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VfGH vom 07.03.2002, g278/01

VfGH vom 07.03.2002, g278/01

Sammlungsnummer

16475

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit des durch einschränkenden Verweis im Einkommensteuergesetz bewirkten generellen Ausschlusses der vom Endbesteuerungsgesetz verfassungsgesetzlich geforderten Abgeltungswirkung des Kapitalertragsteuerabzuges bei Kapitalerträgen aus ausländischen Kapitalanlagefonds

Spruch

Der Satzteil "Z 1 bis 4" im ersten Satz des § 97 Abs 1 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400, in der Fassung BGBl. Nr. 818/1993, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B701/00 eine auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom anhängig. Mit diesem Bescheid wurde die Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen die Bescheide des Finanzamtes Linz vom 13. Jänner und betreffend die Einbeziehung von Kapitalerträgen aus einem ausländischen Kapitalanlagefonds in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1998 abgewiesen.

2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Satzteiles "Z 1 bis 4" im ersten Satz des § 97 Abs 1 EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. 818/1993, entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluß vom von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der eben genannten Bestimmung eingeleitet.

3. Zur Rechtslage:

3.1. § 97 Abs 1 erster Satz EStG 1988 in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. 818/1993 bestimmt folgendes (der in Prüfung gezogene Satzteil ist hervorgehoben):

"(1) Für natürliche Personen und für Körperschaften, soweit die Körperschaften Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehen, gilt die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) für Kapitalerträge gemäß § 93 Abs 2 Z 3 sowie Abs 3 Z 1 bis 4, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, durch den Steuerabzug als abgegolten."

§ 93 EStG 1988, idF BGBl. 818/1993, lautet auszugsweise:

"(1) Bei inländischen Kapitalerträgen (Abs2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs3) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).

(2) ...

(3) Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren sind Kapitalerträge aus

1. Wertpapieren, die ein Forderungsrecht verbriefen und nach dem in Schillingwährung begeben wurden,

2. Wertpapieren, die ein Forderungsrecht verbriefen und nach dem in anderer Währung als Schillingwährung begeben wurden,

3. Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen,

4. Anteilscheine an einem Kapitalanlagefonds im Sinne des Investmentfondsgesetzes 1963 sowie im Sinne des Investmentfondsgesetzes 1993, soweit die ausgeschütteten Beträge aus Kapitalerträgen gemäß Abs 2 Z 3 und aus Kapitalerträgen gemäß Z 1, 2 und 3 bestehen, und

5. Anteilsrechten an ausländischen Kapitalanlagefonds (§25 Abs 2 Z 1 Investmentfondsgesetz 1963, § 42 Abs 2 Z 1 Investmentfondsgesetz 1993).

Diese Kapitalerträge sind im Inland bezogen, wenn sich die kuponauszahlende Stelle (§95 Abs 3 Z 2) im Inland befindet."

Zum Abzug der Kapitalertragsteuer ist bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren die kuponauszahlende Stelle verpflichtet (§95 Abs 3 Z 2 EStG 1988). Kuponauszahlende Stelle ist gemäß dieser Bestimmung u.a. das Kreditinstitut, das an den Kuponinhaber Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anläßlich der Veräußerung des Wertpapiers auszahlt. Der Abzug der Kapitalertragsteuer hat im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge zu erfolgen (§95 Abs 4 leg.cit.).

3.2. Gemäß § 1 Abs 1 iVm Abs 2 des in Verfassungsrang stehenden EndbesteuerungsG, BGBl. 11/1993, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. 818/1993, ist bundesgesetzlich vorzusehen, daß bei der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen (§27 EStG 1988), und zwar von u.a. "Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren, wenn sich die kuponauszahlende Stelle im Inland befindet", die im Abs 2 genannten Steuern (worunter auch die Einkommensteuer fällt) "- soweit diese Kapitalerträge nach der für das Kalenderjahr 1993 geltenden Rechtslage einem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen - mit dem Kapitalertragsteuerabzug abgegolten sind".

II. 1. Zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens führte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß wörtlich folgendes aus:

"Den im Verwaltungsakt befindlichen, dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Bankabrechnungen ist zu entnehmen, daß für die dem Beschwerdeführer gutgeschriebenen Kapitalerträge aus dem J-Fonds von der inländischen depotführenden Bank Kapitalertragsteuer einbehalten wurde. Diese Beträge wurden - so ist den Einkommensteuerbescheiden zu entnehmen - zwar auf die ermittelte Einkommensteuerschuld angerechnet, nicht jedoch als Abgeltung für die auf die fraglichen Kapitalerträge entfallende inländische Einkommensteuer betrachtet. Zu diesem Ergebnis dürfte die belangte Behörde, so nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, deswegen gekommen sein, weil sie aus dem in § 97 Abs 1 leg.cit. enthaltenen Verweis auf § 93 Abs 3 Z 1 bis 4 leg.cit. den Schluß gezogen hat, daß die in der Z 5 der genannten Bestimmung genannten Kapitalerträge aus Anteilsrechten an ausländischen Kapitalanlagefonds der Steuerabgeltung nicht unterworfen sind. Die belangte Behörde dürfte daher den ersten Satz des § 97 Abs 1 EStG 1988, idF BGBl. 818/1993, angewendet haben. Der Verfassungsgerichtshof geht weiters vorläufig davon aus, daß der Anwendung dieser Norm auch der Vorrang unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtes nicht offenkundig entgegensteht. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen dürften, scheint das hiemit eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zulässig zu sein."

2. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluß wie folgt dar:

"3.2. Nach dem 'Auftrag' des § 1 Abs 1 iVm Abs 2 des im Verfassungsrang stehenden Endbesteuerungsgesetzes hat - wie erwähnt - der Bundesgesetzgeber eine 'Endbesteuerung' von Kapitalerträgen unter anderem bei folgender Fallkonstellation vorzusehen:


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es handelt sich um Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren


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die kuponauszahlende Stelle befindet sich im Inland


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die Kapitalerträge unterliegen nach der für das Kalenderjahr 1993 geltenden Rechtslage einem Kapitalertragsteuerabzug.

Nach der im Jahr 1993 geltenden Rechtslage zählten zu den Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren, bei denen die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag zu erheben war, unter anderem (§93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der im Jahre 1993 geltenden Stammfassung, BGBl. 400/1988) Kapitalerträge aus

'4. Anteilscheinen an einem Kapitalanlagefonds im Sinne des Investmentfondsgesetzes 1963 sowie aus vergleichbaren Anteilsrechten an vergleichbaren ausländischen Kapitalanlagefonds, soweit die ausgeschütteten Beträge aus Kapitalerträgen gemäß Abs 2 Z 3 und aus Kapitalerträgen gemäß Z 1, 2 und 3 bestehen.'

Bei den genannten Kapitalerträgen handelt es sich um Zinserträge aus Geldeinlagen oder sonstigen Forderungen gegenüber Banken (Abs2 Z 3) bzw. aus bestimmten (in Schilling- oder auch in Fremdwährung begebenen) Wertpapieren, die ein Forderungsrecht verbriefen.

Eine Definition des (vergleichbaren) ausländischen Kapitalanlagefonds war in dem im Jahr 1993 geltenden InvFG 1963, BGBl. 192/1963, nicht zu finden. Das insoweit mit in Kraft getretene InvFG 1993, BGBl. 532/1993, idF BGBl. 818/1993, hingegen enthielt in § 42 Abs 2 eine solche Definition. Danach galt als ausländischer Kapitalanlagefonds 'ungeachtet der Rechtsform jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach Gesetz, Satzung oder tatsächlicher Übung nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt ist', ausgenommen Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien. Im Hinblick auf diese Rechtsentwicklung nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, daß bereits im Jahr 1993 ein 'vergleichbarer' ausländischer Kapitalanlagefonds dadurch geprägt war, daß es sich - unabhängig von der Rechtsform - um ein nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegtes Vermögen handelte.

3.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage scheint es sich bei den Anteilen am J-Fonds, ungeachtet seiner Organisation als Kapitalgesellschaft nach US-amerikanischem Recht, um 'vergleichbare Anteilsrechte' an einem 'vergleichbaren ausländischen Kapitalanlagefonds' im Sinn des § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der für das Jahr 1993 geltenden Fassung zu handeln, so daß für dessen Erträge unter den in § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 genannten (bereits oben dargestellten) Voraussetzungen Kapitalertragsteuer zu erheben war. Insoweit hätte jedoch - so scheint es - der einfache Bundesgesetzgeber nach § 1 Endbesteuerungsgesetz für diese Kapitalerträge auch eine Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer vorsehen müssen. Demgegenüber erstreckt § 97 Abs 1, erster Satz, EStG 1988, idF BGBl. 818/1993, die Abgeltungswirkung nur auf die in § 93 Abs 3 Z 1 bis 4 genannten Kapitalerträge, womit die in Z 5 dieser Bestimmung genannten Kapitalerträge aus Beteiligungen an ausländischen Investmentfonds in - wie es scheint - verfassungswidriger Weise von der Endbesteuerung ausgeschlossen werden (vgl. Beiser, Die erweiterte Endbesteuerung, ÖStZ 1994, 145 ff.; Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 97, Rz. 21 ff.).

Wenn der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes in seiner Stellungnahme einen solchen Verstoß mit dem Argument verneint, es sei eine Endbesteuerung nur zulässig, wenn ein Kapitalertragsteuerabzug vom gesamten Kapitalertrag gesichert sei (was bei ausländischen Investmentfonds nicht zutreffe), so dürfte dies lediglich ein rechtspolitisches Argument sein, dem der Wortlaut des Endbesteuerungsgesetzes entgegenzustehen scheint. Soweit in dieser Stellungnahme hingegen vorgebracht wird, daß es bei ausländischen Investmentfonds ex lege an einer kuponauszahlenden Stelle im Inland fehle, so dürfte das im Widerspruch zur dargelegten einfachgesetzlichen Rechtslage stehen, derzufolge auch (wie auch der Beschwerdefall zeigt) bei Anteilen an ausländischen Investmentfonds eine kuponauszahlende Stelle im Inland durchaus vorhanden sein und es daher zu einem Kapitalertragsteuerabzug kommen kann (wäre es anders, käme es ohnehin nicht zur Abfuhr einer Kapitalertragsteuer, so daß sich das Problem einer Endbesteuerung gar nicht stellen könnte). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß sowohl in Abschn. 1.2 Abs 5 der sog. KESt-Richtlinien 1993, AÖF 158/1993, als auch in Abschn. 5.2.1.2 des Erlasses über die steuerliche Behandlung von Anteilen an ausländischen Investmentfonds nach dem Steuerreformgesetz 1993, AÖF 53/1995, seitens des Bundesministeriums für Finanzen die Rechtsauffassung vertreten wird, daß Ausschüttungen auf Anteilsrechte an ausländischen Kapitalanlagefonds unter bestimmten Voraussetzungen zur Kapitalertragsteuerpflicht führen.

Da der Ausschluß von Erträgen ausländischer Investmentfonds von der Endbesteuerung anscheinend dadurch bewirkt wird, daß § 97 Abs 1 EStG 1988 lediglich auf die Ziffern 1 bis 4 des § 93 Abs 3 EStG 1988 verweist (und damit im Ergebnis die in Ziffer 5 genannten Kapitalerträge aus ausländischen Investmentfonds von der Abgeltungswirkung ausschließt), scheint eine Behebung dieser vorläufig angenommenen Verfassungswidrigkeit durch eine Beseitigung der einschränkenden Zitierung möglich zu sein."

3.1. Die Bundesregierung erstattete im Gesetzesprüfungsverfahren auf Grund ihres Beschlusses vom eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten einräumen, da eine bloße Aufhebung der Wortfolge "Z 1 bis 4" im ersten Satz des § 97 Abs 1 EStG 1988 auch in Bereichen, für die kein verfassungsgesetzlicher Auftrag besteht, ein anderes gesetzliches Ergebnis bringe, als dies der Gesetzgeber intendiert habe. Eine etwaige Neuregelung erfordere daher eine besondere Sorgfalt des Gesetzgebers, die auch von einer ausführlichen Begutachtung begleitet sein sollte.

3.2. Die Bundesregierung legt in ihrer Äußerung dar, warum sie der (vorläufigen) Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, der Satzteil "Z 1 bis 4" im ersten Satz des § 97 Abs 1 EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. 818/1993, sei verfassungswidrig, nicht zu folgen vermag und führt einleitend aus, daß der Verweis in § 1 Abs 1 Z 2 EndbesteuerungsG, BGBl. 11/1993, idF BGBl. 818/1993, auf die für das Kalenderjahr 1993 geltende Rechtslage als statische Bezugnahme auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EndbesteuerungsG vorgefundene Rechtslage zu verstehen sei. Die äußere Grenze des Wortsinns bilde eine Auslegung, die zur Bestimmung des Begriffs "für das Kalenderjahr 1993 geltende Rechtslage" den Abschluß des formalen Gesetzgebungsprozesses trotz Legisvakanz bis nach Jahresende genügen läßt. Da eine Wortinterpretation hier zu keinem eindeutigen Ergebnis führe, sei auf den historischen Willen des Gesetzgebers abzustellen.

Die gesetzgeberische Zielsetzung erhelle im gegenständlichen Fall sehr deutlich aus den parlamentarischen Materialien und der Genesis der schließlich Gesetz gewordenen Fassung des EndbesteuerungsG. Die Verweisklausel auf das 1993 geltende Recht sei erst in den Beratungen des Finanzausschusses in den Gesetzesentwurf aufgenommen worden - als Reaktion auf einschlägige Kritik, wonach der einfache Gesetzgeber es nach der (ursprünglichen) Regierungsvorlage in der Hand gehabt hätte, verfassungsgesetzliche Rechte und Pflichten nach Belieben vorzusehen oder zu umgehen, indem er den Anwendungsbereich der KESt ausdehnt oder einengt. Dementsprechend klar heiße es im Bericht des Finanzausschusses: "Auf Grund der Anknüpfung an den 1993 geltenden Rechtsstand würde die Endbesteuerung durch eine spätere Erweiterung des Katalogs der abzugspflichtigen Kapitalerträge im Einkommensteuerrecht nicht berührt werden."

Diese klare Zielsetzung spreche unzweifelhaft für ein restriktives Verständnis des Verweises. Es wäre nicht einzusehen, warum der Verfassungsgesetzgeber trotz der deutlich getroffenen Wertentscheidung gegen einen solchen Spielraum des einfachen Gesetzgebers im Ausschußbericht eine einfachgesetzliche Ausweitung der Endbesteuerung im Laufe des Jahres 1993 noch hinnehmen hätte wollen. Abgelehnt worden sei das Wechselspiel zwischen Verfassungsgesetz und einfacher Rechtslage ja als solches und nicht lediglich für die Zeit nach 1993. Wäre es daher wirklich Absicht des Verfassungsgesetzgebers gewesen, dem einfachen Gesetzgeber für den beschränkten Zeitraum des Jahres 1993 doch noch einen entsprechenden Spielraum einzuräumen, so hätte dies nach Ansicht der Bundesregierung unmißverständlich und deutlich zum Ausdruck kommen müssen. Derartige Hinweise fehlten allerdings. Der vorliegende Bericht des Finanzausschusses, der sich gerade gegen eine solche Vorgehensweise ausspricht, ließe die Annahme einer solchen Ermächtigung nicht zu. Für diese Ansicht spreche auch noch eine andere Stelle des Berichtes des Finanzausschusses, wo ausdrücklich von der "bisherigen Kapitalertragsteuer" die Rede sei.

Abgesehen von der im konkreten Fall nachweisbaren gesetzgeberischen Absicht spreche eine baugesetzkonforme Interpretation des EndbesteuerungsG für eine möglichst enge Auslegung der Verweisklausel. Genauso wie einfache Gesetze im Lichte der Verfassung zu lesen seien, sei für die Auslegung von Verfassungsgesetzen und -bestimmungen die Bedeutung der Baugesetze zu beachten, denn "Normen sind tunlichst (im Zweifel; im Rahmen des möglichen Wortsinns) so zu interpretieren, dass sie mit den ihnen übergeordneten Normen nicht in Widerspruch geraten". Interpretiere man den Verweis des EndbesteuerungsG auf die "für das Kalenderjahr 1993 geltende Rechtslage" nun als statischen Verweis auf die einfachgesetzliche Rechtslage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EndbesteuerungsG, so würden auch die Berührungspunkte mit den Baugesetzen des B-VG wesentlich entschärft. Eine Ausdehnung der verfassungsgesetzlich angeordneten Endbesteuerung durch den einfachen Gesetzgeber nach dessen Belieben sei nicht mehr möglich.

3.3. Die Bundesregierung führt sodann wörtlich aus:

"Auf Grund der vom EndbesteuerungsG gewählten Verweiskonstruktion ist die Frage, ob für bestimmte Kapitalerträge zu einem bestimmten Zeitpunkt eine KESt-Abzugsverpflichtung besteht oder nicht, immer von der Frage zu trennen, ob verfassungsrechtlich gebotener Weise mit einem KESt-Abzug eine Abgeltungswirkung einherzugehen hat. Während die erste Frage sich nämlich mit der jeweils geltenden Fassung des § 93 EStG 1988 beschäftigen muss, ist für die Beantwortung der zweiten Frage allein die historische Fassung des § 93 EStG 1988 im Jahre 1993 entscheidend. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des EndbesteuerungsG am kann dabei als eine ArtVersteinerungszeitpunkt bezeichnet werden.

...

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Endbesteuerungsgesetzes am bestand § 93 Abs 1 EStG 1988 noch in seiner Stammfassung aus 1988 und ordnete 'bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs3)' den Steuerabzug als Erhebungsform der Einkommensteuer an. Beim Begriff der Forderungswertpapiere handelt es sich - wie die Erläuterungen zum EStG 1988 ausdrücklich festhalten - um 'einen eigenen Wertpapierbegriff' des EStG (RV 621 Blg.NR XVII. GP, Zu § 93): 'Forderungswertpapiere sind Wertpapiere, die ein Forderungsrecht verbriefen, Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen und Anteilscheine aus Kapitalanlagefonds. Voraussetzung für die Steuerpflicht ist lediglich, dass sich die kouponauszahlende Stelle ... im Inland befindet. Die Abzugspflicht besteht unabhängig davon, von wem, in welcher Währung und wo die Wertpapiere begeben wurden.'

Die Erläuterungen geben somit zu verstehen, dass der Begriff der Forderungswertpapiere im EStG 1988 sehr weit zu verstehen ist. Aus dem Begriff 'Forderungswertpapier' des § 93 Abs 1 EStG 1988 in der Stammfassung wird sich daher kaum eine selbstständige Einschränkung der KESt-Abzugspflicht ergeben. § 93 Abs 3 EStG, auf den Absatz 1 allerdings bereits per Klammerausdruck ausdrücklich weiterverweist, enthält allerdings sehr wohl solche Einschränkungen. Er führt nämlich taxativ auf, aus welchen Forderungswertpapieren für § 93 EStG tatbestandliche Kapitalerträge überhaupt erfließen können. Bei Kapitalanlagefonds besteht dabei eine Sondersituation. Sie sind nur Forderungswertpapiere soweit ihre Ausschüttungen Erträge aus Forderungswertpapieren und/oder Bankguthaben beinhalten. Dieser geteilte Forderungswertpapierbegriff ist Ausfluss des Umstandes, dass ein Anteilschein an einem (inländischen) Investmentfonds einen Miteigentumsanteil darstellt und der Anteilsinhaber die Stellung eines schlichten Miteigentümers hat (Iro in: Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II, 1993, Rz 8/10). Durch diese Gestaltung wird der gegenüber Direktanlegern gebotene gleiche Steuerabzug erreicht."

Der Interpretation des Verfassungsgerichtshofes, den Begriff "Kapitalanlagefonds" in der Stammfassung des § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 als ein nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegtes Vermögen zu verstehen, tritt die Bundesregierung nicht entgegen. Sie betont jedoch, daß die zusätzlich geforderte Vergleichbarkeitsprüfung dem Gesetzgeber der Stammfassung des EStG 1988 ein besonders wichtiges Anliegen gewesen sei, was sich schon in der doppelten Erwähnung in § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 zeige, und daß dieses Erfordernis der Vergleichbarkeitsprüfung nicht berücksichtigt würde, wenn der Gerichtshof bei seiner vorläufigen Annahme bliebe. Überdies ergebe sich die Notwendigkeit einer genauen Vergleichbarkeitsprüfung auch aus der Zielsetzung des § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der Stammfassung. Dieser sei ja von der Überlegung geleitet gewesen, ausländische Investmentfonds zumindest hinsichtlich des KESt-Abzuges den inländischen gleichzustellen. Eine Gleichstellung setze aber auch gleiche Ausgangslagen voraus.

Unter Hinweis auf Vertneg, Die Besteuerung von Erträgen aus Anteilen an ausländischen Investmentfonds, ÖStZ 1989, 86 ff., betont die Bundesregierung, daß ein Kapitalanlagefonds nach dem InvFG 1963

"a) aus Wertpapieren besteht (§1 InvFG),


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b)
im Miteigentum der Anteilinhaber steht (§1 InvFG),
c)
ein offener Fonds ist (§10 Abs 2 InvFG) und
d)
im Prinzip zur Vollausschüttung des Jahresertrages verpflichtet ist (§13 InvFG)".

Danach sei eine Vergleichbarkeit nur dann hergestellt, wenn alle vier genannten "Eckpfeiler" auf den ausländischen Fonds zutreffen. Sie seien derart prägend im InvFG 1963, daß eine Vergleichbarkeitsprüfung auf sie nicht verzichten könne.

§ 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der Stammfassung spreche überdies davon, daß "vergleichbare Anteilsrechte" vorliegen müßten. Die Anteilsrechte müßten - um ihrerseits vergleichbar zu sein - auch in Wertpapieren verbrieft sein. Mindestrechte, die mit den Anteilsrechten zwingend verbunden sein müßten, ließen sich darüber hinaus aus dem InvFG 1963 nicht ableiten. Das InvFG 1963 gehe im Gegenteil von sehr minimalen Einflußrechten der Anleger aus. Diese fehlenden Mitwirkungsbefugnisse der Anteilseigner würden allerdings durch das Veräußerungsrecht und ein System von Anlegerschutzbestimmungen ausgeglichen.

Neben der Voraussetzung, daß die Kapitalerträge "aus vergleichbaren Anteilsrechten an vergleichbaren ausländischen Kapitalanlagefonds" stammen, bestimme § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der Stammfassung überdies, daß ein KESt-Abzug nur "soweit die ausgeschütteten Beträge aus Kapitalerträgen gemäß Abs 2 Z 3 und aus Kapitalerträgen gemäß Z 1, 2 und 3 bestehen" zu erfolgen habe. Bemerkenswert sei dabei zum einen, daß § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der Stammfassung ausdrücklich auf die ausgeschütteten Beträge abstelle. Nur für diese werde also ein KESt-Abzug vorgesehen, ein KESt-Abzug für ausschüttungsgleiche Erträge sei 1993 somit nicht vorgesehen gewesen. Er sei auch nicht notwendig gewesen, weil § 13 InvFG 1963 ohnedies ein Ausschüttungsgebot enthalten habe und das Prinzip der Vollausschüttung auch einen "Eckpfeiler" einer Vergleichbarkeitsprüfung bei ausländischen Kapitalanlagefonds gebildet habe.

Zum anderen sei auf die Einschränkung auf bestimmte Anlageformen in § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der Stammfassung hinzuweisen (sog. geteilter Forderungswertpapierbegriff). § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der Stammfassung habe einen KESt-Abzug nämlich nur für den Fall vorgesehen, daß die Ausschüttungen auf Veranlagungen der Investmentfonds in Kapitalerträgen aus Bankguthaben und Forderungswertpapieren des Fonds zurückgehen. Diese Einschränkung erkläre sich aus dem Miteigentumscharakter des Investmentzertifikats und sei Ausfluß der so genannten Durchgriffsbesteuerung. Der Anteilsinhaber sei damit hinsichtlich der Besteuerung mit einem Direktanleger gleichgestellt. Ausschüttungen aus Veranlagungen in inländische Aktien (§93 Abs 2 Z 1 EStG 1988) unterlägen bereits auf Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaft dem Steuerabzug und könnten bei Ausschüttung durch den Fonds nicht nochmals mit Abzugssteuer belastet werden. Ausschüttungen aus Veranlagungen in ausländische Aktien (§93 Abs 2 Z 1 EStG 1988) unterlägen auch bei Direktveranlagung keiner Kapitalertragsteuer. Eine Kapitalertragsteuer von Fondsausschüttungen aus ausländischen Dividenden käme daher einer Ungleichbehandlung mit Direktanlegern gleich.

Zusammenfassend führt die Bundesregierung aus, daß 1993 zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EndbesteuerungsG eine KESt-Abzugspflicht für Erträge aus ausländischen Kapitalanlagefonds und damit auch ein verfassungsgesetzliches steuerliches Abgeltungsgebot des KESt-Abzuges bestanden habe, wenn vier Voraussetzungen erfüllt gewesen seien:


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-
Die Wesenszüge des InvFG 1963 müßten auch für den ausländischen Investmentfonds nachgewiesen werden können. Die Anteilsrechte müßten vergleichbar sein.


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-
Das Abgeltungsgebot erfasse nur tatsächlich ausgeschüttete Kapitalerträge.


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-
Diese Kapitalerträge müßten auf bestimmte in § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der Stammfassung genannte Kapitalerträge zurückgehen.

3.4. Ergänzend weist die Bundesregierung darauf hin, daß selbst ein Verständnis der Verweisklausel des § 1 EndbesteuerungsG, das die Novelle BGBl. 818/1993 einbezöge, nicht zu einem uneingeschränkten verfassungsgesetzlich angeordneten Abgeltungsgebot für Kapitalerträge aus ausländischen Investmentfonds führen würde. In § 93 Abs 3 Z 5 EStG 1988 sei das Merkmal der Vergleichbarkeit entfallen; ebenso ordne die neue Legaldefinition für den Begriff des Kapitalanlagefonds in § 42 InvFG 1993 keine Vergleichbarkeitsprüfung mehr an. Zu betonen sei allerdings, daß auch auf Basis der Novelle BGBl. 818/1993 ein KESt-Abzug nur für tatsächlich ausgeschüttete Kapitalerträge zu erfolgen hatte. Dies sei durch den Verweis im Klammerausdruck des § 93 Abs 3 Z 5 EStG 1988, idF BGBl. 818/1993, unmißverständlich klargestellt. Sowohl § 25 Abs 2 Z 1 InvFG 1963 als auch § 42 Abs 2 Z 1 InvFG 1993 erfaßten nämlich nur die tatsächlich ausgeschütteten Erträge. Die ausschüttungsgleichen Erträge seien dagegen ausschließlich in § 25 Abs 2 Z 2 bis 6 InvFG 1963 und in § 42 Abs 2 Z 2 bis 6 InvFG 1993 geregelt, auf die sich der Verweis aber nicht erstrecke. Selbst wenn man daher die Verweisklausel des § 1 EndbesteuerungsG auf die Novelle BGBl. 818/1993 erstreckt sehen würde, ergäbe sich kein verfassungsgesetzlich angeordnetes Abgeltungsgebot für nichtausgeschüttete, thesaurierte Erträge, weil diese auch auf Basis der Novelle keinem Steuerabzug unterlägen.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, daß die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden, unzutreffend wäre. Auch die Bundesregierung ist der Präjudizialitätsannahme des Gerichtshofes nicht entgegengetreten. Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die in Prüfung gezogene Norm haben sich als zutreffend erwiesen und konnten von den Argumenten der Bundesregierung nicht zerstreut werden:

2.1. Zunächst legt die Bundesregierung mit ausführlicher Begründung dar, daß der im EndbesteuerungsG enthaltene Verweis auf die einfachgesetzliche Rechtslage des Jahres 1993 (in der Folge: Verweisklausel) restriktiv zu verstehen sei und als statische Bezugnahme auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EndbesteuerungsG () vorgefundene Rechtslage zu verstehen sei, die weiteren Novellierungen des Jahres 1993 somit bei der Interpretation der Verweisklausel nicht mehr zu berücksichtigen seien. Der Verfassungsgerichtshof pflichtet dieser Auffassung vollkommen bei. Er hat auch an keiner Stelle seines Prüfungsbeschlusses einen anderen Standpunkt eingenommen. Er hat vor allem auch nicht - wie die Bundesregierung zu vermuten scheint - einer weiten Auslegung der Verweisklausel das Wort geredet oder dem Verfassungsgesetzgeber unterstellt, eine einfachgesetzliche Ausweitung der Endbesteuerungswirkung zulassen zu wollen. Die einschlägigen Ausführungen der Bundesregierung gehen nach Auffassung des Gerichtshofes am Prozeßthema deswegen vorbei, weil sich die Bedenken des Gerichtshofes ja nicht gegen eine zu enge Interpretation der Verweisklausel richteten. Vielmehr geht es um die Frage, ob nicht der einfache Gesetzgeber mit dem SteuerreformG 1993, BGBl. 818, bestimmte Kapitalerträge, die nach der einfachgesetzlichen Rechtslage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EndbesteuerungsG von der Abgeltungswirkung erfaßt sein hätten müssen, im Widerspruch zu der verfassungsgesetzlichen Anordnung des EndbesteuerungsG von dieser Abgeltungswirkung ausgeschlossen hat.

In diesem Zusammenhang hat nun der Gerichtshof im Prüfungsbeschluß dargelegt, daß nach dem insoweit maßgebenden § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der Stammfassung, BGBl. 400, also jener Fassung, die auch nach Auffassung der Bundesregierung der Verweisklausel des EndbesteuerungsG zugrunde lag und liegt, dem KESt-Abzug nicht nur Anteilscheine an einem Kapitalanlagefonds im Sinne des InvFG 1963, sondern - unter bestimmten Voraussetzungen - auch solche aus vergleichbaren Anteilsrechten an vergleichbaren ausländischen Kapitalanlagefonds unterlagen. Auch die Bundesregierung bestreitet letztlich nicht, daß es bei ausländischen Kapitalanlagefonds nach der im Jahr 1993 geltenden Rechtslage unter bestimmten Voraussetzungen zu einem KESt-Abzug zu kommen hatte. Sie ist freilich der Auffassung, daß die Voraussetzungen dafür enger zu sehen seien, als der Verfassungsgerichtshof es in seinem Prüfungsbeschluß angenommen habe. Sie betont in diesem Zusammenhang insbesondere die von § 93 Abs 3 EStG 1988 (in der Stammfassung) angeordnete doppelte Vergleichbarkeitsprüfung bei ausländischen Kapitalanlagefonds. Diese Voraussetzungen hat der Gerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß nicht übersehen; er hat allerdings (vorläufig) angenommen, daß die Frage, was im Jahr 1993 als vergleichbarer ausländischer Kapitalanlagefonds anzusehen war, an Hand der seit maßgebenden gesetzlichen Definition des § 42 Abs 2 InvFG 1993, BGBl. 532, idF BGBl. 818/1993, beantwortet werden könnte. Die Bundesregierung tritt dem entgegen und vertritt die Auffassung, daß der Begriff "vergleichbarer Kapitalanlagefonds" sehr viel enger zu verstehen sei. Selbst wenn dies zuträfe, wären die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken des Gerichtshofes damit freilich nicht entkräftet, weil auch in diesem Fall das unbestrittene Ergebnis bleibt, daß § 93 Abs 3 EStG 1988 in der Stammfassung eine KESt-Pflicht auch für bestimmte Erträge bestimmter ausländischer Kapitalanlagefonds anordnete (und daher der einfache Gesetzgeber insoweit eine Abgeltungswirkung des KESt-Abzuges vorzusehen hatte), während der einfache Gesetzgeber im SteuerreformG 1993, BGBl. 818, durch die Neufassung des § 97 Abs 1 erster Satz iVm § 93 Abs 3 EStG 1988 diese Wirkung bei ausländischen Kapitalanlagefonds generell ausgeschlossen hat.

2.2. Im übrigen hat der Gerichtshof auch an keiner Stelle seines Prüfungsbeschlusses bezweifelt, daß die KESt-Pflicht sich bei ausländischen Kapitalanlagefonds nur auf bestimmte (ausgeschüttete) Kapitalerträge bezog, wie sie in § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 in der Stammfassung (durch entsprechende Verweise) aufgezählt waren. Daß aber bei Zutreffen all dieser Voraussetzungen nach der für das EndbesteuerungsG maßgebenden Stammfassung des § 93 Abs 3 Z 4 EStG 1988 auch bei Kapitalerträgen aus ausländischen Kapitalanlagefonds eine KESt-Pflicht bestand, bestreitet auch die Bundesregierung nicht.

2.3. Da die insoweit vom EndbesteuerungsG verfassungsgesetzlich geforderte Abgeltungswirkung jedoch durch den einfachen Gesetzgeber, nämlich mit dem SteuerreformG 1993, BGBl. 818, ausgeschlossen wurde, indem im ersten Satz des § 97 Abs 1 EStG 1988 nur mehr auf die Ziffern 1 bis 4 des § 93 Abs 3 EStG 1988 verwiesen wurde (womit die in Z 5 genannten Kapitalerträge aus Anteilsrechten an ausländischen Fonds von der Abgeltungswirkung generell ausgeschlossen wurden), haben sich die Bedenken des Gerichtshofes als zutreffend erwiesen. Ebenso hat sich die (vorläufige) Annahme bestätigt, daß die Verfassungswidrigkeit durch den einschränkenden Verweis (bloß) auf die Ziffern 1 bis 4 bewirkt wird und daher durch Beseitigung dieser Einschränkung behoben werden kann (weil sich dann der Verweis auf den gesamten Abs 3 des § 93 leg.cit. bezieht und die Erträge aus ausländischen Fonds von der Abgeltungswirkung nicht mehr ausgeschlossen sind).

2.4. Der Gerichtshof verschließt sich allerdings nicht dem Argument der Bundesregierung, daß mit der Aufhebung dieses Satzteiles möglicherweise im Bereich ausländischer Kapitalanlagefonds Kapitalerträge von der Abgeltungswirkung erfaßt werden, die nach der dem EndbesteuerungsG zugrundeliegenden Konzeption oder aus (anderen) steuerpolitischen Erwägungen von dieser nicht erfaßt werden sollten. Er hält es daher für gerechtfertigt, dem Gesetzgeber - auch zur Berücksichtigung allfälliger gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben - eine ausreichende Frist für eine Neuregelung einzuräumen.

3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher als zutreffend erwiesen, weshalb der Satzteil "Z 1 bis 4" im ersten Satz des § 97 Abs 1 EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. 818/1993, als verfassungswidrig aufzuheben war.

4. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG. Die Fristsetzung soll legistische Vorkehrungen ermöglichen (s. oben 2.4.).

5. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz

B-VG.

6. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.