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VfGH vom 25.06.2020, G272/2019

VfGH vom 25.06.2020, G272/2019

Leitsatz

Kein Verstoß einer ausführungsgesetzlichen Bestimmung des Wiener ElektrizitätswirtschaftsG 2005 gegen eine grundsatzgesetzliche Vorschrift des ElWOG 2010 betreffend das Verbot der Zählpunktesaldierung; Verbot auf technisch verbundene Anlagen nicht anwendbar

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, § 78c Abs 2 des Gesetzes über die Neuregelung der Elektrizitätswirtschaft (Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005 – WElWG 2005), LGBl 46/2005 idF LGBl 19/2019, als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die Stammfassung des § 7 Abs 1 Z 83 des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), BGBl I 110/2010, sah bis zu ihrer Änderung im Zuge der sogenannten "kleinen Ökostromnovelle 2017" Folgendes vor:

"§7. (Grundsatzbestimmung)

Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes bezeichnet der Ausdruck

[…]

83. 'Zählpunkt' die Einspeise- bzw Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert wird. Eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte ist nicht zulässig;

[…]."

2. Diese grundsatzgesetzliche Vorschrift wurde in Wien durch § 2 Abs 1 Z 84 des Gesetzes über die Neuregelung der Elektrizitätswirtschaft (Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005 – WElWG 2005), LGBl 46/2005, idF LGBl 44/2012 umgesetzt und lautete:

"§2.

Begriffsbestimmungen und Verweisungen

(1) Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck

[…]

84. 'Zählpunkt' die Einspeise- oder Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert wird. Eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte ist nicht zulässig.

[…]"

3. Mit der sogenannten "kleinen Ökostromnovelle 2017" (Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012, das Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz 2010, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das KWK-Punkte-Gesetz und das Energie-Control-Gesetz geändert werden, sowie das Bundesgesetz, mit dem zusätzliche Mittel aus von der Energie-Control Austria verwalteten Sondervermögen bereit gestellt werden, erlassen wird), BGBl I 108/2017, in Kraft getreten am , wurde in § 7 Abs 1 Z 83 ElWOG 2010 eine Ausnahme für bestimmte Anlagen, die der Straßenbahnverordnung, BGBl II 76/2000 idF BGBl II 310/2002, unterliegen, geschaffen:

"§7. (Grundsatzbestimmung)

Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes bezeichnet der Ausdruck

[…]

83. 'Zählpunkt' die Einspeise- bzw Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert wird. Dabei sind in einem Netzbereich liegende Zählpunkte eines Netzbenutzers zusammenzufassen, wenn sie der Anspeisung von kundenseitig galvanisch oder transformatorisch verbundenen Anlagen, die der Straßenbahnverordnung 1999, BGBl II Nr 76/2000, in der Fassung der Kundmachung BGBl II Nr 310/2002, unterliegen, dienen; im Übrigen ist eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte nicht zulässig;

[…]."

4. Diese grundsatzgesetzliche Vorschrift wurde in Wien durch eine Novellierung des § 2 Abs 1 Z 84 WElWG 2005 mit LGBl 11/2018, zunächst in Kraft getreten am , umgesetzt:

"§2.

Begriffsbestimmungen und Verweisungen

(1) Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck

[...]

84. 'Zählpunkt' die Einspeise- bzw Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert wird. Dabei sind in einem Netzbereich liegende Zählpunkte einer Netzbenutzerin oder eines Netzbenutzers zusammenzufassen, wenn sie der Anspeisung von kundenseitig galvanisch oder transformatorisch verbundenen Anlagen, die der Straßenbahnverordnung 1999, BGBl II Nr 76/2000, in der Fassung der Kundmachung BGBl II Nr 310/2002, unterliegen, dienen; im Übrigen ist eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte nicht zulässig;

[…]."

5. Mit einem Gesetz, mit dem das Gesetz über die Neuregelung der Elektrizitätswirtschaft (Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005 – WElWG 2005) geändert wird, LGBl 19/2019, entschloss sich der Wiener Landtag dazu, obenstehende Novellierung der Zählpunktdefinition einerseits mit in Kraft zu setzen, andererseits auf Sachverhalte für anwendbar zu erklären, die sich nach dem verwirklicht haben (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§78c.

Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen zur Novelle LGBl Nr 11/2018

(1) § 2 Abs 1 Z 84 in der Fassung des LGBl Nr 11/2018 tritt mit in Kraft.

(2) Die Änderung des § 2 Abs 1 Z 84 in der Fassung des LGBl Nr 11/2018 ist auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach verwirklicht haben."

6. Weitere relevante Bestimmungen des ElWOG 2010 lauten:

"1. Teil

Grundsätze Kompetenzgrundlage und Vollziehung

§1. (Verfassungsbestimmung)

Die Erlassung, Aufhebung und Vollziehung von Vorschriften, wie sie in § 2, § 3, § 8, § 9, § 10a, § 11, § 16 Abs 2, § 16a, § 18a, § 19, § 22 Abs 1, § 24 bis § 36, § 37 Abs 7, § 38, § 39, § 48 bis § 65, § 69, § 72, § 73 Abs 2 und Abs 3, § 76, § 77a bis § 79a, § 81 bis § 84a, § 88 Abs 2 bis 8, § 89, § 92 bis § 94, § 99 bis § 103, § 109 Abs 2, § 110 bis § 112, § 113 Abs 1 und § 114 Abs 1 und 3 enthalten sind, sind auch in den Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das B-VG etwas anderes bestimmt. Die in diesen Vorschriften geregelten Angelegenheiten können in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden.

[…]

§52.

Netznutzungsentgelt

(1) Durch das Netznutzungsentgelt werden dem Netzbetreiber die Kosten für die Errichtung, den Ausbau, die Instandhaltung und den Betrieb des Netzsystems abgegolten. Das Netznutzungsentgelt ist von Entnehmern pro Zählpunkt zu entrichten. Es ist entweder arbeitsbezogen oder arbeits- und leistungsbezogen festzulegen und regelmäßig in Rechnung zu stellen. Der leistungsbezogene Anteil des Netznutzungsentgeltes ist grundsätzlich auf einen Zeitraum eines Jahres zu beziehen. Die Regulierungsbehörde kann Netznutzungsentgelte unter Berücksichtigung einheitlicher Tarifstrukturen zeitvariabel und/oder lastvariabel gestalten. Zur Ermittlung der Basis für die Verrechnung des leistungsbezogenen Anteils des Netznutzungsentgeltes ist das arithmetische Mittel der im Abrechnungszeitraum monatlich gemessenen höchsten viertelstündlichen Leistung heranzuziehen. In den Netzebenen gemäß § 63 Z 1 und 2 kann das 3-Spitzenmittel herangezogen werden. Für eine kürzere Inanspruchnahme als ein Jahr sowie bei gänzlicher oder teilweiser nicht durchgehender Inanspruchnahme des Netzsystems können abweichende Netznutzungsentgelte verordnet werden.

(2) […]."

7. Maßgebliche Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Regulierungsbehörde in der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (Energie-Control-Gesetz – E-ControlG), BGBl I 110/2010 idF BGBl I 108/2017, lauten:

"§1.

Kompetenzgrundlage und Vollziehung; Umsetzung von Unionsrecht

(1) (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung, Aufhebung sowie die Vollziehung von Vorschriften, wie sie in diesem Bundesgesetz enthalten sind, sind auch in den Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das B-VG etwas anderes bestimmt. Die in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten können unmittelbar von den in diesen Vorschriften vorgesehenen Einrichtungen besorgt werden.

(2) […].

§24.

Überwachungs- und Aufsichtsfunktion

(1) Der E-Control sind im Rahmen der Elektrizitäts- bzw Erdgasaufsicht, unbeschadet der Zuständigkeiten der allgemeinen Wettbewerbsbehörden, nachstehende Aufsichts- und Überwachungsaufgaben zugewiesen:

1. Überwachung der Einhaltung aller den Marktteilnehmern durch das ElWOG 2010, GWG 2011, das Bundesgesetz, mit dem die Ausübungsvoraussetzungen, die Aufgaben und die Befugnisse der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie geregelt werden, BGBl I Nr 121/2000, und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen sowie durch unmittelbar anwendbares EU-Recht übertragenen Pflichten;

2. Wettbewerbsaufsicht über die Marktteilnehmer, insbesondere Netzbetreiber, hinsichtlich Gleichbehandlung;

3. Überwachung der Entflechtung.

4. Überwachung des Handels mit Energiegroßhandelsprodukten auf nationaler Ebene sowie die Überwachung der Einhaltung aller durch die Verordnung (EU) Nr 1227/2011 auferlegten Pflichten und Verbote.

(2) In Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß Abs 1 kann die E-Control mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes innerhalb angemessener Frist auftragen. Die E-Control wirkt in jedem Stadium des Verfahrens auf ein Einvernehmen mit den Betroffenen hin."

8. Die maßgebliche Bestimmung der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über den Bau und den Betrieb von Straßenbahnen (Straßenbahnverordnung 1999 – StrabVO), BGBl II 76/2000 idF BGBl II 310/2002, lautet:

"§23.

Energieversorgungsanlagen

(1) […]

(5) Für die Energieversorgung von Betriebsmitteln in Betriebsanlagen müssen außer der Haupteinspeisung zusätzlich vorhanden sein:

1. Eine allgemeine Ersatzeinspeisung, soweit es die betrieblichen Verhältnisse erfordern.

2. Eine netzunabhängige Stromversorgung für

a) notstromversorgte Beleuchtung nach § 26 Abs 4, Kennleuchten für Notausstiege und, soweit es die Betriebssicherheit erfordert, nachrichtentechnische Anlagen; sie muss deren Energiebedarf bei Ausfall der netzabhängigen Einspeisung für einen ausreichenden Zeitraum decken können.

b) Zugsicherungsanlagen, soweit betrieblich erforderlich; sie muß deren Energiebedarf bei Ausfall der netzabhängigen Einspeisung während des Auslaufens des Fahrbetriebes decken können.

[…]."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die beteiligte Partei ist die Betreiberin eines Stromnetzes in Wien.

1.2. Die Wiener Linien verfügen in ihrem dem der Untergrund- und Straßenbahn dienenden Stromnetz auf Grund bestimmter Sicherheitsvorschriften über ca. 100 physische Zählpunkte, die zu Abrechnungszwecken bisher auf insgesamt zwei Punkte buchhalterisch zusammengefasst wurden.

1.3. Mit Schreiben vom gab der Vorstand der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) der beteiligten Partei bekannt, von Amts wegen ein Missbrauchsverfahren gemäß § 24 E-ControlG einzuleiten, weil sie im Zeitraum vom bis zum zugunsten der Wiener Linien Zählpunkte zusammengelegt habe.

1.4. Mit Bescheid der E-Control vom wurde die beteiligte Partei ua im Wesentlichen verpflichtet, hinsichtlich der Wiener Linien das Netznutzungsentgelt pro Zählpunkt zu berechnen und entsprechend nachzufordern. Begründend führte die Behörde aus, dass die Praxis, für Straßenbahnanlagen (wozu in Wien auch die U-Bahn zählt, Anm.) die Zählpunkte rechnerisch zusammenzufassen, erst mit der Ökostromnovelle 2017 erlaubt worden sei. Für den Zeitraum davor habe die beteiligte Partei gegen das Verbot der Zusammenfassung von Zählpunkten und gegen das Gleichbehandlungsgebot gemäß § 9 und § 51 Abs 1 ElWOG 2010 und § 38 Abs 1 Z 6 WElWG 2005 verstoßen, wonach Verteilernetzbetreiber sich jeglicher Diskriminerung von Netzbenutzern zu enthalten hätten. Die beteiligte Partei habe den Wiener Linien, mit denen sie überdies konzernmäßig verflochten sei, durch die Zählpunktesaldierung einen Vorteil gewährt, den vergleichbare Großkunden nicht erhalten hätten.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob die beteiligte Partei mit Schriftsatz vom Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte aus, die mit der Ökostromnovelle erfolgte Erlaubnis der Zählpunktesaldierung für Straßenbahnanlagen sei nur "klarstellend" gewesen, weshalb davon auszugehen sei, dass die bisherige Praxis rechtmäßig gewesen sei.

1.6. Dagegen wandte die E-Control mit Stellungnahme vom ein, dass es nicht ausreiche, wenn eine solche Absicht des Gesetzgebers bloß mehrdeutig aus den Materialien hervorleuchte; das Gesetz sei eindeutig nicht rückwirkend.

1.7. Mit Schreiben vom wies die beteiligte Partei auf die zwischenzeitlich mit LGBl 19/2019 erfolgte Novellierung des WElWG 2005 hin, die mit einem neuen § 78c die rückwirkende Erlaubnis der Zählpunktesaldierung mit eingeführt habe.

1.8. Mit Stellungnahme vom machte die E-Control geltend, dass die Regelung des WElWG 2005 gegen grundsatzgesetzliche Vorgaben verstoße.

2. Das Bundesverwaltungsgericht führt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, dahin aus, dass eine landesgesetzliche Rückwirkung der Ausnahme vom Verbot der Zählpunktesaldierung grundsatzgesetz- und damit verfassungswidrig sei, weil das Grundsatzgesetz derartiges nicht vorsehe, und legt diese wörtlich wie folgt dar (Schreibweise im Original):

"2.1. Einleitend wird festgehalten, dass das Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Art 10 B-VG fällt, gemäß Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG in die Grundsatzgesetzgebung des Bundes und in die Ausführungsgesetzgebung der Länder fällt. Das WElWG 2005 ist das Ausführungsgesetz des Landes Wien zu den Grundsatzbestimmungen des ElWOG 2010 auf Bundesebene und hat als solches den unter Pkt. IV.1. angeführten inhaltlichen Anforderungen – insbesondere widerspruchsfrei zu der Grundsatzgesetzgebung des Bundes ausgestaltet zu sein – zu entsprechen.

2.2. Durch den mit der Novelle LGBl Nr 19/2019 neu vom Wiener Landesgesetzgeber eingeführten § 78c Abs 2 WElWG 2005, wonach die 'Änderung des § 2 Abs 1 Z 84 in der Fassung des LGBl Nr 11/2018' auf 'Sachverhalte anzuwenden [ist], die sich nach verwirklicht haben' steht die Ausführungsgesetzgebung des Landes Wien jedoch nicht im Einklang mit den grundsatzgesetzlichen Regelungen des Bundes.

Dazu im Einzelnen:

2.2.1. Das ElWOG 2010, BGBl I Nr 110/2010 (Inkrafttreten am ; diesbezüglich unverändert durch BGBl I Nr 174/2013), enthielt in der Grundsatzbestimmung § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts eine eindeutige Definition zum Zählpunkt (vgl mehr unter Pkt. IV.2.2.5.); es wurde dort das generelle Verbot der Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte gesetzlich verankert.

2.2.2. Diese Grundsatzbestimmung wurde vom Land Wien im WElWG 2005, LGBl Nr 46/2005 (Inkrafttreten am ), ausgeführt (und durch LGBl Nr 51/2014 diesbezüglich unverändert belassen). Dabei wurde die Definition des Zählpunktes des ElWOG 2010 in § 2 Abs 1 Z 84 WElWG 2005 bis auf die Ersetzung des Wortes 'bzw' durch 'oder' wortwörtlich übernommen.

2.2.3. Mit der Novelle des ElWOG 2010 ('Kleine Ökostromnovelle'), BGBl I Nr 108/2017 (Inkrafttreten am ), wurde die Zählpunkt-Definition des § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 durch den Grundsatzgesetzgeber geändert: Das Verbot der Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte wurde insofern eingeschränkt, als eine Ausnahme für in einem Netzbereich liegende Zählpunkte eines Netzbenutzers normiert wurde, wenn sie der Anspeisung von kundenseitig galvanisch oder transformatorisch verbundenen Anlagen, die der StrabVO, BGBl II Nr 76/2000, idF der Kundmachung BGBl II Nr 310/2002, unterliegen, dienen.

2.2.4. Die Novelle des ElWOG 2010, BGBl I Nr 108/2017, wurde vom Wiener Landesgesetzgeber mit der Novelle des WElWG 2005, LGBl Nr 11/2018 (Inkrafttreten am ), landesrechtlich umgesetzt. Der bisherige § 2 Abs 1 Z 84 WElWG 2005 wurde dahingehend geändert, dass die neue Definition des Zählpunktes der Bundesgrundsatzbestimmung wortwörtlich auf die Landesebene übertragen wurde.

2.2.5. Aufgrund der im Zuge der 'Kleinen Ökostromnovelle' veröffentlichten Gesetzesmaterialien (vgl die Wortfolgen in den Erläuterungen zur Novelle des EIWOG 2010, BGBl I Nr 108/2017 [RV 1519 der Beilagen XXV. GP, Seite 10]: 'wird nunmehr klargestellt' und 'womit es bei der Zahlungspflicht je Straßenbahnanlage bleibt'; derart auch im Initiativantrag zur Novelle des WEIWG, LGBl Nr 11/2018) kann zwar durchaus der Eindruck entstehen, dass der Bundesgesetzgeber die Absicht verfolgt hat, einen 'bestehenden Zustand' betreffend eine Ausnahmeregelung für Anlagen, die der StrabVO unterliegen, 'beizubehalten' bzw dieser eine Rückwirkung angedeutet hat. In den novellierten Gesetzestext fanden diese Überlegungen aber keinen Eingang.

Das Gesetz selbst ist klar formuliert und enthält einen eindeutigen Wortlaut: Bis zur Novelle BGBl I Nr 108/2017 war unzweifelhaft keine Ausnahme in § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 verankert. Der Wortlaut legte fest: 'Eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte ist nicht zulässig.' und nahm auf keine Ausnahme Bezug. Mit BGBl I Nr 108/2017 wurde in § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 die eindeutige Anordnung aufgenommen, dass Zählpunktesaldierungen ausnahmsweise für Anlagen nach der StrabVO gelten und wurde weiters eine eindeutige Inkrafttretens-Bestimmung erlassen (gemäß § 110 Abs 4 ElWOG 2010 tritt die neue Zählpunkt-Definition mit dem der Kundmachung des BGBl I Nr 108/2017 folgenden Tag in Kraft, d.h. am ), sodass aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts kein Raum für eine authentische Interpretation oder die Annahme eine Rückwirkung besteht.

[…]

Dass die Gesetzesmaterialien damit vorliegend möglicherweise im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehen, ist insofern unbeachtlich, als der Wortlaut eines promulgierten Gesetzes mit seiner Systematik und seinem Zusammenhang mit anderen Gesetzen jedenfalls über der Meinung der Gesetzesredaktoren steht. Auf Erkenntnisquellen außerhalb des kundgemachten Gesetzes (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Parlamentarische Protokolle etc.) darf nur zurückgegriffen werden, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers Zweifel aufwirft; für sich allein können sie über den normativen Inhalt einer Rechtsvorschrift nichts aussagen (; , Ra 2017/10/0071; , 2011/01/0167, mwN). Auch nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist der (mutmaßliche) Wille eines normsetzenden Organs erst dann in Betracht zu ziehen, wenn der Wortlaut einer Norm allein deren Gehalt nicht eindeutig erkennen lässt (VfSlg 7698/1975).

[…]

Als Zwischenergebnis war daher aufgrund der bisher unter IV.2. dargelegten gesetzlichen Regelungen bis einschließlich , d.h. bis zum Tag des Inkrafttretens der geänderten Zählpunkt-Definition auf Landesebene im WElWG 2005 idF LGBl Nr 11/2018 (Inkrafttreten am ), eine Saldierung von Zählpunkten unzulässig, unabhängig davon, ob es sich um eine Anlage nach der StrabVO gehandelt hat oder nicht. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Bundesgrundsatzbestimmung zwar schon zu einem früheren Zeitpunkt hinsichtlich der Zählpunkt-Definition geändert wurde, ein Grundsatzgesetz jedoch das auf Landesebene zu erlassene Ausführungsgesetz nicht ersetzen kann.

2.2.6. Das WElWG 2005 erfuhr jedoch schließlich mit LGBl 19/2019 (Inkrafttreten am ) eine weitere Novelle durch den Wiener Landesgesetzgeber, mit der die Bestimmung des § 78c WElWG 2005 im Landesausführungsgesetz implementiert wurde:

Nach dessen Abs 1 tritt die in der Novelle des WElWG 2005, LGBl Nr 11/2018, normierte Definition des Zählpunktes mit in Kraft, d.h. zu jenem Zeitpunkt, an dem die Novelle des ElWOG 2010, BGBl I Nr 108/2017, in Kraft getreten ist.

Der hier als verfassungswidrig angefochtene Abs 2 legt darüber hinaus fest, dass die Zählpunkt-Definition der Novelle des WElWG 2005, LGBl Nr 11/2018, auf Sachverhalte anzuwenden ist, die sich nach dem , d.h. dem Tag des Inkrafttretens des ElWOG 2010 idF BGBl I Nr 110/2010 am , verwirklicht haben.

2.2.7. Die Vorschrift des § 78c Abs 2 WElWG 2005 hat damit zur Folge, dass die vom Verbot der Zählpunktesaldierung ausgenommene Regelung für Anlagen nach der StrabVO schon für einen Zeitrahmen gilt (ab [Tag des Inkrafttretens des ElWOG 2010, BGBl I Nr 110/2010]), in dem die zu diesem Zeitpunkt geltende Fassung der Grundsatzbestimmung § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Zusammenfassung von Zählpunkten noch für alle Netzkunden als unzulässig normiert hat (vgl IV.2.2.5.). Erst mit der Novelle des ElWOG 2010, BGBl I Nr 108/2017, die am in Kraft trat, wurde die Ausnahme vom Verbot der Zählpunktesaldierung für Anlagen nach der StrabVO geschaffen.

Die angeordnete Rückwirkung in § 78c Abs 2 WElWG 2005 bewirkt sohin, dass die Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 84 des Landesausführungsgesetzes WElWG 2005 im Zeitraum bis einschließlich nicht den grundsatzgesetzlichen Vorgaben des Bundes im ElWOG 2010 in diesem Zeitraum entspricht (s auch III.3.2.). Dies fällt in den vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund des angefochtenen Bescheides zu beurteilenden Zeitrahmen von bis .

Die Regelung des § 78c Abs 2 WElWG 2005 stellt somit einen Verstoß gegen Art 5 Abs 6 erster Satz B-VG dar, wonach sich der Landesgesetzgeber innerhalb des bundesgesetzlich festgelegten Rahmens von Grundsatzgesetzen zu bewegen hat.

[…]"

3. Die Wiener Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken entgegentritt. Die Definition des Zählpunktes in § 2 Abs 1 Z 84 WElWG 2005 verbleibe im grundsatzgesetzlich determinierten Rahmen. Die Ausnahme für Straßenbahnanlagen vom Verbot der Zählpunktesaldierung sei vom Bundesgesetzgeber als Klarstellung intendiert gewesen, woraus zu schließen sei, dass die bisherige Praxis rechtmäßig sei. Es sei auch vom Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes her geboten, Straßenbahnanlagen, die auf Grund von Sicherheitsvorschriften über mehrere Zählpunkte verfügen müssen, hinsichtlich der je nach Zählpunkten zu entrichtenden Entgelte differenziert zu behandeln. Zudem stelle § 7 Abs 1 Z 83 ElWOG 2010 nicht nur eine Begriffsdefinition dar, sondern sei das Verbot der Zählpunktesaldierung in Wahrheit eine Entgeltregelung, die nicht als Grundsatzgesetz, sondern gemäß der Kompetenzdeckungsklausel des § 1 ElWOG 2010, die die entgeltbezogenen Bestimmungen der ausschließlichen Bundeskompetenz zuweise, als unmittelbar anwendbares Bundesrecht zu erlassen gewesen wäre. § 7 Abs 1 Z 83 ElWOG 2010 sei daher verfassungswidrig. Wörtlich führt die Wiener Landesregierung aus:

"3.1. § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 ist als Grundsatzbestimmung deklariert. Ein Grundsatzgesetz darf keine Einzelregelungen treffen bzw überbestimmt sein, um den Ländern einen ausreichenden Gestaltungsspielraum im Rahmen ihrer Ausführungsgesetzgebung zu überlassen, es sei denn die betreffenden Bestimmungen sind von grundsätzlicher Bedeutung für das ganze Bundesgebiet (VfSlg 15.279, 16.058, 19.658, G164, 171/2019). Überbestimmte oder detaillierte Grundsatzbestimmungen sind verfassungswidrig. Diesen verfassungsrechtlich geschützten Gestaltungsspielraum hat das Land Wien genutzt und die Ausnahme vom Verbot der Zählpunktsaldierung zugunsten von Straßenbahnunternehmen – dem historischen Willen des Bundesgesetzgebers entsprechend – rückwirkend in Geltung gesetzt.

In den Erläuterungen zur 'Kleinen Ökostromnovelle' des Bundes, BGBl Nr 108/2017, und der darauffolgenden Novelle des WEIWG 2005, LGBl Nr 11/2018, mit dem die gegenständliche Zählpunktdefinition eingeführt wurde, ist nämlich zu § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 (neue Fassung, das ist jene Fassung, die mit der Novelle BGBI.1108/2017 geschaffen wurde und gemäß Art 2 Z 34 dieses Gesetzes am in Kraft getreten ist) festgehalten, dass 'Straßenbahnen bundesrechtlichen sicherheitstechnischen Vorgaben (vgl insb. § 23 f Straßenbahnverordnung 1999) unterliegen, die eine Mehrzahl von Zählpunkten zwingend erforderlich machen. Für diese Fälle wird nunmehr klargestellt, dass die entsprechenden Mehrfachanspeisungen für Abrechnungszwecke zu saldieren sind, womit es bei der Zahlungspflicht je Straßenbahnanlage bleibt' (GP XXV, RV 1519, Seite 10).

Konkret sieht etwa § 23 Abs 5 Z 1 der Straßenbahnverordnung 1999 – StrabVO, BGBl Nr 11 Nr 76/2000 in der geltenden Fassung vor, dass für die Energieversorgung von Betriebsmitteln in den Betriebsanlagen neben einer Haupteinspeisung, sofern es die betrieblichen Verhältnisse erfordern, zusätzlich noch eine allgemeine Ersatzeinspeisung vorhanden sein muss. Die Ausnahme von der Zählpunktsaldierung, für derartige Anlagen, die zur Errichtung mehrerer Einspeisestellen gesetzlich verpflichtet sind, wäre daher schon aufgrund des im B-VG geltenden Gleichheitsgrundsatzes in § 7 Abs 1 Z 84 EIWOG 2010 (alte Fassung) verfassungsgesetzlich geboten (gewesen). Der Gleichheitsgrundsatz beinhaltet nämlich auch ein allgemeines Differenzierungsgebot. Wesentliche Unterschiede im Tatsachensachenbereich müssen zu entsprechend differenzierten Regelungen führen (VfSlg 8217, 8806, 13.558, 13.965). Die Unterschiede im Tatsächlichen können auch in unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben ihre Grundlage haben (zB VfSlg 11.294, 12.485, 12.944).

Ein absolutes Saldierungsverbot würde letztlich zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führen, da es sachlich nicht begründbar ist, dass U-Bahnen bzw Straßenbahnen aufgrund einer sich aus dem Gesetz bzw einer Verordnung des Bundes ergebenden Verpflichtung, der nur Betreiber von Straßenbahnen unterliegen, ein Vielfaches vergleichbarer Stromabnehmer an Netzentgelten bezahlen müssten. Dass der Bundesgesetzgeber öffentliche Verkehrsmittel vor ungerechtfertigten finanziellen Belastungen schützen wollte, erscheint auch aufgrund der schon während der Einführung der (alten) Zählpunktdefinition des § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 geltenden Klimaziele Österreichs nur naheliegend.

Entgegen der Rechtsansicht des BVwG und der E-Control wurde mit der neuen Zählpunktdefinition des § 7 Abs 1 Z 84 WEIWG 2005 insofern nur 'klargestellt', was bereits vor der Erlassung des § 78c Abs 2 WEIWG 2005 (ohnedies) geltende Rechtslage war. Um offensichtlich gleichheitswidrige Ergebnisse zu vermeiden, muss daher auch die ursprüngliche Grundsatzbestimmung des § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass kein absolutes Saldierungsverbot gegolten hat, sondern vom Bund immer schon eine Ausnahme für Straßenbahnanlagen intendiert war und zwar so, wie es vom Bundesgesetzgeber im Rahmen der 'kleinen Ökostromnovelle' in den Materialien mit dem Begriff 'klargestellt' im Nachhinein eindeutig zum Ausdruck gebracht wurde. Für die Annahme, dass es sich bei der Regelung über die Saldierung in der ursprünglichen Begriffsbestimmung um eine solche mit Bedeutung für das gesamte Bundesgebiet handelt, bestehen somit keinerlei Anhaltspunkte.

Der angefochtene § 78c Abs 2 WEIWG 2005 ist daher nicht verfassungswidrig, sondern stellt durch die rückwirkende Geltung der verfassungsrechtlich zwingend erforderlichen Ausnahme für Straßenbahnanlagen erst auf Landesebene eine verfassungskonforme Rechtslage her, die ausschließlich aufgrund der bundesgesetzlichen Grundsatzbestimmung des § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 (alte Fassung) nicht gegeben wäre.

3.2. § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 (alte Fassung) ist zwar einerseits eine Begriffsdefinition, sieht aber auch insofern eine netzentgeltbezogene Regelung vor, als der Begriff des Zählpunktes zur Vollziehung der unmittelbar geltenden bundesrechtlichen Bestimmung des § 52 Abs 1 EIWOG 2010 herangezogen werden muss, um festzustellen, dass das Netznutzungsentgelt von Entnehmern pro 'Zählpunkt' zu entrichten ist.

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 EIWOG 2010 fallen die Netzentgeltbestimmungen des EIWOG, somit auch § 52 EIWOG 2010, in die ausschließliche Bundeskompetenz (Gesetzgebung und Vollziehung), weshalb auch die Begriffsbestimmung des § 7 Abs 1 Z 83 alte Fassung, der mit seiner (erweiterten) Begriffsbestimmung die Grundlage für die Berechnung der Netznutzungsentgelte ist, in die Zuständigkeit des Bundes fallen müsste, jedoch in verfassungswidriger Weise als Grundsatzbestimmung gekennzeichnet ist.

Aufgrund dieser Ausführungen ist abschließend festzuhalten, dass die im WEIWG 2005 rückwirkend angeordnete Ausnahme vom Saldierungsverbot mit der Grundsatzbestimmung des § 7 Abs 1 Z 83 EIWOG 2010 vereinbar ist, weil das verfassungswidrige Grundsatzgesetz bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Zählpunktdefinition, die mit der Novelle BGBI. I Nr 108/2017 eingeführt wurde, eine entsprechende Ausnahme zugunsten von Straßenbahnanlagen, die besonderen sichersicherheitstechnischen Verpflichtungen unterliegen, ermöglicht hat."

4. Die Partei des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des Gerichtes entgegentritt und sich der Auffassung der Wiener Landesregierung anschließt. Darüber hinaus legt die beteiligte Partei dar, dass das Verbot der Zählpunktesaldierung für Eisenbahnen zu vom Gesetzgeber keineswegs intendierten Merkosten führen würde, zumal mehrere Entgelte und Pauschalbeträge in anderen Gesetzen ebenfalls auf den Zählpunkt abstellen würden. Ohne Zusammenlegung der Zählpunkte würden auf Netzebene 4 von den österreichweit 251 Zählpunkten 40% alleine auf die Wiener Linien entfallen. Für die Jahre 2015 bis 2017 sei etwa auf Netzebene 4 pro Zählpunkt eine Ökostrom-Pauschale von € 104.444,– zu entrichten gewesen. Gehe man von einer separaten Verrechnung aller Zählpunkte der Wiener Linien aus, so würden sich zusätzliche Kosten in der Höhe von jährlich mindestens 10 Millionen Euro ergeben.

5. Über Einladung des Verfassungsgerichtshofes haben auch das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – Verfassungsdienst (nunmehr: Bundeskanzleramt – Verfassungsdienst), die E-Control sowie die Wiener Linien Äußerungen erstattet.

5.1. Das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – Verfassungsdienst tritt den Bedenken des antragstellenden Gerichtes bei.

5.2. Die E-Control tritt den Bedenken des antragstellenden Gerichtes bei und führt im Übrigen aus, dass die Ausnahme von Straßenbahnanlagen vom Verbot der Zählpunktesaldierung zugunsten von Betreibern ebensolcher eine unsachliche und damit gleichheitswidrige Ausnahme schaffe. Andere Eisenbahnbetreiber, wie etwa die Wiener Lokalbahnen, die Österreichischen Bundesbahnen oder Privatbahnen kämen ohne ersichtlichen Grund nicht in den Genuss der nunmehr bundesrechtlich vorgesehenen Zählpunktesaldierung.

5.3. Die Wiener Linien treten den Ausführungen der beteiligten Partei bei. Das Verbot der Zählpunktesaldierung sei eine Entgeltregelung, die in der Legaldefinition fehl am Platz sei und als unmittelbar anwendbares Bundesrecht, nicht als Grundsatzgesetz, hätte getroffen werden müssen. Als Grundsatzgesetz stehe sie aber der Wiener Ausführungsgesetzgebung nicht entgegen, da dieser ein Spielraum verbleibe, den sie nicht überschritten habe. Das Verbot der Zählpunktesaldierung sei nur zur Verhinderung des Missbrauchs, der im Zusammenfassen technisch nicht verbundener Anlagen liege, eingeführt worden, stelle sich aber, auf Straßenbahnanlagen angewandt, als unionsrechtlich verpönte und gleichheitswidrige Diskriminierung dieses einen Typs von Marktteilnehmer dar, der eben auf Grund von Sicherheitsvorschriften verpflichtet sei, mehrere Zählpunkte zu haben. Den Ausführungen der E-Control, wonach es im Gegenteil eine Ungleichbehandlung sei, nur Straßenbahnen, nicht aber alle Eisenbahnen dem Vorzug der Zählpunktesaldierung zu unterstellen, treten die Wiener Linien in einer Replik entgegen. So verfügten die Österreichischen Bundesbahnen als Betreiber einer Wechselstromhochspannungsbahn über ein eigenes Verteilernetz, sodass sie um ca. 90% weniger Zählpunkte aufweisen würden als die Wiener Linien, die bloß eine Gleichstromniederspannungsbahn seien. Dasselbe gelte für die Wiener Lokalbahnen, die als Nebenbahn iSd § 4 EisbG eine Haupt- und Nebenbahn wie die Österreichischen Bundesbahnen, nicht, wie die Wiener Linien, eine Straßenbahn nach § 5 EisbG seien. Durch die niedrige Versorgungsspannung und das hohe Fahrtenintervall von Straßenbahnanlagen seien diese unweigerlich auf mehr Einspeise- und damit Zählpunkte angewiesen. Auch bestehe hinsichtlich Haupt- und Nebenbahnen keine den Straßenbahnen vergleichbare sicherheitstechnische Pflicht zur Erhaltung mehrerer Zählpunkte.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG bzw des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Anfechtungsbefugnis und die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung einerseits damit, dass es über eine Beschwerde gegen einen Bescheid der E-Control gemäß dem unmittelbar anwendbares Bundesrecht darstellenden § 24 E-ControlG zu entscheiden habe, woraus sich sohin die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergebe, wobei die landesgesetzlichen Legaldefinitionen hiebei nicht vollzogen, sondern lediglich angewendet würden; anderseits mit Blick darauf, dass sich die in der angefochtenen Bestimmung enthaltene Rückwirkung auf jenen Zeitraum beziehe, über den das Bundesverwaltungsgericht zu befinden habe, weshalb diese Vorschrift eine Voraussetzung seiner Entscheidung sei.

1.3. Die Wiener Landesregierung und die beteiligte Partei ziehen in ihren Äußerungen die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung in Zweifel. Auf das Wesentliche zusammengefasst bringen sie vor, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über die Beschwerde der beteiligten Partei nicht zuständig sei. Die angefochtene Bestimmung bilde daher keine denkmögliche Voraussetzung seiner Entscheidung. Die Regelungen des Entgelts im ElWOG 2010 bestünden ausschließlich aus unmittelbar anwendbarem Bundesrecht. Gleichwohl nehme § 52 ElWOG 2010, der die Zahlungspflicht pro Zählpunkt enthalte, auf die Legaldefinition des Zählpunktes Bezug. Diese Legaldefinition sei allerdings nur grundsatzgesetzlich vorgegeben und daher erst durch die landesgesetzliche Ausführungsgesetzgebung anwendbar. Die E-Control und das Bundesverwaltungsgericht vollzögen (als Bundesbehörden) daher im vorliegenden Fall Landesrecht. Ein Vollzug von Grundsatzgesetzen des Bundes scheide nämlich aus. Wenn das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung seiner Zuständigkeit ausführe, dass es die landesrechtliche Bestimmung des § 78c Abs 2 WElWG 2005 nicht vollzöge, sondern dass diese "lediglich angewendet [werde], um den Begriffsumfang des Zählpunktes zu definieren", so könne dem nicht gefolgt werden. Es gebe neben Privatwirtschafts- und Hoheitsverwaltung keine dritte Form des Verwaltungshandelns, die in der bloßen "Berücksichtigung" von Gesetzen liege. Die E-Control und das Bundesverwaltungsgericht handelten in Vollziehung der Gesetze. Es liege somit eine mittelbare Landesverwaltung vor. Das Bundesverwaltungsgericht sei aber nur für Fälle der unmittelbaren Bundesverwaltung zuständig. Zur Entscheidung über die Beschwerde der beteiligten Partei – und in weiterer Folge zu einer allfälligen Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof – wäre daher nur das Verwaltungsgericht Wien befugt gewesen.

1.4. Weder das Bundesverwaltungsgericht noch die Wiener Landesregierung oder die beteiligte Partei sind mit ihren Ausführungen zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes, und damit zur Präjudizialität im vorliegenden Fall, im Recht. Vielmehr ergibt sich aus der Kompetezdeckungsklausel des § 1 Abs 1 E-ControlG, dass, wenn die E-Control in Wahrnehmung ihrer Aufsichtsbefugnisse gemäß § 24 E-ControlG einschreitet, sie – abweichend von der allgemeinen Kompetenzverteilung – im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung agiert. Dies selbst dann, wenn sie insoweit auch die Energiewirtschaftsgesetze der Länder, etwa landesgesetzliche Legaldefintionen, vollzieht, um die Berechnung des ansonsten bundesgesetzlich determinierten Netznutzungsentgelts zu überprüfen. Daher ist gemäß Art 131 Abs 2 iVm Art 130 Abs 1 B-VG auch das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung diesbezüglicher Beschwerden zuständig und hat gemäß § 11 VwGVG jene Rechtsvorschriften anzuwenden, die auch die belangte Behörde anzuwenden hatte. Die E-Control und das Bundesverwaltungsgericht haben daher durchaus auch landesgesetzliche Vorschriften zu vollziehen, nicht "lediglich anzuwenden", ohne dass dies im vorliegenden Fall der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes schaden würde.

1.5. Die Wiener Landesregierung bringt außerdem vor, dass selbst bei gegebener Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes § 78c Abs 2 WElWG 2005 keine Voraussetzung seiner Entscheidung bilde, weil zur Auslegung einer Bestimmung des unmittelbar anzuwendenden Bundesrechts, wie § 52 Abs 1 ElWOG 2010 (betreffend das Netznutzungsentgelt), keine landesgesetzliche Vorschrift (hier: die Legaldefinition des Zählpunktes) herangezogen werden dürfe, zumal diese eine versteckte entgeltbezogene Regelung über die Zusammenlegung von Zählpunkten enthalte. Dazu ist auf das oben Gesagte zu verweisen. Es handelt sich in diesem Fall nämlich um eine bloße tatbestandliche Anknüpfung.

1.6. Es ist daher nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung zweifeln ließe.

1.7. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

1.3. Die vorgetragenen Bedenken treffen nicht zu. Vielmehr ist die fragliche grundsatzgesetzliche Regelung des § 7 Abs 1 Z 83 ElWOG 2010 in der Fassung vor der kleinen Ökostromnovelle 2017, die hier den Maßstab der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs 1 Z 84 WElWG 2005 bildet, ihrerseits einer Auslegung zugänglich, die ihre historische Zwecksetzung im Blick hat.

1.4. Der Vorgänger des ElWOG 2010, das ElWOG, BGBl I 143/1999, sah bis zu seiner letzten Fassung BGBl I 112/2008 und bevor es mit dem 2. Bundesrechtsbereinigungsgesetz, BGBl I 61/2018, endgültig außer Kraft trat, keine Legaldefinition des Zählpunktes und auch kein Verbot der Saldierung ebensolcher vor.

1.5. Eine solche wurde erst mit dem neuen ElWOG 2010, BGBl I 110/2010, eingeführt. Die Gesetzesmaterialien führen dazu nichts aus (ErläutRV 994 BlgNR 24. GP).

1.6. Hingegen findet sich bereits in der Stammfassung des WElWG 2005, LGBl 46/2005, das noch in Umsetzung des früheren ElWOG ergangen ist, in § 2 Abs 1 Z 52 die Legaldefinition des Zählpunktes. Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet "'Zählpunkt' den Einspeise- oder Entnahmepunkt, an dem ein Wirkenergiefluss erfasst und registriert wird". Bevor also bundes-grundsatzgesetzlich der Zählpunkt definiert wurde, fand er sich bereits im betreffenden Landes-Ausführungsgesetz. Ein Verbot der Zählpunktesaldierung bestand weder grundsatz- noch ausführungsgesetzlich.

1.7. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung die Zusammenfassung von Zählpunkten zugelassen (), und zwar nicht bloß die Zusammenzählung von mehreren Zählpunkten einer technisch (notwendig) verbundenen Anlage, sondern auch bloß mehrere Zählpunkte von Anlagen, die denselben Eigentümer hatten, sodass die Gebührenpflicht in der Höhe einfach gestaltbar war. Diese Rechtsprechung führte zu der soweit ersichtlich niemals beabsichtigten Möglichkeit, Zählpunkte auch solcher Anlagen zu saldieren, die nicht technisch verbunden waren. Darauf reagierte der Gesetzgeber mit einem allgemeinen Verbot der Zählpunktesaldierung.

1.8. In diesem Sinne wurde, um derartige Praktiken der Zählpunktesaldierung zum Zweck des Umgehens von Systemnutzungsentgelten hintanzuhalten, mit dem ElWOG 2010 erstmals das Verbot der Zählpunktesaldierung – an legistisch missglückter Stelle – in die Legaldefinition des Zählpunktes aufgenommen. In der Sache handelt es sich dabei freilich um eine entgeltbezogene Regelung, deren eindeutiger Zweck es ist, dass sich Netzbenutzer zählpunktabhängige Entgelte nicht dadurch ersparen können, dass sie ihre Zählpunkte zusammenrechnen, und unabhängig davon, ob mehrere Zählpunkte technisch notwendig sind, um eine einheitliche Anlage zu betreiben. Es war jedoch weder vom Bundes-Grundsatz-, noch vom Landes-Ausführungsgesetzgeber intendiert, mit dem Verbot der Zählpunktesaldierung hinsichtlich bloß rechtlich oder wirtschaftlich verbundener Anlagen auch ein solches Verbot betreffend technisch verbundene Anlagen auszusprechen.

Es ist daher dem Gesetzgeber des ElWOG 2010 nicht vernünftigerweise zusinnbar, dass er mit dem Verbot der Zählpunktesaldierung auch die Fälle jener Anlagen erfassen wollte, die aus technischen oder rechtlichen Gründen über eine Vielzahl von Zählpunkten verfügen müssen, wie etwa das Straßenbahnnetz von Wien.

1.9. Vielmehr ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass bei Straßenbahnanlagen die Addition der Zählpunkte auf Grund der technischen Zusammenhänge immer schon zulässig gewesen ist, und dass eine Zahlungspflicht nicht pro Zählpunkt, sondern pro Straßenbahnanlage besteht.

1.10. Angesichts des eindeutigen Zwecks des Verbots der Zählpunktesaldierung, bloß missbräuchliche Zusammenrechnungen technisch nicht verbundener Anlagen zu unterbinden, vermag der Verfassungsgerichtshof daher nicht zu finden, dass § 7 Abs 1 Z 83 ElWOG 2010 in der Fassung vor der kleinen Ökostromnovelle 2017 dem § 78c Abs 2 WElWG 2005 entgegensteht.

V. Ergebnis

1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit des § 78c Abs 2 WElWG 2005 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2020:G272.2019
Schlagworte:
Elektrizitätswesen, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Auslegung historische, VfGH / Präjudizialität

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