VfGH vom 12.03.2019, G276/2018
Leitsatz
Unzulässigkeit eines Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Sbg BehindertenG 1981 betreffend den Kostenbeitrag behinderungsbedingt Pflegebedürftiger aus verwertbarem Vermögen für Sozialhilfe-Pflegeleistungen mangels Präjudizialität; Ausschluss des Pflegeregresses nach dem ASVG auch bei Maßnahmen der "Hilfe zur sozialen Betreuung"
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I.Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Salzburg, "die Wortfolge '; und 3. aus ihrem verwertbaren Vermögen bei der Hilfe zur sozialen Betreuung' in § 17 Abs 2 Salzburger Behindertengesetz 1981 (Gesetz vom über die Hilfe an Menschen mit Behinderungen im Land Salzburg, Stammfassung LGBl Nr 93/1981 idF LGBl Nr 123/2017)" als verfassungswidrig aufzuheben.
II.Rechtslage
1.Die § 1, 2, 3, 4a, 5, 6, 10a, 16 und 17 des Gesetzes vom über die Hilfe an Menschen mit Behinderungen im Land Salzburg (Salzburger Behindertengesetz 1981), LGBl 93/1981, zuletzt idF LGBl 82/2018 (§§1, 2, 3, 4a, 5, 6, 10a und 17 idF LGBl 64/2016 sowie § 16 idF LGBl 47/2015), lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"I. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Zielsetzung
§1
(1) Ziel dieses Gesetzes ist es, Menschen mit Behinderungen im Land Salzburg durch Hilfeleistungen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
(2) Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind so auszulegen, dass sie in die Zuständigkeiten des Bundes nicht eingreifen.
Menschen mit Behinderungen
§2
Menschen mit Behinderungen im Sinn dieses Gesetzes sind Personen mit wesentlichen Beeinträchtigungen ihrer körperlichen Funktionen, Sinnesfunktionen, kognitiven Fähigkeiten oder psychischen Gesundheit, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben maßgeblich benachteiligen. Dabei müssen die Beeinträchtigungen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern und gelten vorwiegend altersbedingte Beeinträchtigungen nicht als Behinderungen.
Hilfeleistungen
§3
(1) Als Hilfeleistungen nach diesem Gesetz kommen in Betracht:
1. die Eingliederungshilfe,
2. soziale Dienste.
(2) Auf die Eingliederungshilfe besteht ein Rechtsanspruch. Kein Rechtsanspruch besteht auf eine bestimmte Maßnahme, Art oder Einrichtung der Eingliederungshilfe sowie auf soziale Dienste.
Grundsatz der Subsidiarität
§4a
(1) Hilfeleistungen nach diesem Gesetz sind nur insoweit zu erbringen, als für Menschen mit Behinderungen keine Möglichkeit besteht, aufgrund anderer gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelungen gleiche oder ähnliche Leistungen zu erlangen.
(2) Abweichend zu Abs 1 gehen Hilfeleistungen nach diesem Gesetz gleichartigen Leistungen nach dem Salzburger Sozialhilfegesetz vor.
II. Abschnitt
Eingliederungshilfe
Maßnahmen der Eingliederungshilfe
§5
Im Rahmen der Eingliederungshilfe können nach den Erfordernissen des einzelnen Falles gewährt werden:
a) Heilbehandlung (§6);
b) Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln (§7);
c) Hilfe zur Erziehung und Schulbildung (§8);
d) Hilfe zur beruflichen Eingliederung (§9);
e) Hilfe zur sozialen Eingliederung (§10);
f) Hilfe zur sozialen Betreuung (§10a);
g) Hilfe durch geschützte Arbeit (§11).
Heilbehandlung
§6
Die Heilbehandlung umfaßt, soweit dies zur Behebung oder zur erheblichen Besserung der Behinderung erforderlich ist, die Vorsorge für ärztliche Hilfe sowie nach Maßgabe ärztlicher Anordnung die Vorsorge für Heilmittel, für Pflege in Kranken-, Kur- oder sonstigen geeigneten Anstalten und für die Betreuung des Menschen mit Behinderungen durch Hausbesuche als nachgehende Behandlungsmaßnahme.
Hilfe zur sozialen Betreuung
§10a
(1) Die Hilfe zur sozialen Betreuung in Einrichtungen soll Menschen mit Behinderungen dazu dienen, einen nicht weiter verbesserungsfähigen Entwicklungsstatus zu stabilisieren, dem Verlust an persönlichen Fähigkeiten entgegenzuwirken und nachteilige Entwicklungen so gut wie möglich zu verzögern.
(2) Während des Aufenthaltes in einer Einrichtung der sozialen Betreuung ist Menschen mit Behinderungen ein Taschengeld nach Maßgabe des § 10 Abs 3 zu gewähren.
IV. Abschnitt
Sonstige Bestimmungen
Kostentragung
§16
Für die Tragung der Kosten der Behindertenhilfe gelten die § 40 und 41 S.SHG mit der Maßgabe, dass
1. Maßnahmen der Eingliederungshilfe mit Ausnahme der Hilfe zur sozialen Betreuung (§10a) als soziale Dienste zu gelten haben und in Bezug auf § 40 Abs 5 zweiter Satz S.SHG die Kosten aufzuteilen sind:
a) bei Einrichtungen der Eingliederungshilfe, die Leistungsentgelte nach Tages- oder Monatssätzen erhalten, gemäß § 40 Abs 5 lita S.SHG;
b) bei sonstigen Einrichtungen gemäß § 40 Abs 5 litb S.SHG;
2. die Hilfe zur sozialen Betreuung als Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs gilt.
Kostenbeiträge
§17
(1) Menschen mit Behinderungen sowie die für sie gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen haben zu den Kosten der Eingliederungshilfe mit Ausnahme der Hilfe durch geschützte Arbeit entsprechend ihrer finanziellen Leistungskraft im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht beizutragen. Als gesetzlich unterhaltspflichtige Personen im Sinne dieses Gesetzes haben nur der Ehegatte oder eingetragene Partner (frühere Ehegatte bzw eingetragene Partner) sowie die im ersten Grad Verwandten des Menschen mit Behinderungen zu gelten. Erreichte das Ausmaß des Kostenbeitrages die Gesamtkosten der Hilfeleistung, kommt eine solche nicht in Betracht. Von einem Kostenbeitrag kann insoweit abgesehen werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet oder ihrer Zielsetzung widersprochen würde.
(2) Menschen mit Behinderungen haben zu den Kosten der ihnen gewährten Eingliederungshilfe beizutragen:
1. aus ihrem Einkommen;
2. aus einem allfälligen Bezug von pflegebezogenen Geldleistungen, soweit diese nicht gesetzlich auf den Träger der Behindertenhilfe übergehen oder als Taschengeld gebühren. Die Landesregierung hat durch Verordnung festzulegen, in welcher Höhe der Beitrag unter Zugrundelegung des zeitlichen Ausmaßes der Inanspruchnahme der Maßnahme zu leisten ist; und
3. aus ihrem verwertbaren Vermögen bei der Hilfe zur sozialen Betreuung.
Die Verbindlichkeit zum Ersatz der Kosten dieser Hilfe geht gleich einer anderen Schuld auf den Nachlass des Menschen mit Behinderungen über. Erben haften dabei jedoch stets nur bis zur Höhe des Wertes des Nachlasses. Sie können gegenüber Ersatzforderungen nicht einwenden, dass der Mensch mit Behinderungen zu Lebzeiten den Ersatz hätte verweigern können. Handelt es sich bei den Erben um die Eltern, Kinder oder Ehegatten oder eingetragene Partner des Menschen mit Behinderungen, ist darauf Bedacht zu nehmen, dass durch den Kostenersatz ihre Existenz nicht gefährdet wird.
(3) Bei Hilfe zur sozialen Betreuung (§10a) entfällt der Kostenersatz:
a) für Kinder gegenüber Eltern,
b) für Eltern gegenüber volljährigen Kindern.
(4) Die gemäß Abs 1 beitragspflichtigen Personen sind zu einem nachträglichen Kostenbeitrag nur verpflichtet, wenn nachträglich bekannt wird, daß sie zur Zeit der Durchführung der Hilfeleistung zu Beitragsleistungen hätten herangezogen werden können.
(5) Für diese Kostenbeiträge und den Ersatz der Kosten der Eingliederungshilfe durch Dritte gelten, soweit nicht anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des 9. Abschnittes des Sozialhilfegesetzes."
2.Die § 1, 5, 8, 10, 13 und 17 des Gesetzes vom über die Sozialhilfe im Land Salzburg (Salzburger Sozialhilfegesetz – S.SHG), LGBl 19/1975, zuletzt idF LGBl 82/2018 (§§1 und 5 idF LGBl 64/2010, § 8 idF LGBl 20/2006, § 10 und 13 idF LGBl 19/1975 sowie § 17 idF LGBl 86/2012), lauten wie folgt:
"1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Aufgaben und Leistungen der Sozialhilfe
§1
(1) Die Sozialhilfe hat jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen (Hilfesuchender).
(2) Die Sozialhilfe umfasst die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs und die sozialen Dienste.
Rechtsanspruch
§5
Auf die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat der Hilfesuchende einen Rechtsanspruch; auf soziale Dienste besteht kein solcher Anspruch. Sozialhilfe ist in der Form zu leisten, die die zu erzielende Wirkung auf die kostengünstigste Weise erreichen läßt.
Einsatz der eigenen Mittel
§8
(1) Die Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als der Einsatz des Einkommens und des verwertbaren Vermögens des Hilfesuchenden nicht ausreicht, um den Lebensbedarf (§10) zu sichern.
(2) Als nicht verwertbar gelten:
1. Gegenstände, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung angemessener kultureller Bedürfnisse dienen;
2. Vermögen bis zur Höhe des Zehnfachen des Richtsatzes für Alleinunterstützte (§12 Abs 1 Z 1) bei Hilfe Empfängern, die in Anstalten oder Heimen (§17) untergebracht sind.
(3) Die Verwertung des Vermögens darf nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder von einer vorübergehenden zu einer dauernden wird.
(4) Hat ein Hilfesuchender Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, sind Hilfeleistungen von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig zu machen, wenn hiemit nicht nach der Lage des einzelnen Falles für den Hilfesuchenden oder seine Angehörigen eine besondere Härte verbunden wäre. Zu diesem Zweck hat die Behörde bei unbeweglichem Vermögen nach längstens zwölf Monaten ab Gewährung der Hilfe ein Pfandrecht in der Höhe der bis dahin erbrachten Leistungen im Grundbuch einverleiben zu lassen. Bei weiterer Gewährung der Sozialhilfe ist die Vorgangsweise zu wiederholen. Über den Ersatzanspruch ist zu entscheiden, sobald die Verwertung des Vermögens möglich und zumutbar geworden ist.
(5) Bei der Festsetzung des Ausmaßes von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes sind bei Hilfesuchenden, die in einer Anstalt oder einem Heim untergebracht sind, 20 v.H. einer allfälligen Pension, Rente oder anderer Ruhe- oder Versorgungsgenüsse oder eines sonstigen Einkommens und die allfälligen Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug), jeweils vermindert um die davon zu leistenden Abgaben und sonstigen gesetzlichen Abzüge, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Dieser Freibetrag ist jedenfalls mit dem Betrag von 20 v.H. der nach dem ASVG möglichen Höchstpension, vermindert um die davon zu leistenden Abgaben und sonstigen Abzüge, begrenzt.
(6) Das Taschengeld, das auf Grund eines nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften gewährten Pflegegeldes ausbezahlt wird, gilt nicht als Einkommen im Sinn dieses Gesetzes.
(7) Für Aufwendungen, die auf Grund einer Berufstätigkeit erwachsen, ist bei der Berücksichtigung des Einkommens daraus ein Freibetrag einzuräumen. Die Höhe des Freibetrages richtet sich nach durchschnittlichen Aufwendungen und nach dem Ausmaß der Beschäftigung und ist durch Verordnung der Landesregierung festzulegen. Als Höchstbetrag für die verordnungsweise Festlegung gilt bei Vollbeschäftigung (40 Stunden) die Höhe des halben Richtsatzes für Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe.
Lebensbedarf
§10
(1) Zum Lebensbedarf gehören:
1. der Lebensunterhalt;
2. die Pflege;
3. Krankenhilfe;
4. Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen;
5. Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung.
(2) Der Lebensbedarf kann in Form von Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Hilfe gesichert werden. Empfänger, Form und Weise der Leistung oder Hilfe sind unter Bedachtnahme auf ihre bestmögliche Wirksamkeit zu bestimmen; diesbezüglich besteht kein Rechtsanspruch.
Pflege
§13
Die Pflege umfaßt die körperliche und persönliche Betreuung von Personen, die auf Grund ihres körperlichen oder geistig-seelischen Zustandes nicht imstande sind, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen.
Unterbringung in Anstalten oder Heimen
§17
(1) Der Lebensbedarf kann mit Zustimmung des Hilfesuchenden durch Unterbringung in Anstalten oder Heimen gesichert werden, wenn der Hilfesuchende auf Grund seines körperlichen oder geistig-seelischen Zustandes oder auf Grund der familiären und häuslichen Verhältnisse nicht imstande ist, ein selbständiges und unabhängiges Leben zu führen oder wenn er besonderer Pflege bedarf. Unter den familiären und häuslichen Verhältnissen sind für diese Art der Hilfeleistung auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Angehörigen des Hilfesuchenden mitzuberücksichtigen. Die Landesregierung kann durch Verordnung näheres hierüber bestimmen. Die Aufnahme des Hilfe Suchenden in ein Senioren- oder Seniorenpflegeheim setzt voraus, dass dieses den Mindeststandards nach dem Salzburger Pflegegesetz entspricht.
(2) Den in Anstalten oder Heimen untergebrachten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, ist im Sinn einer Mindestsicherungsleistung ein Taschengeld in der Höhe von 20 % des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 Z 1 und Abs 4 MSG zu gewähren, soweit ihnen nicht auf Grund des § 8 Abs 5 ein solcher Betrag ihres Einkommens verbleibt. Das Taschengeld gebührt in den Monaten März, Juni, September und Dezember in eineinhalbfacher Höhe. Die Bestimmung des § 12 Abs 6 vorletzter Satz ist sinngemäß anzuwenden.
(2a) Die Landesregierung hat den sich nach Abs 2 erster Satz ergebenden Betrag gleichzeitig mit den jeweiligen Mindeststandards der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gemäß § 10 Abs 4 MSG im Landesgesetzblatt kundzumachen.
(3) In den Heimen soll, soweit das nach dem Gesundheitszustand der dort untergebrachten Personen möglich und zweckmäßig ist, für Beschäftigungs- und Arbeitstherapie vorgesorgt werden.
(4) Für die Unterbringung von Hilfe Suchenden in Senioren- und Seniorenpflegeheimen sind vom Sozialhilfeträger Entgelte in Form von Tagsätzen, die sich aus einem Grundtarif und gegebenenfalls einem Pflegetarif zusammensetzen, höchstens in einer solchen Höhe zu leisten, dass dadurch nur ein angemessener Personal- und laufender Sachaufwand sowie ein angemessener Finanzierungs- und Investitionsbedarf abgedeckt werden, ein unnötiger oder überhöhter Betriebs- und Erhaltungs- sowie Investitionsaufwand aber unabgedeckt bleibt. Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Festlegungen über die in den Senioren- und Seniorenpflegeheimen zu erbringenden Leistungen zu treffen. Weiters kann die Berechnung der Entgelte näher geregelt werden.
(5) Die Landesregierung hat für die einzelnen Heime unter Bedachtnahme auf die gemäß Abs 4 zweiter Satz erlassene Verordnung und die Ausstattung der Heime Obergrenzen für den Grundtarif undden Pflegetarif durch Verordnung festzusetzen. Der Grundtarif dient der Abgeltung des Aufwandes für die Unterkunft, die Verpflegung des Hilfe Suchenden sowie für Dienstleistungen allgemeiner ArtIm Rahmen des Grundtarifs kann als Anteil für den Finanzierungs- und Investitionsbedarf ein besonderer Betrag festgesetzt werden. Der Pflegetarif dient der Abgeltung des Aufwandes für Hilfen und Leistungen der Pflege, Betreuung und Haushaltsführung.
(6) Der tägliche Bedarf an Hilfen und Leistungen der Pflege, Betreuung und Haushaltsführung ist entsprechend dem gemäß Abs 4 zweiter Satz festgelegten Leistungskatalog individuell und angemessen zu erfüllen. Für die dafür zu leistenden Entgelte ist in erster Linie das nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften gewährte Pflegegeld heranzuziehen.
(7) Der im Rahmen des Grundtarifs vom Sozialhilfeträger zu leistende Finanzierungs- und Investitionsbetrag gemäß Abs 5 dritter Satz darf höchstens 3,65 € täglich betragen.
(8) Die auf Grund des Abs 5 festgelegten Entgelt-Obergrenzen mit Ausnahme des Finanzierungs- und Investitionsbetrages sind von der Landesregierung für jedes Kalenderjahr durch Verordnung neu festzusetzen. Dabei ist ein Betrag, der 70 % des jeweils im vorangegangenen Kalenderjahr in Geltung gestandenen Tarifes entspricht, nach der Entwicklung des Entlohnungsschemas I der Landesvertragsbediensteten für das vorangegangene Kalenderjahr zu valorisieren. Erfolgt die Entwicklung in Form einer Sockelbetragserhöhung, wird die Entwicklung der Entlohnung nach Stufe 19 der Entlohnungsgruppe c des Entlohnungsschemas I der Landesvertragsbediensteten einschließlich der Allgemeinen Leistungszulage und der Verwaltungsdienstzulage herangezogen. Der verbleibende Betrag (30 % des Tarifes) ist in dem Maß anzupassen, das sich aus der Veränderung des jeweils vorangegangenen Juniwertes des von der Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarten Verbraucherpreisindex 1996 oder des an seine Stelle tretenden Index gegenüber dem Juniindex des zweitvorangegangenen Jahres ergibt. Dabei sind Beträge unter 5 Cent zu vernachlässigen und Beträge von 5 Cent an auf den nächsten durch 10 teilbaren Cent-Betrag aufzurunden.
(9) Im Zusammenhang mit der Heimaufnahme vereinbarte Leistungen des Hilfe Suchenden oder Dritter an den Leistungserbringer sind bei den vom Sozialhilfeträger zu leistenden Entgelten in Anrechnung zu bringen, soweit es sich nicht um eine Kaution handelt.
(10) Die Leistung von Entgelten gemäß Abs 4 durch den Sozialhilfeträger an private Rechtsträger von neu zur Errichtung kommenden Senioren- und Seniorenpflegeheimen setzt den Abschluss von privatrechtlichen Verträgen noch vor deren Errichtung über folgende Inhalte voraus:
1. die Aufnahmekriterien,
2. die Einweisungsrechte,
3. die Entgeltleistung in Form von Tagsätzen, bestehend aus Grundtarif einschließlich Finanzierungs- und Investitionsbetrag sowie Pflegetarif,
4. die Obergrenzen für die Entgelte gleich den für Senioren- und Seniorenpflegeheime, ausgenommen Sonderpflegeeinrichtungen, öffentlicher Rechtsträger festgesetzten Obergrenzen;
5. die Verwendung des Finanzierungs- oder Investitionsbetrages und
6. die Gebarungskontrolle.
Dasselbe gilt bei einer Erweiterung von Heimen im Ausmaß von mehr als 10 % des vorhandenen Bettenstandes.
(10a) Abs 10 gilt auch für die Neuerrichtung und Erweiterung von Sonderpflegeeinrichtungen mit der Maßgabe, dass die Obergrenzen für die Entgelte auch höher als nach Abs 10 Z 4 festgelegt werden können. Sonderpflegeeinrichtungen sind Einrichtungen, die mit Krankenanstalten eine räumliche und funktionelle Einheit bilden und vorwiegend der Versorgung von pflegebedürftigen Personen, die ein Pflegegeld ab der Stufe 5 erhalten, oder Personen mit besonderen Pflegebedürfnissen im neurologischen und geriatrischen Bereich oder mit ständiger Beatmungsnotwendigkeit dienen.
(11) Wird die Betriebsführung eines bestehenden Heimes von einem öffentlichen Rechtsträger an einen privaten Rechtsträger übertragen, gilt Abs 10 erster Satz sinngemäß. Außerdem kann der Sozialhilfeträger Leistungen für Hilfe Suchende in solchen Heimen nur unter der weiteren Voraussetzung erbringen, dass das mit der Übertragung der Betriebsführung verbundene wirtschaftliche Risiko beim öffentlichen Rechtsträger verbleibt."
3.Die § 330a und 707a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl 189/1955 idF des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes (SV-ZG), BGBl I 125/2017, lauten wie folgt:
"ABSCHNITT IIa
Verbot des Pflegeregresses
§330a. (Verfassungsbestimmung) Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.
Weitere Schlussbestimmungen zu Art 1 des Bundesgesetzes BGBl I Nr 125/2017
§707a. (1) Die § 330b samt Überschrift und 669 Abs 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 125/2017 treten mit in Kraft.
(2) (Verfassungsbestimmung) § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 125/2017 tritt mit in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. Die Durchführungsverordnungen zu einem auf Grund dieser Bestimmung ergehenden Bundesgesetz sind vom Bund zu erlassen."
III.Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1.Dem Antrag liegt nach dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg wohne seit 2014 in einem Langzeitwohnheim für Personen mit chronifiziertem Verlauf einer schweren "psychiatrischen" Störung. Bisher sei er als "Selbstzahler" in dieser Einrichtung wohnhaft, es sei also keine Leistung der Behindertenhilfe für diesen Aufenthalt gewährt worden. Laut ärztlichem Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt aus dem Jahr 2008 leide der Beschwerdeführer an einer bipolaren affektiven Psychose, die sich in einer hochgradig depressiven und antriebsarmen Stimmungslage äußere. Der Beschwerdeführer sei örtlich und zeitlich im Wesentlichen orientiert, es bestehe jedoch eine hochgradig eingeschränkte psychische Belastbarkeit, die eine alleinige Haushaltsführung ohne fremde Hilfe unmöglich mache. Es seien umfangreiche Motivationsgespräche notwendig; zudem müsse die Medikamenteneinnahme strikt überwacht werden. Der Schwerpunkt liege beim Beschwerdeführer im Bereich des Betreuungsbedarfes und auch der Medikation. Es bestehe für ihn kaum Pflegeaufwand, da er die Körperpflege weitgehend selbst erledigen könne. Er müsse lediglich motiviert und angeleitet werden, sei aber grundsätzlich in der Lage, dies auch selbst zu erledigen. Ein Betreuungsbedarf bestehe dahingehend, dass der Beschwerdeführer zu Arztbesuchen und Ähnlichem begleitet werde. Wichtig sei auch, dass jemand anwesend sei, der sehe, wie es dem Beschwerdeführer gehe, weil die Impulskontrolle, "wenn es ihm nicht gut geht", nicht in dem Maße gegeben sei wie sonst. Für den Beschwerdeführer bestehe eine Bedarfsmedikation, wenn dies notwendig sein sollte. Er sei rund um die Uhr, auch am Wochenende, in der Einrichtung wohnhaft.
Die Betreuungseinrichtung sei ein System des Langzeitwohnens, in dem Personen mit einer "psychiatrischen" Grunderkrankung und teilweise zusätzlich noch einer Suchterkrankung wohnhaft seien. Der Leistungumfang umfasse Vollversorgung in Bezug auf Wohnen und Verpflegung. In der Nacht sei die Wohneinrichtung nicht besetzt; es seien also Menschen wohnhaft, die in der Nacht allein sein könnten. Von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr sei Personal anwesend, nämlich Diplomkrankenpersonal, Fachsozialbetreuer und Pflegeassistenten. Dieses Personal sei dafür zuständig, den Tagesablauf zu strukturieren, psychosoziale Betreuung zu leisten und Arzttermine und Ähnliches wahrzunehmen. Ab 19:00 Uhr und in der Nacht sei kein Personal anwesend. Es bestehe eine Rufbereitschaft, die seitens der Bewohner in Anspruch genommen werde, wenn Unterstützung vonnöten sei. Der Beschwerdeführer und die anderen Bewohner der Einrichtung seien nach Ansicht einer Zeugin in einem regulären Seniorenheim "nicht führbar". Wenn der Pflegeaufwand so groß wäre und die psychische Erkrankung in den Hintergrund treten würde, wäre dies durchaus möglich, allerdings sei dies beim Beschwerdeführer derzeit nicht der Fall. Die Form des Langzeitwohnens zeichne sich insbesondere durch eine engmaschige Begleitung der Bewohner sowie durch ein Betreuungskonzept in einer familiären Umgebung aus, was für die Bewohner mit psychischen Erkrankungen dringend erforderlich sei. Diese Form der Betreuung werde in "regulären Seniorenwohnheimen" nicht angeboten.
Der Beschwerdeführer beziehe Invaliditätspension zuzüglich Pflegegeld der Stufe 2 und Ausgleichszulage. Überdies verfüge er über ein Bankkonto bzw über ein Wertpapierdepot mit einem näher bezifferten Kontostand bzw Kurswert.
Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung habe den am gestellten Antrag des Beschwerdeführers vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg auf Gewährung einer Maßnahme nach dem Salzburger Behindertengesetz 1981 mit Bescheid vom unter Verweis auf die § 10a und 17 leg. cit. mit der Begründung abgewiesen, dass der Beschwerdeführer über ausreichend Vermögen verfüge.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Erwachsenenvertreter Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg und brachte darin vor, das seit dem geltende Verbot des Pflegeregresses gemäß § 330a iVm § 707a ASVG gelte auch für Menschen mit Behinderungen.
2.Das Landesverwaltungsgericht Salzburg legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"[...] IV. Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung
Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung hat mit Bescheid vom […], den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Hilfeleistung nach dem Salzburger Behindertengesetz gemäß § 10a und § 17 SBG abgewiesen. Mit Verweis auf § 17 SBG kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass eine Kostenübernahme für die Großfamilie M[…] im Rahmen einer Maßnahme nach dem SBG nicht in Frage kommt, da der Beschwerdeführer über ausreichendes Vermögen verfügt.
Dem zugrunde liegt konkret die Vorgabe des § 17 Abs 2 Z 3 SBG, wonach Menschen mit Behinderungen zu den Kosten der ihnen gewährten Eingliederungshilfe aus ihrem verwertbaren Vermögen bei der Hilfe zur sozialen Betreuung beizutragen haben. Gemäß § 10a SBG soll die Hilfe zur sozialen Betreuung in Einrichtungen Menschen mit Behinderungen dazu dienen, einen nicht weiter verbesserungsfähigen Entwicklungsstatus zu stabilisieren, dem Verlust an persönlichen Fähigkeiten entgegenzuwirken und nachteilige Entwicklungen so gut wie möglich zu verzögern. Die Übernahme der Aufenthaltskosten in der Großfamilie M[…] für den Beschwerdeführer wäre als eine solche Maßnahme nach § 10a SBG und somit als Hilfe zur sozialen Betreuung einzustufen, bei der gemäß § 17 Abs 2 Z 3 SBG das verwertbare Vermögen zum Einsatz zu bringen ist.
Gegen diesen Bescheid wurde seitens des Erwachsenenvertreters des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Dieser Beschwerde steht somit kein prozessuales Hindernis entgegen, somit hätte das Landesverwaltungsgericht Salzburg gemäß § 28 Abs 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden und dabei die oben zitierte Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 3 SBG in Anwendung zu bringen.
V. Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg
§1 Salzburger Behindertengesetz gibt als Zielsetzung des Gesetzes vor, dass Menschen mit Behinderungen im Land Salzburg durch Hilfeleistungen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden soll. Nach einer Definition der Menschen mit Behinderungen in § 2 Salzburger Behindertengesetz führt § 3 Salzburger Behindertengesetz aus, dass zu den Hilfeleistungen nach diesem Gesetz die Eingliederungshilfe und die sozialen Dienste gehören. Auf die Eingliederungshilfe besteht gemäß Abs 2 ein Rechtsanspruch. Jedoch besteht kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Maßnahme, Art oder Einrichtung der Eingliederungshilfe sowie auf soziale Dienste. Gemäß § 5 Salzburger Behindertengesetz können im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den Erfordernissen des einzelnen Falls gemäß litf Hilfen zur sozialen Betreuung (§10a) gewährt werden.
Die Hilfe zur sozialen Betreuung in Einrichtungen soll Menschen mit Behinderungen dazu dienen, einen nicht weiter verbesserungsfähigen Entwicklungsstatus zu stabilisieren, dem Verlust an persönlichen Fähigkeiten entgegenzuwirken und nachteilige Entwicklungen so gut wie möglich zu verzögern. Die Übernahme der Aufenthaltskosten im Langzeitwohnheim Großfamilie M[…] wäre als eine solche Hilfe zur sozialen Betreuung gemäß § 10a SBG einzustufen.
Gemäß § 17 SBG haben Menschen mit Behinderungen sowie die für sie gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen zu den Kosten der Eingliederungshilfe entsprechend ihrer finanziellen Leistungskraft im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht beizutragen. Erreichte das Ausmaß des Kostenbeitrages die Gesamtkosten der Hilfeleistung, kommt eine solche jedoch nicht in Betracht. Von einem Kostenbeitrag kann auch insoweit abgesehen werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet oder ihrer Zielsetzung widersprochen würde. Gemäß § 17 Abs 2 SBG haben Menschen mit Behinderungen zu den Kosten der ihnen gewährten Eingliederungshilfe aus ihrem Einkommen (Z1), aus einem allfälligen Bezug von pflegebezogenen Leistungen, soweit diese nicht gesetzlich auf den Träger der Behindertenhilfe übergehen oder als Taschengeld gebühren (Z2), oder aus ihrem verwertbaren Vermögen bei der Hilfe zur sozialen Betreuung (Z3) beizutragen. Folglich haben Menschen mit Behinderungen, denen eine Maßnahme nach § 10a SBG – Hilfe zur sozialen Betreuung – gewährt wird, nicht nur aus ihrem Einkommen und dem Pflegegeld, sondern auch aus ihrem verwertbaren Vermögen einen Kostenbeitrag zu leisten. Bei dem Begriff des 'verwertbaren Vermögens' ist auf die entsprechende Definition des § 8 Abs 2 Salzburger Sozialhilfegesetz (SHG) zurückzugreifen. Dies liegt aufgrund des engen systematischen Zusammenhangs zwischen Salzburger Sozialhilfegesetz und Salzburger Behindertengesetz und der Tatsache nahe, dass sich die Maßnahme des § 10a SBG aus § 17 SHG entwickelt hat. Auf Grund dieser historischen Zusammenhänge ist somit auch das verwertbare Vermögen im Bereich des § 17 SBG mit dem Vermögen bis zur Höhe des Zehnfachen des Richtsatzes für Alleinunterstützte (§12 Abs 1 Z 1) bei Hilfeempfängern, die in Anstalten oder Heimen (§17) untergebracht sind, heranzuziehen. Die Schonvermögensgrenze liegt aktuell bei € 5.235,-. Jene Vermögenswerte, die über diesem Beitrag liegen, sind daher von den Menschen mit Behinderungen als Kostenbeitrag für Hilfen zur sozialen Betreuung einzusetzen. Die belangte Behörde hat folglich nach durchgeführter Vermögenserhebung den Antrag auf Behindertenhilfe des Beschwerdeführers auf Grund ausreichenden Vermögens als unbegründet abgewiesen.
Mit BGBI I Nr 125/2017 wurde durch das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG) das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz novelliert und mit Inkrafttreten ab der Pflegeregress verboten. In § 330a ASVG (Verfassungsbestimmung) heißt es, dass ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/innen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig ist. § 707a ASVG, welcher ebenfalls als Verfassungsbestimmung konzipiert ist, führt dazu aus, dass § 330a ASVG samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBI I Nr 125/20017 [2017] mit in Kraft tritt.
Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. Die Durchführungsverordnungen zu einem auf Grund dieser Bestimmung ergehenden Bundesgesetz sind vom Bund zu erlassen.
Eine unmittelbare Anwendung des § 330a ASVG iVm § 707a ASVG kommt jedoch für den Bereich der Behindertenhilfe nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Salzburg aus folgenden Überlegungen nicht in Betracht:
a) System des ASVG und anderer Bundesgesetze
§330a ASVG legt fest, dass der Zugriff auf Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig ist. Der bei der Auslegung vorrangig zu berücksichtigende Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung (vgl dazu Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsgesetz [2014], Rz 132) schränkt somit klar den Anwendungsbereich des Pflegeregressverbotes auf die Sozialhilfe ein.
Auch wenn es sich bei § 330a ASVG um eine Verfassungsbestimmung handelt, kann das zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltende Begriffsverständnis des einfachgesetzlichen ASVG im Rahmen der historisch-systematischen Interpretation herangezogen werden, um den Bedeutungsgehalt des Terminus 'Sozialhilfe' zu ermitteln. Hinzuweisen ist hier insbesondere auf § 324 ASVG, welcher den Ersatzanspruch des Trägers der Sozialhilfe in jenen Fällen regelt, in denen ein Pensionsberechtigter in einer Einrichtung verpflegt wird.
In § 324 Abs 3 Satz 1 heißt es:
Wird ein Renten(Pensions)Berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe oder auf Kosten eines Trägers der Jugendwohlfahrt in einem Alters-(Siechenheim) oder Fürsorgeerziehungsheim, einer Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke, einer Trinkerheilstätte oder einer ähnlichen Einrichtung bzw außerhalb einer dieser Einrichtungen im Rahmen eines Familienverbandes oder auf einer von einem Träger der öffentlichen Wohlfahrtspflege und/oder von einer kirchlichen oder anderen karitativen Vereinigung geführten Pflegestelle verpflegt, so geht für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Rente bzw Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 von 100, wenn der Renten(Pensions)Berechtigte auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung für den Unterhalt eines Angehörigen zu sorgen hat, bis zu 50 von 100 dieses Anspruches auf den Träger der Sozialhilfe oder auf den Träger der Jugendwohlfahrt über; das gleiche gilt in Fällen in denen ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Landes im Rahmen der Behindertenhilfe in einer der genannten Einrichtungen oder auf einer der genannten Pflegestellen untergebracht wird, mit der Maßgabe, dass der vom Anspruchsübergang erfaßte Teil der Rente (Pension) auf das jeweilige Land übergeht.
Auch wenn hier unter der Überschrift 'Ersatzanspruch des Trägers der Sozialhilfe' Regelungen getroffen wurden, wird hier explizit die Behindertenhilfe als eigener Systemträger angeführt. Darüber hinaus werden in diesem Absatz auch Festlegungen für den Bereich der Jugendwohlfahrt getroffen, die sich ebenfalls nicht mit dem Begriff der Sozialhilfe – trotz gemeinsamer Überschrift - deckt. Der Bundesgesetzgeber unterscheidet daher im Rahmen dieser Bestimmung des ASVG klar zwischen Sozialhilfe und Behindertenhilfe. Dieses Begriffsverständnis liegt daher auch § 330a ASVG zugrunde.
Darüber hinaus gibt es auch in anderen Bundesgesetzen wie dem Zivildienstgesetz (§§3, 8 und 28: Sozial- und Behindertenhilfe), dem Freiwilligengesetz (§§9 und 27: Sozial- und Behindertenhilfe), dem Konsumentenschutzgesetz (§§27d und 27e: Sozial- oder Behindertenhilfe) und dem Kriegsopferversorgungsgesetz (§55b: auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe oder eines Landes im Rahmen der Behindertenhilfe) eine dezidierte Unterscheidung zwischen den Hilfesystemen 'Sozialhilfe' und 'Behindertenhilfe'.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Begriff der Sozialhilfe in Anlehnung an die bisherige Gesetzgebung tatsächlich auch nur den Bereich der Sozialhilfe abdeckt und nicht auch jenen der Behindertenhilfe.
b) Materialien zum Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz - SV-ZG
Mit Blick auf die Materialien zum Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz - SV-ZG (Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern- Sozialversicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden, BGBL I Nr 215/2017) mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz novelliert wurde, zeigt sich, dass diese mit keinem Wort die Menschen mit Behinderungen und ihre besondere Situation erwähnen. Die Begriffe 'Behinderung' oder 'Behindertenhilfe' kommen in den Erläuterungen des Nationalrates und des Bundesrates nicht vor. Aus den Formulierungen ist klar ablesbar, dass man hier Personen vor Augen hatte, die auf Grund altersbedingter Verschlechterung des Gesundheitszustandes in ein Pflege-heim übersiedeln müssen und dazu ein Zugriff auf das Vermögen abgeschafft werden soll, um diesen Personen jene Vermögenswerte, die sie sich ein Leben lang erarbeitet haben, zu belassen. Dieses Verbot des Pflegeregresses soll auch den Angehörigen, Erben und Geschenknehmern zugutekommen.
Dass der Gesetzgeber von diesem Verbot des Pflegeregresses auch Menschen mit Behinderungen umfassen wollte, die meist nicht in der Lage gewesen sind, sich aus eigener Kraft Vermögen zu schaffen, sondern überwiegend schon längere Zeit in Einrichtungen wohnen, die ihren speziellen Bedürfnissen entsprechend Betreuung und Pflege zur Verfügung stellen, kann hier nicht abgelesen werden.
c) Salzburger Rechtslage und andere Landesgesetze
Auch wenn ein Landesgesetz nicht zur Interpretation einer Verfassungsbestimmung heranzuziehen ist, ist doch für die Salzburger Rechtslage kurz auszuführen, dass es bereits seit 1956, wiederverlautbart 1981, ein Salzburger Behindertengesetz gibt, in dem Regelungen für die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen geschaffen werden bzw wurden. Der hier einschlägige § 10a Salzburger Behindertengesetz wurde im Rahmen einer Novellierung 2001 in das Salzburger Behindertengesetz eingerührt. Jene Personen, die bis dato in Einrichtungen im Rahmen der Hilfe der sozialen Betreuung aufhältig waren, haben Sozialhilfe gemäß § 17 SHG erhalten, da die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen im Salzburger Behindertengesetz bis zu diesem Zeitpunkt gefehlt haben. Seit 2001 sind somit die Hilfen für Menschen mit Behinderungen einheitlich im Salzburger Behindertengesetz geregelt. Folglich wird Menschen mit Behinderungen Behindertenhilfe gewährt und nicht Sozialhilfe.
Auch mit Blick auf die weiteren landesgesetzlichen Regelungen ist auszuführen, dass lediglich in Niederösterreich und im Burgenland Behindertenhilfe im Rahmen des Sozialhilfegesetzes geleistet wird, sämtliche andere Bundesländer haben eigene Behindertengesetze mit unterschiedlichen Bezeichnungen (Behindertengesetz, Teilhabegesetz, Chancengleichheitsgesetz, Chancengesetz). Auf landesgesetzlicher Ebene ist daher davon auszugehen, dass sich Sozialhilfe nicht mit dem Begriff der Behindertenhilfe deckt.
d) Unterschiedliche Zielsetzungen
Darüber hinaus sind die Zielsetzungen von Sozialhilfe und Behindertenhilfe unterschiedlich. Die Sozialhilfe hat jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen (Hilfesuchende, so zB § 1 SSHG). Die Sozialhilfe umfasst somit die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes und die sozialen Dienste. Die Zielsetzung der Behindertenhilfe liegt jedoch darin, Menschen mit Behinderungen im Land Salzburg durch Hilfeleistungen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen (vgl § 1 SBG). Daraus erhellt sich, dass es eben im Bereich der Behindertenhilfe speziell darum geht, die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben entsprechend der besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen und nicht allein darum (wie im Bereich des Sozialhilfegesetzes), die materielle Bedürftigkeit auszugleichen. Folglich wären, wenn der Verfassungsgesetzgeber unter Sozialhilfe wirklich auch Behindertenhilfe verstehen wollte, entsprechende Ausführungen in den Erläuterungen von Nöten gewesen, um dies klarzustellen.
Mangels solcher Ausführungen ist nach Ansicht der erkennenden Richterin davon auszugehen, dass die Sozialhilfe die Behindertenhilfe nicht mitumfasst, sondern es sich hier um getrennte Hilfesysteme handelt.
e) Behindertenhilfe entspricht nicht der Abgeltung von Pflegekosten
Fraglich bleibt auch, ob jene Hilfeleistungen, die den Menschen mit Behinderungen im Rahmen des Salzburger Behindertengesetzes gewährt werden, mit der Abgeltung von Pflegekosten umschrieben werden können. Das Verbot des Pflegeregresses bezieht sich auf Grund der klaren Formulierung im § 330a ASVG auf den Zugriff auf Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/innen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten.
Nun ist es, wie im Sachverhalt bereits ausführlich festgestellt, für den vorliegenden Fall klar ersichtlich, dass im Fall des Beschwerdeführers in keiner Weise die Pflege im Vordergrund steht, sondern ihm durch die Wohnmöglichkeit im Langzeitwohnheim M[…] Betreuung, Motivation, Ansprache und ein entsprechend strukturiertes Umfeld geboten wird, in dem er trotz seiner psychiatrischen Beeinträchtigung am sozialen Leben teilnehmen kann. Dementsprechend wurde ihm auch nur Pflegestufe 2 zuerkannt, wie aus dem vom Gericht eingeholten Pflegegeldgutachten ersichtlich ist. Daher kann eine Abgeltung der Pflegekosten durch das Verbot des Pflegeregresses nur dann in Frage kommen, wenn die Pflege und der schlechte körperliche und gesundheitliche Zustand des Betroffenen bedingen, dass die Pflege tatsächlich im Vordergrund steht und hier auch eine entsprechend hohe Pflegegeldstufe zuerkannt wird. Auch im Hinblick auf die bereits erwähnten Erläuterungen zum Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgesetzgeber hier nur jene Kosten vor Augen hatte, die durch die altersbedingte Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder sonstige krankheitsbedingte Verschlechterungen des Allgemeinzustandes bedingt sind und nicht jene besondere Situation von Menschen mit Behinderungen und sonstigen Beeinträchtigungen, die meist bereits für viele Jahre, oft von klein auf, der besonderen Hilfe der Allgemeinheit bedürfen.
f) Fazit
Folglich ist nach Ansicht der erkennenden Richterin klar ersichtlich, dass § 330a ASVG Sozialhilfe für Menschen vor Augen hatte, die alters- oder krankheitsbedingt in einem Alten- oder Pflegeheim wohnhaft sind und eben gerade nicht Menschen mit Behinderungen.
Die entsprechenden Ausführungen in der Literatur (vgl Pfeil ÖZPR 2017,109; Wetsch ZAK, 2017, 367) können nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg insofern nicht überzeugen, da hier von vornherein von einem weiten Anwendungsbegriff der Sozialhilfe ausgegangen wird, ohne sich mit den Fragen der unterschiedlichen Diktion und den fehlenden Ausführungen in den Erläuterungen auseinanderzusetzen. Schließlich ist dem Begriff der Sozialhilfe ein Verständnis des Jahres 2018 zugrunde zu legen, und können hier historische Überlegungen nicht Platz finden.
Aktuell wird Menschen mit Behinderungen mit Bedacht auf die unterschiedliche Ausrichtung und Zielsetzung der beiden Hilfssysteme dezidiert keine Sozialhilfe gewährt. Es handelt sich in der Behindertenhilfe nicht um Fürsorgeleistungen, sondern um Hilfen, die den speziellen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen gerecht werden. Historische[s] Überlegungen mit dem Hintergrund, dass sich insbesondere Maßnahmen wie jene des § 10a SBG aus dem SHG entwickelt haben, können hier nach Ansicht der erkennenden Richterin eben gerade nicht greifen, weil dem Begriff der Sozialhilfe wie bereits erwähnt, ein aktuelles – zum Zeitpunkt der Erlassung des § 330a ASVG geltendes - Verständnis zugrunde gelegt werden muss.
Mayer/Pfeil führen in Pürgy (Hrsg), Das Recht der Länder, Band II/1, Landesverfassungsrecht und Organisationsrecht, 385 [390] aus, dass es sich bei der Behindertenhilfe um eine lex specialis zur Sozialhilfe handelt, was die erkennende Richterin ebenfalls zu der Überlegung führt, dass sich Behindertenhilfe gerade nicht mit der Sozialhilfe deckt, sondern hier ein spezieller Rechtsbereich für die Hilfen für Menschen mit Behinderungen besteht.
Folglich ist aus Sicht der erkennenden Richterin evident, dass auf Grund des klaren Wortlautes die Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG für den Bereich der Behindertenhilfe nicht Anwendung finden kann. Das Verbot des Pflegeregresses kann folglich für die Behindertenhilfe mit Verweis auf § 330a und § 707a ASVG nicht in Anspruch genommen werden.
VI. Verfassungsrechtliche Bedenken
a) Verstoß gegen Art 7 Bundesverfassungsgesetz- Gleichheitssatz
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hegt Bedenken, dass § 17 Abs 2 Z 3 SBG gegen den in Art 7 Abs 1 Satz 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) manifestierten Gleichheitssatz sowie das in Art 7 Abs 1 Satz 3 B-VG festgelegte Verbot der Diskriminierung von Behinderten verstößt.
Art7 B-VG gibt den Grundsatz vor, dass alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind. In Satz 3 heißt es, dass 'niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf'. Darüber hinaus bekennt sich die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) in Satz 4 dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Zum Schutz der Menschen mit Beeinträchtigungen wurde somit neben dem allgemeinen Gleichheitssatz, ein Diskriminierungsverbot und eine Staatszielbestimmung manifestiert, um Ungleichbehandlungen von Menschen resultierend aus ihrer Behinderung hintanzuhalten.
Durch das Diskriminierungsverbot in § 7 Abs 1 Satz 3 B-VG dürfen Menschen mit Behinderungen wegen ihrer Behinderung nicht benachteiligt werden; kategorisch ausgeschlossen ist eine Benachteiligung damit nicht, allerdings unterliegen Vorschriften, die unmittelbar oder nur im Ergebnis zu einer Benachteiligung behinderter Menschen führen, einer erhöhten Rechtfertigungslast (Reindl, S&R 2013, 26 ff). Nach Pöschl (in Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer (Hrsg) Handbuch der Grundrechte, 116) sind Eingriffe in das in Art 7 Abs 1 Satz 3 B-VG normierte Grundrecht nur zulässig, 'wenn sie zur Erreichung eines gewichtigen Zieles geeignet, erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig sind'.
Der Gleichheitssatz und das Diskriminierungsverbot richten sich nicht nur an den Rechtsanwender (im Sinne einer 'Gleichheit vor dem Gesetz'), sondern binden auch den Gesetzgeber selbst (Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht, Rz 1356); sie setzen ihm insofern verfassungsrechtliche Schranken, als sie ihm verbieten, Differenzierungen vorzunehmen, die sachlich nicht gerechtfertigt sind. Dem Gleichheitssatz ist aber auch das Gebot einer differenzierenden Regelung wesentlich unterschiedlicher Sachverhalte immanent. Ungleiches darf nicht unsachlicherweise gleich behandelt werden (vgl ). Dahinter steht nach mancher Ansicht die Überlegung, dass Gleichbehandlung genauso unangemessen sein kann wie Ungleichbehandlung (vgl Davy, Der Gleichheitssatz des österreichischen Rechts und Menschen mit Behinderung, in FS Funk, Norm und Normvorstellung, 81). Der Verfassungsgerichtshof begnügt sich in der Frage des 'Gleichseins' oder 'Ungleichseins' allerdings häufig mit prima-facie-Urteilen, um danach intensiver zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung oder Gleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist. Die Frage der sachlichen Rechtfertigung dominiert dabei die Rechtsprechung (a.a.0, S 81). Der Verweis auf eine 'bessere' Regelung in anderen Rechtsgebieten vermag daher für sich allein keine Gleichheitswidrigkeit der in ihrer Verfassungskonformität angezweifelten Gesetzesbestimmung begründen (vgl Hiesel, Der Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des VfGH, mit Verweis auf VfSlg 19.414/2011, JAP 2014/2015, 158). Nur dann, wenn gesetzliche Differenzierungen aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableitbar sind, entspricht ein Gesetz dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (ua VfSlg 4392/1963 uva).
Zu einer Sachlichkeitsprüfung kommt man somit erst, wenn es sich um gleiche Sachverhalte handelt, an die der Gesetzgeber (gleichheitswidrig) unterschiedliche im Sinne von benachteiligenden Rechtsfolgen knüpft.
Der Gleichheitssatz setzt somit dem Gesetzgeber inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassung wegen durch den Gleichheitssatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl ua). Dabei wird dem Gesetzgeber insbesondere auch im Bereich des Sozialrechts ein besonderer Gestaltungsspielraum zugebilligt (Mayer/ Kucsko/Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht, Rz 1357).
Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Salzburg geht jedoch die Beibehaltung der hier gegenständlichen Bestimmung nach Abschaffung des Pflegeregresses durch das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz über diesen besonderen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinaus und kommt auch eine Einstufung des § 17 Abs 2 Z 3 Salzburger Behindertengesetz als nicht gleichheitswidriger Härtefall nicht in Betracht. Durch die seit geschaffene neue Rechtslage werden gleiche Sachverhalte ohne sachliche Rechtfertigung differenziert durch den Gesetzgeber behandelt. Durch die Verfassungsbestimmungen der § 330a und 707a ASVG wurden Personen, die im Rahmen der Sozialhilfe in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommen wurden, vom Zugriff auf ihr Vermögen zur Abgeltung der Pflegekosten befreit (sowie auch deren Angehörige, ErbInnen und GeschenknehmerInnen). Menschen mit Behinderungen können sich jedoch entsprechend der vorherigen Ausführungen nicht unmittelbar auf diese Verfassungsbestimmung berufen. Entsprechend der aktuell in Geltung stehenden Salzburger Rechtslage muss daher bei Hilfen zur sozialen Betreuung gemäß § 10a Salzburger Behindertengesetz weiterhin ohne sachliche Begründung das Vermögen eingesetzt werden. Das vor Abschaffung des Pflegeregresses im Rahmen der Sozialhilfe als verfassungskonform einzustufende Salzburger Behindertengesetz ist somit seit im Rahmen der bereits zitierten Wortfolge verfassungswidrig geworden (zur Invalidation Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht Rz 1157; Mayer/Muzak, B-VG, Art 140 II.4)
Eine Novelle des hier einschlägigen § 17 Abs 2 Z 3 Salzburger Behindertengesetz ist zwar offenbar angedacht, doch liegt aktuell weder ein Begutachtungsentwurf, noch eine Regierungsvorlage vor. Folglich hätte das Landesverwaltungsgericht Salzburg bei einer Entscheidung in der Sache selbst auszusprechen, dass der Beschwerdeführer zur Bestreitung seiner Aufenthaltskosten in der Einrichtung 'Großfamilie M[…]' sein Vermögen einsetzen muss, während Hilfsbedürftige im Rahmen der Sozialhilfe jedoch nun seit vom Zugriff auf das Vermögen befreit sind.
Aus Sicht der erkennenden Richterin ergibt sich hier eine ganz offensichtliche Ungleichbehandlung zwischen Menschen mit Behinderungen, denen im Rahmen der Behindertenhilfe Maßnahmen gewährt werden, und jenen Personen, denen im Rahmen der Sozialhilfe Hilfe für den Lebensbedarf gewährt wird. Insbesondere auf Grund des Diskriminierungsverbotes in Art 7 Abs 1 Satz 3 B-VG, wonach Menschen mit Behinderungen wegen ihrer Behinderung nicht benachteiligt werden dürfen, führt § 17 Abs 2 Z 3 Salzburger Behindertengesetz im Salzburger Landesrecht zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis, für welches nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Salzburg auch keinerlei sachliche Rechtfertigung ersichtlich ist.
Auch im Hinblick auf die UN-Behindertenrechtskonvention (Übereinkommen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen [angenommen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am , unterzeichnet von Österreich am , ratifiziert ohne Vorbehalt am , in Kraft seit ]) kann eine solche Ungleichbehandlung nicht aufrechterhalten werden. Auch wenn die Unterzeichnung dieses Abkommens unter der Voraussetzung des Erfüllungsvorbehaltes liegt, und ihre Vorgaben durch die österreichische Gesetzgebung umzusetzen sind, (vgl dazu Ganner, Grundzüge des Alten- und Behindertenrechts2, 31) ist die Zielsetzung dieser Konvention doch klar:
Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art1 UN-Behindertenrechtskonvention). Die Vertragsstaaten anerkennen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, vom Gesetz gleich zu behandeln sind und ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben. Die Vertragsstaaten verbieten jede Diskriminierung auf Grund von Behinderung und garantieren Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen. Zur Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierung unternehmen die Vertragsstaaten alle geeigneten Schritte, um die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen zu gewährleisten (Art5 Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung).
Zur Heranziehung völkerrechtlicher Rechtsquellen mit Erfüllungsvorbehalt hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom , E875/2017-32, E886/2017-31 Rz 220 ff eine klare Festlegung getroffen. Die obigen Ausführungen dienen daher nur zur Verdeutlichung der Notwendigkeit, ein besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse und Rechte der Menschen mit Behinderungen zu legen.
Da es der Bundesgesetzgeber bis dato unterlassen hat, in Durchführungsverordnungen oder Übergangsbestimmungen klarzustellen, dass Menschen mit Behinderungen ebenfalls unter das Verbot des Pflegeregress zu fallen haben, ist es aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts angezeigt, die diesem Verbot im Bereich des Salzburger Landesrechts widersprechende Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 3 SBG als verfassungswidrig aufzuheben, um die seit dem zwischen Menschen mit Behinderungen und Hilfesuchenden im Rahmen der Sozialhilfe bestehende und folglich dem Diskriminierungsverbot des Art 7 Abs 1 Satz 3 B-VG widersprechende Ungleichbehandlung hintanzuhalten.
b) Verstoß gegen Artikel 5 Staatsgrundgesetz - Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums iVm Art 14 EMRK und Art 1 1. Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention
Gemäß § 17 Salzburger Behindertengesetz haben Menschen mit Behinderungen zu den Kosten der ihnen gewährten Eingliederungshilfe aus ihrem Einkommen, aus pflegebezogenen Geldleistungen sowie bei der Hilfe zur sozialen Betreuung aus ihrem verwertbaren Vermögen (Abs2 Z 3) beizutragen. Diesen gesetzlichen Grundlagen zufolge gewährt die Behörde eine Leistung der Behindertenhilfe unter Vorschreibung eines Kostenbeitrages, oder unterbleibt eine Hilfeleistung durch den Träger der Behindertenhilfe, weil das Ausmaß des Kostenbeitrages die Gesamtkosten der Hilfeleistung erreicht, da ausreichendes verwertbares Vermögen vorhanden ist. Infolgedessen wird durch die hier antragsgegenständliche Bestimmung in das Eigentum von Menschen mit Behinderungen erheblich eingegriffen. Auf eine Eingliederungshilfe wie die Hilfe zur sozialen Betreuung gemäß § 10a Salzburger Behindertengesetz besteht gemäß § 3 Abs 2 Salzburger Behindertengesetz ein Rechtsanspruch.
Art5 Staatsgrundgesetz gibt dazu vor, dass das Eigentum unverletzlich ist. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welches das Gesetz bestimmt. Art 1 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention führt dazu ergänzend aus, dass 'jede natürliche oder juristische Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums' hat und niemandem sein Eigentum entzogen werden darf, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen (vgl Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht Rz 1477). Unter Eigentum iSd Art 5 StGG wird jedes vermögenswerte Privatrecht verstanden. Aus Art 1 1. Zusatzprotokoll haben der EGMR und in der Folge auch der Verfassungsgerichtshof eine Garantie für vermögenswerte öffentlichrechtliche Ansprüche abgeleitet (aao Rz 1478 sowie ua). Somit erstreckt sich das Recht der Unverletzlichkeit des Eigentums auch auf sozialhilferechtliche Ansprüche und Leistungen. Eigentumseingriffe sind verfassungsrechtlich dann zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, einem öffentlichen Interesse dienen, dieses öffentliche Interesse mit verhältnismäßigen Mittel verfolgen und außerdem nicht den Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung berühren (Berka, Verfassungsrecht, Rz 1550)
Auch durch einen Vollzugsakt kann in das Recht auf Eigentum eingegriffen werden, nämlich wenn sich dieser auf ein verfassungswidriges Gesetz stützt (Mayer/Muzak, B-VG, 636; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht Rz 1487)
Gemäß Art 14 EMRK ist der Genuss der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten und gilt somit ein allgemeines Diskriminierungsverbot, in welchem die Differenzierungsgründe nicht abschließend festgelegt sind ('insbesondere'). Nicht jegliche unterschiedliche Behandlung ist verboten, sondern nur eine diskriminierende unterschiedliche Behandlung. Eine Diskriminierung liegt demnach vor, wenn Rechtssubjekte, die sich in ähnlicher Situation befinden, ohne objektive und vernünftige Rechtfertigung ungleich behandelt werden – wenn also ein 'legitimes Ziel' fehlt - und wenn das Mittel im Hinblick auf das angestrebte Ziel unverhältnismäßig ist (vgl Mayer/Muzak, Bundesverfassungsrecht, 791). Folglich ist davon auszugehen, dass eine Differenzierung aufgrund einer Behinderung ebenso einer Rechtfertigung bedarf wie eine Ungleichbehandlung beruhend auf einem der im Wortlaut der Bestimmung aufgezählten Differenzierungsgründe.
Nun wird diese Eigentumsbeschränkung in Form eines Kostenbeitrages gemäß § 17 Salzburger Behindertengesetz im vorliegenden Fall in diskriminierender Weise nur von Menschen mit Behinderungen durch das Salzburger Behindertengesetz festgelegt, während das Vermögen von Menschen ohne Behinderungen im Fall eines Pflegebedarfs in einem Altenheim seit dem Verbot des Pflegeregresses geschützt ist. Dieser Aspekt führt das Landesverwaltungsgericht neben Art 7 B-VG zu erheblichen Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 17 Abs 2 Z 3 Salzburger Behindertengesetzes, da eine sachliche Rechtfertigung in diesem Zusammenhang ganz offensichtlich nicht erkennbar ist.
[…]"
3.Die Salzburger Landesregierung teilte mit, dass sie "im Hinblick auf den Beschluss der Landeshauptleutekonferenz vom zum Thema Pflegeregress von der Erstattung einer Gegenäußerung absieht".
4.Der vom Verfassungsgerichtshof zur Stellungnahme eingeladene Verfassungsdienst im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (im Folgenden: "BMVRDJ-Verfassungsdienst") erstattete eine Äußerung, in der er im Wesentlichen ausführte (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"III. Zur Anwendbarkeit des § 330a ASVG auf stationäre Pflegeeinrichtungen für Menschen mit Behinderung
1. § 330a ASVG stellt auf einen Vermögenszugriff in Bezug auf die Pflegekosten
• für in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommene Personen
• im Rahmen der Sozialhilfe
ab.
2. Das Ziel der Verfassungsbestimmungen zur Abschaffung des Pflegeregresses ist es, dass Menschen in stationärer Unterbringung nicht aufgrund der Höhe der Pflegekosten ihre erworbenen Vermögenswerte verlieren sollen […].
3. Bei der Auslegung des § 330a ASVG sind Art 7 Abs 1 letzter Satz B-VG sowie das von Österreich ratifizierte Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl III Nr 155/2008, (im Folgenden: UN-Behindertenrechtskonvention) zu berücksichtigen. Gemäß Art 7 Abs 1 letzter Satz B-VG darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden; die Republik bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht-behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention ist es, Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe im Alltagsleben zu gewährleisten und Diskriminierungen zu verhindern.
4. Der Begriff 'stationäre Pflegeeinrichtung' ist in den relevanten Rechtsvorschriften nicht näher festgelegt, eine Legaldefinition existiert nicht. 'Stationär' wird im Allgemeinen als Gegensatzbegriff zu 'ambulant' (vgl etwa § 42a Abs 1 des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes, BGBl Nr 1/1957) oder 'mobil' (vgl § 14 Abs 2 des Blutsicherheitsgesetzes 1999, BGBl I Nr 44/1999) verwendet; mit dem Begriff 'stationär' wird dem Wortlaut nach und in Zusammenschau mit den genannten Gegensatzbegriffen jedenfalls eine gewisse Standortfestigkeit zum Ausdruck gebracht.
Recht nahe dürfte dem Begriffsverständnis des § 330a ASVG die Umschreibung des § 3 Abs 5 des Pflegefondsgesetzes, BGBl I Nr 57/2011, kommen:
'(5) Unter stationärer Pflege und Betreuung im Sinne dieses Bundesgesetzes wird die Erbringung von Hotelleistungen (Wohnung und Verpflegung) und Pflege- sowie Betreuungsleistungen (einschließlich tagesstrukturierende Leistungen) für betreuungs- bzw pflegebedürftige Personen in eigens dafür errichteten Einrichtungen (einschließlich Hausgemeinschaften) mit durchgehender Präsenz von Betreuungs- und Pflegepersonal verstanden.'
Im Sinne dieser Bestimmung sind unter 'stationären Pflegeeinrichtungen' jedenfalls eigens für die stationäre Pflege, das ist die Erbringung näher bezeichneter Leistungen für pflegebedürftige Personen, errichtete Einrichtungen (einschließlich Hausgemeinschaften) mit durchgehender Präsenz von Pflegepersonal zu verstehen (vgl auch die Gegenüberstellung von 'stationären Einrichtungen gemäß § 3 Abs 1 Z 2' und 'mobilen Betreuungs- und Pflegediensten gemäß § 3 Abs 1 Z 1' in § 3a leg. cit.).
Der Begriff 'Pflege' ist im Pflegegeldrecht definiert und auch ausjudiziert; er umfasst Betreuungs- und Hilfeleistungen (vgl dazu auch etwa § 4 des Bundespflegegeldgesetzes, BGBl Nr 110/1993, und die zu § 4 leg. cit. erlassene Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz, BGBl II Nr 37/1999, hinsichtlich dessen, was unter Betreuung und Hilfe zu verstehen ist; siehe zum Begriff der Pflege auch RIS-Justiz RS0106398).
Im Antrag wird dazu ausgeführt, dass beim vorliegenden Sachverhalt fraglich sei, ob jene Hilfeleistungen, die Menschen mit Behinderung im Rahmen des Salzburger Behindertengesetzes 1981 gewährt werden, mit der Abgeltung von Pflegekosten umschrieben werden können, da im vorliegenden Fall in keiner Weise die Pflege im Vordergrund stehe.
Dazu ist zunächst darauf zu verweisen, dass § 4 des Bundespflegegeldgesetzes festlegt, dass Pflegegeld (bei Zutreffen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen) gebührt, wenn auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird; wie im Antrag ausgeführt wird, wird dem Beschwerdeführer auch Pflegegeldstufe 2 zuerkannt, dem Sachverhalt zufolge wohl aufgrund einer psychischen Behinderung. Eine Beeinträchtigung, die Pflege im Sinne der angeführten Bestimmungen notwendig macht, liegt somit vor. Dass eine 'entsprechend hohe Pflegegeldstufe zuerkannt' werden müsse, um von Pflege im Sinne des § 330a ASVG sprechen zu können, kann dem Wortlaut des § 330a ASVG, der allgemein auf die Aufnahme in stationären Pflegeeinrichtungen abstellt, in keiner Weise entnommen werden.
5. Die Abdeckung dieser notwendigen Betreuungs- und Hilfeleistungen kann jedenfalls auch in einer Einrichtung erfolgen, die als 'Behinderteneinrichtung' bezeichnet wird. Diese Auffassung wird auch in der Lehre vertreten. Hinsichtlich der Frage, was als 'stationäre Pflegeeinrichtung' gilt, führt Pfeil (Umsetzungsfragen für das Verbot des Pflegeregresses, ÖZPR 2017, 184 [184 f]) aus, dass '[d]as Heimvertragsrecht […] hier eventuell eine erste Orientierung bieten [könnte]: § 27b Abs 1 KSchG bestimmt den Geltungsbereich der nachfolgenden Vorgaben für Heimverträge mit "Altenheimen, Pflegeheimen und anderen Einrichtungen, in denen wenigstens drei Menschen aufgenommen werden können'. Eine ganz ähnliche Umschreibung des Geltungsbereichs findet sich in § 2 Abs 1 HeimAufG im Hinblick auf die Voraussetzungen und die Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen 'in Alten- und Pflegeheimen, Behindertenheimen sowie in anderen Einrichtungen, in denen wenigstens drei psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen ständig betreut oder gepflegt werden können'.' Demzufolge wird '[i]n beiden Fällen […] also ebenfalls ein weites Verständnis zugrunde gelegt, das im Wesentlichen nur die Unterbringung in Einrichtungen nach Krankenanstaltenrecht ausschließt'; dies bestätige auch 'die in unmittelbarem systematischen Zusammenhang mit dem Regressverbot stehende Regelung des § 324 Abs 3 ASVG'.
Stationäre Einrichtungen sind insbesondere auch alternative Wohnformen (zB Wohngemeinschaften), bei denen zumindest nachts eine Rufbereitschaft besteht (wie das auch beim gegenständlichen Sachverhalt der Fall ist).
Es erschiene (im Besonderen vor dem Hintergrund des Art 7 Abs 1 B-VG) sachlich nicht gerechtfertigt, eine Unterscheidung hinsichtlich des Pflegeregresses danach vorzunehmen, in welcher Einrichtung Menschen mit Behinderung, die – nicht anders als andere Menschen – einen Pflege- und Betreuungsbedarf haben, betreut werden; in diesen Fällen liegt dem Grunde nach der gleiche Sachverhalt vor, und es werden vergleichbare Betreuungs- und Hilfeleistungen von der Einrichtung erbracht.
Auch Pfeil (ÖZPR 2017, 184 [185]) führt in diesem Zusammenhang das Abzielen auf die tatsächlich erbrachten Leistungen an und gelangt zu dem Schluss, dass auch der 'Regress nach den Landes-Behindertengesetzen' […] nun wohl verboten' sei.
6. Hinsichtlich des Begriffes der 'Sozialhilfe' führt Pfeil (aaO) aus, dass '[a]uch dieser Begriff […] freilich nicht formal verstanden werden [kann], gibt es doch mittlerweile nicht mehr in allen Bundesländern eigene Sozialhilfegesetze und schon gar keine bundesweit einheitliche Terminologie. Stellt man daher wieder angesichts des funktionalen Gleichlaufs und des systematischen Kontexts vor allem auf § 324 Abs 3 ASVG ab, sollten eigentlich alle Einrichtungen erfasst sein, die – notabene unter der vom Bundesgesetzgeber nicht nur in dieser Bestimmung, sondern im ganzen einschlägigen (und nun auch § 330a und 330b ASVG einschließenden) Abschnitt – unter dem Begriff ‚Sozialhilfe‘ zusammengefasst sind.' Daraus folge, dass 'Einrichtungen zur stationären Pflege von Menschen mit Behinderungen ebenfalls erfasst sein müssen, auch wenn sich die entsprechenden Regelungen im betreffenden Land nicht im dortigen Sozialhilfegesetz finden'.
Dieser Ansicht ist entgegen den Antragsausführungen (siehe ähnlich auch Bußjäger und Schramek, ZAS 2018, 319 [323]) zu folgen. Wenn im Antrag insbesondere das Argument angeführt wird, dass in § 324 Abs 3 ASVG die Behindertenhilfe als eigener Systemträger angeführt wird, so ist dem zu entgegnen, dass die faktische Frage der Kostentragung bzw der Kostenersatzansprüche den Begriffsinhalt der Sozialhilfe nicht beeinflussen kann; vielmehr ist im Sinne einer systematischen Auslegung, wie oben ausgeführt, von einem weiteren Begriffsinhalt der 'Sozialhilfe' auszugehen, welcher die Behindertenhilfe erfasst. Dies ist auch im Sinne einer gleichheitssatzkonformen Interpretation geboten, da eine Unterscheidung – wie bereits ausgeführt – in Hinblick auf Art 7 Abs 1 B-VG sachlich nicht gerechtfertigt wäre; der Verfassungsrang des Verbots des Pflegeregresses kann nicht dazu führen, dass der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz völlig außer Acht zu lassen wäre (vgl VfSlg 15.570/1999). Insofern die Erläuterungen nicht explizit auf die Behindertenhilfe Bezug nehmen, kann daraus – entgegen der Annahme im Antrag – auch nicht der Schluss gezogen werden, dass diese nicht erfasst ist, sondern eben nur, dass diese nicht explizit von den Erläuterungen angesprochen wurde und die Erläuterungen somit bei der Auslegung keinen eindeutigen Anhaltspunkt bieten. Schließlich verfängt auch das Argument der unterschiedlichen Zielsetzungen der Sozialhilfe und der Behindertenhilfe nicht, da eben die Sozialhilfe als Überbegriff zu verstehen ist, der auch die Behindertenhilfe umfasst.
Dies wird auch deutlich, wenn man die Landesgesetze anderer Bundesländer heranzieht; so wird etwa in Niederösterreich und dem Burgenland die Behindertenhilfe im Rahmen der jeweiligen Sozialhilfegesetze erbracht. Würde man den Auslegungen im Antrag folgen, wären Menschen mit Behinderungen in diesen Bundesländern von den Bestimmungen gemäß den § 330a und 707a Abs 2 ASVG mitumfasst, im Unterschied zu jenen Bundesländern, in welchen die Behindertenhilfe legistisch aus den Sozialhilfegesetzen herausgelöst wurde. Dies würde zu einer nicht rechtfertigbaren Ungleichbehandlung der Menschen mit Behinderung untereinander führen. Historisch lässt sich anmerken, dass die Übergänge von Sozialhilferecht und Behindertenhilferecht immer fließend waren; so gab es beispielsweise im Burgenland bis in die 1990er-Jahre ein eigenes Behindertengesetz (LGBl Nr 20/1966); danach wurde die Behindertenhilfe wieder in das Sozialhilfegesetz integriert. In Kärnten wiederum war die Behindertenhilfe bis zum Jahr 2010 im Kärntner Mindestsicherungsgesetz, LGBl Nr 15/2007, das wiederum aus dem Sozialhilfegesetz gewachsen war, geregelt, erst in der Folge wurde ein Chancengleichheitsgesetz, LGBl Nr 8/2010, herausgelöst.
Vor diesem Hintergrund sind auch die Bestimmungen des Bundesgesetzes über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffes auf Vermögen bei Unterbringung einer Person in stationären Pflegeeinrichtungen, BGBl I Nr 85/2018, zu sehen. Entsprechend Anlage 1 Z 2 dieses Bundesgesetzes ist explizit der Entfall von Einnahmen für die stationäre Betreuung und Pflege von Menschen mit Behinderung erfasst.
Das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – Verfassungsdienst vertritt daher die Auffassung, dass stationäre Einrichtungen, die primär der Betreuung von Menschen mit Behinderung dienen, von den Bestimmungen über das Verbot des Pflegeregresses erfasst sind (so auch das Landesverwaltungsgericht Tirol in der Entscheidung LVwG-2018/41/0196-4 vom )."
5.Der Verfassungsgerichtshof führte am eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die vom Landesverwaltungsgericht Salzburg dargelegten Bedenken erörtert wurden.
IV.Zulässigkeit
1.1.Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG bzw des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2.Die durch das Landesverwaltungsgericht Salzburg angefochtene Wortfolge gehört seit dem nicht mehr dem geltenden Rechtsbestand an:
1.2.1.§330a ASVG idF des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes (SV-ZG), BGBl I 125/2017, verbietet im Verfassungsrang den "Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten". Dieses "Verbot des Pflegeregresses" trat gemäß § 707a Abs 2 ASVG mit in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. "Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen", traten die "betreffenden Bestimmungen" gemäß der Verfassungsbestimmung des § 707a Abs 2 dritter Satz ASVG "zu diesem Zeitpunkt außer Kraft."
1.2.2.Das antragstellende Landesverwaltungsgericht Salzburg geht davon aus, dass § 17 Abs 2 Z 3 Salzburger Behindertengesetz 1981 von dieser Außerkraftsetzung nicht erfasst worden sei, weil sich § 330a iVm § 707a Abs 2 ASVG lediglich auf den Bereich der "Sozialhilfe", nicht jedoch auch auf den Bereich der Behindertenhilfe beziehe. Damit ist das Landesverwaltungsgericht Salzburg nicht im Recht:
1.2.3.Der Verfassungsgesetzgeber hat den Begriff der "Sozialhilfe" (§330a ASVG) nicht definiert und mit diesem auch nicht einen andernorts vorgefundenen, verfassungsrechtlichen Begriff aufgegriffen. Auch kompetenzrechtliche Überlegungen führen zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zwar wird die einfachgesetzliche Sozialhilfe(Mindestsicherungs-)gesetzgebung der Länder im Wesentlichen dem Kompetenztatbestand des "Armenwesens" (Art12 Abs 1 Z 1 B-VG; vgl nur zuletzt ) und die einfachgesetzliche Gesetzgebung auf dem Gebiet der Behindertenhilfe herkömmlich Art 15 Abs 1 B-VG zugeordnet. Es kann jedoch nicht übersehen werden, dass § 330a ASVG gerade nicht an den verfassungsrechtlichen Begriff des "Armenwesens" (Art12 Abs 1 Z 1 B-VG) anknüpft, sondern einen eigenständigen, in den Kompetenzartikeln der Bundesverfassung nicht vorhandenen Begriff der "Sozialhilfe" verwendet. Der Verfassungsgerichtshof geht von folgendem Begriffsverständnis aus: Das – ehedem auch im Wesentlichen als solches bezeichnete – Sozialhilferecht der Länder, das älter ist als die spezifische Behindertengesetzgebung der Länder, kennt seit langem auch schon Sozialhilfemaßnahmen der Pflege von pflegebedürftigen Menschen. Diese Sozialhilfe-Pflegeleistungen wurden dem Charakter der Sozialhilfe entsprechend – unter den übrigen Voraussetzungen – unabhängig davon gewährt, welche Ursache eine Pflegebedürftigkeit hatte, gleichgültig insbesondere, ob alters- oder etwa behinderungsbedingt. Vornehmlich erst in jüngerer Zeit wurden Behinderten-, Chancengleichheits- oder ähnlich bezeichnete Gesetze geschaffen, die den spezifischen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung Rechnung tragen sollen. Der Verfassungsgerichtshof kommt vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass entsprechende öffentliche Pflegeleistungen unabhängig davon "im Rahmen der Sozialhilfe" iSv § 330a ASVG erbracht werden, ob sie gegenüber altersbedingt oder gegenüber behinderungsbedingt Pflegebedürftigen erbracht werden. Das "Verbot des Pflegeregresses" nach § 330a ASVG bezieht sich sohin unter seinen übrigen Voraussetzungen auch auf stationäre Pflegeleistungen, die Menschen mit Behinderung erbracht werden. Ob ein Landesgesetzgeber die Pflegemaßnahme auf einfachgesetzlicher, landesrechtlicher Ebene im System seines "Sozialhilfe"-Rechts oder seines "Behinderten"-Rechts regelt, kann daher nicht entscheidend sein.
1.2.4.Der Verfassungsgerichtshof hat weiters keine Zweifel, dass Maßnahmen der "Hilfe zur sozialen Betreuung" iSv § 10a Salzburger Behindertengesetz 1981, auf die sich § 17 Abs 2 Z 3 leg.cit. allein bezogen hat, vom Pflegebegriff des § 330a ASVG erfasst sind, weshalb ein diesbezüglicher Zugriff auf das Vermögen der gepflegten Person (ihrer Angehörigen, Erben und Geschenknehmer) durch § 330a ASVG ausgeschlossen ist.
1.3.Die § 330a iVm 707a Abs 2 ASVG haben daher § 17 Abs 2 Z 3 Salzburger Behindertengesetz mit Wirkung vom außer Kraft gesetzt. Es ist daher denkunmöglich, dass das Landesverwaltungsgericht Salzburg die angefochtene Bestimmung im Anlassverfahren, dem die im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Rechtslage zugrunde zu legen ist, noch anzuwenden hat. Der Antrag des Landesverwaltungsgerichts Salzburg erweist sich daher mangels Präjudizialität der als verfassungswidrig angefochtenen Bestimmung als unzulässig.
V.Ergebnis
Der Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "; und 3. aus ihrem verwertbaren Vermögen bei der Hilfe zur sozialen Betreuung" in § 17 Abs 2 Salzburger Behindertengesetz 1981 ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2019:G276.2018 |
Schlagworte: | Sozialhilfe, Behinderte, VfGH / Präjudizialität, Kompetenz Bund - Länder Behindertenhilfe, Kompetenz Bund - Länder Sozialhilfe, Derogation materielle |
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