VfGH vom 29.09.1999, g296/96
Sammlungsnummer
15570
Leitsatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Ruhensbestimmungen für Politikerpensionen im Grazer Statut 1967 wegen Verletzung des Vertrauensschutzes aufgrund Eingriffs in wohlerworbene Rechte; keine Beseitigung der Gleichheitswidrigkeit durch das bereits materiell derogierte BVG-Bezügebegrenzung 1987; BVG-Bezügebegrenzung 1987 nur noch Prüfungsmaßstab für alte Regelungen; verfassungsrechtliche Beurteilung aktueller Regelungen über die Begrenzung von Politikerbezügen anhand BVG-Bezügebegrenzung 1997
Spruch
§ 39 b Abs 1 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 130, in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 71/1987 war verfassungswidrig.
Der Landeshauptmann von Steiermark ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof sind (zu den Zlen. 93/12/0002, 93/12/0003, 93/12/0008, 93/12/0009, 93/12/0010, 93/12/0011 und 93/12/0012) Verfahren über von ehemaligen Mitgliedern des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz oder deren Rechtsnachfolgern erhobene Beschwerden gegen je einen im Instanzenzug erlassenen Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom anhängig. Mit den im dritten Rechtsgang (vgl. VfSlg. 11309/1987 und VfSlg. 12291/1990) erlassenen Bescheiden wurden den ehemaligen Stadtsenatsmitgliedern ab bzw. gebührende Ruhebezüge gemäß § 39 a des Statuts der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. 130 (idF der Novelle LGBl. 11/1985) unter Kürzung um bestimmte Beträge nach § 39 b dieses Statuts (idF LGBl. 71/1987) sowie ein den Zeitraum 13. Feber bis betreffender zurückzuzahlender Übergenuß festgestellt.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerden stellt der Verwaltungsgerichtshof (unter den Zlen. A 49 bis A55/96) den Antrag, § 39 b Abs 1 des Statuts der Landeshauptstadt Graz idF des ArtI der Novelle LGBl. 71/1987 sowie - hilfsweise - ArtII dieser Novelle als verfassungswidrig aufzuheben. Dieses Begehren ergänzte der antragstellende Gerichtshof mit seinem Schreiben vom (auf das später noch einzugehen sein wird) dahin, es werde - hilfsweise - beantragt auszusprechen, daß § 39 b Abs 1 idF des ArtI der Novelle LGBl. 71/1987 bis zum Ablauf des verfassungswidrig war sowie ArtII dieser Novelle als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Äußerung mit dem Begehren, den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofs keine Folge zu geben, sowie einen weiteren mit datierten Schriftsatz (auf den in anderem Zusammenhang noch Bedacht genommen werden wird).
4. Auch die beteiligten beschwerdeführenden Parteien der verwaltungsgerichtlichen Anlaßverfahren sowie - auf Einladung durch den Verfassungsgerichtshof - das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst erstatteten Äußerungen, wogegen der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz von einer solchen formlos Abstand nahm.
II. 1. Der Verwaltungsgerichtshof schildert in seinen Anträgen das Verwaltungsgeschehen und verweist auf die für den jeweils angefochtenen Berufungsbescheid maßgebende Gesetzeslage, nämlich darauf, daß der mit dem Erkenntnis VfSlg. 11309/1987 als verfassungswidrig aufgehobene § 39 b Abs 1 des Statuts der Landeshauptstadt Graz (im folgenden auch bloß: Stadtstatut oder Grazer Stadtstatut) idF der Novelle LGBl. 11/1985 mit der Novelle zum Stadtstatut LGBl. 71/1987 wortgleich (vgl. die Wiedergabe des Gesetzestextes in VfSlg. 11309/1987 S. 396f.) neu erlassen wurde und gemäß ArtII dieser Novelle (rückwirkend) mit in Kraft trat. Zur Präjudizialität sowie den verfassungsrechtlichen Bedenken in bezug auf den Hauptantrag führt der Verwaltungsgerichtshof sodann im einzelnen aus:
"II. Präjudizialität
Durch die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchabschnitt 1 des erstinstanzlichen Bescheides sind die dort getroffenen Feststellungen der belangten Behörde zuzurechnen. Bei der dort unter anderem getroffenen Feststellung, welcher Brutto-Ruhebezug dem Beschwerdeführer aus seiner ehemaligen Funktion als Stadtrat ab bzw. ab auszuzahlen ist, stützt sich der angefochtene Bescheid u.a. auf § 39b Abs 1 des Stadtstatutes Graz in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 71/1987 (einschließlich der im ArtII der genannten Novelle angeordneten Rückwirkung). Dies trifft notwendigerweise auch für die Ermittlung des Übergenusses im Spruchabschnitt 2 für den März 1985 zu. § 39b Abs 1 in der Fassung LGBl. Nr. 71/1987 bildet - wie insbesondere aus der im letzten Satzteil des ersten Satzes enthaltenen Vorschrift über die Bildung einer Summe folgt - eine nicht trennbare Einheit (vgl. dazu auch die Ausführungen in VfSlg. 11309/1987 unter Punkt IV.1. auf Seite 400).
Die genannten Bestimmungen hat auch der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde, die zulässig ist, anzuwenden.
III. Bedenken
ad 1) zum Hauptantrag
Der Verwaltungsgerichtshof geht zunächst davon aus, daß das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen oberster Organe, BGBl. Nr. 281/1987, in der Fassung BGBl. Nr. 344/1989 und BGBl. Nr. 446/1990 (im folgenden BVG/Bezügebegrenzung) den Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einfachgesetzlicher Regelungen, die die Kürzung von Bezügen oberster Organe (hier: 'Politiker'Pension) bei Zusammentreffen mit Zuwendungen bestimmter anderer öffentlicher Einrichtungen (hier: Ruhebezug aus öffentlich-rechtlichem Ruhestandsverhältnis zu einer Gebietskörperschaft) nicht verändert hat.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß das BVG/Bezügebegrenzung als Reaktion auf bestimmte Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes zu 'Politiker'Pensionen (nämlich zu VfSlg. 11308, 11309 und 11310, alle aus 1987) - darunter auch das für den ersten Rechtsgang im Beschwerdefall bedeutsame Erkenntnis VfSlg. 11309 - entstanden und offenbar von der Absicht getragen ist, sich daraus ergebende Folgen, die als unerwünscht bewertet wurden, zu korrigieren (vgl. dazu insbesondere den Ausschußbericht, 169 Blg. Sten. Prot. NR 17. GP, sowie einige Debattenbeiträge in der zweiten Lesung = Sten. Prot. der 22. Sitzung des Nationalrates in der 17. GP, Seite 2393 ff; insbesondere die Ausführungen in der Rede der Abgeordneten Dr. Graff auf Seite 2401, zweiter und dritter Absatz der linken Spalte, und des Abgeordneten Dr. Khol, Seite 2427 linke Spalte, sowie die kritischen Stellungnahmen der Abgeordneten Dr. Haider, rechte Spalte auf Seite 2406 unten und 2407 linke Spalte oben, sowie des Abgeordneten Wabl, erster und zweiter Absatz der linken Spalte auf Seite 2411). Er hält aber einen Rückgriff auf die Materialien und die Entstehungsgeschichte nur dann für zulässig, wenn der Wortlaut der Regelung Anlaß zu Zweifel gibt. Dies ist aber hier nicht der Fall: Nach seinem klaren und unmißverständlichen Wortlaut sieht ArtI dieses BVG lediglich die Zulässigkeit für bestimmte Eingriffe in Bezüge oberster Organe vor, was aber von den obzitierten 'Anlaßfällen' gar nicht ausgeschlossen wurde, enthält aber nicht den geringsten Hinweis für eine Ermächtigung, dabei von den Grundsätzen des B-VG, insbesondere von dessen Art 7, abzuweichen. Dazu kommt, daß dieses BVG selbst einen Hinweis für sein Verhältnis zum B-VG zu geben scheint: Die im BVG/Bezügebegrenzung vorgesehene Höchstgrenze des Ruhens von Bezügen oberster Organe wird nämlich völlig offengelassen. Die Begrenzung dieses Kernstückes der Regelung nach dem BVG/Bezügebegrenzung ergibt sich damit offenbar aus dem B-VG, insbesondere aus Art 7 (vgl. in diesem Zusammenhang auch den Zusatzantrag des Abgeordneten Wabl und Genossen zu ArtI = Sten. Prot. der 22. Sitzung des NR 17. GP, Seite 2413, der aber nicht die erforderliche Mehrheit fand). Gerade bei einer Verfassungsbestimmung, die eine Korrektur der Auswirkungen verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung herbeiführen will, ist eine klare Regelung zu erwarten, die diese Absicht deutlich macht. Als Beispiel hiefür wird etwa auf § 6 Abs 2 F-VG in der Fassung des ArtI der F-VG-Novelle, BGBl. Nr. 686/1988, und die 'Sanierung' von Altrecht (mit Ausnahme der Anlaßfälle) durch das rückwirkende Inkrafttreten nach ArtII Abs 1 der zitierten Novelle verwiesen. Eine auch nur ansatzweise Verdeutlichung, die auf eine solche Absicht des Verfassungsgesetzgebers beim BVG/Bezügebegrenzung hindeutet, fehlt aber im kundgemachten Gesetzestext völlig.
Auch im juristischen Schrifttum wurde das BVG/Bezügebegrenzung als untauglicher Versuch einer Reaktion auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung gewertet (vgl. dazu in der Reihenfolge ihres Erscheinens Grof/Ramsauer, Rückwirkende Gesetzesänderung - Mehrfachpension, Bausparvertrag und Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofes, ÖJZ 1987, 705 ff (710); Öhlinger, Verfassungsgesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit, ÖJZ 1990, 2 ff (5) sowie Funk, Formenmißbrauch und Verfassungsumgehung durch die Legislative in Festschrift für Klecatsky, 67 ff (72 f).
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 39b Abs 1 des Stadtstatutes Graz in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 71/1987 nach wie vor das B-VG selbst, insbesondere dessen Art 7, ist.
Die in Anfechtung gezogene Bestimmung stimmt fast wortwörtlich mit der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobenen Vorgängerbestimmung in der Fassung LGBl. Nr. 11/1985 überein. Die im aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 11.309/1987 (siehe dazu oben unter I.) angeführten Gründe treffen daher im vollen Umfang auch auf die 'Nachfolge' Bestimmung zu, weshalb deren Aufhebung als verfassungswidrig beantragt wird."
2. Die Steiermärkische Landesregierung hält in ihrer Äußerung dem Hauptantrag folgendes entgegen:
"1. Zum jeweiligen Hauptantrag
Der Verwaltungsgerichtshof begründet seinen Hauptantrag im wesentlichen damit, ArtI des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen oberster Organe, BGBl. Nr. 281/1987, idF BGBl. Nr. 344/1989 und BGBl. Nr. 446/1990 - im Antrag als BVG/Bezügebegrenzung bezeichnet - sehe 'nach seinem klaren und unmißverständlichen Wortlaut' lediglich die Zulässigkeit für bestimmte Eingriffe in Bezüge oberster Organe vor, enthalte aber nicht den geringsten Hinweis für eine Ermächtigung, dafür von den Grundsätzen des B-VG, insbesondere von dessen Art 7 abzuweichen. Zudem werde die im BVG/Bezügebegrenzung vorgesehene Höchstgrenze des Ruhens von Bezügen oberster Organe völlig offengelassen. Somit ergebe sich die Begrenzung 'dieses Kernstücks der Regelung' offenbar aus dem B-VG, insbesondere aus Art 7. Gerade bei einer Verfassungsbestimmung, die eine Korrektur der Auswirkungen verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung herbeiführen will, sei eine klare Regelung zu erwarten, die diese Absicht deutlich macht.
Die Steiermärkische Landesregierung vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen, und zwar aus folgendem Grund:
Nach der Judikatur des VfGH gelten die Auslegungsregeln des ABGB allgemein. § 6 ABGB sagt: 'Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.' Nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung verbietet es diese Bestimmung, den Wortlaut einer gesetzlichen Regelung geradezu gegen die dieser Regelung zugrunde liegende Absicht auszuspielen, wenn diese Absicht erkennbar ist und wenn der Wortlaut der gesetzlichen Regelung es nicht ausschließt, als sprachlicher Ausdruck dieser Absicht zu fungieren.
Im Falle des ArtI BVG/Bezügebegrenzung kann nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung keineswegs behauptet werden, der 'klare und unmißverständliche' Wortlaut schließe es aus, in dem Sinn verstanden zu werden, der ihm nach den vom Verwaltungsgerichtshof zitierten gesetzlichen Materialien beigemessen werden sollte. Andernfalls müßte nämlich angenommen werden, das gegenständliche BVG habe den Sinn, die in diesem Fall aus den Materialien eindeutig erkennbare Absicht, die mit diesem Gesetzesbeschluß hätte verwirklicht werden sollen, auszuschließen. Die Steiermärkische Landesregierung hält es für eine Verletzung der im § 6 ABGB niedergelegten Interpretationsgrundsätze, die in Rede stehende verfassungsgesetzliche Regelung in jenem Sinn zu verstehen, den ihr der Verwaltungsgerichtshof in seinem Antrag beimißt. Im Antrag des Verwaltungsgerichtshofes wird aber ein Gesetz in einer Weise interpretiert, die § 6 ABGB ausschließt: Es wird ein 'klarer und unmißverständlicher Wortlaut' behauptet, um zu einem bestimmten Ergebnis zu gelangen, nämlich die Sinnlosigkeit einer gesetzlichen Regelung darzutun. Es wird also nicht vom Wortlaut her ein Interpretationsergebnis gesucht, sondern vom erwünschten Ergebnis her die Frage der Bedeutung des Wortlautes beantwortet.
Die Steiermärkische Landesregierung erachtet zudem die Art der Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes als im höchsten Maße bedenklich: sie läuft nämlich auf folgendes Postulat hinaus: Wenn - wie im vorliegenden Fall - eine grammatikalische Interpretation auch zu einem Ergebnis gelangen kann, welches die dem Gesetz erkennbar zugrunde liegende Absicht nicht wiedergibt, sei diese Interpretation geboten.
Da nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung als Maßstab für die in Prüfung gezogene Regelung des § 39b Abs 1 des Statuts der Landeshauptstadt Graz in der Fassung des ArtI der Novelle LGBl. Nr. 71/1987, Art 7 in dem durch das BVG/Bezügebegrenzung festgestellten Sinn heranzuziehen ist, kommt dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes keine Berechtigung zu."
3. Das - im Hinblick auf die Auslegung des BVG-Bezügebegrenzung - zu einer Äußerung eingeladene Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst führt in bezug auf den Hauptantrag des Verwaltungsgerichtshofs nachstehendes aus:
"I. Zum Hauptantrag:
1. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gehen im wesentlichen dahin, das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen Oberster Organe, BGBl. Nr. 281/1987 idF BGBl. Nr. 344/1989 und BGBl. Nr. 446/1990, enthalte 'nach seinem klaren und unmißverständlichen Wortlaut' nicht den geringsten Hinweis auf eine Ermächtigung, von den Grundsätzen des B-VG, namentlich dessen Art 7 (im vom Verfassungsgerichtshof geprägten Verständnis) abzuweichen (vgl. S 12 des Antrages).
Es stellt sich daher die methodologische Frage nach dem Verhältnis des zitierten Bundesverfassungsgesetzes zu Art 7 B-VG sowie überhaupt nach der Auslegung eines Bundesverfassungsgesetzes und den dabei anzuwendenden Methoden.
2. Allgemeine Auslegungsregeln sind in der österreichischen Rechtsordnung in § 6 ABGB enthalten. Sie können zwar, als auf das bürgerliche Recht bezogen und nicht im Verfassungsrang stehend, nicht direkt auf das Verfassungsrecht angewandt werden, haben jedoch insofern Bedeutung, als sie Ausdruck grundlegender Regeln des Rechtsverständnisses sind (siehe VfSlg 2175/1951, 2250/1951, 3332/1958; Schambeck, Möglichkeiten und Grenzen der Verfassungsinterpretation in Österreich, JBl 1980, 229; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts,
8. Auflage, 1996, Rz 131f).
§ 6 ABGB stellt mehrere Arten der Auslegung nebeneinander: Die Auslegung nach der 'eigentümlichen Bedeutung der Worte' (Verbalinterpretation), 'in ihrem Zusammenhang', womit nicht nur der sprachliche Zusammenhang (grammatische Interpretation), sondern auch der Zusammenhang der Sätze des Gesetzes (logisch-systematische Auslegung) gemeint ist, und nach dem Verstand, welcher 'aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet' (Willens-, Sinnesinterpretation).
Weder das ABGB noch ein anderes Gesetz, noch eine allgemeine Überzeugung regelt das Verhältnis der genannten Auslegungsmethoden zueinander.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in der Vergangenheit auf den Wortlaut, den Grund und Zweck einer Regelung und auf den Willen des historischen Gesetzgebers berufen. Bei einer Divergenz aber zwischen dieser letztgenannten, nämlich subjektiven Auslegung und der objektiven Auslegung, also der Verbalinterpretation und logisch-systematischen Auslegung hat der Verfassungsgerichtshof die objektive Methode bevorzugt. Der mögliche Wortsinn steckt damit den Rahmen ab, über den hinaus sich die Interpretation - zumindest im Regelfall - nicht bewegen darf. Ergibt der Wortlaut einen eindeutigen Sinn, so sind weitere Interpretationsschritte nicht mehr erforderlich. 'Dann, wenn der völlig eindeutige und klare Wortlaut der Vorschrift Zweifel über den Inhalt der Regelung nicht aufkommen läßt, ist eine Untersuchung nicht mehr möglich, ob nicht etwa die historische oder eine teleologische Auslegungsmethode einen anderen Inhalt ergeben würde (siehe VfSlg 8027/1977; so auch schon VfSlg 2872/1955, 4442/1963, 7687/1965; siehe auch Korinek, in FS Walter (1991), Zur Interpretation von Verfassungsrecht, 378 ff).
Nur wenn der Wortlaut des Gesetzes unklar ist, greift der Verfassungsgerichtshof zur Auslegung auf die Materialien zurück. Diese sind jedoch für ihn in keiner Weise verbindlich. Würden sie mit dem Gesetzeswortlaut in Widerspruch stehen, könnte nur das Gesetz und nicht die Aussage der Materialien entscheidend sein (siehe VfSlg 5153/1965, 7698/1975).
4. Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Beschluß nun davon aus, daß der Wortlaut in ArtI des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen oberster Organe keinen Anlaß zu Zweifeln gibt. Ein Rückgriff auf die Materialien und die Entstehungsgeschichte sei demnach unzulässig. Und er führt weiter aus:
'Nach seinem klaren und unmißverständlichen Wortlaut sieht ArtI dieses BVG lediglich die Zulässigkeit für bestimmte Eingriffe in Bezüge oberster Organe vor, was aber von den oben zitierten 'Anlaßfällen' gar nicht ausgeschlossen wurde, enthält aber nicht den geringsten Hinweis für eine Ermächtigung, dabei von den Grundsätzen des B-VG, insbesondere von dessen Art 7, abzuweichen.'
In der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß zitierten Literatur wird die Auffassung vertreten, durch das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen oberster Organe werde - ähnlich wie bei einer Kompetenzbestimmung - 'dem einfachen Bundes- und Landesgesetzgeber... - jeweils für seinen Kompetenzbereich - zugestanden, Regelungen zu schaffen, die vorsehen, daß Ruhe- oder Versorgungsbezüge an Organe, deren Bezüge rechtlichen Regelungen des Bundes oder der Länder unterliegen, im Fall des Zusammentreffens mit anderen Zuwendungen bestimmter Institutionen nur bis zu einem Höchstausmaß geleistet werden' (siehe Grof - Ramsauer, Rückwirkende Gesetzesänderung, ÖJZ 1987, 709 (710)). Von den zitierten Autoren wird festgehalten, daß die Zuständigkeit zur Erlassung solcher Regelungen in den einschlägigen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof eigentlich unproblematisch war (vgl. in diesem Zusammenhang auch Öhlinger, Verfassungsgesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit, ÖJZ 1990, 5).
5. Legt man nun bei einer Interpretation des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen oberster Organe die vom Verwaltungsgerichtshof bzw. von den zitierten Autoren vertretene Auffassung zugrunde, so stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Bestimmung des ArtI denn dann eigentlich zukommen soll. Folgt man nämlich dem Verwaltungsgerichtshof, so kann man eigentlich nur zum Ergebnis gelangen, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber hier die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Eingriffen in Bezüge oberster Organe mit einer Bestimmung im Verfassungsrang 'bekräftigt' hat, die in den Anlaßfällen, die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegen sind, aber gar nicht ausgeschlossen war. Auch wenn man in dieser Regelung eine Kompetenzbestimmung sieht, die die Zuständigkeit des Bundes- und des Landesgesetzgebers im Vergleich zur bisherigen Kompetenzverteilung aber gar nicht ändert, kommt man unweigerlich zum Schluß, daß der Verfassungsgesetzgeber hier eine überflüssige und damit sinnlose Bestimmung erlassen hat (vgl. dazu auch Grof - Ramsauer aaO 710).
Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, daß dem generellen Normsetzungsorgan nicht zuzumuten ist, etwas Überflüssiges angeordnet zu haben (vgl. etwa VfSlg 2546/1953, 7338/1974, 12409/1990; G1279/95, G1280/95 vom ).
Im Hinblick darauf geht das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst davon aus, daß der Wortlaut des ArtI des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen oberster Organe keineswegs nur eine einzige Interpretation zuläßt. Daher ist bei der Interpretation auf die Materialien und die Entstehungsgeschichte zurückzugreifen, will man nicht ein sinnloses und überflüssiges Ergebnis erzielen, das im Zweifel dem Verfassungsgesetzgeber nicht zugesonnen werden kann. Unter - zulässiger und gebotener - Heranziehung der Materialien und der Entstehungsgeschichte (vgl. den Bericht des Verfassungsausschusses, 169 BlgNR 17. GP) ergibt sich, daß mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung der Bezüge oberster Organe klargestellt werden sollte, daß bundes- und landesgesetzliche Regelungen, die - nach der Art der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen landesgesetzlichen Bestimmungen - Pensionskürzungen vorsehen, nicht am verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatz zu messen sind.
Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß auch der Verfassungsgerichtshof bei der Interpretation des in Rede stehenden Bundesverfassungsgesetzes offenbar von der Zulässigkeit der Bezugnahme auf die Materialien ausgeht (vgl VfSlg 12095/1989; B746/91 vom )."
III. Die primären, § 39 b Abs 1
des Grazer Stadtstatuts betreffenden Anträge des Verwaltungsgerichtshofs (hinsichtlich deren das Verfahren zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurde und von denen im folgenden aus Gründen der Vereinfachung in der Einzahl gesprochen wird) erweisen sich als zulässig; Prozeßhindernisse sind weder behauptet worden noch sonst hervorgekommen.
IV. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs gegen § 39 b Abs 1 des Stadtstatuts idF der Novelle LGBl. 71/1987 sind im Ergebnis gerechtfertigt.
1.a) Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem - erst nach Einbringung des Gesetzesprüfungsantrags gefällten - Erkenntnis VfSlg. 14872/1997 die Entstehungsgeschichte und die weitere Entwicklung des BVG-Bezügebegrenzung aus 1987 beschrieben und diesbezüglich (unter Erwähnung seiner zur Gesetzesaufhebung führenden Erkenntnisse VfSlg. 11309/1987 (betreffend § 39 Abs 1 Grazer Stadtstatut idF der Novelle LGBl. 11/1985), 11308/1987 (betreffend eine gleichartige Vorschrift des Tiroler BezügeG 1985) und 11310/1987 (betreffend eine ebensolche Bestimmung des Stadtrechts der Landeshauptstadt Innsbruck)) folgendes dargelegt:
"4.4.1. Zunächst ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, daß die Abgeordneten Dr. Fischer, Dr. König und Genossen in Reaktion auf die dargestellten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes einen Initiativantrag auf Erlassung eines Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Pensionen oberster Organe einbrachten. Der dem Antrag angeschlossene Gesetzentwurf hatte folgenden Wortlaut:
'Bundesverfassungsgesetz vom xxxxxxxxxx
über die Begrenzung von Pensionen
oberster Organe
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel I
Gesetzliche Regelungen, die vorsehen, daß Ruhe- oder Versorgungsbezüge an Organe, die bezügerechtlichen Regelungen des Bundes oder der Länder unterliegen, im Falle des Zusammentreffens mit anderen Zuwendungen von Gebietskörperschaften oder von Einrichtungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, nur bis zu einem Höchstausmaß geleistet werden, sind zulässig.
Artikel II
Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.'
Der Initiativantrag wurde folgendermaßen begründet:
'Der Verfassungsgerichtshof hat in kürzlich ergangenen Erkenntnissen bezügerechtliche Bestimmungen aufgehoben, durch die Pensionen oberster Organe im Falle des Zusammentreffens mit anderen Zuwendungen von Gebietskörperschaften oder der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Einrichtungen ihrer Höhe nach einer Begrenzung unterworfen wurden.
Die Aufhebung dieser Bestimmungen, aber auch vergleichbarer Bestimmungen auf Grund etwaiger künftiger Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisse würde zur Folge haben, daß eine von obersten Organen des Bundes, der Länder oder Gemeinden erworbene Pension ungekürzt auch dann auszubezahlen ist, wenn sie mit anderen Zuwendungen aus dem öffentlichen Bereich zusammentrifft. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der sowohl vom Bundesgesetzgeber wie auch den Landesgesetzgebern mit diesen Bestimmungen verfolgten Zielsetzung. Um zu vermeiden, daß die durch die genannten Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisse herbeigeführte Rechtslage zur ungekürzten Auszahlung von Mehrfachversorgungen führt, was weder von den Gesetzgebern beabsichtigt ist noch von der Bevölkerung verstanden wird, erscheint die Erlassung eines Gesetzes unerläßlich. Eine derartige gesetzliche Bestimmung soll sowohl vergleichbare landeswie bundesgesetzliche Bestimmungen sanieren, weshalb ihr Verfassungsrang zukommen muß.
Durch den vorliegenden Initiativantrag soll klargestellt werden, daß bundes- und landesgesetzliche Regelungen über Ruhe- und Versorgungsbezüge von Organen, die bezügerechtlichen Regelungen des Bundes und der Länder unterliegen, vorsehen können, daß die auf Grund der öffentlichen Funktion zustehenden Ruhe- und Versorgungsbezüge insoweit gekürzt werden, als sie zusammen mit anderen Zuwendungen, die solche Personen seitens einer Gebietskörperschaft oder von Einrichtungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, zustehen, einen gesetzlich festgelegten Höchstbetrag übersteigen, ohne daß solche Regelungen von Verfassungswidrigkeit bedroht sind. Mit dieser Regelung wird die Verfassungskonformität insbesondere des § 38 des Bezügegesetzes, BGBl. Nr. 273/1972, in der geltenden Fassung, sowie sämtlicher vergleichbarer landesgesetzlicher Regelungen sichergestellt. Der Begriff der 'sonstige(n) bezügerechtlichen Regelungen des Bundes oder der Länder unterliegenden Organe' umfaßt den vom Bezügegesetz des Bundes sowie von vergleichbaren landesgesetzlichen Regelungen erfaßten Personenkreis und darüber hinaus auch Empfänger von Bezügen oder Geldentschädigungen, die ihrer Art nach den in den vorgenannten Gesetzen geregelten vergleichbar sind. Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit seiner Kundmachung in Kraft. Es erfaßt aber auch bereits bestehende und somit vor Inkrafttreten dieses Bundesverfassungsgesetzes beschlossene Regelungen.'
Weder der Verfassungsausschuß noch das Plenum des Nationalrates nahmen am Wortlaut des im Initiativantrag enthaltenen Gesetzentwurfes Änderungen vor. Das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung der Pensionen oberster Organe wurde im Bundesgesetzblatt unter der Nr. 281 des Jahrgangs 1987 kundgemacht und trat am in Kraft.
4.4.2. Im Erkenntnis VfSlg. 12095/1989 prüfte der Verfassungsgerichtshof anläßlich der Aufhebung einer Wortfolge im § 14a des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, der eine teilweise Stillegung der Ruhebezüge auf die Dauer der Gewährung einer Entschädigung für die Ausübung einer politischen Funktion vorsah, die Auswirkungen des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Pensionen oberster Organe. Er kam zu dem Ergebnis, daß sich der sachliche Geltungsbereich des genannten BVG nicht auch auf Aktivbezüge politischer Funktionäre erstreckt.
4.4.3. Wieder in Reaktion auf dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wurde der sachliche Geltungsbereich des nunmehr als 'Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung der Bezüge oberster Organe' bezeichneten Gesetzes durch ArtVI des Bundesgesetzes BGBl. 344/1989 um die 'Bezüge, einschließlich Diensteinkommen' politischer Funktionäre erweitert. Schließlich wurden durch die Novelle BGBl. 446/1990 auch die 'Zuwendungen von gesetzlichen beruflichen Vertretungen' in den sachlichen Geltungsbereich dieses Bundesverfassungsgesetzes einbezogen, sodaß ArtI dieses BVG lautet:
'Gesetzliche Regelungen, die vorsehen, daß Bezüge, einschließlich Diensteinkommen, sowie Ruhe- und Versorgungsbezüge an Personen, die bezügerechtlichen Regelungen des Bundes oder der Länder unterliegen, im Falle des Zusammentreffens mit anderen Zuwendungen von Gebietskörperschaften, von gesetzlichen beruflichen Vertretungen oder von Einrichtungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, nur bis zu einem Höchstausmaß geleistet werden, sind zulässig.'"
An die Wiedergabe dieser Verfassungsvorschrift schloß der Verfassungsgerichtshof sodann Erörterungen über deren Wirkungen an, die im einzelnen später (IV/1/c) dargestellt werden.
b) Im Schriftsatz vom nahm der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt ein, daß dem BVG-Bezügebegrenzung 1987 durch das im Bezügebegrenzungsgesetz, BGBl. I 64/1997, enthaltene Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (im folgenden auch: BVG-Bezügebegrenzung 1997) materiell derogiert sei und begründete dies im wesentlichen mit dem Regelungsinhalt der §§4 bis 7 iVm § 11 Abs 3 bis 5 des zuletzt zitierten Bundesverfassungsgesetzes. Die Steiermärkische Landesregierung vertrat dagegen in ihrem Schriftsatz vom die Auffassung, daß eine materielle Derogation deshalb nicht stattgefunden habe, weil das BVG-Bezügebegrenzung aus 1987 als eine authentische Interpretation des Art 7 B-VG zu verstehen sei; das BVG-Bezügebegrenzung aus 1987 bringe in allgemeiner Formulierung einen Grundsatz zum Ausdruck, der in den detaillierten Regelungen des BVG-Bezügebegrenzung aus 1997 ebenfalls ausgedrückt werde; die allgemeine Formulierung habe neben den detaillierten Regelungen eine eigene Funktion.
Der Verfassungsgerichtshof pflichtet in diesem Punkt der Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofs bei. Die von der Steiermärkischen Landesregierung angenommene Weitergeltung des BVG-Bezügebegrenzung aus 1987 gleichsam parallel zum BVG-Bezügebegrenzung 1997 ist dem Bundesverfassungsgesetzgeber (welcher von der manifesten Absicht einer Gesamtregelung hinsichtlich der Bezüge öffentlicher Funktionäre einschließlich sogenannter Ruhensbestimmungen geleitet war) keinesfalls zusinnbar, denn sie bedeutete, einen in vielfacher Hinsicht ineinandergreifenden Komplex differenzierter Regelungen einem vorgegebenen, im späteren Bundesverfassungsgesetz nicht einmal andeutungsweise bezogenen Auslegungsregime zu unterwerfen. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt die im Hinblick auf § 11 Abs 1 bis 3 des BVG-Bezügebegrenzung 1997 für den Bereich des Bundes jedenfalls schon eingetretene Derogation auch in Ansehung des die Länder betreffenden Regelungsbereichs (bereits) eingetreten ist (s. die Bezugnahme auf die "nächste Gesetzgebungsperiode des Landtags" in § 11 Abs 2 und 4), kann hingegen wegen der zeitlichen Lage der Anlaßbeschwerdesachen (- die dort angefochtenen Bescheide sind mit datiert -) auf sich beruhen. (Vgl. in diesem Zusammenhang Wieser, BezBegrBVG, in Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, RZ 3 (1999), der die (Weiter)Geltung des BVG-Bezügebegrenzung aus 1987 als unklar bezeichnet und ausdrücklich erklärt, die Frage, ob und inwieweit durch das BVG-Bezügebegrenzung 1997 materielle Derogation eingetreten ist, nicht abschließend zu beantworten.)
c) Die eben erörterte materielle Derogation des BVG-Bezügebegrenzung aus 1987 hat jedoch keinen Einfluß darauf, daß dieses Bundesverfassungsgesetz in der sogleich darzustellenden Weise mit einen Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung der in Prüfung stehenden Gesetzesvorschrift bildet. Der Gerichtshof verweist auch in diesem Zusammenhang auf sein Erkenntnis VfSlg. 14872/1997, in dem er bezüglich des BVG-Bezügebegrenzung aus 1987 folgendes ausführte:
"4.4.4. Diese Regelung beabsichtigte zwar, die Verfassungskonformität insbesondere des § 38 des Bezügegesetzes, BGBl. 273/1972 idgF, sowie sämtlicher vergleichbarer landesgesetzlicher Regelungen sicherzustellen (vgl. den Bericht des VA 169 BlgNR 17. GP). Ihr kann aber - vor allem im Kontext mit der gesamten Bundesverfassung gesehen - kein Inhalt beigemessen werden, gemäß dem der Bundesverfassungsgesetzgeber den Gleichheitsgrundsatz für den Bereich der sogenannten Politikerpensionen zur Gänze außer Kraft gesetzt hätte.
Der Verfassungsgerichtshof ging schon in seinem bereits zitierten Vorerkenntnis VfSlg. 12095/1989, S 680, von dieser Meinung aus, wenn er formulierte: 'Sie (erg. die Regelung des Verfassungsgesetzgebers) soll ihm (erg. dem einfachen Gesetzgeber) - im Hinblick auf ... gefällte Erkenntnisse des Gerichtshofs (insbesondere
(= VfSlg. 11309)) - die Befugnis einräumen, Anordnungen über das Ruhendstellen sogenannter Politikerpensionen verfassungskonform zu treffen oder beizubehalten.'
Das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen oberster Organe (im folgenden Bezügebegrenzungs-BVG genannt) stellte zwar klar, daß eine Kürzung der 'Politikerpensionen' im allgemeinen nicht im Widerspruch zum Gleichheitssatz steht, erlaubt es jedoch im Zusammenhang mit dem - auch im Bereich der Politikerpensionen nach wie vor geltenden - Gleichheitssatz nicht, Kürzungen von Ruhebezügen jedweder Art und Intensität vorzunehmen. Ob eine solche Kürzungsregelung jene Grenze überschreitet, die durch den Gleichheitssatz gezogen ist, kann aber nicht aus einzelnen Rechtsfolgen der Kürzungsbestimmungen, sondern nur bei einer Gesamtbetrachtung der insgesamt mit der Kürzung verbundenen Tatsachen und Rechtsfolgen beurteilt werden."
Mißt man nun § 39 b Abs 1 des Grazer Stadtstatuts unter diesem Blickwinkel am Gleichheitssatz, so liegt die gleiche Verfassungswidrigkeit vor, die zur Aufhebung der wortgleichen Vorgängerbestimmung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11309/1987 geführt hat. In diesem auf dem Vertrauensschutzgedanken basierenden Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof die Frage, ob eine gänzliche oder teilweise Stillegung des Ruhebezuges im allgemeinen (etwa unter dem Aspekt der früheren Leistung von Ruhebezugsbeiträgen) zulässig erscheint, nicht verneint, sondern er hat die Aufhebung ausschließlich mit dem Eingriff in wohlerworbene Rechte begründet. Es sei sachlich nicht begründbar, denjenigen Amtsträger, der sein öffentliches Amt langjährig im Vertrauen darauf ausübt, daß er die Anwartschaft auf einen an seinem Amtseinkommen orientierten Ruhebezug erwirbt und diesbezüglich insbesondere nicht durch die zu gewärtigende Berufspension eine Schmälerung erfährt, plötzlich einem strengen, im wirtschaftlichen Effekt auf die Berufspension greifenden Kürzungssystem zu unterwerfen. Er würde dadurch nämlich einem solchen Amtsträger völlig gleichgestellt, der entweder überhaupt schon im vorhinein oder zumindest während eines nicht unbeträchtlichen Zeitraumes einer Amtsausübung (wenn auch nicht mit allen erst künftig in Erscheinung tretenden Details, aber doch in den wesentlichen Umrissen) Kenntnis davon hat, daß sein späterer Ruhebezug einem rigorosen Kürzungssystem unterliegen wird. Dieser schwerwiegende Unterschied im Tatsachenbereich steht einer schematischen Gleichbehandlung der Betroffenen entgegen.
Der Verfassungsgerichtshof ist im Erkenntnis vom , B288/94, (VfSlg. 14872/1997) zwar zum Ergebnis gekommen, der mit § 39 b Abs 1 des Grazer Stadtstatuts teilweise wortgleiche § 38 des (Bundes-)Bezügegesetzes 1972 sei in dem damals maßgeblichen Teil verfassungsrechtlich unbedenklich. Doch unterscheidet sich die Regelung des § 38 des (Bundes-)Bezügegesetzes 1972 von der vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Regelung in dem wesentlichen Punkt, daß eine dem § 38 des Bezügegesetzes entsprechende Regelung im wesentlichen bereits seit dem Bundesgesetz vom , BGBl. 16/1962, bestanden hat, sodaß diese Bestimmung aus der Sicht des an den Verfassungsgerichtshof herangetragenen Beschwerdefalles nicht in unzulässiger Weise in wohlerworbene Rechte eingegriffen hat. Die Vorgängerbestimmung der angefochtenen Regelung, nämlich der § 39 b Abs 1 des Grazer Stadtstatuts in der Fassung LGBl. 11/1985 ist hingegen (rückwirkend) erst mit in Kraft getreten und bewirkte eine Kürzung der Ansprüche auf Ruhebezüge, die im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage lange vor diesem Zeitpunkt erworben wurden.
Die Gleichheitswidrigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Regelung wurde also durch das BVG-Bezügebegrenzung aus 1987 nicht beseitigt.
d) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß § 39 b Abs 1 des Grazer Stadtstatuts in der Fassung der Novelle LGBl. 71/1987 aus den vom Verwaltungsgerichtshof im Grundsätzlichen zutreffend angeführten Gründen mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar und sohin durch den Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig zu befinden ist. Demgemäß ist es entbehrlich, auf das Eventualbegehren des Verwaltungsgerichtshofs einzugehen, ArtII der Novelle LGBl. 71/1987 als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Der Verwaltungsgerichtshof macht in seinem Schriftsatz vom darauf aufmerksam, daß das Stadtstatut durch die (am kundgemachte) Novelle LGBl. 79/1991 (idF der Druckfehlerberichtigung LGBl. 90/1991) u.a. hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 39 b (idF der Novelle LGBl. 71/1987) geändert wurde: Die §§39, 39 a und 39 b wurden neu gefaßt sowie die §§39 c, 39 d und 39 e neu eingefügt, wobei § 39 b einen neuen Regelungsinhalt erhielt und § 39 e eine dem § 39 b idF der Novelle LGBl. 71/1987 vergleichbare Regelung enthält. Schon aus dieser Gesetzesänderung folgt, daß § 39 b in der aus der Sicht der Anlaßbeschwerdefälle angefochtenen Fassung der Novelle LGBl. 71/1987 nicht mehr dem geltenden Rechtsbestand angehört, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung zu beschränken hatte, daß § 39 b Abs 1 des Grazer Stadtstatuts in dieser Fassung verfassungswidrig war.
In diesem Zusammenhang erachtet der Verfassungsgerichtshof die vom Verwaltungsgerichtshof bezogenen Übergangsbestimmungen des ArtII Abs 5 und 6 der Novelle LGBl. 79/1991 als nicht von Belang, weil diese Bestimmungen bloß eine partielle, nur aus dem Zusammenhalt mit ihnen erfließende eingeschränkte Geltung des § 39 b (idF der Novelle LGBl. 71/1987) mit einem neu umschriebenen persönlichen Geltungsbereich herbeiführten. Im übrigen ist anzumerken, daß ArtII Abs 5 und 6 der zitierten Novelle auch als Rechtsgrundlagen der in den Anlaßbeschwerdefällen erlassenen Bescheide nicht in Betracht kommen, da die Bescheide vor dem Inkrafttreten der Novelle LGBl. 79/1991 erlassen wurden.
ArtII Abs 5 und 6 der zitierten Novelle lautet wie folgt:
"(5) Für Mitglieder des Gemeinderates, die spätestens mit Angelobung der Mitglieder des nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes neugewählten Gemeinderates aus ihrer Funktion ausscheiden, und für Mitglieder des Stadtsenates, die spätestens mit Amtsantritt des nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes neu gewählten Bürgermeisters aus ihrer Funktion ausscheiden, gelten anstelle der §§39, 39a, 39b, 39c, 39d und 39e weiterhin die Bestimmungen der §§39, 39a und 39b in der Fassung vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes.
(6) Für ehemalige Mitglieder des Stadtsenates sowie deren Hinterbliebene, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes einen Ruhe- oder Versorgungsbezug beziehen oder auf einen solchen einen künftigen Anspruch haben, gelten weiterhin die Bestimmungen des Statutes in der Fassung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes."
3. Außer den eben erörterten Voraussetzungen des Abs 4 erster Satz im Art 140 B-VG stützt sich der Spruch dieses Erkenntnisses auf Abs 5 erster und zweiter Satz dieses Artikels.
V. Zur Vermeidung eines allfälligen Mißverständnisses der getroffenen Entscheidung, insbesondere im legislativen Bereich, sieht sich der Verfassungsgerichtshof zum Hinweis veranlaßt, daß das gefällte Erkenntnis im Hinblick auf das (zum überwiegenden Teil) bereits mit in Kraft getretene (auch das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre umfassende) Bezügebegrenzungsgesetz, BGBl. I 64/1997, sowie das (auch eine Novelle des Grazer Stadtstatuts enthaltende) Steiermärkische Bezügereformgesetz vom , LGBl. 72, ausschließlich die verfassungsrechtliche Beurteilung einer nicht mehr dem Rechtsbestand angehörenden Bestimmung anhand eines künftig nicht mehr heranzuziehenden bundesverfassungsrechtlichen Maßstabes zum Gegenstand hat. Aus der getroffenen Entscheidung können sohin keine Schlußfolgerungen für eine verfassungsrechtliche Beurteilung nach dem BezügebegrenzungsG erlassener Gesetzesvorschriften gezogen werden. Die auf Verfassungsebene (nach Einholung von Expertenmeinungen - s. den "Bericht der Kommission zur Erstattung eines Vorschlages für die Erstellung einer 'Einkommenspyramide' für Politiker in Bund, Ländern, Gemeinden und Selbstverwaltungskörpern", vgl. dazu Wieser, BezBegrBVG, in Korinek/Holoubek (Hrsg.), aaO, RZ 14 (1999)) getroffenen Regelungen, etwa im Bereich der sogenannten Ruhensbestimmungen, folgen nämlich im Vergleich zu früher vorgesehenen teilweise einer anderen Systematik (so z.B. - vgl. § 4 Abs 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre - der die von § 39 b des Grazer Stadtstatuts als Kürzungsgrund voll umfaßten "Ansprüche auf eine Pensionsleistung aus der gesetzlichen Sozialversicherung" ausdrücklich ausnimmt).
VI. Diese Entscheidung wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.