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VfGH vom 28.09.1995, G296/94

VfGH vom 28.09.1995, G296/94

Sammlungsnummer

14262

Leitsatz

Aufhebung von Regelungen über die Zweckzuschüsse des Bundes zur Wohnbauförderung der Länder wegen Verstoßes gegen das finanzverfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot; keine res iudicata im Hinblick auf das Vorerkenntnis wegen Änderung des rechtlichen Umfeldes; kein Paktum mit den Finanzausgleichspartnern; keine Fixierung der Bundeszuschüsse in der Art 15a B-VG-Vereinbarung betreffend die Wohnbauförderung zwischen Bund und Ländern;

Unsachlichkeit der Bevorzugung von Ländern mit einwohnerstarken Städten durch Anknüpfen an den abgestuften Bevölkerungsschlüssel;

sachlich nicht gerechtfertigte Verteilung der Mittel aufgrund des Aufkommens bei der Einkommen- und Lohnsteuer

Spruch

Die Ziffern 2 und 3 des § 2 Abs 2 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 691/1988, mit dem den Ländern Zweckzuschüsse des Bundes für die Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung gewährt werden (Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989 - WBF-ZG), werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Steiermärkische Landesregierung stellt aufgrund ihres Beschlusses vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag,

"der Verfassungsgerichtshof wolle § 2 Abs 2 Punkt 2 und 3 des Bundesgesetzes vom , mit dem den Ländern Zweckzuschüsse des Bundes für die Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung gewährt werden (Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989 - WBF-ZG), BGBl. Nr. 691/1988 mit Wirksamkeit als verfassungswidrig aufheben."

Diese Regelungen verstießen gegen das im § 4 F-VG 1948 normierte finanzverfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot. Die Landesregierung legt ihre Bedenken gegen die angefochtenen bundesgesetzlichen Bestimmungen im einzelnen dar (s.u. II.3.).

2. Die Bundesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom eine Äußerung, in der sie mit näherer Begründung (s.u. II.4.) begehrt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß die angefochtenen Vorschriften nicht als verfassungswidrig aufzuheben sind.

Für den Fall der Aufhebung der in Prüfung stehenden Bestimmungen stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, da das WBF-ZG ohne eine vollständige Aufteilungsregel für die nach § 1 WBF-ZG weiter zu gewährenden Zweckzuschüsse (teilweise) unvollziehbar würde, ein Entfall der Zweckzuschüsse nach dem WBF-ZG aber für die Haushalte der Länder und somit auch für den Finanzausgleich insgesamt jedoch weitreichende Bedeutung hätte.

II. 1. Die angefochtenen Vorschriften und die mit ihnen im Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetzes 1989 - WBF-ZG, BGBl. 691/1988, haben folgenden Inhalt:

Nach § 1 WBF-ZG gewährt der Bund den Ländern (insgesamt) zum Zwecke der Finanzierung der Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung jährlich einen Zweckzuschuß in der Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Aufkommens an Einkommensteuer, an Körperschaftsteuer und an Wohnbauförderungsbeitrag.

Dem § 2 Abs 1 leg.cit. zufolge sind die Zweckzuschüsse den Ländern vierteljährlich in Teilzahlungen zu überweisen.

Der von der Steiermärkischen Landesregierung teilweise angefochtene § 2 Abs 2 WBF-ZG regelt die Aufteilung der Zweckzuschüsse auf die einzelnen Länder. Diese Vorschrift lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"(2) Die Aufteilung der Teilzahlung auf die einzelnen Länder ist nach folgenden Berechnungsgrundlagen vorzunehmen:

1. 50 % nach der Summe, die sich aus der Volkszahl gemäß der entsprechenden Bestimmung des jeweils geltenden Finanzausgleichsgesetzes, vermehrt um 50 % des Bevölkerungszuwachses, ergibt; als Bevölkerungszuwachs gilt die Differenz von dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt auf Grund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis gegenüber dem unmittelbar vorangegangenen;

2. 35 % nach dem jeweils für die Endabrechnung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für die Zuteilung der Mittel des zweitvorangegangenen Jahres maßgeblichen abgestuften Bevölkerungsschlüssel gemäß der entsprechenden Bestimmung des jeweils geltenden Finanzausgleichsgesetzes;

3. 15 % nach dem länderweisen Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer einschließlich Abzugsteuer und an Lohnsteuer unter Zugrundelegung der Endabrechnung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben des für die Berechnung der Länderanteile zweitvorangegangenen Jahres.

Die Volkszahl gemäß Z 1 bestimmt sich nach dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt auf Grund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis. Dieses Ergebnis wirkt mit dem Beginn des dem Stichtag der Volkszählung nächstfolgenden Kalenderjahres. Ausgangspunkt bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlagen gemäß Z 2 und 3 ist jenes Jahr, in welchem die Teilzahlung fällig ist."

Das WBF-ZG trat mit in Kraft (§5 Abs 4 leg.cit.).

2.a) Bis einschließlich 1988 gewährte der Bund im Rahmen der jeweiligen (befristeten) Finanzausgleichsgesetze (zuletzt durch § 22a FAG 1985 idF der Nov. BGBl. 607/1987) den Ländern Zweckzuschüsse für die Förderung des Wohnbaus.

Seit dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. 640/1987 fallen alle Angelegenheiten der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung in die ausschließliche Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit der Länder.

Der Bund erließ daraufhin das außerhalb des FAG stehende - zeitlich unbefristete - WBF-ZG. Den Erläuterungen zu der dieses Bundesgesetz betreffenden Regierungsvorlage zufolge (765 BlgNR, 17. GP, S 3 und 4) soll der Bund zwar die bisherige Finanzierung weiterführen; es erschien jedoch zweckmäßig, die Regelung der Zweckzuschüsse für diese Förderung nicht mehr in das neue Finanzausgleichsgesetz (das FAG 1989) aufzunehmen, sondern in einem eigenen Bundesgesetz (dem WBF-ZG) zusammenzufassen und - im Hinblick auf die Notwendigkeit der mittelfristigen Planung - die Geltungsdauer der Regelung hier (im Unterschied zum FAG) zeitlich nicht zu begrenzen.

Die Regierungsvorlage betont, daß die Regelung der von Bund, Ländern und Gemeinden am getroffenen Übereinkunft über einen neuen Finanzausgleich für die Jahre 1989 bis 1992 entspreche.

b) Die Niederösterreichische Landesregierung stellte im Jahre 1990 gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle § 2 Abs 2 WBF-ZG als verfassungswidrig aufheben.

Mit Erkenntnis VfSlg. 12832/1991 wurde dieser Antrag abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof begründete dies damit, daß er die von der damals antragstellenden Niederösterreichischen Landesregierung vorgebrachten Bedenken nicht teile. Die Begründung lautet auszugsweise wie folgt:

"Zunächst ist festzuhalten, daß das WBF-ZG zwar formal ein eigenes, außerhalb des FAG 1989 stehendes Gesetz ist, daß es aber dennoch ein Gesetz mit typisch finanzausgleichsrechtlichem Inhalt ist, mit dem der Bund den Ländern Zweckzuschüsse gewährt (§3 Abs 1, §§12 und 13 F-VG 1948). Das WBF-ZG ist also ein Teil der seit 1989 geltenden Finanzausgleichsordnung, die nur als Gesamtkomplex gesehen und beurteilt werden kann; dies nach jenen Kriterien, wie sie der Verfassungsgerichtshof gerade in letzter Zeit entwickelt hat. Eine isolierte Betrachtung - allein des WBF-ZG - wäre mithin verfehlt.

... (Auseinandersetzung mit dem zu § 2 Abs 2 Z 1 erhobenen Hauptbedenken, das Anknüpfen an die Volkszahl sei gleichheitswidrig; vor allem Hinweis auf = VfSlg. 12505/1990)

Die antragstellende Landesregierung leitet die Begründung für ihre Behauptung, es sei nicht sachgerecht, wenn in § 2 Abs 2 Z 2 an den abgestuften Bevölkerungsschlüssel angeknüpft werde, wie folgt ein:

'§2 Abs 2 Z 2 WBF-ZG knüpft insoferne an § 8 Abs 3 FAG 1989 an, als bei der Aufteilung der Teilzahlungen auf die einzelnen Länder 35 % nach dem jeweils für die Endabrechnung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für die Zuteilung der Mittel des zweitvorangegangenen Jahres maßgeblichen abgestuften Bevölkerungsschlüssel gemäß der entsprechenden Bestimmung des jeweils geltenden Finanzausgleichsgesetzes bemessen werden.

Gegen die Anknüpfung sprechen folgende Argumente:

Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel ist für Mittelzuweisungen an die Gebietskörperschaften insgesamt nicht sachgerecht.'

Sodann bringt die Landesregierung inhaltlich dieselben Bedenken vor, mit denen sie ihren auf Aufhebung von Bestimmungen des FAG 1989 gerichteten, zu G66/90 eingebrachten Gesetzesprüfungsantrag begründet hatte.

Im nunmehr vorliegenden Antrag wird außerdem geltend gemacht, es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem System des abgestuften Bevölkerungsschlüssels und dem Finanzbedarf der Länder auf dem Gebiet der Wohnbauförderung (...).

Soweit im vorliegenden Antrag Bedenken gegen den abgestuften Bevölkerungsschlüssel an sich enthalten sind, die der Sache nach mit jenen identisch sind, welche den zu G66/90 eingebrachten Antrag begründet hatten, wird auf die betreffende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom , G66/90 (= VfSlg. 12505/1990), verwiesen, mit der diese Bedenken als unbegründet erkannt wurden.

Hingegen ist der von der antragstellenden Landesregierung erhobene Vorwurf näher zu behandeln, es sei unsachlich, bei der Verteilung von Zweckzuschüssen, die der Wohnbauförderung dienen, an den abgestuften Bevölkerungsschlüssel - mag dieser auch in anderem Zusammenhang gerechtfertigt sein - anzuknüpfen, weil die Errichtung von Wohnraum unabhängig davon, ob in einer einwohnerstarken oder einwohnerschwachen Gemeinde gebaut werde, den gleichen Finanzbedarf (pro zu schaffender Wohneinheit) erfordere; diese Bedenken wurden nämlich im Erkenntnis G66/90 (= VfSlg. 12505/1990) nicht erörtert.

Die Bundesregierung macht in ihrer Äußerung auf die Funktion des Wohnbauförderungs-Zweckzuschusses aufmerksam, die Haushalte der Länder zu entlasten, um ihnen - auch - eine Wohnbauförderungspolitik zu ermöglichen, ohne daß die anderen Aufgaben vernachlässigt werden müßten; die teilweise Anknüpfung bei der Verteilung dieses Zweckzuschusses an Kriterien, die in erster Linie auf den Finanzierungsbedarf des Gesamthaushalts einer Gebietskörperschaft abstellen, sei daher nicht unsachlich.

Damit wird aber nicht nachgewiesen, daß eine größere Einwohnerzahl einen überproportionalen Bedarf nach Wohnbauförderungsmitteln bewirkt.

Dennoch sieht sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt, § 2 Abs 2 Z 2 WBF-ZG wegen Widerspruches zu § 4 F-VG 1948 und zu Art 7 B-VG aufzuheben.

Zur Entstehungsgeschichte des WBF-ZG ist zunächst auf die obigen Ausführungen (...) zu verweisen. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat ergeben, daß dem FAG 1989 und dem WBF-ZG (das die finanzausgleichsrechtlichen Regelungen über die Bundeswohnbauförderung formal aus dem FAG ausnimmt und - zeitlich unbegrenzt - sondergesetzlich regelt) Beratungen der Finanzausgleichspartner vorausgingen; das WBF-ZG entspricht der von ihnen am getroffenen Übereinkunft (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das nachmalige WBF-ZG, 765 BlgNR, 17. GP, S 3,4).

Das Resümeeprotokoll über die Paktierung des Finanzausgleiches ab dem Jahr 1989 hält dazu - wie die Bundesregierung in ihrem Schriftsatz vom ausführt (diese Behauptungen blieben unbestritten) - in Pkt. 1.4. fest:

'Die derzeit im § 22a Finanzausgleichsgesetz 1985 in der

Fassung BGBl. Nr. 607/1987 und im ArtII Z 2 des VI. Abschnittes des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 607/1987 geregelten Zuschüsse des Bundes an die Länder zur Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung werden

außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes in einem eigenen Bundesgesetz (Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989) festgelegt, das unbefristet in Kraft gesetzt wird. Änderungen dieses Gesetzes werden nur im Einvernehmen mit den Ländern vorgenommen.

Die Bemessungsgrundlage für die Zuschüsse des Bundes an die Länder bleibt gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 22a Finanzausgleichsgesetz 1985 in der Fassung BGBl. Nr. 607/1987 unverändert. Es wird einvernehmlich festgehalten, daß die Kapitalertragsteuer II nicht in die Bemessungsgrundlage für die Wohnbauförderungs-Zweckzuschüsse einbezogen wird.'

Gleichzeitig fanden zwischen dem Bund und allen Ländern Beratungen über den Abschluß einer auf Art 15a B-VG gestützten Vereinbarung betreffend die Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung statt. Am wurde die Vereinbarung abgeschlossen (BGBl. 390/1989). Die einschlägigen Bestimmungen enthält Artikel 3 dieser Vereinbarung.

Unter diesen Umständen kommt den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G66/90 (= VfSlg. 12505/1990) (dessen Leitgedanken im Erkenntnis vom , G158-162/91 (= VfSlg. 12784/1991), bekräftigt wurden), angestellten Überlegungen besondere Bedeutung zu:

'Das allgemeine Gleichheitsgebot des Art 7 B-VG gilt auch für den Finanzausgleichsgesetzgeber. Es wird für den Bereich des Finanzausgleiches durch § 4 F-VG 1948 zum Ausdruck gebracht;

...

Art und Ausmaß der Lasten wie der Einnahmen werden von den einzelnen Gebietskörperschaften teils autonom, teils heteronom bestimmt, wobei zahlreiche Wechselbeziehungen und gegenseitige Einwirkungen bestehen, die bei Regelung des Finanzausgleiches Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Gebietskörperschaften erfordern.

Schließlich geht aus § 4 F-VG 1948 hervor, daß die einzelnen finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen nicht isoliert betrachtet werden dürfen; vielmehr hat - unter Beachtung der beiden erwähnten Faktoren - die Finanzausgleichsgesetzgebung insgesamt ein System zu entwickeln, das dem Gebot des § 4 F-VG 1948 und des Art 7 B-VG entspricht.

All das aber bedeutet, daß die Bundesverfassung dem Finanzausgleichsgesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum läßt und ihm nur minimale Handlungsanweisungen erteilt, wie die einzelnen finanzausgleichsrechtlichen Regeln inhaltlich zu fassen sind.

So steht dem Finanzausgleichsgesetzgeber ein weiter rechtspolitischer Freiraum in der Auswahl sowohl der mit dem Finanzausgleich anzustrebenden Ziele als auch des hiebei eingesetzten Instrumentariums zu.

Die vorgesehenen Mittel dürfen nur nicht von vornherein zur Zielerreichung und zur Herstellung des oben geschilderten angemessenen Ausgleiches zwischen den (divergierenden) finanzpolitischen Interessen der Gebietskörperschaften ungeeignet sein oder sonst dem Gleichheitsgrundsatz widerstreiten (vgl. zB VfSlg. 8457/1978, 9280/1981).

Ein dem Gebot des § 4 F-VG entsprechendes, sachgerechtes System des Finanzausgleiches setzt schon im Vorfeld der Gesetzgebung eine Kooperation der Gebietskörperschaften voraus, die durch politische Einsicht und gegenseitige Rücksichtnahme bestimmt ist. Ein solches komplexes System kann nur bei eingehender Kenntnis der bestehenden weitverzweigten, komplizierten Rechtsordnung und der gegenwärtigen und künftig zu erwartenden wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten und Interessen sowie durch gegenseitige Rücksichtnahme und einen das Gesamtwohl beachtenden Ausgleich der (allenfalls divergierenden) Interessen der Gebietskörperschaften geschaffen werden.

Vor Erlassung des Finanzausgleichsgesetzes sind also entsprechende Beratungen zwischen den Vertretern der Gebietskörperschaften unabdingbar (wobei die Gemeinden durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund zu vertreten sind - Art 115 Abs 3 B-VG). Führen diese Gespräche zumindest in den wesentlichen, grundsätzlichen Belangen zu einem Einvernehmen, so kann in aller Regel davon ausgegangen werden, daß eine dem Art 4 F-VG 1948 entsprechende Gesamtregelung getroffen wurde. Es ist nämlich nicht anzunehmen, daß die mit der Sach-, Rechts- und Interessenslage vertrauten Vertreter der Gebietskörperschaften bei den auf Erzielung eines Konsenses abzielenden Verhandlungen zu einem Ergebnis gelangen, dem entgegengehalten werden könnte, es sei exzessiv unrichtig.

Ein - den Art 7 B-VG und den § 4 F-VG 1948 verletzender - Fehler des Gesetzgebers liegt im gegebenen Zusammenhang demnach nur dann vor, wenn einzelne (nicht das Gesamtsystem berührende) Bestimmungen zueinander in sachlich nicht rechtfertigbarem Widerspruch stehen (wie etwa bei Benachteiligung zweier Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden - VfSlg. 10633/1985), oder aber wenn die Partner der Finanzausgleichsverhandlungen von völlig verfehlten Prämissen ausgingen oder die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet wurde.

....'

Derartige Fehler sind dem § 2 Abs 2 Z 2 WBF-ZG nicht anzulasten:

Die Finanzausgleichspartner schlossen (...) auf zwei Rechtsebenen je ein Paktum, wobei jene Probleme, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, bei den den erwähnten Vereinbarungen vorangegangenen Verhandlungen (den dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung stehenden Unterlagen zufolge) keine Rolle spielten, weshalb denn auch die Verhandlungspartner zu einer Einigung gelangten. Unter diesen Umständen kann nicht die Rede davon sein, daß die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet wurde.

Das WBF-ZG 1989 trat am in Kraft. Erst in der Folge stellten sich die soeben geschilderten Bedenken heraus. Seither ist noch ein zu kurzer Zeitraum verflossen, um die tatsächlichen Verhältnisse mit Sicherheit überblicken zu können und um die Pflicht des Gesetzgebers entstehen zu lassen, das WBF-ZG den neuen Einsichten entsprechend zu ändern.

Auch § 2 Abs 2 Z 2 WBF-ZG war sohin nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Schließlich meint die Niederösterreichische Landesregierung, daß auch die im § 2 Abs 2 Z 3 WBF-ZG vorgesehene Berücksichtigung des Steueraufkommens unsachlich sei:

Der Steuerertrag, den ein Land erwirtschaftet, stehe mit dem im § 4 F-VG 1948 festgeschriebenen Prinzip der Lastenadäquanz in keinem Zusammenhang. Die Verteilungskriterien müßten sich nach dem Bedarf an Förderungsmitteln richten und dürften nicht von Faktoren abhängig gemacht werden, die die Einnahmenseite (die Mittelaufbringung) berücksichtigen. Darin liege gerade das Wesen des finanzverfassungsrechtlich vorgeschriebenen Finanzausgleichs, der für eine lastenadäquate, also ausgabenorientierte Finanzmittelverteilung sorgen müsse.

Die Berechnung des Faktors nach § 2 Abs 2 Z 3 WBF-ZG gehe unter anderem vom Steuerertrag jedes Landes bei der Lohnsteuer aus. Die Formulierung 'länderweises Aufkommen an Lohnsteuer' im Gesetzestext lasse nun keine andere Auslegung zu, als daß die Einnahmen an Lohnsteuer dem Land zugerechnet werden, in dem sie an die Finanzbehörden abgeführt werden. Diese örtliche Zuordnung des Steueraufkommens sei zufällig und nicht sachgerecht. Durch diese Regelungen würden jene Länder unsachlich benachteiligt, die einen hohen Anteil an Pendlern haben - also an Personen, die in einem anderen Bundesland ihre Erwerbstätigkeit ausüben; deren Lohnsteuer komme nämlich bei der Berechnung nach diesem Faktor dem 'Gastland' zugute.

Schließlich sei die Auswahl der Steuerarten bei der in § 2 Abs 2 Z 3 WBF-ZG enthaltenen Regelung nach Ansicht der Niederösterreichischen Landesregierung willkürlich und ohne inhaltlichen Bezug auf die für die Förderung des Wohnbaus bereitgestellten Zweckzuschüsse getroffen worden. So würde etwa der Steuerertrag aus der Grunderwerbsteuer viel eher in einem inhaltlichen Zusammenhang zum Wohnbau stehen als die Lohn- oder Einkommensteuer.

Zwar ist - worauf die Bundesregierung zutreffend verweist - einer der Grundsätze, auf denen der - auf einen Pakt der Finanzausgleichspartner zurückgehende, für die Zeit ab 1989 geltende - Finanzausgleich (zu dem auch - wie dargetan - das WBF-ZG gehört) beruht, daß jeder am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaft ein Ertragsanteil jenes Steueraufkommens zurückerstattet wird, das in ihrem Gebiet erzielt wurde (vgl. zB § 8 Abs 2 FAG 1989 - in diesem Sinne schon PFAUNDLER, Die Finanzausgleichsgesetzgebung 1948/582, Wien 1958, S 95).

Dennoch ist nicht erkennbar, weshalb gerade ein hohes Aufkommen an Einkommensteuer und Lohnsteuer ein Indikator für einen besonderen Bedarf an Wohnbauförderungsmitteln (die vor allem der einkommensschwächeren Bevölkerung zugutekommen sollen) sein kann.

Weiters hat das Verfahren zwar den von der antragstellenden Landesregierung erhobenen Vorwurf bestätigt, die örtliche Zuordnung des Steueraufkommens sei vielfach ein Ergebnis des Zufalls; die in § 2 Abs 2 Z 3 WBF-ZG vorgenommene Verknüpfung ist also an sich sachlich nicht zu rechtfertigen. Gleichwohl ist aber die Regelung im Hinblick auf die geschilderte Paktierung (...) während der Laufzeit des derzeit geltenden Finanzausgleichsgesetzes nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Die von der Niederösterreichischen Landesregierung gegen die Verfassungsmäßigkeit des WBF-ZG vorgebrachten Bedenken treffen also insgesamt nicht zu.

Der Antrag war mithin abzuweisen."

3. Mit dem nunmehr vorliegenden, diesmal von der Steiermärkischen Landesregierung gestellten Antrag (s.o. I.1.) wird begehrt, die Z 2 und 3 des § 2 Abs 2 WBF-ZG als verfassungswidrig aufzuheben.

Dieser Antrag wird wie folgt begründet:

"I. Prozeßvoraussetzungen

Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art 140 Abs 1 B-VG u. a. auf Antrag einer Landesregierung über eine allfällige Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes.

Der Anfechtungsbeschluß wurde von der Steiermärkischen Landesregierung in ihrer Sitzung am gemäß § 4 Abs 1 Zif. 13 der Geschäftsordnung der Steiermärkischen Landesregierung, LGBl. Nr. 54/1975 in der Fassung LGBl. Nr. 4/1991, kollegial gefaßt.

II. Die Unsachlichkeit der Aufteilung

nach § 2 Abs 2 Zif. 2 und 3 WBF-ZG

Die bundesgesetzlichen Zweckzuschußregelungen unterliegen dem im § 4 F-VG 1948 normierten finanzverfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebot. Dies gilt im übrigen auch dann, wenn man im vorliegenden Fall § 12 Abs 2 F-VG 1948 als alleinige Kompetenzgrundlage heranzieht, weil § 4 F-VG 1948 eine Verweisung auf § 3 F-VG 1948 enthält, der seinerseits die Zweckzuschüsse zum Gegenstand hat. Somit müssen Regelungen, die sich auf § 12 F-VG 1948 stützen, auch an § 4 F-VG gemessen werden. Diese Bestimmung stellt ihrerseits nur eine Konkretisierung des Gleichheitsgrundsatzes für das Gebiet des Finanzausgleiches dar (vgl. VfSlg. 9280, 10633).

Die Norm des § 2 Abs 2 Zif. 2 und 3 des WBF-ZG ist daher mit Verfassungswidrigkeit bedroht, wenn die darin enthaltenen Verteilungskriterien in keiner Beziehung zu einem Bedarf der Länder an Mitteln stehen, die zur Förderung des Wohnbaues oder der Wohnhaussanierung benötigt werden.

Nach Auffassung des Landes Steiermark stellt das einzig sachgerechte Kriterium für die Aufteilung der Zweckzuschüsse für den Wohnbau die Volkszahl dar, aus der sich unmittelbar der Bedarf an Förderungsmitteln ableitet.

§ 2 Abs 2 Zif. 1 WBF-ZG, wonach derzeit für die Aufteilung von 50 % der Mittel die Volkszahl vermehrt um 50 % des Bevölkerungszuwachses maßgeblich ist, stellt nach Auffassung der Steiermärkischen Landesregierung einen sachgerechten Aufteilungsmaßstab dar und soll daher für die gesamten Wohnbauförderungsmittel Anwendung finden.

III. Zur mangelnden Sachgerechtigtkeit

der Anknüpfung an den abgestuften

Bevölkerungsschlüssel

Die dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel immanente Annahme eines progressiven Ansteigens des Ausgabenbedarfs bei steigender Bevölkerungszahl ist eine Fiktion, die als Kriterium bei der Aufteilung von Ertragsanteilen auf die Gemeinden geeignet sein mag.

Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel steht dagegen in keiner Beziehung zu den tatsächlichen Kosten der Wohnraumversorgung und damit dem Bedarf an Wohnbauförderungsmitteln und ist daher als Kriterium für die Aufteilung dieser den Ländern zustehenden Mittel ungeeignet.

Für die Bundesländer gibt es im übrigen auch sinnvollerweise keinen eigenen nach der Bevölkerungszahl der Bundesländer abgestuften Bevölkerungsschlüssel, sondern tatsächlich werden beim Vollzug des § 2 Abs 2 Zif. 2 WBF-ZG nur die Summen der abgestuften Bevölkerungszahlen der Gemeinden der Bundesländer zueinander in Relation gesetzt.

Auch aus dieser Sicht ist § 2 Abs 2 Zif. 2 WBF-ZG verfassungsrechtlich bedenklich.

IV. Die Unsachlichkeit der Berücksichtigung

des Steueraufkommens

Die Aufteilung von 15 % der Mittel nach dem länderweisen Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer einschließlich Abzugsteuer und der Lohnsteuer gemäß § 2 Abs 2 Zif. 3 WBF-ZG steht ohne jeden Zusammenhang mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Förderung des Wohnbaues und dem konkreten Bedarf an Förderungsmitteln in einem Bundesland.

Ganz allgemein ist eine von der Höhe des Aufkommens an Lohn- und Einkommensteuer abhängige Zuteilung von Förderungsmitteln auch deshalb nicht sachgerecht, weil bei höherer durchschnittlicher Steuerleistung bei der Einkommen- und Lohnsteuer, eher auf höhere Einkommen und stärkere wirtschaftliche Leistungskraft und damit auf einen geringeren Bedarf an Förderungsmitteln geschlossen werden müßte.

Auch was die länderweise Zuordnung des 'Aufkommens' betrifft, ist die Vorgangsweise vor allem bei der Lohnsteuer unsachlich und zum Teil von Zufällen abhängig.

Abgesehen von den zahlreichen Pendlern, bei denen die Lohnsteuer dem Beschäftigungsort zugerechnet wird, deren Wohnversorgung jedoch naturgemäß im Wohnort zu finanzieren ist, ergibt sich vor allem bei den Bundesbediensteten ein gravierendes Zurechnungsproblem insoferne, als auch das Lohnsteueraufkommen von den in den Bundesländern beschäftigten Bundesbediensteten dem Bundesland Wien zugerechnet wird.

Im Erkenntnis G39/90-19 vom (= VfSlg. 12832/1991) ist der Verfassungsgerichtshof davon ausgegangen, daß die Regelung der Aufteilung der Wohnbauförderungsmittel ab zwar in einem eigenen außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes 1989 stehenden Gesetz erfolgt ist, dieses Gesetz jedoch typisch finanzausgleichsrechtlichen Inhalt aufweist und einen Teil der seit 1989 geltenden Finanzausgleichsordnung darstellt, die nur als Gesamtkomplex gesehen und beurteilt werden kann.

Im Sinne der in den Erkenntnissen vom und vom angestellten Überlegungen könne daher aufgrund der zwischen den Finanzausgleichspartnern nach Durchführung von Verhandlungen erfolgten Paktierung des Finanzausgleichs ab dem Jahr 1989 nicht die Rede davon sein, daß die Interessenslage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet worden sei.

Zum Zeitpunkt des Erkenntnisses sei auch noch ein zu kurzer Zeitraum verflossen, um die tatsächlichen Verhältnisse mit Sicherheit überblicken zu können und um die Pflicht des Gesetzgebers entstehen zu lassen, das WBF-ZG den neuen Einsichten entsprechend zu ändern.

Ausdrücklich weist der Verfassungsgerichtshof darauf hin, daß die in § 2 Abs 2 Zif. 3 WBF-ZG vorgenommene Verknüpfung an sich sachlich nicht zu rechtfertigen ist, gleichwohl aber die Regelung im Hinblick auf die geschilderte Paktierung während der Laufzeit des derzeit geltenden Finanzausgleichsgesetzes nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist.

Nach Auffassung der Steiermärkischen Landesregierung ergab sich mit dem Auslaufen des von den Finanzausgleichspartnern paktierten Finanzausgleichsgesetzes 1989 per , ab insoferne eine völlig neue Situation, als der Bund das darauf folgende Finanzausgleichsgesetz 1993, erstmalig in der Geschichte der Finanzausgleichs-Regelungen, ohne Paktum mit den übrigen Finanzausgleichspartnern in Kraft gesetzt hat.

Ausschlaggebend dafür war die Weigerung des Bundeslandes Steiermark, das Paktum wegen mangelnder Berücksichtigung der finanziellen Erfordernisse des Landes Steiermark zu unterfertigen.

Bei der Aufteilung der Wohnbauförderungsmittel hat das Land Steiermark im Jahre 1993 mit einem Gesamtbetrag von rund 22,6 Mrd. S einen Anteil von rund 3,163 Mrd. S erhalten; bei einer Aufteilung nach der Volkszahl wären dem Land Steiermark zusätzliche Mittel von rund 275 Mio. S zugeflossen."

4. Die Äußerung der Bundesregierung (s.o. I.2.) hält dem folgendes entgegen:

"Anforderungen an ein dem § 4 F-VG 1948 und dem Art 7 B-VG entsprechendes Finanzausgleichssystem:

Das Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989 (im folgenden: WBF-ZG) ist zwar formal ein eigenes, außerhalb des Finanzausgleiches stehendes Gesetz, hat aber dennoch einen typisch finanzausgleichsrechtlichen Inhalt. Es ist Teil der Finanzausgleichsordnung, die nur als Gesamtkomplex gesehen und beurteilt werden kann. Eine isolierte Betrachtung - allein des WBF-ZG - wäre daher verfehlt.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur, insbesondere in VfSlg. 12832/1991, 12505/1990 und 12784/1991, jene Kriterien herausgearbeitet, die für die Beurteilung eines Finanzausgleichssystems hinsichtlich seiner Ausgewogenheit und Sachlichkeit maßgeblich sind.

Demnach hat die Finanzausgleichsgesetzgebung insgesamt ein System zu entwickeln, das dem Gebot des § 4 F-VG 1948 und des Art 7 B-VG entspricht. Daraus folgt, daß die Bundesverfassung dem Finanzausgleichsgesetzgeber einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum sowohl hinsichtlich der mit dem Finanzausgleich anzustrebenden Ziele als auch des hiebei eingesetzten Instrumentariums läßt.

Die vorgesehenen Mittel dürfen nur nicht von vornherein zur Zielerreichung und zur Herstellung des angemessenen Ausgleiches zwischen den (divergierenden) finanzpolitischen Interessen der Gebietskörperschaften ungeeignet sein oder sonst dem Gleichheitsgrundsatz widerstreiten. Ein sachgerechtes System des Finanzausgleiches setzt daher schon im Vorfeld der Gesetzgebung durch politische Einsicht und gegenseitige Rücksichtnahme bestimmte Beratungen der Gebietskörperschaften voraus.

Führen diese Beratungen zumindest in den wesentlichen, grundsätzlichen Belangen zu einem Einvernehmen, so kann in aller Regel davon ausgegangen werden, daß eine dem Art 4 F-VG 1948 entsprechende Gesamtregelung getroffen wurde. Dies deshalb, weil nicht anzunehmen ist, daß die auf die Erzielung eines Konsenses abzielenden Verhandlungen zu einem exzessiv unrichtigen Ergebnis führen.

Fehler des Gesetzgebers können in diesem Zusammenhang dann vorliegen, wenn


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
einzelne (nicht das Gesamtsystem berührende) Bestimmungen zueinander in sachlich nicht rechtfertigbarem Widerspruch stehen,
-
die Partner der Finanzausgleichsverhandlungen von völlig verfehlten Prämissen ausgingen oder
-
die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet wurde.

Der Verfassungsgerichtshof hatte § 2 Abs 2 des WBF-ZG bereits im Verfahren G39/90 geprüft. Dem § 2 Abs 2 WBF-ZG konnten in diesem Verfahren keine derartigen, oben angeführten Fehler angelastet werden (VfSlg. 12832/1991). Dies vor allem wegen der Entstehungsgeschichte des WBF-ZG, dessen einvernehmliche Ausgestaltung auf zwei Ebenen, nämlich einer Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder (u.a.) bei der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung, BGBl. Nr. 390/1989, und eines Paktums über den Finanzausgleich ab dem Jahr 1989, dokumentiert worden war.

2. WBF-ZG als Teil der geltenden Finanzausgleichsordnung:

Die im Punkt 1. angeführten, vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Grundsätze sind auch im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren anzuwenden.

2.1 Das WBF-ZG ist nunmehr Teil der seit 1993 geltenden Finanzausgleichsordnung. Dieser Gesamtkomplex umfaßt neben den Wohnbauförderungs-Zweckzuschüssen insbesondere die quantitativ wesentlich bedeutendere, im Finanzausgleichsgesetz 1993 geregelte Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge zwischen den Gebietskörperschaften, welche ein Volumen von insgesamt etwa 579 Milliarden Schilling p.a. betrifft (Basis 1992, ohne Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, siehe die Gebarungsübersichten 1992, herausgegeben vom Österreichischen Statistischen Zentralamt, Heft 1.129, Seite 21). Die Zweckzuschüsse des Bundes an die Länder gemäß § 1 WBF-ZG betrugen im Jahr 1994 rund 22,17 Milliarden Schilling und wurden wie folgt verteilt: Burgenland 0,63 Mrd. S, Kärnten 1,44 Mrd. S, Niederösterreich 3,65 Mrd. S, Oberösterreich 3,58 Mrd. S, Salzburg 1,36 Mrd. S, Steiermark 3,05 Mrd. S, Tirol 1,68 Mrd. S, Vorarlberg 0,92 Mrd. S und Wien 5,85 Mrd. S.

(Wäre im Jahr 1994 der gesamte Zweckzuschuß in Höhe von 22,17 Milliarden Schilling im Verhältnis des Schlüssels 'Volkszahl + halber Bevölkerungszuwachs' (§2 Abs 2 Z 1 WBF-ZG) verteilt worden, hätte sich für Wien übrigens ein geringerer Anspruch von 1,53 Mrd. S errechnet, für die anderen Länder hingegen jeweils ein höherer Anspruch im folgenden Ausmaß: Burgenland 0,13 Mrd. S, Kärnten 0,11 Mrd. S, Niederösterreich 0,54 Mrd. S, Oberösterreich 0,25 Mrd. S, Salzburg 0,05 Mrd. S, Steiermark 0,27 Mrd. S, Tirol 0,15 Mrd. S und Vorarlberg 0,04 Mrd. S.)

2.2 Aufgrund des auch in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes betonten weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums muß wohl zulässig sein, daß die Feststellung des Förderbedarfes eines Landes nicht nur in Abhängigkeit eines einzigen Kriteriums gesehen wird, etwa nur von der Volkszahl oder nur von der Volkszahl kombiniert mit dem Bevölkerungswachstum. Dem Gesetzgeber muß es daher erlaubt sein, auch andere Überlegungen einzubeziehen, wie insbesondere die regional unterschiedlichen Auswirkungen der Inanspruchnahme von Bausparförderungen, der höhere Förderungsbedarf im Zusammenhang mit Mehrgeschoßwohnungen im Vergleich zu Einfamilienhäusern, oder der sich aus der Qualität des Wohnungsbestandes ergebende Sanierungsaufwand (und damit etwa im Ergebnis ein höherer Förderungsbedarf des Landes Wien als seinem Anteil an der Volkszahl entsprechen würde).

Berücksichtigt man, daß der Bedarf einer Gebietskörperschaft an Mitteln zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe, hier zur Förderung des Wohnbaus, nicht mit objektiven, wissenschaftlichen Methoden gemessen werden kann und daher notwendigerweise über die Mittelverteilung vom Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums zu entscheiden ist, kann wohl nicht behauptet werden, daß dieses Verteilungsergebnis exzessiv unrichtig sei.

2.3 Die im § 2 WBF-ZG normierte Verteilungsregelung ist Teil der zwischen dem Bund und allen Ländern abgeschlossenen Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder beim Personalaufwand für Lehrer an allgemeinbildenden Pflichtschulen, bei der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung sowie bei der Dotierung des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds vom , BGBl. Nr. 390/1989. Diese Verteilungsregelung beruht daher keinesfalls auf einer willkürlichen oder einseitigen Entscheidung des Bundesgesetzgebers.

Art 3 Abs 1 dieser Vereinbarung bestimmt, daß der Bund 'die Zuschüsse an die Länder für Zwecke der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung in einem eigenen Bundesgesetz (Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989 - WBF-ZG) regeln' wird. Normativer Inhalt dieser Regelung ist wohl nicht, daß die Zuschüsse in (irgend) einem eigenen Gesetz geregelt werden, vielmehr hat der Inhalt des im Klammerausdruck zitierten WBF-ZG als Teil dieser Vereinbarung zu gelten. Da das WBF-ZG vom Nationalrat am selben Tag, an dem die Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG unterzeichnet wurde, beschlossen wurde, lag der endgültige Text des WBF-ZG somit bei der Genehmigung der Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG BGBl. Nr. 390/1989, durch den Nationalrat und auch durch die Landtage vor. Das Gesetz ist daher quasi Inhalt der zitierten Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG und daher vom Vertragswillen der Parteien dieser Vereinbarung erfaßt (vgl. auch VfSlg. 12832/1991, S 177). Gemäß Art 8 dieser Vereinbarung ist eine Abänderung oder Kündigung dieser Vereinbarung nur im Einvernehmen der Vertragsparteien möglich. Der Bund sieht sich daher weiterhin zur Einhaltung dieser Vereinbarung - und somit zur Aufrechterhaltung der Regelungen des WBF-ZG - verpflichtet.

2.4 Weiters ist das WBF-ZG als Teilbereich des nach intensiven Verhandlungen zwischen den Gebietskörperschaften geregelten Finanzausgleiches ab dem Jahr 1993, über dessen wesentliche Punkte am eine Einigung erzielt werden konnte, zu betrachten. (Dies geben insbesondere auch die Ausführungen im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zum FAG 1993, 867 BlgNR 18. GP, oder auch die Darstellungen des Ergebnisses in der Österreichischen Gemeindezeitung 12/1992, 3, und 1/1993, 2 und 7, wieder.)

2.4.1 Wie auch bei früheren Finanzausgleichsverhandlungen konnten nicht alle, sich naturgemäß zum Teil widersprechenden Forderungen der einzelnen Gebietskörperschaften im Ergebnis ihren Niederschlag finden, wobei im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen 1993 u.a. über die Fragen einer besonderen Abgeltung für Agenden der Bezirksverwaltungsbehörden, einer Änderung der Verteilung der Wohnbauförderungs-Zweckzuschüsse und insbesondere über die Forderung des Landes Steiermark nach verfassungsrechtlicher Absicherung gleicher Lebensbedingungen keine Einigung erzielt werden konnte.

2.4.2 Konkret lautete die Forderung des Landes Steiermark, in § 4 F-VG 1948 die Bundesgesetzgebung zu einer schrittweisen Herbeiführung von Chancengleichheit hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur und der wirtschaftlichen Lebensbedingungen in den einzelnen Ländern zu verpflichten und im FAG 1993 einen Zweckzuschuß in Höhe von einer Milliarde Schilling an die strukturschwachen Länder Burgenland, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten je zur Hälfte im Verhältnis der Gebietsfläche und im Verhältnis der Volkszahl vorzusehen.

In weiterer Folge beschloß die Steiermärkische Landesregierung am ein 'Steirisches Verhandlungspaket mit dem Bund', dessen Erfüllung als Voraussetzung für eine Zustimmung des Landes Steiermark zum neuen Finanzausgleich bezeichnet wurde. Dieses Paket umfaßte die Änderung des Finanzierungsschlüssels bei den Universitätskliniken, die Bundesbeteiligung zu 50 % bei der Johanneum-Research, die Frage der Finanzierung einer Musikhochschule, die Verlängerung der Förderungsaktion 'Regionale Innovationsprämie' und deren Erweiterung auf Tourismusprojekte, den Abtausch der Aktien und Beteiligungen bei Pyhrn-Autobahn AG, Flughafen GmbH, Dachstein-Tauern-AG und Planei Hochwurzen GmbH, eine Milliarde Schilling (50 % Bund, 50 % Land in fünf Jahren) für einen Steiermark-Fonds sowie Verkehrsinfrastruktur-Investitionen laut steiermärkischem Gesamtverkehrskonzept (einschließlich des Semmering-Basis-Tunnels).

2.4.3 Zu einer gemeinsamen Dokumentation der für das Finanzausgleichsgesetz 1993 vereinbarten Änderungen in Form eines Paktums kam es trotz einer besonderen Besprechung des Bundesministers für Finanzen mit den Landesfinanzreferenten und den Vertretern der Gemeindebünde am über die Formulierung eines Paktums letztlich nicht, weil sich das Land Steiermark nicht in der Lage sah, das Verhandlungsergebnis zu akzeptieren.

2.4.4 Nach Ansicht der Bundesregierung kann jedoch weder daraus, daß nicht alle Forderungen einer Gebietskörperschaft erfüllt werden konnten, noch aus der fehlenden förmlichen Unterzeichnung eines Paktums geschlossen werden, daß der Finanzausgleichsgesetzgeber die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet hätte. Einer förmlichen Unterfertigung eines Paktums zum Finanzausgleich kann schon aufgrund grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Überlegungen keine konstitutive Bedeutung (etwa vergleichbar mit der Beurkundung des Zustandekommens von Bundesgesetzen durch den Bundespräsidenten) zukommen.

Entscheidend muß vielmehr sein, daß der Finanzausgleich kooperativ vorbereitet wurde und insgesamt auf einem Ausgleich der divergierenden Interessen der Gebietskörperschaften beruht. Daß dies nicht der Fall sei, wurde nicht einmal im Antrag der Steiermärkischen Landesregierung behauptet, und kann im speziellen auf die Verteilung der Wohnbauförderungs-Zweckzuschüsse schon deshalb nicht zutreffen, weil diese in der genannten Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und (u.a.) dem Land Steiermark einvernehmlich festgesetzt wurde. Daraus folgend könnte daher auch ein mit den Ländern nicht akkordiertes oder paktiertes späteres Finanzausgleichsgesetz nicht in der Weise auf das Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989 ausstrahlen, daß es dessen Verfassungswidrigkeit bewirkt.

3. In seinem Erkenntnis VfSlg. 12832/1991 führt der Verfassungsgerichtshof aus, daß im Hinblick auf das Inkrafttreten des WBF-ZG mit auch deshalb noch keine Pflicht des Gesetzgebers zu einer Änderung des WBF-ZG entstanden sei, weil ein noch zu kurzer Zeitraum verflossen sei, um die tatsächlichen Verhältnisse mit Sicherheit überblicken zu können.

3.1 Da die §§1 und 2 WBF-ZG inhaltlich dem § 22a FAG 1985 entsprechen, lagen der Vorbereitung des WBF-ZG die Gesamthöhe der Zweckzuschüsse und die auf die einzelnen Länder entfallenden Anteile des Jahres 1988 zugrunde. Nach nunmehr sechs vollen Jahren der Geltung des WBF-ZG kann festgestellt werden, daß - ausgehend von dieser Basis - die Einbeziehung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels und der Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer und an Lohnsteuer keine Entwicklung der Zweckzuschüsse verursacht, die in Anbetracht der in der Gesamtregelung des Finanzausgleiches verteilten Beträge als exzessiv bezeichnet werden könnte.

In der folgenden Tabelle sind die insgesamt gemäß § 22a FAG 1985 bzw. § 1 WBF-ZG verteilten Mittel, weiters der tatsächliche Anteil des Landes Steiermark daran und schließlich ein fiktiver Anteil anhand eines Schlüssels, der nur aus der Volkszahl plus halbem Bevölkerungszuwachs gebildet ist, dargestellt:

Jahr § 1-ZZ gesamt Anteil Stmk (Z1-3) fikt.Anteil Stmk (Z1)

1988 15,682 Mrd S 2,222 Mrd S 14,17 %) 2,432 Mrd S 15,51 %)

1989 15,829 Mrd S 2,240 Mrd S 14,15 %) 2,455 Mrd S 15,51 %)

1990 17,287 Mrd S 2,455 Mrd S 14,20 %) 2,681 Mrd S 15,51 %)

1991 19,430 Mrd S 2,761 Mrd S 14,21 %) 3,014 Mrd S 15,51 %)

1992 21,520 Mrd S 3,013 Mrd S 14,00 %) 3,219 Mrd S 14,96 %)

1993 22,626 Mrd S 3,163 Mrd S 13,98 %) 3,385 Mrd S 14,96 %)

1994 22,170 Mrd S 3,051 Mrd S 13,76 %) 3,317 Mrd S 14,96 %)

3.2. Während die Zweckzuschüsse an das Land Steiermark im Zeitraum 1988 bis 1994 von 2,222 Mrd. S auf 3,051 Mrd. S, somit um rund 828 Millionen Schilling bzw. 37,3 % gestiegen sind, wären sie bei einer Verteilung alleine nach dem Schlüssel gemäß § 2 Abs 2 Z 1 WBF-ZG von 2,432 Mrd. S auf 3,317 Mrd. S, somit um rund 884 Millionen Schilling bzw. 36,4 %, also im großen und ganzen im gleichen Verhältnis gestiegen. Daraus wird ersichtlich, daß die Einbeziehung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels und der Steueraufkommen für die Entwicklung der Höhe des Zweckzuschusses an das Land Steiermark nur eine untergeordnete Bedeutung hat und vielmehr das Aufkommen derjenigen Abgaben, die gemäß § 1 WBF-ZG der Gesamthöhe der Zweckzuschüsse zugrundeliegen, entscheidend für Veränderungen in der Höhe des Zweckzuschusses an das Land Steiermark ist."

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit

1. Der vorliegende Antrag wurde von einer Landesregierung eingebracht und wendet sich gegen ein Bundesgesetz.

2. Näher zu erörtern ist, ob im Hinblick auf das Erkenntnis VfSlg. 12832/1991 (s.o. II.2.b) von entschiedener Sache zu sprechen ist.

Dies wäre dann der Fall, wenn sowohl zwischen der seinerzeit und der nunmehr in Prüfung zu ziehenden generellen Norm als auch zwischen den seinerzeit und den nunmehr vorgetragenen Bedenken Identität besteht (vgl. zur Zurückweisung wegen res iudicata z.B. VfSlg. 10578/1985, 12661/1991, 12892/1991, 13085/1992, ; zum Vorbringen neuer Bedenken VfSlg. 10311/1984, 10841/1986, S 395; 11259/1987, S 183; 13179/1992, S 159; zur Identität der Normen VfSlg. 11646/1988, S 229 f.; 12784/1991, S 957; , Pkt. 6.1).

Die Voraussetzungen für die Annahme, es sei res judicata gegeben, liegen hier nicht vor:

Der seinerzeit gestellte Antrag (der sich gegen den ganzen § 2 Abs 2 WBF-ZG gerichtet hatte) wurde mit dem erwähnten Erkenntnis VfSlg. 12832/1991 abgewiesen. Der nunmehr vorliegende (nur die Z 2 und 3 der eben genannten Gesetzesbestimmung bekämpfende) Antrag wird zwar zum Teil mit gleichen oder zumindest ähnlichen Argumenten begründet wie der damalige Antrag. Dennoch ist er nicht (auch nicht teilweise) wegen res judicata zurückzuweisen:

Die Begründung des seinerzeitigen abweisenden Erkenntnisses beruhte bezüglich der Z 2 und 3 des § 2 Abs 2 WBF-ZG schwergewichtig darauf, daß im Hinblick auf die Paktierung des damals geltenden FAG 1989 während dessen Laufzeit (1989 bis 1992) diese Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben waren.

Die Steiermärkische Landesregierung ficht nunmehr Gesetzesstellen an, die zwar formal mit jenen ident sind, die bereits Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens waren. Es hat sich jedoch nach ihrer Auffassung "mit dem Auslaufen des von den Finanzausgleichspartnern paktierten Finanzausgleichsgesetzes 1989 per , ab insoferne eine völlig neue Situation (ergeben), als der Bund das darauf folgende Finanzausgleichsgesetz 1993 (FAG 1993, BGBl. 30), erstmalig in der Geschichte der Finanzausgleichs-Regelungen, ohne Paktum mit den übrigen Finanzausgleichspartnern in Kraft gesetzt hat".

Die Steiermärkische Landesregierung bringt damit andere Bedenken vor als jene, die Gegenstand des mit Erkenntnis VfSlg. 12832/1991 abgeschlossenen Verfahrens waren. Die von ihr für die Verfassungswidrigkeit der bekämpften Normen ins Treffen geführten Gründe sind nämlich vor dem Hintergrund des durch die Umstände der Erlassung des FAG 1993 geänderten rechtlichen Umfeldes zu untersuchen.

3. Fraglich könnte ferner sein, ob der im Antrag enthaltene Passus, wonach die Aufhebung "... mit Wirksamkeit " begehrt wird, zulässig ist.

Tatsächlich ermächtigt keine Rechtsvorschrift den Verfassungsgerichtshof dazu, das Inkrafttreten einer Gesetzesaufhebung mit einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt festzusetzen.

Das Anliegen der antragstellenden Landesregierung kann aber auch anders - gesetzeskonform - dahin gedeutet werden, daß mit der zitierten Wendung angeregt wird, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art 140 Abs 7 B-VG erkennen, daß die aufgehobenen Bestimmungen auf ab dem verwirklichte Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind.

4. Da sohin keine Prozeßhindernisse bestehen, ist der Antrag zulässig.

B. In der Sache

1. Das WBF-ZG ist zwar formal ein eigenes, außerhalb des FAG 1993 stehendes Gesetz, es hat aber dennoch typisch finanzausgleichsrechtlichen Inhalt: Der Bund gewährt mit diesem Gesetz den Ländern Zweckzuschüsse (§3 Abs 1, §§12 und 13 F-VG 1948). Die Geltungsdauer des WBF-ZG ist - im Gegensatz zu den eigentlichen Finanzausgleichsgesetzen - unbefristet. Es wurde während der Geltung des FAG 1989 erlassen und ist ein Teil der derzeit in Kraft stehenden Finanzausgleichsordnung, die nur als Gesamtkomplex gesehen und beurteilt werden kann (vgl. VfSlg. 12505/1990, 12784/1991 (die einschlägigen Passagen dieser Erkenntnisse - von denen abzurücken kein Anlaß besteht - sind in dem oben zu II.2.b. wiedergegebenen Erkenntnis VfSlg. 12832/1991 wörtlich zitiert)).

Diese Judikatur mündet in die Aussage: "Ein - den Art 7 B-VG und den § 4 F-VG 1948 verletzender - Fehler des Gesetzgebers liegt im gegebenen Zusammenhang demnach nur dann vor, wenn einzelne (nicht das Gesamtsystem berührende) Bestimmungen zueinander in sachlich nicht rechtfertigbarem Widerspruch stehen (wie etwa bei Benachteiligung zweier Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden - VfSlg. 10633/1985), oder aber wenn die Partner der Finanzausgleichsverhandlungen von völlig verfehlten Prämissen ausgingen oder die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet wurde."

2. Ein derartiger Fehler ist dem Finanzausgleichsgesetzgeber hier anzulasten:

a) Die in den Schriftsätzen der Prozeßparteien enthaltenen Sachverhaltsschilderungen weichen zwar in der Gewichtung voneinander ab, stehen aber zueinander nicht in Widerspruch. Aus ihnen und den vorgelegten Akten über den Verlauf der dem FAG 1993 vorangegangenen Verhandlungen ergibt sich, daß diese Verhandlungen so verliefen, wie sie unter den Punkten 2.4. bis 2.4.4. der Äußerung der Bundesregierung (s.o. II.4.) geschildert werden. Diese Darstellung blieb unwidersprochen.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt demnach an, daß dem FAG 1993 Verhandlungen zwischen den Gebietskörperschaften (darunter dem Land Steiermark) vorangingen; es wurde hiebei am in vieler Hinsicht Einigung erzielt. Über eine Änderung der Verteilung der Wohnbauförderungs-Zweckzuschüsse (i.S. des - unbefristet geltenden - WBF-ZG) und insbesondere über die Forderung des Landes Steiermark nach verfassungsrechtlicher Absicherung gleicher Lebensbedingungen in allen Ländern konnte jedoch kein Einvernehmen erzielt werden. Das Land Steiermark konkretisierte in der Folge seine Forderungen an den ab geltenden Finanzausgleich. Auch die weiteren Verhandlungen brachten kein positives Ergebnis. Letzlich kam keine abschließende Formulierung eines Paktums zustande, weil sich das Land Steiermark nicht in der Lage sah, das Verhandlungsergebnis zu akzeptieren.

b) Die oben wiedergegebene Judikatur des Verfassungsgerichtshofes beruht auf der Prämisse, daß dann, wenn die mit der Sach-, Rechts- und Interessenslage vertrauten Vertreter der Gebietskörperschaften bei den Finanzausgleichsverhandlungen zu einem einvernehmlichen Ergebnis gelangen, anzunehmen sei, die diesem Ergebnis entsprechende Regelung halte sich im Rahmen des dem Finanzausgleichsgesetzgeber von Verfassungs wegen eingeräumten (weiten) Gestaltungsspielraumes (vgl. z.B. VfSlg. 12505/1990, S 354).

Für das Zutreffen dieser Vermutung ist es zwar bedeutungslos, in welcher Form das Endergebnis der dem Finanzausgleichsgesetz vorangehenden Verhandlungen ihren Niederschlag findet, etwa ob ein von allen Teilnehmern unterschriebenes Protokoll angefertigt wird. Beachtenswerte Folgen aber zieht die Weigerung eines der Finanzausgleichspartner nach sich, aus Gründen, die nicht ohne weiteres vernachlässigt werden und die bedeutsame Auswirkungen haben können, der vorgesehenen Paketlösung zuzustimmen. Wenngleich eine Minderheit der Finanzausgleichspartner den Abschluß eines Paktes nicht zu hindern vermag, kann nämlich in einem solchen Fall nicht mehr ohne weiteres von der Vermutung ausgegangen werden, das Finanzausgleichsgesetz stehe in keinem Widerspruch zu § 4 F-VG 1948.

Den Finanzausgleichspartnern waren zwar die gegen § 2 Abs 2 WBF-ZG sprechenden Bedenken im Jahre 1989 (als das WBF-ZG geschaffen wurde) noch nicht bekannt, wohl aber bei den im Jahre 1992 stattgefundenen Beratungen über den ab geltenden Finanzausgleich (vgl. VfSlg. 12832/1991). 1992 war auch seit Schaffung des WBF-ZG bereits ein so großer Zeitraum verflossen, daß die tatsächlichen Verhältnisse sowie die Auswirkungen des Gesetzes mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden konnten. Ein Pakt, der dem für 1989 bis 1992 geltenden finanzausgleichsrechtlichen Gesamtsystem zugrundelag und der für die Begründung des Erkenntnisses VfSlg. 12832/1991 maßgebend war, kann im vorliegenden Zusammenhang also heute nicht mehr rechtserheblich sein.

c) Auch die gemäß Art 15a B-VG zwischen dem Bund und allen Ländern abgeschlossene, u.a. die Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung betreffende Vereinbarung, BGBl. 390/1989, ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung des ab geltenden finanzausgleichsrechtlichen Systems nicht von Belang.

Die Art 3 und 8 dieser Vereinbarung lauten (auszugsweise):

"Artikel 3

Verwendung der Mittel für die Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung

(1) Der Bund wird die Zuschüsse an die Länder für Zwecke der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung in einem eigenen Bundesgesetz (Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989 - WBF-ZG) regeln.

(2) .....

Artikel 8

Abänderung und Kündigung

Eine Abänderung oder Kündigung dieser Vereinbarung ist nur im Einvernehmen der Vertragsparteien möglich."

Der Inhalt des WBF-ZG ist aber in der Vereinbarung nicht fixiert, sodaß dieses - wie erwähnt einen Bestandteil des jeweils geltenden finanzausgleichsrechtlichen Regelungssystems bildende - Gesetz zur Disposition bei den späteren Finanzausgleichsverhandlungen steht und in die Überlegungen, wie das jeweilige finanzausgleichsrechtliche Paket zu gestalten ist, mit einbezogen werden muß.

3. Aus dem Gesagten folgt, daß sich der Verfassungsgerichtshof nunmehr - ohne Bedachtnahme auf einen abgeschlossenen Finanzausgleichspakt oder eine auf Art 15a B-VG gestützte Vereinbarung - im einzelnen mit den von der antragstellenden Landesregierung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken auseinanderzusetzen hat, wonach die angefochtenen Bestimmungen des WBF-ZG dem Art 7 B-VG und dem § 4 F-VG 1948 widersprächen.

a) Die antragstellende Landesregierung bringt vor, daß die in den angefochtenen Bestimmungen (§2 Abs 2 Z 2 und 3 WBF-ZG) enthaltenen Verteilungskriterien in keiner Beziehung zu einem Bedarf der Länder an Mitteln stünden, die zur Förderung des Wohnbaues oder der Wohnhaussanierung benötigt werden. Zu Z 2 meint sie überdies, daß der abgestufte Bevölkerungsschlüssel in keiner Beziehung zu den tatsächlichen Kosten der Wohnraumversorgung und damit zum Bedarf an Wohnbauförderungsmitteln stehe und daher als Kriterium für die Aufteilung dieser den Ländern zustehenden Mittel ungeeignet sei. Auch der in der Z 3 vorgesehene Aufteilungsschlüssel stehe ohne jeden Zusammenhang mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Förderung des Wohnbaues und dem konkreten Bedarf an Förderungsmitteln in einem Bundesland. (Näheres s.o. II.3.)

Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Bestimmungen im wesentlichen damit, daß die Verteilungsregelung des § 2 WBF-ZG Teil der oben zitierten Vereinbarung nach Art 15a B-VG sowie des Ergebnisses der 1992 geführten Finanzausgleichsverhandlungen sei. (Näheres s.o. II.4.)

Dieser Einwand der Bundesregierung ist bereits durch die Ausführungen in der vorstehenden Z 2 widerlegt.

b) Darüber hinaus bringt die Bundesregierung für die Sachlichkeit der bekämpften Normen keine weiteren Argumente vor. Solche sind - worauf der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 12832/1991 hingewiesen hat - auch nicht zu erkennen:

aa) § 2 Abs 2 Z 2 WBF-ZG knüpft an den abgestuften Bevölkerungsschlüssel an und bevorzugt damit jene Länder, in denen viele der Einwohnerzahl nach große Städte liegen; diese Privilegierung ist unsachlich:

Der Verfassungsgerichtshof hat zwar im Erkenntnis VfSlg. 12505/1990 den abgestuften Bevölkerungsschlüssel als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. Die dort enthaltenen Ausführungen beziehen sich aber nur auf die Verteilung jener Abgabenerträge, die den Ländern zur Erfüllung ihrer allgemeinen Aufgaben zufließen. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um die Verteilung von Beträgen, die den Ländern für einen ganz bestimmten Zweck, nämlich der Förderung des Wohnbaues, zukommen. Die Gestaltungsfreiheit des Finanzausgleichsgesetzgebers ist hier insofern geringer, als an die Angemessenheit jener Kriterien, welche die sachgerechte Verteilung der für einen konkreten Zweck (hier: die Förderung des Wohnbaus) vorgesehenen finanziellen Mittel gewährleisten sollen, erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Daher müßte zumindest plausibel sein, daß - bei einer Durchschnittsbetrachtung - die Errichtung von Wohnraum in einwohnerstarken Gemeinden einen höheren Finanzbedarf erfordert als in einer einwohnerschwachen Gemeinde. In diese Richtung gehende Argumente hat aber weder die Bundesregierung vorgetragen noch haben sich solche sonst im Verfahren ergeben.

bb) Ebensowenig gibt es eine einleuchtende Erklärung für die Verteilungsregelung des § 2 Abs 2 Z 3 WBF-ZG: Zwar kann als einer der Grundsätze des Finanzausgleiches angesehen werden, daß jeder der daran beteiligten Gebietskörperschaften ein Ertragsanteil jenes Steueraufkommens zurückerstattet wird, das in ihrem Gebiet erzielt wurde (vgl. zB § 8 Abs 2 FAG 1989 und 1993 - in diesem Sinne schon PFAUNDLER, Die Finanzausgleichsgesetzgebung 1948/58, Wien 1958, S 95). Dennoch ist nicht erkennbar, weshalb gerade ein hohes Aufkommen an Einkommensteuer und Lohnsteuer ein Indikator für einen besonderen Bedarf an Wohnbauförderungsmitteln (die vor allem der einkommensschwächeren Bevölkerung zugutekommen sollen) sein kann.

c) Der Finanzausgleichsgesetzgeber hat also mit den Bestimmungen des § 2 Abs 2 Z 2 und 3 WBF-ZG den ihm vom F-VG 1948 eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum (vgl. zB VfSlg. 12832/1991) verlassen und sachlich nicht rechtfertigbare Regelungen getroffen; er hat damit § 4 F-VG 1948 verletzt.

Diese Bestimmungen waren sohin aufzuheben.

4.a) Der Verfassungsgerichtshof sah sich nicht veranlaßt, - der Anregung der Steiermärkischen Landesregierung (s.o. III.A.3) folgend - gemäß Art 140 Abs 7 B-VG auszusprechen, daß die aufgehobenen Bestimmungen auf ab dem verwirklichte Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind. Ein derartiger Ausspruch würde nämlich eine äußerst aufwendige Rückabwicklung erfordern, in deren Verlauf Gebietskörperschaften, die an diesem Gesetzesprüfungsverfahren nicht beteiligt waren, zur Rückzahlung bereits gutgläubig verbrauchter Zweckzuschüsse verpflichtet wären.

b) Für das Inkrafttreten der Aufhebung wurde gemäß Art 140 Abs 5 vorletzter Satz B-VG eine Frist festgesetzt. Diese wurde deshalb mit Ablauf des bestimmt, weil mit diesem Tag die Geltung des FAG 1993 abläuft.

c) Die weiteren Aussprüche gründen sich auf Art 140 Abs 5 erster Satz und Art 140 Abs 6 B-VG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.