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VfGH vom 09.03.2001, G267/99

VfGH vom 09.03.2001, G267/99

Sammlungsnummer

16124

Leitsatz

Sachliche Rechtfertigung der Unterscheidung zwischen Verkehrsunfällen mit Personenschaden und solchen mit (bloßem) Sachschaden bei der Entscheidung über das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung; Absehen von der Bestrafung bei Übertretungen der Straßenverkehrsordnung in bestimmten Fällen mangels general- oder spezialpräventiver Gründe im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (im folgenden: UVS Vbg.) sind Berufungsverfahren gegen Bescheide anhängig, mit denen die Berufungswerber wegen Übertretungen der StVO 1960 ermahnt oder zu Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt wurden. Den Berufungsverfahren ist gemeinsam, daß in keinem der Fälle eine Übertretung nach § 99 Abs 1 StVO 1960 vorlag und die Bestimmungen des § 4 Abs 5 StVO 1960 über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall eingehalten wurden. Allen Berufungsverfahren liegen Verkehrsunfälle zugrunde, bei denen sich die Berufungswerber jeweils selbst (erheblich) verletzten, sohin nicht lediglich Sachschaden entstand, sodaß § 99 Abs 6 lita StVO 1960 nicht anwendbar ist.

Aus Anlaß dieser Berufungsverfahren stellte der UVS Vbg. gemäß Art 140 Abs 1 B-VG die Anträge, "§99 Abs 6 lita der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung der 13. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 105/1986, als verfassungswidrig aufzuheben".

2.1. § 99 Abs 6 lita StVO 1960, BGBl. Nr. 159, in der angefochtenen Fassung BGBl. 1986/105, lautet:

"(6) Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor,

a) wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist, die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden (§4 Abs 5) eingehalten worden sind und nicht eine Übertretung nach Abs 1 vorliegt,"

Mit der Novelle BGBl. I 1999/134 wurde § 99 Abs 6 lita StVO 1960 geändert. Die Bestimmung lautet nunmehr (die eingefügte Wortfolge ist hervorgehoben):

"(6) Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor,

a) wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist, die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden (§4 Abs 5) eingehalten worden sind und nicht eine Übertretung nach Abs 1, 1a oder 1b vorliegt,"

2.2. § 4 Abs 5 StVO 1960 idgF, zuletzt geändert durch BGBl. 1983/174, lautet:

"(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben."

2.3. § 99 Abs 3 lita StVO 1960 idF BGBl. 1994/518, lautet:

"(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist,"

Mit der Novelle BGBl. I 1998/92 wurde § 99 Abs 3 lita StVO 1960 geändert. Die Bestimmung lautet nunmehr (die eingefügte Wortfolge ist hervorgehoben):

"(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist,"

3. In seinen Anträgen führt der UVS Vbg. im Anschluß an Feststellungen zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung aus, es sei sachlich nicht zu rechtfertigen, Personen, die einen Unfall verursacht und sich dabei selbst (nur oder zusätzlich zum Sachschaden) verletzt hätten, schlechter zu stellen als Personen, die einen Unfall verursacht hätten, bei dem lediglich Sachschaden entstanden sei. Eine solch unterschiedliche Behandlung sei weder mit den Grundsätzen eines Schuldstrafrechts noch mit den Erfordernissen der Strafzwecke der General- und Spezialprävention oder allenfalls der Vergeltung (eines gerechten Schuldausgleiches) in Einklang zu bringen. Vielmehr würden diese Gesichtspunkte im Hinblick auf die eigene Verletzung des Betroffenen entscheidend an Bedeutung verlieren.

Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, daß das Strafgesetzbuch eine Bestrafung für eine fahrlässige Verletzung des eigenen Körpers nicht kenne. Die vorliegende Bestimmung der StVO 1960 bewirke demgegenüber, daß die fahrlässige Verletzung des eigenen Körpers in gewissen (durchaus nicht seltenen) Fällen eine sonst allenfalls gegebene Straflosigkeit ausschließe.

§ 99 Abs 6 lita StVO 1960 normiere eine Art"tätiger Reue". Ziel der Regelung sei insbesondere auch, einen Anreiz für die Beachtung der Vorschriften des § 4 StVO 1960 zu bieten und somit letztlich die Interessen von anderen durch den Unfall geschädigten Personen zu wahren. Auch sei die Bestimmung, soweit sie zwischen Unfällen mit Sachschaden und Unfällen mit Eigenverletzung unterscheide, sachlich nicht gerechtfertigt, weil sie in ihren Auswirkungen jene Unfallbeteiligten schlechter stelle, die in einen Unfall mit einer sich selbst verletzenden Person verwickelt seien, als jene, die in einen Unfall ohne Eigenverletzung einer anderen Person verwickelt seien. Im ersten Fall fehle der Anreiz zur Einhaltung des § 4 StVO 1960, weshalb die Aussichten der geschädigten Unfallbeteiligten, Kenntnis von der Identität des anderen Unfallbeteiligten zu erlangen und einen allfälligen Schadenersatz zu erhalten, wesentlich geringer seien.

Es sei darüber hinaus unsachlich, für den Fall der Verletzung einer unfallbeteiligten Person keine Straffreistellung vorzusehen, wenn die Vorschriften des § 4 StVO 1960 von der unfallverursachenden Person eingehalten würden. Die Einhaltung der Vorschriften des § 4 StVO 1960 (vgl. insbesondere Abs 2) sei in einem solchen Fall noch viel wichtiger als im Fall eines bloßen Sachschadens.

Ergänzend wird weiters auf eine Gleichheitswidrigkeit hingewiesen, die sich bei Einbeziehung des § 99 Abs 6 litc StVO 1960 sowie der Bestimmungen des StGB ergebe: Wenn den Täter kein schweres Verschulden treffe und die verletzte Person in einem Verwandtschafts- oder Naheverhältnis im Sinne des § 88 Abs 2 Z 1 bzw. des § 72 Abs 2 StGB stehe, begehe er - weil die Ausnahme des § 99 Abs 6 litc StVO 1960 nicht zum Tragen komme - jedenfalls eine Verwaltungsübertretung. Der Täter sei daher bei Verkehrsunfällen mit (zB mitfahrenden) verletzten Angehörigen - der Absicht des Gesetzgebers völlig zuwiderlaufend - regelmäßig schlechter gestellt als der Täter bei anderen (als Verkehrs-)Unfällen mit verletzten Angehörigen. Dazu komme noch, daß das VStG eine dem § 42 StGB (vgl. insbesondere die Z 2 und 3) entsprechende Regelung nicht kenne.

4. Die Bundesregierung erstattete dazu eine Äußerung, in der sie den Bedenken des UVS Vbg. entgegentritt und die Abweisung der Anträge als unbegründet beantragt.

Zur geltend gemachten Schlechterstellung von Personen, die einen Unfall verursacht und sich dabei selbst verletzt haben, gegenüber Personen, die einen Unfall verursacht haben, bei dem nur Sachschaden entstanden ist, weist die Bundesregierung zunächst darauf hin, daß § 99 Abs 6 lita StVO 1960 weder § 3 noch den §§5 und 6 VStG derogiere, sodaß kein Grund zur Annahme bestehe, die Regelung widerspreche dem Prinzip "nulla poena sine culpa".

Die unterschiedliche Behandlung von Verkehrsunfällen mit bloßem Sachschaden und Verkehrsunfällen mit Personenschaden sei auch und gerade unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes aus general- und spezialpräventiven Erwägungen sachlich gerechtfertigt. Es bestehe nämlich kein Zweifel, daß einer der Regelungszwecke der StVO 1960 darin liege, schon das Entstehen von für den Straßenverkehr typischen Gefahrensituationen zu verhindern. Um diesem zweifellos im öffentlichen Interesse liegenden Regelungszweck gerecht zu werden, werde grundsätzlich jeder Verstoß gegen Bestimmungen der StVO 1960 aus general- und spezialpräventiven Gründen sanktioniert (vgl. insbesondere § 99 Abs 3 lita und j StVO 1960). Wenn nun der Gesetzgeber in den unter § 99 Abs 6 lita StVO 1960 genannten Voraussetzungen ausnahmsweise festlege, daß ein Zuwiderhandeln gegen Bestimmungen der StVO 1960 unter bestimmten Voraussetzungen keine Verwaltungsübertretung darstelle, so räume er in diesen speziellen Fällen einen (zusätzlichen) "Anreiz" für die Beachtung des § 4 Abs 5 StVO 1960 ein, womit insoweit im Ergebnis dem Hintanhalten von Fahrerflucht und den damit vorhandenen negativen Auswirkungen größeres Gewicht beigemessen werde als allgemeinen general- und spezialpräventiven Überlegungen. Dieses Ergebnis der rechtspolitischen Abwägung des Gesetzgebers (das unter gleichheitsrechtlichen Aspekten auch anders hätte ausfallen können) werde vom UVS Vbg. nicht beanstandet.

Ebensowenig könne es aber als unsachlich angesehen werden, wenn der Gesetzgeber im Rahmen seiner rechtspolitischen Abwägung in den Fällen, in denen bei einer Übertretung der Bestimmungen der StVO 1960 sogar eine Person verletzt werde, zum gegenteiligen Ergebnis gelange und in diesen Fällen somit general- und spezialpräventiven Überlegungen größeres Gewicht beimesse als der Einräumung eines (zusätzlichen) "Anreizes" für die Einhaltung des § 4 Abs 5 StVO 1960, sei doch in solchen Fällen die Annahme naheliegend, daß durch die Tat eine besondere Gefahrensituation geschaffen (und somit ein in höherem Maße sozialschädliches Verhalten gesetzt) worden sei, weil sogar in die körperliche Integrität von Straßenverkehrsteilnehmern eingegriffen worden sei. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet könne aber auch aus der an sich zutreffenden Annahme, daß die Einhaltung der Vorschriften des § 4 StVO 1960 bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden wichtiger sei als im Falle eines bloßen Sachschadens, keine Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung abgeleitet werden. Ausgehend von einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung könne der Gesetzgeber nämlich mit guten Gründen den Standpunkt einnehmen, daß in den Fällen, in denen die Übertretung einer Bestimmung der StVO 1960 zu einem Unfall geführt habe, bei dem eine Person verletzt worden sei, vom Täter eine besondere Gefahrensituation geschaffen worden sei, die - jedenfalls typischerweise - mit einem höheren Maß an Gefahren verbunden sei als die Übertretung einer Bestimmung der StVO 1960, die lediglich zu einem Unfall mit bloßem Sachschaden geführt habe. Um im Interesse der Verkehrssicherheit - und somit zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen - gerade die Herbeiführung solcher (besonderer) Gefahrenmomente zu unterbinden (die in den Fällen, in denen lediglich Unfälle mit Sachschaden eingetreten seien, typischerweise eben nicht im gleichen Ausmaß vorhanden seien), dürfe es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein, insbesondere aus spezialpräventiven Gründen diejenige Person zu bestrafen, die eine solche besondere Gefahrensituation - auch für sich selbst - geschaffen habe. Das in Fällen der Herbeiführung eines Unfalles mit Personenschäden typischerweise verbundene erhöhte Gefahrenmoment bilde somit die sachliche Rechtfertigung dafür, insbesondere aus spezialpräventiven Gründen eine Straffreistellung im Gegensatz zu Unfällen, die lediglich zu einem bloßen Sachschaden geführt hätten, schlechthin auszuschließen. Die Bundesregierung gehe daher davon aus, daß die angefochtene Regelung im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege.

Auch der - an sich zutreffende - Hinweis des UVS Vbg., die angefochtene Bestimmung bewirke, daß die fahrlässige Verletzung des eigenen Körpers in gewissen Fällen eine sonst allenfalls gegebene Straflosigkeit ausschließe, vermöge im Lichte dieser Erwägungen die behauptete Gleichheitswidrigkeit der bekämpften Bestimmung ebensowenig darzutun wie das Vorbringen des UVS Vbg. bezüglich der ''88 Abs 2 Z 1 StGB und 99 Abs 6 litc StVO 1960. Die erwähnten general- und spezialpräventiven Überlegungen, die für die Beibehaltung der Strafbarkeit der Tat trotz Einhaltung der Bestimmung des § 4 StVO 1960 sprechen würden, bestünden nämlich - weil sie auf die Vermeidung der Schaffung spezifischer Gefahrenmomente gerichtet seien - stets unabhängig davon, welche Person im konkreten Fall verletzt worden sei.

Zusätzlich sei darauf hinzuweisen, daß § 99 Abs 6 lita StVO 1960 nicht - wie der UVS Vbg. meine - "zwischen Unfällen mit Sachschaden und Unfällen mit Eigenverletzung" unterscheide, sondern vielmehr die Grenze für die Möglichkeit einer Strafbefreiung zwischen Verkehrsunfällen mit (bloßem) Sachschaden und Unfällen mit Personenschaden ziehe.

Darüber hinaus gehe der UVS Vbg. offenbar von der irrigen Rechtsansicht aus, ein "Verkehrsunfall" stelle als solcher eine Übertretung der StVO 1960 dar. Derartiges könne der StVO 1960 jedoch nicht entnommen werden. Insofern gehe auch die Annahme des UVS Vbg., die sich selbst verletzende unfallverursachende Person sei gegenüber einer fremde Personen verletzenden unfallverursachenden Person benachteiligt, an der Sache vorbei, denn die Verpflichtung des § 4 Abs 5 StVO 1960 treffe ausnahmslos jeden, dessen Verhalten am Unfallort mit dem Unfall in Zusammenhang stehe, unabhängig von der Frage des Verschuldens. Dies sei auch konsequent, schließlich könne die Frage des Verschuldens (im Sinne des Schadenersatzrechtes) bzw. der Schuld (im strafrechtlichen Sinn) immer erst ex post im Rahmen eines Zivilprozesses bzw. eines (gerichtlichen) Strafverfahrens geklärt werden.

Die Bestimmung des § 99 Abs 6 lita StVO 1960 sei überdies in engem Zusammenhang mit § 4 Abs 5 StVO 1960 zu sehen. Der Zweck des § 4 Abs 5 StVO 1960 bestehe darin, bei Verkehrsunfällen mit bloßem Sachschaden von den Beteiligten untereinander klären zu lassen, zwischen welchen Personen allfällige Schadenersatzansprüche zivilrechtlich abzuwickeln seinen, ohne daß damit irgendwelche Aussagen über das Verschulden eines Unfallbeteiligten getroffen würden. Sofern den in § 4 Abs 5 StVO 1960 genannten Anforderungen Genüge geleistet worden sei, sehe der Gesetzgeber keine Veranlassung für ein verwaltungsstrafrechtliches Einschreiten des Staates. Dieser - und nur dieser - Grundgedanke werde durch § 99 Abs 6 lita StVO 1960 zum Ausdruck gebracht.

Daneben sei zu bedenken, daß die Regelung des § 99 Abs 6 lita StVO 1960 auch der Verminderung des Behördenaufwandes diene (etwa einer Lenkererhebung gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967).

Schließlich weist die Bundesregierung darauf hin, daß die Verwaltungsstrafbehörden Fälle, in denen lediglich der Beschuldigte verletzt worden sei, bei der Strafbemessung gemäß den §§19 ff VStG entsprechend würdigen könnten.

5. Mit Schreiben vom teilte der UVS Vbg. bezugnehmend auf die Neufassung des § 99 Abs 6 lita StVO 1960 mit der Novelle BGBl. I 1999/134 mit, daß im Hinblick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach eine spätere Gesetzesänderung die Zulässigkeit eines Antrages nicht berühre, von einer Berichtigung der Anträge abgesehen werde.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat die Anträge gemäß den §§187 und 404 ZPO iVm. § 35 Abs 1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht entsprechend seiner ständigen Judikatur (vgl. VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989, 14551/1996, 14795/1997, 15199/1998) davon aus, daß er nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung ein Gericht oder einen unabhängigen Verwaltungssenat, der einen Gesetzesprüfungsantrag gemäß Art 140 Abs 1 B-VG stellt, an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung des Gerichts oder des unabhängigen Verwaltungssenats in der Hauptsache vorgreifen würde. Ein Antrag eines dieser Rechtsschutzorgane gemäß Art 140 Abs 1 B-VG darf daher vom Verfassungsgerichtshof mangels Präjudizialität nur dann zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig, also gleichsam denkunmöglich ist, daß die angefochtene Gesetzesbestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung eines Gerichts bzw. eines unabhängigen Verwaltungssenats im Anlaßfall bildet.

1.2. Gemäß § 1 Abs 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Da diese Rechtslage in den Anlaßfällen durch die Novelle BGBl. I 1999/134 nicht günstiger gestaltet wurde, ist es offenkundig, daß der UVS Vbg. die angefochtene Gesetzesbestimmung in den Anlaßfällen anzuwenden hat.

1.3. Da nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes der Umstand, daß eine Gesetzesstelle bereits außer Kraft getreten ist, die Zulässigkeit eines Antrages eines Gerichtes oder eines unabhängigen Verwaltungssenates nicht ausschließt, wenn in ihm begehrt wird, die betreffende Gesetzesstelle als verfassungswidrig aufzuheben (vgl. VfSlg. 10819/1986, 13393/1993, 15116/1998), ist auch insofern die Zulässigkeit der Anträge gegeben.

1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Der UVS Vbg. hegt das Bedenken, daß die angefochtene Bestimmung dem Gleichheitsgrundsatz widerspeche. Es sei aufgrund mehrerer Erwägungen sachlich nicht gerechtfertigt, eine Person, die einen Unfall verursacht und dabei (nur oder zusätzlich zum Sachschaden) sich selbst verletzt habe, schlechter zu stellen als eine Person, die einen Unfall verursacht habe, bei dem lediglich Sachschaden entstanden sei.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken nicht.

Gemäß § 99 Abs 6 lita StVO 1960 in der angefochtenen Fassung liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist, die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden (§4 Abs 5 StVO 1960) eingehalten worden sind und nicht eine Übertretung nach § 99 Abs 1 StVO 1960 vorliegt. Wenn als Folge der Übertretung der StVO 1960 bei einem Verkehrsunfall also nicht bloß Sachschaden entstanden, sondern darüber hinaus auch eine Person verletzt worden ist, findet § 99 Abs 6 lita StVO 1960 keine Anwendung und liegt eine Verwaltungsübertretung vor.

Einer der Regelungszwecke der StVO 1960 liegt zweifellos darin, schon das Entstehen von für den Straßenverkehr typischen Gefahrensituationen zu verhindern. Um diesem im öffentlichen Interesse liegenden Regelungszweck gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber im § 99 StVO 1960 Verstöße gegen dieses Gesetz im allgemeinen aus general- und spezialpräventiven Gründen sanktioniert (vgl. insbesondere § 99 Abs 3 lita und j StVO 1960). Mit § 99 Abs 6 lita StVO 1960 schafft er davon eine Ausnahme, indem er an die jeweiligen Folgen eines Verkehrsunfalles anknüpfend, zwischen Verkehrsunfällen mit Personenschaden und Verkehrsunfällen mit (bloßem) Sachschaden differenziert und für den Fall, daß ein Verkehrsunfall lediglich Sachschaden zur Folge hat, normiert, daß der Verstoß gegen die StVO 1960 - bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen - keine Verwaltungsübertretung darstellt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes setzt der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber insofern Schranken, als er verbietet, sachlich nicht gerechtfertigte Regelungen zu treffen (vgl. VfSlg. 13743/1994, 15545/1999). Eine solche sachliche Rechtfertigung läßt sich nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes für die angefochtene Ausnahmebestimmung erkennen. Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, daß Übertretungen der StVO 1960, die zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden führen, - jedenfalls typischerweise - gefährlicher sind als Übertretungen, die lediglich zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden führen. Der Täter schafft nach Einschätzung des Gesetzgebers in den letztgenannten Fällen eine besondere Gefahrensituation und setzt somit auch ein in höherem Maße sozialschädliches Verhalten, weil sogar in die körperliche Integrität von am Straßenverkehr teilnehmenden Personen eingegriffen wird.

Im Hinblick auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen kann (vgl. zB VfSlg. 3595/1959, 5318/1966, 8457/1978, 11469/1987, 11615/1988) und dabei auch Härtefälle in Kauf nehmen darf (vgl. VfSlg. 3568/1959, 9908/1983, 10276/1984, 11615/1988) erachtet es der Verfassungsgerichtshof für sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber an die vom Täter geschaffene besondere - und bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden typischerweise in höherem Maße vorhandene - Gefahrensituation anknüpft und nur für bestimmte Fälle, nämlich bei Vorliegen der in § 99 Abs 6 lita StVO 1960 angeführten Voraussetzungen anordnet, daß eine Verwaltungsübertretung nicht vorliegt. Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß er unter gewissen Voraussetzungen eine Bestrafung von Übertretungen der StVO 1960 weder aus general- noch aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich hält. Im Hinblick auf den Regelungszweck der StVO 1960, nämlich der Vermeidung besonderer Gefahrenmomente zum Schutz der Gesundheit und des Lebens aller Verkehrsteilnehmer, ist die Unterscheidung nach der durchschnittlichen Gefährlichkeit von Übertretungen der StVO 1960 ausreichend sachliche Rechtfertigung auch dafür, die verwaltungsbehördliche Strafbarkeit einer Person dann nicht auszuschließen, wenn sie eine solch besondere Gefahrensituation (auch) für sich selbst geschaffen hat.

Zum Vorbringen des antragstellenden UVS, das StGB kenne eine Bestrafung für eine fahrlässige Verletzung des eigenen Körpers nicht, ist zudem festzuhalten, daß Grundlage der verwaltungsbehördlichen Bestrafung allein die jeweilige Übertretung der StVO 1960 und nicht die Selbstverletzung ist. Der Gesetzgeber unterscheidet diesfalls im Rahmen rechtspolitischer Erwägungen nur nach den Unfallfolgen ("lediglich Sachschaden") und nicht zwischen Eigen- und Fremdverletzung bzw. nicht zwischen der Verletzung von Angehörigen und mit dem Täter nicht verwandten Personen. Die fahrlässige Selbstverletzung hat daher auch nicht die Strafbarkeit eines sonst straflosen Handelns zur Folge, sondern wird - wie dargetan zulässiger Weise - als Indiz dafür qualifiziert, daß das Verhalten ein höheres Gefahrenpotential in sich trägt, sodaß die Möglichkeit wegfällt, eine Übertretung der StVO 1960 nicht als Verwaltungsübertretung zu behandeln.

In diesem Zusammenhang ist aber auch auf die gemäß den §§19 ff. VStG jedenfalls bestehende Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörden zu verweisen, bei der Strafbemessung die Eigenverletzung des Beschuldigten zu würdigen.

Die Bestimmung des § 99 Abs 6 lita StVO 1960 ist - wie schon aus ihrem Wortlaut hervorgeht - überdies in einem engen Zusammenhang mit § 4 Abs 5 StVO 1960 zu sehen. Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, besteht der Zweck des § 4 Abs 5 StVO 1960 darin, bei Verkehrsunfällen mit bloßem Sachschaden von den Beteiligten untereinander klären zu lassen, zwischen welchen Personen allfällige Schadenersatzansprüche zivilrechtlich abzuwickeln sein werden, ohne daß damit bereits Aussagen über das Verschulden eines Unfallbeteiligten getroffen werden. Sofern den in § 4 Abs 5 StVO 1960 genannten Anforderungen Genüge getan wird, kann der Gesetzgeber - wie oben bereits ausgeführt - auf verwaltungsstrafrechtliche Folgen verzichten. Diese mit dem unterschiedlichen Gefahrenmoment bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden und Verkehrsunfällen mit bloßem Sachschaden begründbare Vorgangsweise des Gesetzgebers ist sachlich gerechtfertigt und liegt in seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum.

Die vom UVS Vbg. vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 99 Abs 6 lita StVO 1960, BGBl. 159, in der Fassung BGBl. 1986/105, treffen sohin nicht zu.

Die Anträge waren daher abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.