ausbildung, sondern auch eine langjährige verantwortliche Tätigkeit in den entsprechenden Gewerben nachweisen konnten, bilden dafür bezeichnende Beispiele -), ist schlechthin auszuschließen, daß dieser Ausbildungsweg gegenüber dem in der Befähigungsnachweis-Verordnung standardisierten bevorzugt wird. Regelmäßig wird daher der in der Befähigungsnachweis-Verordnung vorgezeichnete Ausbildungsweg der einfachere sein und eine Nachsicht nur dann in Betracht kommen, wenn der Nachsichtswerber darzutun vermag, daß er auf Grund eines von der Befähigungsnachweis-Verordnung zwar abweichenden, aber gleichwohl anspruchsvolleren Ausbildungsweges mindestens die gleiche Befähigung besitzt, wie sie dort vorgezeichnet wird.

Damit ist aber auch den verwaltungsökonomischen Einwänden entgegnet, aus denen die Bundesregierung dem formalisierten Befähigungsnachweis Vorrang vor dem im Wege der Nachsicht anerkannten Ausbildungsgang zuerkennen will. Wenn nämlich die im Wege der Nachsicht anzuerkennende, von der in der jeweiligen Befähigungsnachweis-Verordnung abweichende Ausbildung von vornherein einen regelmäßig schwierigeren und anspruchsvolleren, beispielsweise wie in den Anlaßfällen einen akademischen Ausbildungsweg voraussetzt, werden bei dessen Nachprüfung auch der Gewerbebehörde keine besonderen, vom üblichen Verfahren abweichende Schwierigkeiten erwachsen. Im übrigen ist nach der oben dargestellten, bestehenden Rechtslage bei Bejahung der Unzumutbarkeit der Ablegung der Prüfung bzw. bei Vorliegen eines örtlichen Bedarfes die Gewerbebehörde gemäß § 28 Abs 1 GewO 1973 auch jetzt schon der Notwendigkeit nicht entbunden, die volle tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers zu überprüfen.

Entgegen der Annahme der Bundesregierung ist es auch keineswegs wahrscheinlich, daß sich ein "aus der Summe der Entscheidungen der Nachsichtsbehörde abgeleitetes 'sekundäres' Befähigungsnachweissystem entwickelt", das "zu Inkonsistenzen und Wertungswidersprüchen zwischen dem formalisierten Befähigungsnachweis und dem in den Nachsichtsverfahren geforderten Nachweis der fachlichen Befähigung" führt. Die Bundesregierung übersieht, daß es sich bei dem in der jeweiligen Befähigungsnachweis-Verordnung vorgezeichneten Ausbildungssystem stets um das einfachere, "normale" handelt, während ein sonstiger, davon abweichender Ausbildungsweg nur dann im Wege der Nachsicht anerkannt werden darf, wenn auf Grund seiner in der Regel anspruchsvolleren Gestaltung von vornherein kein Zweifel besteht, daß auch dadurch der normativ geforderte Ausbildungsstandard erreicht wurde.

Wenn aber Personen, die einen an sich schwierigeren und anspruchsvolleren Ausbildungsweg gegangen sind und die nachweislich mindestens den in der Befähigungsnachweis-Verordnung vorgezeichneten Ausbildungsstandard erreicht haben, vom Gewerbeantritt ausgeschlossen werden, weil sie nicht noch zusätzlich besondere, in der Z. 1 des § 28 Abs 1 GewO 1973 umschriebene Voraussetzungen erfüllen, so verstößt diese Gewerbezugangsbeschränkung mangels eines öffentlichen Interesses gegen Art 6 StGG.

d. § 28 Abs 1 GewO 1973 verstößt aber auch gegen die durch Art 18 StGG jedermann gewährleistete Freiheit, sich für den erwählten Beruf "auszubilden, wie und wo er will".

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , V212/90, dargetan hat,

"muß die Festsetzung von Bedingungen für die Ausübung eines Erwerbszweiges im Sinne des Art 6 StGG ... in Zusammenhalt mit der Berufswahl- und -ausbildungsfreiheit gemäß Art 18 StGG verstanden werden. Wenn es gemäß Art 18 StGG jedermann freisteht, 'seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will' so ist der Gesetzgeber wohl nicht gehindert, gemäß Art 6 StGG für den Antritt eines Erwerbszweiges entsprechende, für die Ausübung des Erwerbszweiges erforderliche und adäquate Ausbildungsgänge vorzuschreiben; er ist jedoch verfassungsrechtlich verpflichtet - soll das im Art 18 StGG gewährleistete Recht neben Art 6 StGG nicht sinn- oder zumindest bedeutungslos sein -, sachlich gleichwertige Ausbildungsalternativen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber darf sohin auf Grund des Gesetzesvorbehaltes des Art 6 StGG zweifelsohne Regelungen treffen, mit denen der Erwerbsantritt von der Absolvierung bestimmter Berufsausbildungsgänge abhängig gemacht wird, die (für die gehörige Ausübung und damit für den Antritt eines Erwerbszweiges) im öffentlichen Interesse gelegen, zu dessen Verwirklichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt sind. Er ist jedoch kraft Art 18 StGG verhalten, dabei die Absolvierung ihrer Art nach gleichwertiger Ausbildungsgänge als Erwerbsantrittsvoraussetzung nicht schlechthin auszuschließen ... . Verfassungswidrig wäre - weil sie Art 6 in Verbindung mit Art 18 StGG zuwiderlaufen würde - sohin eine rechtliche Regelung, welche Ausbildungsmöglichkeiten ausschließt, die in gleicher Weise wie die zur gesetzlichen Bedingung eines Erwerbsantrittes gemachte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen lassen."

Gewiß besitzt der Gesetzgeber hinsichtlich des Ausbildungszieles ein beträchtliches Maß an Gestaltungsfreiheit. Sind jedoch im Hinblick auf das Ausbildungsziel sachlich gleichwertige Ausbildungsalternativen evidentermaßen, - insbesondere auch durch deren Anerkennung durch den Gesetzgeber -, vorhanden, so ist der Gesetzgeber kraft Art 18 StGG verhalten, diese Ausbildungsalternativen ohne Diskriminierung zu berücksichtigen.

§ 28 Abs 1 GewO 1973 geht, wie auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur (vgl. VwSlg. 12732A/1988; Zl. 88/04/0235, sowie , Zl. 88/04/0310) erkannt hat, davon aus, daß eine Nachsicht lediglich von der Art des Nachweises der erforderlichen Befähigung, keinesfalls jedoch von der Befähigung selbst erteilt wird. Die Nachsicht darf sohin von vornherein nur erteilt werden, wenn die vom Nachsichtswerber absolvierte Ausbildung mindestens in gleicher Weise wie die in der Befähigungsnachweis-Verordnung geforderte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen läßt. Gleichwohl ist die erforderliche Nachsicht gemäß der Z. 1 des § 28 Abs 1 GewO 1973 nur dann zu erteilen, wenn über die notwendige Ausbildung hinaus noch weitere, nicht ausbildungsbezogene Voraussetzungen vorliegen. Insoweit greift aber diese Regelung in das durch Art 18 StGG gewährleistete Recht des Nachsichtswerbers unzulässigerweise ein, sich für seinen Beruf "auszubilden, wie und wo er will": werden doch dadurch die Absolventen von Ausbildungsalternativen, die vom Gesetzgeber selbst als gleichwertig anerkannt wurden, zum Erwerbsantritt nur unter weiteren, nicht ausbildungsbezogenen Voraussetzungen zugelassen und damit diskriminiert. Die Regelung verstößt sohin auch gegen Art 18 StGG.

3. Der Verfassungsgerichtshof vertrat in seinen Prüfungsbeschlüssen vorläufig die Auffassung, daß die Regelung des § 28 Abs 1 GewO 1973 einen in sich untrennbar zusammenhängenden Tatbestand für die Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis bildet und zog daher diese Bestimmung insgesamt in Prüfung.

Er hat jedoch davon auszugehen, daß der Umfang der aufzuhebenden Vorschrift derart abgegrenzt wird, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 9374/1982, 11506/1987).

Da der Widerspruch des § 28 Abs 1 GewO 1973 zu Art 6 und 18 StGG dadurch bewirkt wird, daß trotz tatsächlicher Befähigung des Nachsichtswerbers lediglich unter den einschränkenden Voraussetzungen, die in der Z. 1 dieser Bestimmung genannt sind, die Nachsicht erteilt werden darf, genügt es, lediglich die Wortfolge

"1.a) ihm die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen, und 2."

als verfassungswidrig aufzuheben. Sollte nämlich die tatsächliche volle Befähigung nach § 28 Abs 1 GewO 1973 nur zu prüfen sein, wenn Ausnahmegründe im Sinne der lita) oder b) vorliegen, so wäre einer solchen Auslegung des Gesetzes entgegenzuhalten, daß sie erst recht dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Berufsausbildungsfreiheit widerstreitet.

Dem Verfassungsgerichtshof scheint somit die Aufhebung der bezeichneten Wortfolge ein geringerer Eingriff in den Rechtsbestand als die gänzliche Aufhebung des in Prüfung gezogenen § 28 Abs 1 GewO 1973, weil diese die Möglichkeit der Nachsicht trotz vorliegender und nachgewiesener tatsächlicher Befähigung überhaupt beseitigen würde. Der Verfassungsgerichtshof konnte sich sohin damit begnügen, die zitierte Wortfolge in § 28 Abs 1 GewO 1973 aufzuheben und im übrigen auszusprechen, daß der verbleibende Teil des § 28 Abs 1 GewO 1973 nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Der diesbezügliche Antrag des Verwaltungsgerichtshofes war sohin abzuweisen.

Die sonstigen Aussprüche stützen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.