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VfGH vom 19.06.2008, G259/07

VfGH vom 19.06.2008, G259/07

Sammlungsnummer

18488

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit und keine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Ausschlusses der Anwendung der gewerberechtlichen Bestimmungen über den Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe bzw den individuellen Befähigungsnachweis im Güterbeförderungsgesetz; Befreiung von der Prüfung für die Konzessionserteilung bei praktischer Berufserfahrung gemeinschaftsrechtlich im Ermessen der Mitgliedstaaten; keine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes hinsichtlich der Festlegung sachlich gleichwertiger Ausbildungsalternativen

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich

(UVS NÖ) stellt gemäß Art 140 Abs 1 B-VG aus Anlass von zwei bei ihm anhängigen Berufungsverfahren den Antrag, die Wortfolge "§§18 und 19 GewO sind nicht anzuwenden." in § 5 Abs 4 des Bundesgesetzes über die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen (Güterbeförderungsgesetz 1995 - GütbefG), BGBl. I 593 idF BGBl. I 23/2006, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Zur Rechtslage:

2.1. § 5 Abs 4 GütbefG, BGBl. I 593/1995 idF BGBl. I 23/2006, lautet (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Die Voraussetzung der fachlichen Eignung (Befähigungsnachweis) wird nachgewiesen durch

1. eine Bescheinigung über die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung vor einer Prüfungskommission, die vom Landeshauptmann bestellt wird, oder

2. eine Bescheinigung der Prüfungskommission auf Grund von Universitäts-, Fachhochschul- oder Fachschuldiplomen, die gründliche Kenntnisse aller Sachgebiete der Prüfung im Sinne des Abs 6 Z 1 gewährleisten. Werden durch die Universitäts-, Fachhochschul- oder Fachschuldiplome nicht alle Sachgebiete der Prüfung abgedeckt, so ersetzt die Bescheinigung die Prüfung im Sinne der Z 1 nur für jene Sachgebiete, für die auf Grund der Universitäts-, Fachhochschul- oder Fachschuldiplome gründliche Kenntnisse gewährleistet sind.

§§18 und 19 GewO 1994 sind nicht anzuwenden."

2.2. Die §§18 und 19 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. 194 idF BGBl. I 111/2002, sehen folgende Möglichkeiten des Befähigungsnachweises vor:

"Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe

§18. (1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat für jedes reglementierte Gewerbe, hinsichtlich der im § 94 Z 14, 32, 33, 41 und 46 genannten Gewerbe und hinsichtlich des im § 94 Z 42 genannten Gewerbes, soweit es sich um die Tätigkeiten des Piercens und Tätowierens handelt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind. Dabei hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu berücksichtigen, dass bei reglementierten Gewerben, bei denen der Qualifikation auf Grund der Richtlinie 92/51/EWG über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung der Richtlinie 89/48/EWG oder der Richtlinie 89/48/EWG über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome Diplomniveau zukommt, dieses Diplomniveau gewahrt bleibt.

(2) Als Belege im Sinne des Abs 1 kommen in Betracht


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1.
Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung bei den im § 94 als Handwerke bezeichneten reglementierten Gewerben oder über eine sonstige Befähigungsprüfung;


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2. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Unternehmerprüfung;


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3.
Zeugnis über den Abschluss einer Studienrichtung an einer Universität;


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4.
Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines Fachhochschul-Studienganges;


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5. Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Schule;


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6. Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines Lehrganges;


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7. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung;


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8. Zeugnis über eine fachliche Tätigkeit;


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9. Zeugnis über eine Tätigkeit in leitender Stellung;

10. Zeugnis über eine Tätigkeit als Betriebsleiter;

11. Nachweise über eine Tätigkeit als Selbstständiger.

(3) Unter fachlicher Tätigkeit (Abs2 Z 8) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die geeignet ist, die Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln, die zur selbstständigen Ausübung des betreffenden Gewerbes erforderlich sind. Unter Tätigkeit in leitender Stellung (Abs2 Z 9) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die überwiegend mit fachspezifischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens verbunden ist. Unter Tätigkeit als Betriebsleiter (Abs2 Z 10) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die in einer der folgenden Funktionen ausgeübt wurde

1. als Leiter des Unternehmens oder einer Zweigniederlassung oder


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2.
als Stellvertreter des Unternehmers oder des Leiters des Unternehmens, wenn mit dieser Stellung eine Verantwortung verbunden ist, die der des vertretenen Unternehmers oder Leiters entspricht oder


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3.
in leitender Stellung je nach der Eigenart des betreffenden Gewerbes mit kaufmännischen oder mit kaufmännischen und technischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens.

(4) Wenn es Gründe der Abwehr von besonderen Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen erfordern, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung festzulegen, dass Zeugnisse im Sinne des Abs 2 für ein Gewerbe nicht mehr zu berücksichtigen sind, wenn der Inhaber des Zeugnisses seit der Prüfung, dem Abschluss der Ausbildung oder seit der fachlichen Tätigkeit, die durch das betreffende Zeugnis bescheinigt wird, zehn Jahre nicht mehr die den Gegenstand des betreffenden Gewerbes bildenden Tätigkeiten ausgeübt hat.

(5) Bei Schulen, bei denen eine Abschlussprüfung vorgesehen ist, ist der erfolgreiche Besuch (Abschluss) durch das Abschlussprüfungszeugnis (Reifeprüfungszeugnis), bei Schulen, bei denen keine Abschlussprüfung vorgesehen ist, durch das Abschlusszeugnis (Jahreszeugnis) nachzuweisen.

(6) Ob und inwieweit durch ein Zeugnis einer ausländischen Universität, eines ausländischen Fachhochschul-Studienganges, einer ausländischen Schule oder eines ausländischen Lehrganges die für die Ausübung eines reglementierten Gewerbes erforderlichen fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben wurden, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit im Einzelfall zu bestimmen.

(7) Der Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Gärtner (§94 Z 24) kann auch durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Gärtnermeisterprüfung gemäß den Vorschriften über die land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildung erbracht werden.

Individueller Befähigungsnachweis

§ 19. Kann der nach § 18 Abs 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß § 18 Abs 4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt.

§373c Abs 7 ist sinngemäß anzuwenden."

2.3. Art 3 Abs 4 der Richtlinie 96/26/EG des Rates vom über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr sowie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die Beförderung von Gütern und die Beförderung von Personen im Straßenverkehr und über Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit der betreffenden Verkehrsunternehmer (ABl. 1996 L 124, S 1) idF der Änderungsrichtlinie 98/76/EG (ABl. 1998 L 277, S 17) lautet:

"(4) a) Die Voraussetzung der fachlichen Eignung ist erfüllt, wenn die dem Ausbildungsniveau gemäß Anhang I entsprechenden Kenntnisse in den in diesem Anhang aufgeführten Sachgebieten nachgewiesen wurden. Dieser Nachweis wird mittels einer obligatorischen schriftlichen Prüfung und gegebenenfalls einer ergänzenden mündlichen Prüfung erbracht, wie in Anhang I beschrieben, die von der vom jeweiligen Mitgliedstaat für diesen Zweck benannten Behörde oder Stelle durchgeführt werden.

b) Die Mitgliedstaaten können die Bewerber, die eine praktische Erfahrung von mindestens fünf Jahren in leitender Funktion in einem Verkehrsunternehmen nachweisen, von der Prüfung befreien, sofern diese Bewerber sich einer Kontrollprüfung unterziehen, deren Modalitäten von den Mitgliedstaaten nach Anhang I festgelegt werden.

c) Die Mitgliedstaaten können die Inhaber bestimmter Hochschul- oder Fachschuldiplome, die gründliche Kenntnisse in den in der Liste in Anhang I aufgeführten Sachgebieten gewährleisten, von der Prüfung in den von den Diplomen abgedeckten Sachgebieten befreien; diese Diplome werden von den Mitgliedstaaten eigens bezeichnet.

d) Als Nachweis der fachlichen Eignung muss eine Bescheinigung vorgelegt werden, die von der unter Buchstabe a) genannten Behörde oder Stelle ausgestellt worden ist. Diese Bescheinigung wird nach dem Modell des Anhangs Ia erstellt.

e) Im Fall von Bewerbern, die die tatsächliche und dauerhafte Leitung von Unternehmen wahrnehmen wollen, die nur im innerstaatlichen Verkehr tätig sind, können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die für die Feststellung der fachlichen Eignung zu berücksichtigenden Kenntnisse lediglich die Sachgebiete des innerstaatlichen Verkehrs betreffen. In diesem Fall wird in der Bescheinigung über die fachliche Eignung (Modell in Anhang Ia) angegeben, dass der Inhaber der Bescheinigung nur zur tatsächlichen und dauerhaften Leitung von Unternehmen befugt ist, die lediglich Beförderungen innerhalb des Mitgliedstaats vornehmen, der die Bescheinigung erteilt hat.

f) Nach Anhörung der Kommission kann ein Mitgliedstaat verlangen, dass jede natürliche Person, die Inhaber eines Befähigungsnachweises ist, der von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats nach dem ausgestellt wurde, während die betreffende Person ihren ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaats hatte, sich einer zusätzlichen Prüfung zu unterziehen hat, die von der von dem ersten Mitgliedstaat für diesen Zweck benannten Behörde oder Stelle durchgeführt wird. Gegenstand der zusätzlichen Prüfung sind die spezifischen Kenntnisse über die nationalen Aspekte des Berufs des Verkehrsunternehmers in dem ersten Mitgliedstaat. Dieser Buchstabe gilt für einen Zeitraum von drei Jahren ab dem . Der Rat kann diesen Zeitraum auf Vorschlag der Kommission gemäß dem Vertrag um höchstens fünf Jahre verlängern. Er gilt nur für natürliche Personen, die zum Zeitpunkt der Erteilung des Befähigungsnachweises gemäß Unterabsatz 1 nie zuvor einen entsprechenden Nachweis in einem Mitgliedstaat erworben haben."

2.4. In den Materialien (RV 1159 BlgNR 22. GP) wird der explizite Ausschluss der Anwendung der §§18 und 19 GewO 1994 in § 5 Abs 4 GütbefG folgendermaßen begründet:

"Die Erbringung des Befähigungsnachweises, wie sie in §§18 und 19 GewO 1994 normiert ist, ist gemäß Artikel 3 Abs 4 Richtlinie 96/26/EG idgF nicht möglich. Daher ist die Anwendung diese[r] Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 auszuschließen."

3. Beim antragstellenden UVS sind zwei Verfahren über Berufungen gegen Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich anhängig, mit denen einerseits das Ansuchen eines Berufungswerbers um Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für die Ausübung des Gewerbes "grenzüberschreitender Güterverkehr" sowie andererseits das Ansuchen einer berufungswerbenden Gesellschaft um Genehmigung der Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes "grenzüberschreitender Güterverkehr" abgewiesen wurden.

4. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung führt der antragstellende UVS aus, dass in beiden Verfahren die Abweisung vom Landeshauptmann für Niederösterreich im Wesentlichen damit begründet worden sei, dass die Anwendung der Bestimmungen der Gewerbeordnung über die individuelle Befähigung (§§18 und 19 GewO 1994) durch die abschließende Regelung des zu erbringenden Befähigungsnachweises in § 5 Abs 4 GütbefG ausdrücklich ausgeschlossen worden sei und § 17 GewO 1994 keine Anwendung finde.

5. In der Sache hegt der antragstellende UVS das Bedenken, dass der Ausschluss der Anwendung der Bestimmungen der §§18 und 19 GewO 1994 gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verstoße. Er begründet dies damit, dass bei sämtlichen in der Gewerbeordnung geregelten Gewerben, für die der Nachweis einer Befähigung erforderlich ist, die Möglichkeit eines individuellen Befähigungsnachweises bestehe. Eine sachliche Rechtfertigung für eine Sonderregelung im Interesse der Gewährleistung der Verkehrssicherheit und der Aufrechterhaltung des Fahrbetriebes sei nicht erkennbar.

Der UVS zitiert darüber hinaus eine "Stellungnahme des Landeshauptmannes von Niederösterreich" vom , in der dieser seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 4 GütbefG hinsichtlich Art 18 StGG darlegt. In der genannten "Stellungnahme" wird ausgeführt, dass nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes angesichts der Standardisierung von Ausbildungsgängen und Prüfungsanforderungen Nachsichtsregelungen vorgesehen werden müssten (VfSlg. 14.963/1997 ua.) und gemäß Art 18 StGG gleichwertige Ausbildungsalternativen ohne Diskriminierung zu berücksichtigen seien (VfSlg. 13.094/1992, 16.734/2002). Außerdem sehe - so die "Stellungnahme des Landeshauptmannes von Niederösterreich" weiter - Art 3 Abs 4 litb der Richtlinie 96/26/EG vor, dass die Mitgliedstaaten Bewerber, die eine praktische Erfahrung von mindestens fünf Jahren in leitender Funktion in einem Verkehrsunternehmen nachweisen, von der Prüfung befreien, sofern sich diese Bewerber einer Kontrollprüfung unterziehen, deren Modalitäten von den Mitgliedstaaten festgelegt werden können. In den Erwägungsgründen sei weiters ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten einen Bewerber von der Prüfung befreien könnten, wenn er genügend praktische Erfahrung nachweise. Nach Ansicht des UVS NÖ sei der Gesetzgeber auf diese Bedenken in keiner Weise eingegangen.

6. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Bestimmung wolle der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von 18 Monaten bestimmen.

6.1. Zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrags des UVS NÖ vertritt die Bundesregierung die Ansicht, dass jene Teile des Antrags, die sich darauf beschränken, eine "Stellungnahme des Landeshauptmannes von Niederösterreich" wortwörtlich zu übernehmen, ohne offen zu legen, welche eigenen diesbezüglichen Bedenken der antragstellende UVS hegt, nicht die Anforderungen des zweiten Satzes des § 62 Abs 1 VfGG erfüllen, wonach Anträge nach Art 140 B-VG die gegen die angefochtenen Bestimmungen erhobenen Bedenken im Einzelnen darzulegen haben.

6.2. Zu den vom UVS NÖ erhobenen Bedenken bringt die Bundesregierung vor, dass der österreichische Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Güterbeförderungsrechtes an gemeinschaftsrechtliche Vorgaben gebunden sei und dabei insbesondere die Richtlinie 96/26/EG umzusetzen habe. Art 3 Abs 4 litb leg.cit. sehe vor, dass die Mitgliedstaaten bei Bewerbern, die qualifizierte praktische Erfahrungen in leitender Funktion in einem Verkehrsunternehmen aufweisen können, von der Ablegung der in lita vorgesehenen Prüfung zwar absehen könnten, die Bewerber sich in einem solchen Fall jedoch einer Kontrollprüfung zu unterziehen hätten. Die Modalitäten der Kontrollprüfung nach litb seien ebenso wie die Regelprüfung gemäß lita der genannten Bestimmung nach Anhang I der Richtlinie festzulegen und hätten somit insbesondere denselben Prüfungsstoff und denselben Ablauf wie diese. Der in der "Stellungnahme des Landeshauptmannes von Niederösterreich" zitierte Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 96/26/EG, wonach Mitgliedstaaten einen Bewerber von der Prüfung befreien könnten, wenn er genügend praktische Erfahrung nachweise, entstamme der Stammfassung der genannten Richtlinie, die im Unterschied zur geltenden Fassung noch eine Nachsichtsmöglichkeit von der Prüfung vorgesehen habe. Die Anwendung der §§18 und 19 GewO 1994 würde somit das dem österreichischen Gesetzgeber von Art 3 Abs 4 der Richtlinie 96/26/EG eingeräumte Ermessen überschreiten. Da die Kontrollprüfung nach Art 3 Abs 4 litb leg.cit. keinerlei Erleichterung im Vergleich zur Regelprüfung nach lita dieser Bestimmung darstelle, habe sich der Gesetzgeber dagegen entschieden, eine solche vorzusehen. Zudem habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 17.207/2004 ausgesprochen, dass es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sei, im Güterbeförderungsrecht vom allgemeinen Gewerberecht abweichende Regelungen zu treffen und ein eigenes Regelungssystem, das nur in sich selbst sachlich sein müsse, aufzustellen. Eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Wortfolge bestehe sohin nicht.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Antrag ist zulässig.

1.1. Gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz VfGG haben Anträge gemäß Art 140 B-VG die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Nach Ansicht der Bundesregierung erfüllen jene Teile des Antrags, die sich darauf beschränken, eine "Stellungnahme des Landeshauptmannes von Niederösterreich" wortwörtlich zu übernehmen, diese Anforderungen nicht. Sie hegt daher Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Meinung nicht. Zwar wird nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein Antrag dem Erfordernis der Darlegung von Bedenken dann nicht gerecht, wenn lediglich auf einen in einem anderen Verfahren eingebrachten Schriftsatz oder auf ein nicht durch Wiedergabe in seinem Wortlaut oder durch Beischluss als Anlage zum Inhalt der Begründung gemachtes Rechtsgutachten verwiesen wird (vgl. zB VfSlg. 8241/1978, 8308/1978, 11.507/1987, 12.947/1991). Wenn aber der UVS NÖ den Inhalt einer "Stellungnahme des Landeshauptmannes von Niederösterreich" zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 4 GütbefG unter wörtlicher Wiedergabe dieser Stellungnahme zum Inhalt der Begründung seines Antrages macht und ihr hinzufügt, dass der Gesetzgeber auf diese Bedenken in keiner Weise eingegangen sei, so steht dies nicht im Widerspruch zu § 62 Abs 1 zweiter Satz VfGG (vgl. auch VfSlg. 12.947/1991). Darüber hinaus übersieht die Bundesregierung, dass selbst im Falle, dass die wörtlich wiedergegebene "Stellungnahme des Landeshauptmannes von Niederösterreich" nicht den Anforderungen des § 62 Abs 1 zweiter Satz VfGG entspräche, sich der Verfassungsgerichtshof zwar zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken hätte, der Antrag des UVS NÖ insgesamt jedoch jedenfalls als zulässig zu erachten wäre, da der UVS NÖ in seinem Antrag auch eigene, selbständig formulierte Bedenken darlegt.

1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag des UVS NÖ zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof teilt jedoch die im Antrag dargelegten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 4 GütbefG nicht.

2.1. Diese Bedenken bestehen einerseits darin, dass es unsachlich sei, wenn die sonst in der GewO 1994 vorgesehene Möglichkeit eines individuellen Befähigungsnachweises für den Bereich des Güterbeförderungsgewerbes ausgeschlossen wird. Andererseits wird vom antragstellenden UVS ein Widerspruch zu jener Judikatur des Verfassungsgerichtshofes angenommen, derzufolge (gemäß Art 18 StGG) gleichwertige Ausbildungsalternativen ohne Diskriminierung zu berücksichtigen seien. Schließlich wird bemängelt, dass der österreichische Gesetzgeber die in Art 3 Abs 4 litb der Richtlinie 96/26/EG vorgesehene Befreiung von der Prüfung nach lita leg.cit. nicht umgesetzt habe.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur die Auffassung vertreten, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des Art 6 StGG Regelungen treffen darf, mit denen der Erwerbsantritt von der Absolvierung bestimmter Berufsausbildungsgänge abhängig gemacht wird, die (für die gehörige Ausübung und damit für den Antritt eines Erwerbszweiges) im öffentlichen Interesse gelegen, zu dessen Verwirklichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt sind. Er ist dabei kraft Art 18 StGG verhalten, die Absolvierung ihrer Art nach gleichwertiger Ausbildungsgänge als Erwerbsantrittsvoraussetzungen nicht schlechthin auszuschließen. Verfassungswidrig wäre nach dieser Judikatur eine rechtliche Regelung, welche Ausbildungsmöglichkeiten ausschließt, die in gleicher Weise wie die zur normierten Bedingung eines Erwerbsantrittes gemachte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen lassen (vgl. etwa VfSlg. 13.485/1993, mwN).

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch wiederholt ausgesprochen, dass es dem Gesetzgeber freisteht, die Ausübung von bestimmten Gewerben in Sondergesetzen außerhalb der Gewerbeordnung zu regeln. Das gilt auch für das Güterbeförderungsgewerbe (VfSlg. 17.207/2004). Aufgrund der Besonderheiten dieses Gewerbes ist es insbesondere, wie der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis zum Ausdruck gebracht hat, nicht unsachlich, wenn in § 5 GütbefG besondere Bestimmungen auch in Bezug auf die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung getroffen werden.

2.4. Vor diesem Hintergrund begegnet die angegriffene Regelung keinen Bedenken. Eine Norm, die die Voraussetzungen für den Zugang zum Beruf des Güterverkehrsunternehmers in Umsetzung von Gemeinschaftsrecht (Richtlinie 96/26/EG) und in Übereinstimmung mit diesem festsetzt, wird den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht: Wenn der österreichische Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art 3 Abs 4 litb der Richtlinie 96/26/EG nicht Gebrauch macht und eine Befreiung von der Prüfung bei praktischer Berufserfahrung nicht vorsieht, so handelt er weder gemeinschaftsrechtswidrig noch verfassungswidrig. Die genannte Richtlinie stellt nämlich diese Befreiung in das Ermessen der Mitgliedstaaten, verpflichtet sie aber zugleich, eine allfällige Befreiung von der Ablegung einer ebenfalls nach dem Anhang I zur Richtlinie abzuhaltenden Kontrollprüfung abhängig zu machen. Angesichts dessen durfte der österreichische Gesetzgeber gemeinschaftsrechtlich davon Abstand nehmen, die Befreiung auszusprechen, ohne innerstaatlich gegen das aus den Art 6 Abs 1 und 18 StGG ableitbare Gebot der Berücksichtigung gleichwertiger Ausbildungsgänge (vgl. insbesondere VfSlg. 12.578/1990, 13.094/1992, 16.734/2002) zu verstoßen. Dieses Gebot verlangt zwar, dass der Gesetzgeber sachlich gleichwertige Ausbildungsalternativen ohne Diskriminierung zu berücksichtigen hat, wenn diese evidentermaßen - insbesondere auch durch deren Anerkennung durch den Gesetzgeber - vorhanden sind (vgl. VfSlg. 13.094/1992); der Gesetzgeber überschreitet jedoch nicht seinen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit von Ausbildungsalternativen (vgl. dazu auch Grabenwarter, ÖZW 1992, 123 f.), wenn er bei Vorliegen (bloß) praktischer Erfahrungen in einem bestimmten Beruf das Erreichen des Ausbildungszieles nicht in gleicher Weise als nachgewiesen erachtet wie bei Ablegung einer Prüfung und daher die Ablegung dieser Prüfung in jedem Fall als Voraussetzung für den Berufszugang festlegt. Das verfassungsrechtliche Gebot der Berücksichtigung gleichwertiger Ausbildungsgänge verlangt daher auch nicht, dass der Gesetzgeber bei Vorliegen einschlägiger praktischer Erfahrungen eine Nachsicht von der Ablegung der Regelprüfung festlegen und den Berufszugang unter Ablegung einer (bloßen) Zusatzprüfung ermöglichen muss. Verfassungsrechtlich ist der Gesetzgeber zwar nicht daran gehindert, eine solche Regelung zu treffen, geboten ist sie jedoch nicht.

2.5. Die vorgebrachten Bedenken treffen daher nicht zu, weshalb der Antrag als unbegründet abzuweisen war. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die §§18 und 19 GewO 1994 auf das Güterbeförderungsrecht überhaupt anwendbar wären bzw. ob ihre Anwendung den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechen würde.

3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.