VfGH vom 02.12.1983, g3/83
Sammlungsnummer
9883
Leitsatz
KarwendelschutzV; § 5 Abs 2 der als Landesgesetz in Geltung stehenden Verordnung des Reichsstatthalters in Tir. und Vbg. vom über das Naturschutzgebiet Karwendel widerspricht als unbestimmte Ermächtigung, Ausnahmen von gesetzlichen Verboten zu erteilen, Art 18 B-VG
Spruch
§5 Abs 2 der nach § 40 des Tir. Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975, Anlage Z 5, als Landesgesetz in Geltung stehenden Verordnung des Reichsstatthalters in Tir. und Vbg. vom über das Naturschutzgebiet Karwendel, Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Tir. und Vbg. Nr. 21, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von Tir. ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Verordnung des Reichsstatthalters in Tir. und Vbg. vom , Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Tir. und Vbg. 1943, Nr. 21 (Seite 124, Z 143), wurde aufgrund von Bestimmungen des Reichsnaturschutzgesetzes vom , RGBl. Nr. I, S 821, sowie der Durchführungsverordnung vom , RGBl. Nr. I, S 1275 (in Österreich eingeführt am 10. Feber 1939 mit Verordnung RGBl. Nr. 1 S 217 bzw. GBlÖ Nr. 245/1939) das Karwendelgebirge und sein Vorland im näher beschriebenen Umfang "in das Reichsnaturschutzbuch eingetragen und damit unter den Schutz des Reichsnaturschutzes gestellt" (§1). Die verordneten Verbote (§§3 und 4) betreffen Einflüsse auf Pflanzen und freilebende Tiere, wirtschaftliche Nutzungen und Veränderungen der Bodengestalt einschließlich der natürlichen Wasserläufe und Wasserflächen; insbesondere ist das Einbringen von Pflanzen und Tieren, Abfällen und Schutt oder Bodenbestandteilen sowie das Anbringen von Bild- und Schrifttafeln und die Anlegung neuer Wege und Steige untersagt; die Errichtung von Bergwirtshäusern und Unterkunftshütten, Straßen und Eisenbahnen, Hoch- und Niederspannungs- und Telegrafenleitungen ist an die Zustimmung der höheren Naturschutzbehörde gebunden.
§5 der Verordnung lautet:
"(1) Unberührt bleibt:
a) die rechtmäßige Ausübung der Jagd, wie die forstliche Nutzung einschließlich der Anlage forstlicher Bringungswege unter tunlichster Schonung der vorhandenen Eiben, Zirben und Stechpalmen;
b) die übliche landwirtschaftliche Nutzung der Landeskulturverwaltung einschließlich Förderungsmaßnahmen.
(2) In besonderen Fällen können Ausnahmen von den Vorschriften dieser Verordnung von mir genehmigt werden."
Diese Verordnung (im folgenden kurz KarwendelschutzV) ist durch das Rechts-ÜberleitungsG, StGBl. Nr. 6/1945, als österreichisches Recht in Geltung gesetzt worden. Die Grenzen des Naturschutzgebietes wurden durch Verordnung der Landesregierung vom , LGBl. Nr. 15, abgeändert. Nach dem Tir. NaturschutzG 1951, LGBl. Nr. 31, traten alle bis dahin in Geltung gestandenen Rechtsvorschriften über den Naturschutz außer Kraft (§20 Abs 2), doch galten die aufgrund der aufgehobenen Vorschriften erlassenen Verordnungen als nach diesem Gesetz erlassen bis zu einer anderweitigen Regelung aufgrund dieses Gesetzes weiter (§20 Abs 3).
Das Tir. NaturschutzG 1974, LGBl. Nr. 15/1975 (im folgenden kurz NSchG), verbindet die Erklärung zum Landschaftsschutzgebiet mit der Bewilligungspflicht für verschiedene Maßnahmen (§7), regelt die Erteilung der Bewilligung (§13) und sieht auch die Bewilligung von Ausnahmen von den für Naturschutzgebiete (§19 Abs 1 und 4) angeordneten Verboten unter bestimmten Voraussetzungen vor (§19 Abs 3 und § 24). Nach § 40 Abs 1 bleiben die in der Anlage zu diesem Gesetz angeführten Verordnungen über die Erklärung von Gebieten zu Naturschutzgebieten nach § 4 und nach § 20 Abs 3 des Naturschutzgesetzes 1951 als Gesetze in Geltung, bis durch Verordnungen, die aufgrund dieses Gesetzes erlassen werden, eine anderweitige Regelung getroffen wird; Z 5 dieser Anlage nennt die KarwendelschutzV idF LGBl. Nr. 15/1947.
2. Beim VwGH sind Verfahren über Beschwerden gegen einen Bescheid der Tir. Landesregierung anhängig, der die Ausnahmegenehmigung für Wegebaumaßnahmen mit Berufung auf die §§3 und 5 Abs 2 KarwendelschutzV versagt. Der VwGH vermeint bei Beurteilung dieser Beschwerden gleichfalls § 5 Abs 2 dieser Verordnung anwenden zu müssen und beantragt dessen Aufhebung als verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen das Gebot der Bestimmtheit von Gesetzen (Art18 Abs 1 B-VG). Die Worte "In besonderen Fällen" stellten keine hinreichende Vorausbestimmung des verwaltungsbehördlichen Verhaltens dar, weil sich aus ihnen nicht erkennen ließe, welche Momente Fälle zu "besonderen" machen und die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung rechtfertigen. Auch sonst ergäbe sich kein tauglicher Hinweis:
"Die Übergangsbestimmungen des Tir. Naturschutzgesetzes, insbesondere die des § 40 Abs 1 ..., lassen nicht erkennen, welchen Kategorien von Schutzgebieten iS dieses Gesetzes das Naturschutzgebiet Karwendel entspräche, den im zweiten Abschnitt dieses Gesetzes genannten Schutzgebieten (Landschaftsschutzgebiete, Ruhegebiete, Naherholungsgebiete, Naturpark, geschützter Landschaftsteil, Nationalpark) oder den im vierten Abschnitt genannten Schutzgebieten (Naturschutzgebiete iS des § 19 Abs 1 oder Naturschutzgebiete iS des § 19 Abs 4 ...).
Da die Tatbestandsvoraussetzungen der Verordnungsermächtigungen im zweiten und vierten Abschn. des Tir. Naturschutzgesetzes ebenso wie die Systematik der Schutzgewährung von den Tatbestandsvoraussetzungen der Verordnungsermächtigungen in den §§4, 5 des ehemaligen Reichsnaturschutzgesetzes ... ebenso erheblich abweichen, wie die Systematik des Schutzes durch dieses Gesetz (vgl. die §§15, 16 Abs 2, 19 ...), erscheint dem VwGH eine eindeutige Zuordnung des Karwendel-Naturschutzgebietes unter die Schutzgebietsbegriffe des Tir. Naturschutzgesetzes nicht möglich. Daraus folgt, daß die nach der Art des Schutzgebietes voneinander abweichenden Bewilligungsvoraussetzungen gemäß §§13 Abs 1, 19 Abs 3 und Abs 7, 24 Abs 1 NSchG schon deshalb nicht zur Determinierung der Ausnahmegenehmigungsvoraussetzung iS der durch diesen Antrag angefochtenen Gesetzesstelle herangezogen werden können.
3. Die Tir. Landesregierung tritt diesem Antrag entgegen. Der Ausdruck "In besonderen Fällen" sei ein unbestimmter Gesetzesbegriff, der seine nähere inhaltliche Determinierung aus dem Zweck der KarwendelschutzV, aus dem Zusammenhang, in dem er gebraucht wird, und aus der untrennbaren Verbindung der KarwendelschutzV mit dem NSchG erhalte:
"Der VfGH hat in ständiger Rechtsprechung eine ausreichende Determinierung von unbestimmten Gesetzesbegriffen wie 'öffentliche Interessen' (VfSlg. 4221/1962, 7879/1976 ua.), 'wichtige Gründe' (VfSlg. 3809/1960, 'wichtige Rücksichten' (VfSlg. 3297/1957), 'unwesentlich' (VfSlg. 4898/1964), 'zureichender Grund' (VfSlg. 7198/1973) und 'ausnahmsweise' (VfSlg. 7521/1975) iS des Art 18 Abs 1 B-VG angenommen. Auch der VwGH hat in seiner Rechtsprechung (vgl. etwa die Erk. vom , Z 919/68, vom , Z 126/69, und vom , Slg. 8189/A) zur Auslegbarkeit des Ausdruckes 'ausnahmsweise' keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert, sondern stets im Einzelfall die Übereinstimmung des individuellen Verwaltungsaktes mit diesem unbestimmten Rechtsbegriff überprüft. Er hat das Wort 'ausnahmsweise' dahin ausgelegt, daß es das Vorliegen eines Ausnahmefalles unschreibt; dieser sei dann anzunehmen, wenn die Situation eines Konsenswerbers sich in objektiver Hinsicht von der Situation anderer dadurch abhebt, daß ein triftiger Grund dafür besteht, eine Ausnahme anzustreben.
Es bestehen keine Bedenken, den unbestimmten Gesetzesbegriff 'in besonderen Fällen' iS von 'aus wichtigen Gründen' oder 'ausnahmsweise' zu verstehen. Die wörtliche Interpretation des im § 5 Abs 2 ... verwendeten Begriffes führt zum Ergebnis, daß das Gesetz neben jenen 'besonderen Fällen' - bei deren Vorliegen eine Ausnahmegenehmigung von den aufgezählten Verboten erteilt werden kann - offensichtlich auch weniger qualifizierte Fälle kennt, die in der Folge zur Abweisung eines diesbezüglichen Antrages führen müssen. Die Behörde hat unter Bedachtnahme auf den Zweck der KarwendelschutzV den unbestimmten Gesetzesbegriff auszulegen und den Sachverhalt rechtlich zu würdigen, dh. unter Berücksichtigung aller entscheidungsrelevanten Umstände das Bestehen eines Ausnahmefalles zu bejahen oder zu verneinen. Der Zweck ... läßt sich aus den in den §§3 und 4 taxativ aufgezählten Verbotstatbeständen erkennen; er liegt im Schutz und in der Erhaltung der Natur und des Landschaftsbildes, exemplarisch ausgedrückt als Schutz der Tiere, Pflanzen und Gewässer, des Bodens, Landschaftsbildes usw.
Das Vorliegen eines Ausnahmefalles kann sich vorerst aus einem rein im privaten Interesse liegenden Umstand ergeben. Wird das Bestehen eines triftigen Grundes bejaht, so darf eine Ausnahmegenehmigung für die Verwirklichung eines privaten Vorhabens nur dann erteilt werden, wenn die beantragte Maßnahme mit dem Schutzzweck der Verbote bzw. mit dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung einer Beeinträchtigung nicht im Widerspruch steht. Dies ergibt sich aus dem Wesen des Naturschutzes und bedarf an sich keiner weiteren Ausführungen.
Zum anderen ist der Begriff 'in besonderen Fällen' auch so zu verstehen, daß selbst dann, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens ein Eingriff in den Schutzzweck der Verbote erfolgt, ein Ausnahmefall vorliegen kann. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist nämlich dann gerechtfertigt, wenn die Realisierung eines Vorhabens in einem anderen öffentlichen Interesse, wie etwa im regionalwirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Interesse gelegen ist und dieses öffentliche Interesse das allgemeine öffentliche Interesse an der Vermeidung einer Beeinträchtigung übersteigt. Im gegebenen Zusammenhang müßten die aus einem anderen Rechtsbereich herrührenden öffentlichen Interessen an den erklärten Zielen der KarwendelschutzV gemessen werden. Unter der Voraussetzung, daß die Interessenabwägung zugunsten der im Einzelfall gegebenen öffentlichen Interessen ausfiele, läge ein Ausnahmetatbestand vor, also ein Fall, der zu einem 'besonderen Fall' wird.
Im Erk. VfSlg. 6777/1972 hat der VfGH die Ansicht vertreten, daß eine inhaltliche Determinierung des Gesetzes sich auch aus dem allgemeinen Zweck einer gesetzlichen Regelung ergeben kann (vgl. auch VfSlg. 7820/1976).
Unter Bedachtnahme auf den allgemeinen Zweck der KarwendelschutzV - den Schutz und die Erhaltung der Natur und des Landschaftsbildes - wird durch die Bestimmung des § 5 Abs 2 ... in den beiden dargelegten Fällen das verwaltungsbehördliche Verhalten in einem dem Art 18 Abs 1 B-VG entsprechenden Ausmaß inhaltlich ausreichend determiniert.
Auch der textliche Zusammenhang, in dem der unbestimmte Gesetzesbegriff in der KarwendelschutzV gebraucht wird, spricht für diese Auffassung. In den §§3 und 4 sind - wie bereits erwähnt - taxativ jene Verhaltensweisen aufgezählt, die vom Gesetz mißbilligt und mit Strafe (§6) bedroht werden. § 5 Abs 1 lita und b normiert, daß gewisse Tätigkeiten, die an sich auch von den Verbotstatbeständen erfaßt wären, wie die Ausübung der Jagd und der Land- und Forstwirtschaft, aus bestimmten anderen öffentlichen Interessen überhaupt ausgenommen sind, und der Abs 2 dieser Gesetzesstelle bestimmt, daß 'in besonderen Fällen' die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung möglich ist. Der gesetzestechnische Aufbau ... bringt zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber zum Teil selbst eine Wertung von Vorhaben und Maßnahmen am Schutzzweck der Verbote der §§3 und 4 vornimmt (§5 Abs 1) und zum Teil der Behörde diese Aufgabe überträgt (§5 Abs 2). Der unbestimmte Gesetzesbegriff ist also am Zweck des Gesetzes auszulegen und so im Einzelfall zu beurteilen, ob ein Ausnahmefall vorliegt oder nicht. Es wäre unrichtig, eine Beurteilung der Frage, welche Fälle Ausnahme- bzw. 'besondere Fälle' sind, ohne Rücksicht auf die Stellung der KarwendelschutzV im System des Tir. Naturschutzrechtes vornehmen zu wollen. Die KarwendelschutzV steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Naturschutzgesetz (vgl. § 40 Abs 1, 2 und 5); der Schutzzweck der beiden Gesetze stimmt vollkommen überein. Ihr Inhalt darf nur unter Bedachtnahme auf die gesamte Rechtsordnung im allgemeinen und die Bestimmungen des Naturschutzgesetzes im besonderen beurteilt werden. Völlig isoliert betrachtet, wären nämlich sehr viele Begriffe der KarwendelschutzV, wie zB höhere bzw. oberste Naturschutzbehörde oder die Strafbestimmungen des § 6 ohne Bezug zur Gegenwart und daher nicht vollziehbar. Im Zusammenhang gesehen haben die beiden im § 5 Abs 2 der KarwendelschutzV zum Ausdruck gebrachten Ausnahmefälle die gleiche Bedeutung wie die §§13 Abs 1, lita und b bzw. 24 Abs 1 lita und b des Naturschutzgesetzes.
...
Die klare Absicht des Gesetzgebers, ein einheitliches System des Naturschutzrechtes zu schaffen, ergibt sich insbesondere aus den Materialien zum Naturschutzgesetz. Die EB zu § 40 der RV (Beilage 4 zu den Sten. Prot. VII. Periode, 27. Tagung) enthalten den Hinweis, daß es ... bis zum Inkrafttreten des NSchG nicht möglich sei, sämtliche Verordnungen, mit denen aufgrund des bisher geltenden Naturschutzgesetzes Gebiete zu Naturschutzgebieten erklärt worden sind, durch Verordnungen zu ersetzen, mit denen - je nach den Gegebenheiten des einzelnen Falles - Schutzgebiete der im Entwurf vorgesehenen Kategorien geschaffen werden. Um keine Unterbrechung im Bestand der - jeweils auf einer Verordnung beruhenden - Naturschutzgebiete eintreten zu lassen, sollen grundsätzlich die bisher erlassenen Verordnungen in Geltung bleiben, und zwar auf der Stufe von Landesgesetzen. ...
... Keinesfalls sollte aber durch das Weitergelten dieser Verordnungen (als Gesetze) ein von den Zielsetzungen des NSchG abweichendes Naturschutzrecht geschaffen werden. Der Gesetzgeber wollte unter Bedachtnahme auf die Einheitlichkeit des Systems die Behörden vielmehr verpflichten, alle in den ehemaligen Verordnungen enthaltenen Begriffe iS des NSchG auszulegen. Es erscheint daher richtig, zur näheren inhaltlichen Determinierung des Begriffes 'in besonderen Fällen', die §§13 Abs 1 lita und b - § 19 Abs 3 und 7 verweist auf § 24 - und 24 Abs 1 lita und b des NSchG heranzuziehen."
Im wesentlichen sei es ohne Bedeutung, ob das Karwendel als Landschaftsschutzgebiet oder als Naturschutzgebiet zu werten sei, da der unbestimmte Gesetzesbegriff für beide Gebiete gleich sei:
"Die Frage der Beeinträchtigung der in § 13 Abs 1 lita ... erwähnten
Art bzw. der Beeinträchtigung des Schutzzweckes iS des § 24 Abs 1
lita ... kann hier außer Betracht bleiben, weil sie zur näheren
Determinierung des 'besonderen Falles' nichts beizutragen vermag; sie hat lediglich Bedeutung im Hinblick auf die vom Tir. Naturschutzgesetz geforderte Interessenabwägung. Inhaltlich völlig gleich ist auch der Fall geregelt (vgl. §§13 Abs 1 litb und 24 Abs 1 litb des Tir. NSchG), wann das Vorliegen eines Ausnahmefalles nicht besteht, und zwar dann, 'wenn der angestrebte Zweck auf eine andere technische und wirtschaftlich vertretbare Weise erreicht werden kann, durch den die Beeinträchtigungen ... nicht oder in geringerem Umfang bewirkt werden'."
Im Wege verfassungskonformer Auslegung könne ein zureichend bestimmter Inhalt ermittelt werden.
Der VwGH hält dem insbesondere entgegen:
"Der Tir. Landesregierung scheint in erster Linie Synonymität mit dem Ausdruck 'ausnahmsweise' vorzuschweben. Eine solche führte jedoch zu folgender Leseart der angefochtenen Gesetzesbestimmung:
'Ausnahmsweise können Ausnahmen von den Vorschriften dieser Verordnung von mir genehmigt werden.' Hätte der Reichsstatthalter in Tir. und Vbg. als Höhere Naturschutzbehörde eine Regelung dieses Inhaltes beabsichtigt, so hätte er dies etwa wie folgt ausgedrückt:
'Ausnahmsweise' oder 'In Ausnahmefällen kann ich von den Verboten dieser Verordnung Befreiung gewähren'. Gerade dies ist aber nicht geschehen. Dem Gesetzgeber darf jedoch nicht unterstellt werden, die Worte 'In besonderen Fällen' als überflüssig betrachtet zu haben. Die besonderen Fälle, welche dem Gesetzgeber vorschweben, können daher nicht (nur) Ausnahmsfälle iS der zitierten Judikatur sein.
Dem Ausdruck 'In besonderen Fällen' wohnt entgegen der Ansicht der Tir. Landesregierung weder vom Sprachgebrauch noch vom Zusammenhang innerhalb der V her die Verweisung auf eine 'Interessenabwägung' inne.
Der Inhalt der Verbote (§§3, 4 der V) und die Ausnahmen von ihrer Geltung (§5 Abs 1 der V) geben ebenso wie der den Verboten zugrundeliegende Zweck (Naturschutz) lediglich Hinweise dafür, wann das Verbot gilt bzw. nicht gilt, jedoch keinen Aufschluß für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Genehmigung der Ausnahme vom geltenden Verbot zulässig oder gar geboten sein solle, also etwa nur in solchen Fällen, in denen das Verbot zur Erreichung des Schutzzweckes nicht erforderlich ist, oder auch in Fällen, in denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen, aber andere Interessen als solche des Naturschutzes (öffentliche und/oder private) diese überwiegen, oder etwa auch Fälle, in denen die einander gegenüberstehenden Interessen gleich gewichtig sind oder die Interessen am Naturschutz sogar überwiegen. So wäre es durchaus denkbar, unter 'besonderen Fällen' (auch) solche zu verstehen, deren Besonderheit nur darin gelegen ist, daß sie sich selten ereignen, ohne daß es darauf ankäme, wie ihr Verhältnis zu den Interessen des Naturschutzes ist",
und erwidert auf die These, dem NSchG seien ungeachtet verschiedener Arten von Schutzgebieten einheitliche Kriterien für die Bewilligung von Ausnahmen zu entnehmen:
"Zur Behauptung der Bedeutungslosigkeit dieser Unterscheidung gelangt die Tir. Landesregierung dadurch, daß sie willkürlich aus den zahlreichen positiven und negativen Bewilligungsvoraussetzungen die übereinstimmenden Elemente der negativen Voraussetzungen herauslöst. Es ist unverständlich, aus welchem Grund § 13 Abs 1 lita bzw. § 24 Abs 1 lita NSchG nun zur Determinierung des 'besonderen Falles' nichts beizutragen vermöchten, während von der Landesregierung kurz zuvor behauptet wurde, die '§§13 Abs 1 lita und b bzw. 24 Abs 1 lita und b' NSchG seien zur Determinierung des genannten Begriffes heranzuziehen. Dieser Widerspruch in der Argumentation zeigt, daß es auch der Landesregierung nicht gelingt, unter Bedachtnahme auf den gesamten Inhalt des NSchG eine Bestimmung des normativen Gehaltes der angefochtenen Gesetzesstelle vorzunehmen."
Zudem seien die Voraussetzungen für Ausnahmebewilligungen im Naturschutzgebiet selbst unterschiedlich, je nachdem, ob ein vom Gesetz verbotener Eingriff in die Natur oder ein durch Verordnung verbotenes Verhalten bewilligt werden soll. Ein einheitliches System (der Ausnahmebewilligungen) bestehe also gerade nicht.
Dagegen weist die Landesregierung darauf hin, daß die Vorschriften ungeachtet verschiedener Formulierungen in der Zielsetzung übereinstimmten, weil es in beiden Fällen darauf ankomme, daß Naturschutzinteressen nicht beeinträchtigt würden. Da es sich jedenfalls um kein Vollnaturschutzgebiet iS des § 19 Abs 2 erster Satz (gemeint: iS des § 19 Abs 1) NSchG handle, sei § 24 analog anzuwenden, soweit die KarwendelschutzV aber Merkmale eines Landschaftsschutzgebietes aufweise, § 13 NSchG.
II. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.
Die KarwendelschutzV steht seit als landesgesetzliche Vorschrift in Geltung (§§39 Abs 1, 40 Abs 1 iVm Anlage Z 5 NSchG; die Worte "bleiben ... in Geltung" haben nichts daran geändert, daß der Vorschrift vorher nur der Charakter einer Verordnung zukam). Mit der angegriffenen Bestimmung behält sich der Normgeber "in besonderen Fällen" die Genehmigung von Ausnahmen von den verfügten Verboten vor; bliebe man bei rein wörtlicher Auslegung, so läge darin seit dem eine bloße Absichtserklärung des Gesetzgebers, für bestimmte Fälle künftig Ausnahmen vorsehen zu wollen. Aber eine solche - den Normcharakter verneinende - Auslegung würde am Sinn und Zweck des Gesetzgebungsaktes vorbeigehen. Denn dieser will offenkundig die Geltung der Verordnung in jener Bedeutung sicherstellen, die ihr bis zum Inkrafttreten des NSchG beigemessen wurde.
An die Stelle des ehemaligen Verordnungsgebers war die Landesregierung getreten (vgl. auch §§2 und 4 NSchG 1951). Da auch nach dem geltenden NSchG Bewilligungen für Maßnahmen in Landschaftsschutzgebieten (§7 Abs 3) und Ausnahmebewilligungen in Naturschutzgebieten (§19 Abs 3 letzter Satz und Abs 7 zweiter Satz) von der Landesregierung erteilt werden, ist anzunehmen, daß die angegriffene Bestimmung seither die (gesetzliche) Ermächtigung der Landesregierung enthält, in besonderen Fällen Ausnahmen zu bewilligen.
Hat aber erst der Gesetzgebungsakt des Jahres 1974 der angegriffenen Vorschrift - in neuem normativem Zusammenhang - die Bedeutung einer Ermächtigung der Behörde gegeben, Ausnahmen von gesetzlichen Verboten zu genehmigen, dann kommt die Rechtsprechung des VfGH, daß mit dem Rechtsstaatsgebot des Art 18 B-VG schlechthin unvereinbare Normen am nicht Eingang in die vom B-VG beherrschte Rechtsordnung gefunden haben (VfSlg. 1797/1949, 3853/1960, 7031/1973, 7151/1973, 7936/1976 und 9058/1981), nicht in Betracht. Auch der angegriffene Teil der KarwendelschutzV steht als landesgesetzliche Vorschrift in Geltung.
Im übrigen ist nichts hervorgekommen, was Anlaß geben könnte, daran zu zweifeln, daß der VwGH diese Bestimmung in den bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden hat.
Die Prozeßvoraussetzungen sind gegeben.
III. Die Bedenken des VwGH, auf die sich der VfGH in diesem Verfahren zu beschränken hat, sind auch begründet. Die angegriffene Vorschrift bestimmt das verwaltungsbehördliche Handeln nicht hinreichend voraus und widerspricht daher dem Gebot des Art 18 Abs 1 B-VG.
Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, richtet sich nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und Zweck der Regelung und nach dem übrigen Inhalt der Rechtsordnung. Allein aus der Verwendung gleicher oder ähnlicher unbestimmter Begriffe in anderen Vorschriften läßt sich daher regelmäßig nichts ableiten. Es muß vielmehr jeder Fall für sich beurteilt werden, wobei alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen sind (vgl. VfSlg. 8395/1978).
Daß der Wortlaut des § 5 Abs 2 KarwendelschutzV nicht erkennen läßt, wann Ausnahmen von den gesetzlichen Verboten gestattet werden sollen, ist offenkundig. Zu prüfen - und im Verfahren strittig - ist daher auch nur, ob aus den Umständen zur Zeit ihrer Entstehung und der Zielsetzung in Verbindung mit anderen Vorschriften Gesichtspunkte gewonnen werden können, die das konkrete Verwaltungshandeln zureichend bestimmen. Der VfGH meint, das hier verneinen zu müssen.
1. Im Zeitpunkt der Formulierung der Bestimmung war das ReichsnaturschutzG Grundlage der Verordnung. Dieses Gesetz kündigte für Naturschutzgebiete in jedem Einzelfall besondere von der Naturschutzbehörde zu erlassende Bestimmungen an (§15 Abs 1 zweiter Satz) und untersagte unbeschadet solcher besonderer Bestimmungen und der bisherigen Benutzungsart Veränderungen ohne Genehmigung der Naturschutzbehörde (§16 Abs 2). Nähere Bestimmungen über die Voraussetzungen einer solchen Genehmigung enthielt es ebensowenig wie die Durchführungsverordnung. Ausnahmen von den durch die Naturschutzbehörde verfügten Verboten waren gleichfalls nicht vorgesehen.
Auch wenn man auf die Ziele des Gesetzes Bedacht nimmt (wie sie aus seiner Präambel und den einzelnen Bestimmungen hervorgehen), kann daher nur anhand der besonderen Bestimmungen für das jeweilige Naturschutzgebiet entnommen werden, ob und für welche Fälle eine Ausnahme möglich war. Die Frage nach einer den rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechenden Determinierung der Verwaltung durch den Gesetzgeber stellte sich nach der damaligen Verfassungslage nicht. Allenfalls hatte die verordnungsgebende Behörde Anlaß, das Verhalten unterstellter Behörden näher vorherzubestimmen.
Im vorliegenden Fall verfügte die höhere Naturschutzbehörde folgende Verbote:
§3.
Im Bereich des Naturschutzgebietes ist verboten:
a) Pflanzen zu beschädigen, auszureißen, auszugraben oder Teile davon abzupflücken, abzuschneiden oder abzureißen;
b) freilebenden Tieren nachzustellen, sie mutwillig zu beunruhigen, zu ihrem Fang geeignete Vorrichtungen anzubringen, sie zu fangen oder zu töten oder Puppen, Larven, Eier oder Nester und sonstige Brut- und Wohnstätten solcher Tiere fortzunehmen oder zu beschädigen, unbeschadet der berechtigten Abwehrmaßnahmen gegen Kulturschädlinge oder sonst lästige oder blutsaugende Insekten;
c) Pflanzen oder Tiere einzubringen;
d) eine andere als nach § 5 zugelassene wirtschaftliche Nutzung auszuüben;
e) die Wege dort zu verlassen, wo das Wild beunruhigt werden kann, zu zelten, zu parken, bei trockenem Wetter und hohem Graswuchs zu rauchen, Feuer zu machen, Abfälle wegzuwerfen oder das Gelände auf andere Weise zu beeinträchtigen;
f) Bodenbestandteile abzubauen, Sprengungen oder Grabungen vorzunehmen, Schutt- oder Bodenbestandteile einzubringen oder die Bodengestalt einschließlich der natürlichen Wasserläufe oder Wasserflächen auf andere Weise zu verändern oder zu beschädigen, auch neue Wege und Steige anzulegen, sowie neue Markierungen anzubringen;
g) Bild- und Schrifttafeln anzubringen, soweit sie nicht auf den Schutz des Gebietes hinweisen oder der Wegbezeichnung dienen;
h) Bergwirtshäuser und Unterkunftshütten, Straßen, Eisenbahnen, Hoch- und Niederspannungs- und Telegrafenleitungen ohne Zustimmung der höheren Naturschutzbehörde zu errichten.
§4.
Jeder Handel, An- und Verkauf, das Feilbieten, das öffentliche Anbieten und die öffentliche Aufforderung zur Lieferung von Pflanzen und Tieren aus dem Naturschutzgebiete ist verboten.
Die V nimmt also von vornherein auf die Notwendigkeit von Eingriffen in die Natur Bedacht, die aus öffentlichem Interesse von der höheren Naturschutzbehörde gestattet werden müssen. Sie beschränkt aber diese Möglichkeit - die offenbar eine Abwägung solcher Interessen mit dem Anliegen des Naturschutzes voraussetzt - zunächst auf die in lith genannten schwerwiegenden Maßnahmen. Wenn sich der Verordnungsgeber sodann Ausnahmen von den anderen Verboten, deren Auswirkungen auf den Schutzzweck im Einzelfall gewiß häufig hinter der Errichtung einer in lith genannten Anlage zurückbleiben, einschließlich allfälliger Ausnahmen von der Genehmigungspflicht nach lith ausdrücklich selbst vorbehielt, so konnte das nicht bloß dem Zweck dienen, die Vereinbarkeit solcher Ausnahmen mit dem Gesetzeszweck zu prüfen oder eine Interessenabwägung vorzunehmen, wie dies schon bei so einschneidenden Maßnahmen wie einem Straßen- oder Leitungsbau geschehen muß. Grund für diese Bestimmung konnte vielmehr nur sein, daß die höhere Naturschutzbehörde sich in der Handhabung dieser (in Aussicht gestellten) Möglichkeit nicht binden wollte (wozu sie nach Lage der Dinge auch keine Veranlassung hatte).
Aus der Verordnung selbst und ihrem ursprünglichen normativen Zusammenhang ist daher für eine Determinierung des Verhaltens (nunmehr: anderer Organe) nichts zu gewinnen.
2. Im Verfahren ist daher vor allem erörtert worden, ob nicht vielleicht das andersartige normative Umfeld der österreichischen Rechtsordnung der angegriffenen Bestimmung einen Inhalt gibt, der rechtsstaatlichen Erfordernissen entspricht. Auch diese Prüfung führt indessen zu negativen Ergebnissen:
a) Das NSchG unterscheidet zwischen Landschaftsschutzgebieten, Naturschutzgebieten nach § 19 Abs 1 und Naturschutzgebieten nach § 19 Abs 4. Zu Landschaftsschutzgebieten können Gebiete besonderer landschaftlicher Eigenart oder Schönheit erklärt werden (§7), Naturschutzgebiete sind solche, die durch völlige oder weitgehende Ursprünglichkeit ausgezeichnet sind (§19 Abs 1) oder Gebiete, die durch besondere Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt ausgezeichnet sind oder in denen seltene oder von der Ausrottung bedrohte Pflanzen- oder Tierarten oder seltene Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen vorkommen (§19 Abs 4). Die Erklärung zum Landschaftsschutzgebiet hat eine Reihe von Verhaltensweisen an eine besondere Bewilligung der Behörde zu binden (§7 Abs 2). In Naturschutzgebieten nach § 19 Abs 1 ist jeder Eingriff in die Natur - einschließlich der Ausübung der Jagd und der Fischerei - kraft Gesetzes verboten (§19 Abs 2 erster Satz); überdies hat die Landesregierung - wenn und soweit erforderlich - das Betreten des Gebietes, das Verlassen von Verkehrsflächen, das Kampieren, das Baden in Gewässern, jede erhebliche Lärmentwicklung und Außenlandungen bzw. Außenabflüge zu verbieten (§19 Abs 2 zweiter Satz). Für Naturschutzgebiete nach § 19 Abs 4 ist durch Verordnung der Schutzzweck anzugeben und sind - soweit erforderlich - bestimmte, im Gesetz genannten, Verbote auszusprechen (§19 Abs 5).
Die in Landschaftsschutzgebieten erforderliche Bewilligung ist gemäß § 13 Abs 1 erster Satz zu erteilen
"a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wurde, weder den Naturhaushalt noch den Erholungswert der Landschaft noch das Landschaftsbild in seiner Eigenart oder Schönheit noch die Grundlagen von Lebensgemeinschaften von Tieren oder Pflanzen in einer Weise beeinträchtigt, die dem öffentlichen Interesse, das durch die Festsetzung der Bewilligungspflicht geschützt werden soll, zuwiderläuft oder
b) wenn öffentliche, wie etwa regionalwirtschaftliche oder wissenschaftliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Beeinträchtigungen der in lita erwähnten Art übersteigen."
Im Naturschutzgebiet nach § 19 Abs 1 darf ein Eingriff in die Natur gemäß § 19 Abs 3 erster Satz hingegen nur bewilligt werden
"a) für Maßnahmen zur Sicherung des Schutzzweckes und
b) für Maßnahmen, die der wissenschaftlichen Forschung dienen, soweit dadurch der Schutzzweck nicht beeinträchtigt wird."
Ausnahmen von einem darüber hinausgehenden Verbot und Ausnahmen von den in Naturschutzgebieten nach § 19 Abs 4 geltenden Verboten sind gemäß § 19 Abs 3 zweiter Satz und Abs 7 iVm § 24 Abs 1 zu bewilligen
"a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wurde, den Schutzzweck des Verbotes nicht beeinträchtigt oder
b) wenn öffentliche, wie etwa regionalwirtschaftliche, wissenschaftliche oder pädagogische Interessen an der Erteilung der Bewilligung das öffentliche Interesse an der Wahrung des Schutzzweckes übersteigen.
Ein öffentliches Interesse an der Erteilung der Bewilligung besteht nicht, wenn der angestrebte Zweck auf eine andere technisch und wirtschaftlich vertretbare Weise erreicht werden kann, durch die eine Beeinträchtigung des Schutzzweckes nicht oder in geringerem Umfang bewirkt wird."
b) Das Tir. Naturschutzrecht kennt also für die Bewilligung von Vorhaben oder Ausnahmen je nach der Schutzmaßnahme verschiedene Maßstäbe. Nur wenn die KarwendelschutzV einer dieser Schutzmaßnahmen oder in bestimmten Teilen bestimmten Schutzmaßnahmen zuzuordnen wäre, könnte das Gebot einer verfassungskonformen Auslegung zu einer analogen Anwendung der entsprechenden Bestimmung über die Bewilligung (des bewilligungspflichtigen Vorhabens oder der erstrebten Ausnahme) führen und der angegriffenen Vorschrift die erforderliche Bestimmtheit verleihen. Eine solche Zuordnung ist aber nicht möglich:
Auf den ersten Blick wäre zwar anzunehmen, daß die KarwendelschutzV einer Erklärung zum Naturschutzgebiet entspricht. Denn sie wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 4 ReichsnaturschutzG und damit auf die Vorschrift über "Naturschutzgebiete" erlassen, während der Schutz "sonstiger Landschaftsteile", insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsbildes, in § 5 dieses Gesetzes geregelt war. Auch das Gesetz aus 1951 hatte ausdrücklich vorgesehen, daß die zum Schutz von Landschaftsteilen und Landschaftsbestandteilen erlassenen Einzelanordnungen als Erklärungen zu Naturschutzgebieten weitergelten (§20 Abs 3), doch entspricht der Begriff des Naturschutzgebietes nach dem geltenden NSchG auch nicht mehr dem des Gesetzes von 1951. Gemessen an den Einrichtungen des geltenden NSchG weist die KarwendelschutzV aber teils Züge einer NaturschutzV nach § 19 Abs 1, teils die einer LandschaftsschutzV oder einer NaturschutzV nach § 19 Abs 4 auf.
Einerseits geht nämlich der Katalog der verbotenen Maßnahmen offenbar weit über die Verbote hinaus, die das Gesetz für Landschaftsschutzgebiete und Naturschutzgebiete nach § 19 Abs 4 vorsieht: der Schutz von Pflanzen und Tieren (§3 lita bis c und § 4) ähnelt dem grundsätzlichen Verbot jedes Eingriffes in die Natur, das § 19 Abs 2 erster Satz für Naturschutzgebiete nach § 19 Abs 1 ausspricht. Andererseits bleibt dieser Katalog wieder in entscheidenden Punkten hinter jenem Maßstab zurück: Jagd und Forst- sowie Landwirtschaft sind ohne weiteres zugelassen und die Errichtung von Bergwirtshäusern und Unterkunftshütten, Straßen, Eisenbahnen und Leitungen mit Zustimmung der (ursprünglich: höheren, also einer untergeordneten) Behörde vorgesehen, während in Naturschutzgebieten nach § 19 Abs 1 schlechthin jeder Eingriff in die Natur einschließlich der Jagd und der Fischerei verboten ist.
Der Tir. Landesregierung wäre wohl beizupflichten, daß die Kriterien für die Bewilligung einer Maßnahme in § 13 und jene für die Bewilligung einer Ausnahme in § 24 trotz ihrer unterschiedlichen rechtstechnischen Funktion materiell im Grunde dieselben sind und nur der Schutzzweck (in der jeweiligen lita) im ersten Fall näher umschrieben und im zweiten allgemein genannt ist. Doch zieht sie nach dem Gesagten zu Unrecht die Zuordnung zu einem Naturschutzgebiet nach § 19 Abs 1 überhaupt nicht in Betracht. In diesem sind Ausnahmebewilligungen für Eingriffe in die Natur gemäß § 19 Abs 3 erster Satz (abgesehen von Maßnahmen zur Sicherung des Schutzzweckes) nur für Maßnahmen der wissenschaftlichen Forschung zulässig, während sie in Landschaftsschutzgebieten und in Naturschutzgebieten nach § 19 Abs 4 aufgrund der §§13 und 24 bei überwiegen aller denkbaren öffentlichen, insbesondere auch von regionalwirtschaftlichen Interessen möglich sind. Werden daher in der KarwendelschutzV bestimmte Eingriffe in die Natur zugunsten wirtschaftlicher Nutzungen oder aus allgemeinen öffentlichen Interessen zugelassen (§3 lith), so bleibt völlig offen, ob auch andere Eingriffe aus übergeordneten öffentlichen, insbesondere aus regionalwirtschaftlichen Interessen zugelassen werden können oder ob für die Zulassung anderer Eingriffe iS der strengen Verbote der §§3 und 4 angesichts des besonderen Vorbehaltes ein wissenschaftliches Interesse erforderlich ist. Es ist kein Auslegungskriterium ersichtlich, das zur Beantwortung dieser Frage herangezogen werden könnte.
Der VfGH pflichtet daher im Ergebnis dem VwGH bei, daß aus dem Inhalt und der ursprünglichen Zielsetzung der KarwendelschutzV nicht entschieden werden kann, ob die Behörde bei Anwendung des § 5 Abs 2 den Maßstab der §§13 und 24 oder den Maßstab des § 19 Abs 3 erster Satz NSchG analog heranziehen soll.
Damit erweist sich die angegriffene Bestimmung als unbestimmte Ermächtigung der Landesregierung, Ausnahmen von gesetzlichen Verboten zu erteilen. Sie widerspricht dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG und ist als verfassungswidrig aufzuheben.
Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.