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VfGH vom 21.06.2008, g26/07

VfGH vom 21.06.2008, g26/07

Sammlungsnummer

18494

Leitsatz

Zulässigkeit des Antrags eines Unabhängigen Verwaltungssenates auf Aufhebung der gesetzlichen Grundlage der Erlassung von Richtlinien auf dem Gebiet der Sicherheitspolizei; Verweisung auf bereits im vorliegenden Antrag vorgebrachte Bedenken hier zulässig zur Vermeidung von Wiederholungen; zulässiger Anfechtungsumfang hinsichtlich der allgemeinen Verordnungsermächtigung und nicht lediglich des im Anlassfall relevanten Punktes der demonstrativen Aufzählung von Regelungsgegenständen der Richtlinien; keine Kompetenzwidrigkeit der Verordnungsermächtigung bei einschränkender verfassungskonformer Interpretation; Erlassung der Richtlinien entweder im Rahmen der Organisationskompetenz zur Regelung des inneren Dienstes von Wachkörpern oder im Rahmen des vom (Gemeinde)Wachkörper vollzogenen Gesetzes gegeben, beschränkt auf Materien der Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes

Spruch

Der Antrag, § 89 Abs 4 und 5 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2006, als verfassungswidrig aufzuheben, wird samt Eventualanträgen abgewiesen.

Der Antrag, die Richtlinien-Verordnung, BGBl. Nr. 266/1993, als gesetzwidrig aufzuheben, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat Vorarlberg (im

Folgenden: UVS Vorarlberg) ist eine Beschwerde wegen behaupteten Verstoßes gegen die Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung - RLV), anhängig. Der Beschwerdeführer vertritt die Meinung, dass die im Vorfeld seiner Anhörung zu einer Strafsache nach dem Suchtmittelgesetz getätigte Auskunft des vernehmenden Beamten der Stadtpolizei Dornbirn, der zufolge der vom Beschwerdeführer als Vertrauensperson genannte Sozialarbeiter keine gesetzlich vorgesehene Vertrauensperson wäre und daher der Vernehmung nicht beigezogen werden könnte, falsch sei und eine Verletzung der Richtlinien-Verordnung darstelle.

1.2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellte der UVS Vorarlberg den Antrag an den Verfassungsgerichtshof,

"1. § 89 Abs 4 und 5 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl 566/1991 idF BGBl I 56/2006, in eventu

2. § 89 Abs 4 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl 566/1991 idF BGBl I 56/2006, in eventu

3. § 31 Abs 1 sowie § 89 Abs 4 und 5 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl 566/1991 idF BGBl I 56/2006, in eventu

4. § 31 Abs 1 und § 89 Abs 4 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl 566/1991 idF BGBl I 56/2006, in eventu

5. § 31 und § 89 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl 566/1991 idF BGBl I 56/2006, als verfassungswidrig aufzuheben".

2. Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. 566/1991 idF BGBl. I 56/2006, lauten wie folgt:

"Richtlinien für das Einschreiten

§31. (1) Der Bundesminister für Inneres hat zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen.

(2) In diesen Richtlinien ist zur näheren Ausführung gesetzlicher Anordnungen insbesondere vorzusehen, dass

1. bestimmte Amtshandlungen Organen mit besonderer Ausbildung vorbehalten sind;

2. die Bekanntgabe der Dienstnummern der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in einer der jeweiligen Amtshandlung angemessenen Weise, in der Regel durch Aushändigung einer mit der Dienstnummer, der Bezeichnung der Dienststelle und deren Telefonnummer versehenen Karte zu erfolgen hat;

3. vor der Ausübung bestimmter Befugnisse mögliche Betroffene informiert werden müssen;

4. bei der Ausübung bestimmter Befugnisse besondere Handlungsformen einzuhalten sind;

5. die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beim Eingriff in Rechte von Menschen auf die Erkennbarkeit ihrer Unvoreingenommenheit Bedacht zu nehmen haben, sodass ihr Einschreiten von den Betroffenen insbesondere nicht als Diskriminierung auf Grund ihres Geschlechtes, ihrer Rasse oder Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrer politischen Auffassung empfunden wird;

6. die Durchsuchung eines Menschen außer in Notfällen durch eine Person desselben Geschlechtes vorzunehmen ist;

7. der Betroffene über geschehene Eingriffe in seine Rechte in Kenntnis zu setzen ist;

8. der Betroffene in bestimmten Fällen auf sein Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes hinzuweisen ist und dass er deren Verständigung verlangen kann.

(3) Soweit diese Richtlinien auch für Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuständigkeitsbereich anderer Bundesminister gelten sollen, erlässt der Bundesminister für Inneres die Verordnung im Einvernehmen mit den in ihrem Wirkungsbereich berührten Bundesministern.

[...]

Beschwerden wegen Verletzung von Richtlinien
für das Einschreiten

§89. (1) Insoweit mit einer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, hat der unabhängige Verwaltungssenat sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten.

(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat (Abs1), eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, dass ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkte als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.

(3) Wenn dies dem Interesse des Beschwerdeführers dient, einen Vorfall zur Sprache zu bringen, kann die Dienstaufsichtsbehörde eine auf die Behauptung einer Richtlinienverletzung beschränkte Beschwerde zum Anlass nehmen, eine außerhalb der Dienstaufsicht erfolgende Aussprache des Beschwerdeführers mit dem von der Beschwerde betroffenen Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu ermöglichen. Von einer Mitteilung (Abs2) kann insoweit Abstand genommen werden, als der Beschwerdeführer schriftlich oder niederschriftlich erklärt, klaglos gestellt worden zu sein.

(4) Jeder, dem gemäß Abs 2 mitgeteilt wurde, dass die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.

(5) In Verfahren gemäß Abs 4 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind die §§67c bis 67g und 79a AVG sowie § 88 Abs 5 dieses Bundesgesetzes anzuwenden. Der unabhängige Verwaltungssenat entscheidet durch eines seiner Mitglieder."

3.1. Zur Präjudizialität führte der UVS Vorarlberg aus, dass nach § 5 Abs 2 Z 4 SPG auch Angehörige der Gemeindewachkörper zu den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gehören. Der Beamte, der die Vernehmung durchgeführt habe, sei ein Angehöriger einer Gemeindesicherheitswache. Die auf § 31 Abs 1 SPG basierende Verordnung des Bundesministers für Inneres sehe Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor, um neben der Sicherstellung eines einheitlichen Vorgehens auch die Gefahr eines Konfliktes mit den Betroffenen zu mindern. § 89 Abs 5 SPG bestimme, dass in Verfahren gemäß Abs 4 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat die §§67c bis 67g und § 79a AVG sowie § 88 Abs 5 SPG anzuwenden seien und dass der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden habe. Die Zuständigkeit des UVS Vorarlberg zur Erledigung der Beschwerde hänge schließlich davon ab, ob die angefochtenen Bestimmungen verfassungsmäßig seien.

3.2. In der Sache legte der UVS Vorarlberg seine Bedenken wie folgt dar:

"1. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass es sich nach der Konzeption des SPG bei der Frage, ob eine Richtlinie im Sinne einer gemäß § 31 Abs 3 SPG erlassenen Verordnung verletzt ist, um eine Frage des 'inneren Dienstes' im Sinne des Artikel 10 Abs 1 Z 14 B-VG handle; diese sei von der Materie, in der die betreffenden Organe einschreiten, unabhängig (vgl zB ). Der UVS Vorarlberg ist dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt (vgl zB Bescheid vom , 3-51-06/96/E1). Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die vorgenannte Rechtsauffassung allerdings nicht unumstritten ist (vgl Hauer/Kepplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, Seite 315, Anm A.4.l.ff., sowie Pürstl/Zirnsack, SPG, 2005, Anm 2 zu § 31).

2. Nach dem angesprochenen Artikel 10 Abs 1 Z 14 B-VG ist Bundessache die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten: 'Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie, Regelung der Errichtung und der Organisierung sonstiger Wachkörper mit Ausnahme der Gemeindewachkörper; Regelung der Bewaffnung der Wachkörper und des Rechtes zum Waffengebrauch;'

Weder aus der vorgenannten Bestimmung noch aus einer anderen verfassungsrechtlichen Regelung lässt sich aber eine Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für eine Regelung des inneren Dienstes von Angehörigen der Gemeindewachkörper ableiten. Vielmehr sind seit der B-VG-Novelle 1999 die Gemeindewachkörper gänzlich von Art 10 Abs 1 Z 14 B-VG ausgenommen.

3. Diese Erwägungen begründen nach Ansicht des UVS Vorarlberg Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 31 SPG, weil nach dessen Abs 1 der Bundesminister für Inneres für alle Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, somit auch für die Angehörigen der Gemeindesicherheitswachen, Richtlinien für das Einschreiten zu erlassen hat, obwohl dem Bundesgesetzgeber für die Erlassung einer solchen Gesetzesbestimmung hinsichtlich der Angehörigen der Gemeindesicherheitswachen keine verfassungsrechtliche Zuständigkeit zukommt.

Die gleichen Bedenken bestehen sinngemäß hinsichtlich des § 89 Abs 4 SPG, weil nach dieser Bestimmung der unabhängige Verwaltungssenat unter den dort genannten Voraussetzungen über Antrag festzustellen hat, ob eine gemäß § 31 SPG festgelegte Richtlinie verletzt worden ist. Es fehlt auch eine verfassungsrechtliche Grundlage für eine Regelung durch den Bundesgesetzgeber, dass der unabhängige Verwaltungssenat über eine Verletzung einer Richtlinie durch ein Organ einer Gemeindesicherheitswache zu entscheiden hat.

Den § 89 Abs 5 SPG hat der UVS auch hinsichtlich einer ein Gemeindesicherheitswacheorgan betreffenden Beschwerde in 'Handhabung' für den Bund anzuwenden, obwohl es dabei nach den obigen Bedenken um eine Angelegenheit der Landesvollziehung geht (vgl Art 11 Abs 4 B-VG). Die im Art 129b Abs 6 B-VG festgelegte Kompetenz des Bundes zur Regelung des Verfahrens meint lediglich die im Art 11 Abs 2 B-VG angelegte Bedarfskompetenz des Bundes."

4. In ihrer Äußerung vom trat die Bundesregierung den Bedenken des UVS Vorarlberg entgegen. Sie beantragte die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des vorliegenden Primär- bzw. Eventualantrags.

4.1. Zu den Prozessvoraussetzungen verwies die Bundesregierung auf § 62 Abs 1 VfGG, dem zufolge die in einem Antrag auf Aufhebung bestehenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung im Einzelnen darzulegen sind. Die Behauptung des Antragstellers, die bekämpften Gesetzesstellen verstoßen gegen eine - wenn auch näher bezeichnete - Verfassungsbestimmung, genüge nicht. Vielmehr müsse konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen den aufzuhebenden Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten sei.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des UVS Vorarlberg würden sich im Wesentlichen gegen die Kompetenzmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage (§31 SPG) für die Richtlinien-Verordnung richten. Hinsichtlich des mit Primär- und Eventualantrag ebenfalls angefochtenen § 89 Abs 4 SPG beschränke sich die Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung sprechenden Bedenken darauf, dass die gleichen Bedenken sinngemäß bestünden. Damit werde dem Erfordernis der hinreichenden Darlegung und Präzisierung der Bedenken nicht entsprochen.

4.2. Zur Sache äußerte sich die Bundesregierung wie folgt (Hervorhebungen wie im Original):

"1. Gemäß Art 10 Abs 1 Z 14 B-VG obliegt dem Bund die Gesetzgebung und Vollziehung hinsichtlich der Organisation und Führung der Bundespolizei und Bundesgendarmerie. Aufgrund dieses Kompetenztatbestandes können (gendarmerie-)interne Angelegenheiten geregelt werden, nicht aber Vorschriften erlassen werden, die der Gendarmerie bestimmte Exekutivaufgaben zuweisen (Mayer, B-VG3 (2002) Art 10 B-VG I.14.). Der Begriff des 'inneren Dienstes' umfasst im Wesentlichen nichts anderes als jene Angelegenheiten, die für die Aufrechterhaltung und die Besorgung jedes Dienstbetriebes notwendig sind (Pürstl/Zirnsack, SPG (2005) § 10 Anm 6). Im Erkenntnis VfSlg. 13.021/1992 führte der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf VfSlg. 4733/1964 aus, dass Regelungen, die niemandes subjektive Rechte berühren, als innerdienstliche zu qualifizieren sind.

Das Sicherheitspolizeigesetz regelt die Angelegenheiten des inneren Dienstes ausdrücklich (und an einer von § 31 SPG verschiedenen Stelle); konkret zählt diese § 10 Abs 2 Z 1 bis 7 SPG demonstrativ auf. Systematisch sind die Regelungen des inneren Dienstes im 1. Teil, 2. Hauptstück: Organisation der Sicherheitsverwaltung geregelt. Die Ermächtigung des § 31 SPG für die Richtlinien-Verordnung findet sich im 3. Teil: Befugnisse der Sicherheitsbehörden und der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen der Sicherheitspolizei. Unter einer Befugnis ist allgemein eine Ermächtigung an die Sicherheitsbehörden und ihre Organe zu verstehen, zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Rechte von Menschen einzugreifen. Dies kann durch einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgen, wogegen der Betroffene umfassenden Rechtsschutz (8. Teil SPG) hat.

2. § 31 SPG zielte auf die Schaffung eines Berufspflichtenkodex ab. Die parlamentarischen Materialien (RV 148 BlgNR 18. GP, Allgemeiner Teil, sowie zu § 31) legen dar, dass dieser Berufspflichtenkodex im Verordnungswege zu erlassen ist, um den Bürger die Kenntnis, welches Verhalten der Angehörigen der Sicherheitsexekutive er erwarten könne, zu ermöglichen. Aus den Erläuterungen (aaO) ist erschließbar, dass der Geltungsbereich der Richtlinien-Verordnung auf den Bereich der Sicherheitsverwaltung beschränkt sein sollte, aber auch außerhalb dieses Bereichs Geltung erlangen könne; [...]

Für den Bereich der Sicherheitsverwaltung lässt sich eine Verpflichtung des Bundesministers für Inneres zur Erlassung der Richtlinien-Verordnung ableiten (arg: 'hat' in § 31 Abs 1 SPG; siehe auch Wiederin, Sicherheitspolizeirecht, Rz 398). Soll die Richtlinien-Verordnung außerhalb der Sicherheitsverwaltung für Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuständigkeitsbereich anderer Bundesministerien gelten, so ist die Verordnung im Einvernehmen mit den in ihren Wirkungsbereichen berührten Bundesministern zu erlassen (§31 Abs 3 SPG). Weder aus dem Wortlaut noch aus den Materialien lässt sich der Schluss ableiten, dass die Richtlinien-Verordnung in Verwaltungsbereichen der Landesvollziehung Geltung erlangen soll (siehe auch Hauer/Kepplinger, Sicherheitspolizeigesetz3, 317).

Bei Vollziehung der Sicherheitsverwaltung, aber auch anderer Angelegenheiten der Bundesverwaltung, die von der Verordnung nach § 31 SPG erfasst sind, haben daher alle Organe des Sicherheitsdienstes, somit auch Gemeindewachkörper, die Richtlinien-Verordnung anzuwenden.

3. § 31 Abs 2 SPG bezeichnet demonstrativ solche Regelungsbereiche, hinsichtlich welcher die Richtlinien-Verordnung jedenfalls im Zusammenhang mit dem Einschreiten gegenüber dem Bürger Anordnungen vorzusehen hat. Diese, den 'Kontakt' mit dem Bürger regelnden Bereiche, lassen sich nicht auf den Themenbereich des 'inneren Dienstes' reduzieren (Hauer/Kepplinger, aaO, 317; siehe auch

Wiederin, aaO, Rz 405, nach welchem sich '... die Richtlinien ...

kompetenzrechtlich nicht über einen Kamm scheren lassen ...') und weisen einen deutlich näheren Bezug zur jeweiligen Verwaltungsmaterie auf (Pürstl/Zirnsack, aaO, § 31 Anm 2). Die Verpflichtung zur Bekanntgabe der Dienstnummer (§31 Abs 2 Z 2 SPG) ist nicht der vollzogenen Materie zuzurechnen und findet in Art 10 Abs 1 Z 14 B-VG ihre Kompetenzgrundlage. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass alle anderen Richtlinieninhalte Organisationsrecht sind; Wiederin (aaO) verneint dies hinsichtlich der § 31 Abs 2 Z 3, 4, 6ff SPG ausdrücklich.

Mit Blick auf das beim UVS anhängige Beschwerdeverfahren ist auch auf § 37 Abs 1 Jugendgerichtsgesetz 1988 hinzuweisen, welcher nähere Regelungen hinsichtlich der Befragung eines Jugendlichen zur Sache durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Belehrung über die Beiziehung einer Vertrauensperson enthält. Diese Bestimmung weist einen engeren Bezug zur Sachmaterie als zum Organisationsrecht auf.

Bezogen auf die dem konkreten Fall zugrunde liegende Bestimmung des § 31 Abs 2 Z 8 SPG ist festzuhalten, dass diese Bestimmung nicht generell die Fälle der Belehrung über die Möglichkeit zur Beiziehung einer Vertrauensperson regelt, sondern an die jeweilige materiengesetzliche Regelung anknüpft (arg: 'in bestimmten Fällen').

Zusammenfassend vertritt die Bundesregierung in der Sache daher die Ansicht, dass sich die Ermächtigung zur Erlassung der Richtlinien-Verordnung auf den Bereich der Sicherheitsverwaltung beschränkt und im Zusammenhang mit § 31 Abs 3 SPG auf andere Bereiche der Bundesverwaltung Anwendung finden kann."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge erwogen:

1. Zum Antrag gemäß Art 140 B-VG:

1.1. Der Antrag ist zulässig.

1.1.1. Im Antrag werden die Bedenken gegen § 31 Abs 1 SPG unbestrittenermaßen im Einzelnen dargelegt. Hinsichtlich § 89 Abs 4 SPG führt der antragstellende UVS zwar nur aus, dass die gleichen Bedenken wie gegen § 31 SPG "sinngemäß" bestünden. Darin liegt jedoch kein Verstoß gegen das Gebot des § 62 Abs 1 VfGG. § 89 Abs 4 SPG begründet nämlich bloß die Zuständigkeit des UVS zur Entscheidung über die Verletzung jener Richtlinien, die auf Grundlage des § 31 Abs 1 SPG, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit der UVS Bedenken hat, ergangen sind. Die Darlegung von Bedenken gegen § 89 Abs 4 SPG müsste sich zwangsläufig in der Wiederholung der Bedenken gegen § 31 Abs 1 SPG erschöpfen. Im Übrigen fügt der antragstellende UVS ausdrücklich hinzu, dass es an einer verfassungsrechtlichen Grundlage für eine Regelung durch den Bundesgesetzgeber fehle, der zufolge der UVS über eine Verletzung einer Richtlinie durch ein Organ einer Gemeindesicherheitswache zu entscheiden habe. Damit aber ist den Anforderungen des § 62 Abs 1 VfGG Genüge getan.

1.1.2. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung ist der Antrag auch nicht zu weit gefasst. Zwar betrifft der im Anlassfall behauptete Verstoß gegen die Richtlinien-Verordnung (nur) jene Bestimmung, zu deren Erlassung § 31 Abs 2 Z 8 SPG ausdrücklich ermächtigt. Zu bedenken ist jedoch, dass die allgemeine Ermächtigung zur Erlassung der Richtlinien-Verordnung in Abs 1 enthalten ist und die Aufzählung in Abs 2 eine bloß demonstrative ist (arg. "insbesondere"). Das bedeutet, dass eine Richtlinienbestimmung wie die vom antragstellenden UVS anzuwendende auch ohne Bestehen des § 31 Abs 2 Z 8 SPG erlassen werden könnte und es daher - im Fall des Zutreffens der Bedenken des antragstellenden UVS - zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit nicht ausreichen würde, eine Wortfolge in § 31 Abs 2 Z 8 SPG aufzuheben, vielmehr müsste § 31 Abs 1 SPG aufgehoben werden.

1.2. In der Sache:

1.2.1. Der antragstellende UVS geht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) davon aus, dass die Erlassung einer Richtlinien-Verordnung eine Frage des "inneren Dienstes" und damit der "Organisation" der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie bzw. der "Organisierung" sonstiger Wachkörper iSd Art 10 Abs 1 Z 14 B-VG sei. Da Gemeindewachkörper vom Kompetenztatbestand ausgenommen seien, mangle es an einer Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers, eine Ermächtigung zur Erlassung des Einschreitens "für alle Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes", mithin auch für Angehörige eines Gemeindewachkörpers, einzuräumen.

1.2.2. Der Verfassungsgerichtshof geht zunächst davon aus, dass Regelungen, die in einer Richtlinien-Verordnung auf der Grundlage des § 31 Abs 1 SPG getroffen werden, kompetenzrechtlich entweder als solche in Angelegenheiten des inneren Dienstes eines Wachkörpers getroffen werden können (Art10 Abs 1 Z 14 B-VG, unten 1.2.3.) oder aber von jener Kompetenz erfasst sind, in deren Rahmen das Gesetz erlassen wurde, das vom Wachkörper vollzogen wird (unten 1.2.4.).

1.2.3. Eine auf der Grundlage des § 31 Abs 1 SPG ergangene Richtlinien-Verordnung wird jedenfalls insoweit im Rahmen des Kompetenztatbestandes des Art 10 Abs 1 Z 14 B-VG erlassen, als sie Angelegenheiten des "inneren Dienstes" zum Gegenstand hat. Damit sind im Wesentlichen all jene Angelegenheiten umfasst, die für die Aufrechterhaltung und Besorgung des Dienstbetriebes erforderlich sind (vgl. nur die Aufzählung in § 10 Abs 2 SPG).

Zwar enthält der Wortlaut keine dem verfassungsgesetzlichen Kompetenztatbestand entsprechende Einschränkung. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass eine umfassende Ermächtigung zur Regelung des Dienstbetriebs geschaffen werden sollte. Dies erhellt allein schon daraus, dass § 31 SPG keineswegs auf den inneren Dienst beschränkt ist, wie bereits die Unterschiede zwischen den beiden demonstrativen Aufzählungen in § 10 Abs 2 SPG einerseits und in § 31 Abs 2 SPG andererseits zeigen.

1.2.4. Soweit aber in § 31 Abs 2 SPG auf bestimmte Befugnisse Bezug genommen wird (Z3, 4) oder auf (Grund)Rechtseingriffe (Z6, 7) bzw. bestimmte Fälle (Z8) Bezug genommen wird, knüpft der Gesetzgeber an das jeweilige Materiengesetz an und ist die Gesetzgebungskompetenz insoweit nicht in Art 10 Abs 1 Z 14 B-VG, sondern in den entsprechenden Kompetenztatbeständen begründet (Wiederin, Sicherheitspolizeirecht, 1998, Rz 405). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Ermächtigung des § 31 SPG - was etwa Richtlinien mit Bezug zu bestimmten Befugnissen oder Eingriffen in Grundrechte und sonstige subjektive öffentliche Rechte betrifft - in jeder Hinsicht auf Art 10 Abs 1 Z 14 B-VG gestützt werden kann.

1.2.5. Entgegen der Ansicht des antragstellenden UVS erstreckt sich die Verordnungsermächtigung des § 31 Abs 1 SPG nicht auf den inneren Dienst anderer als der in Art 10 Abs 1 Z 14 B-VG genannten Wachkörper. Ein weiter gehendes Verständnis dahingehend, dass § 31 Abs 1 SPG auch zu Regelungen des inneren Dienstes von Gemeindewachkörpern ermächtigt, würde die Regelung verfassungswidrig erscheinen lassen. Der Wortlaut des § 31 SPG und die Systematik des SPG lassen ein derartiges weites Verständnis zwar zu, gebieten es aber nicht. Die angefochtene Regelung erweist sich sohin jedenfalls insoweit nicht als verfassungswidrig.

1.2.6. Soweit aber die Verordnungsermächtigung - wie in den angeführten Tatbeständen des § 31 Abs 2 SPG - auf andere Kompetenztatbestände etwa aus der Sicherheitsverwaltung (Art10 Abs 1 Z 7 B-VG) gestützt ist, ist sie ebenso wenig verfassungswidrig. Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, ist der Bundesgesetzgeber in diesen Fällen zuständig, zur Erlassung einer Richtlinien-Verordnung mit der Wirkung zu ermächtigen, dass insoweit alle Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, mithin auch Gemeindewachkörper, soweit sie in Angelegenheiten der Bundesvollziehung einschreiten, gebunden werden. Die Ermächtigung (und Verpflichtung) in § 31 Abs 2 SPG, zur näheren Ausführung gesetzlicher Anordnungen vorzusehen, dass der Betroffene "in bestimmten Fällen" auf sein Recht auf Beiziehung eines Rechtsbeistandes hinzuweisen ist und dass er deren Verständigung verlangen kann (Z8), ist von der Kompetenz der jeweils vollzogenen Materie erfasst.

1.2.7. Der Verfassungsgerichtshof geht ferner davon aus, dass die Ermächtigung des § 31 Abs 1 SPG hinsichtlich jener Richtlinienbestimmungen, die kompetenzrechtlich nicht auf die Organisationskompetenz gestützt sind, auf Materien, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind, beschränkt ist (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz3, 2005, 318). Ein weiter gehendes Verständnis dahingehend, dass § 31 Abs 1 SPG auch zu Regelungen im Zusammenhang mit dem Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in der Landesvollziehung, wie zB dem Einschreiten im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei, ermächtigt, würde die Regelung verfassungswidrig erscheinen lassen. Da auch insoweit der Wortlaut des § 31 SPG und die Systematik des SPG ein derartiges weites Verständnis zwar zulassen, aber nicht gebieten, ist die angefochtene Regelung einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich. Sie erweist sich insgesamt als nicht verfassungswidrig.

1.2.8. Da sich § 31 SPG als verfassungskonform erweist, treffen die vom UVS auch im Hinblick auf § 89 Abs 4 SPG vorgetragenen Bedenken, die "sinngemäß" bestehen sollen, nicht zu. Warum eine verfassungsrechtliche Grundlage für eine Zuständigkeit des UVS zur Entscheidung über eine Verletzung einer Richtlinie durch ein Organ einer Gemeindesicherheitswache fehlt, ist angesichts der Regelung des Art 129a Abs 1 Z 3 B-VG unerfindlich und hätte einer näheren Darlegung bedurft.

2. Zum Antrag nach Art 139 B-VG:

Die zur Richtlinien-Verordnung, BGBl. 266/1993, dargelegten Bedenken erschöpfen sich darin, dass die Rechtsgrundlage verfassungswidrig ist. Da dies aber nicht zutrifft, ist der Antrag abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.