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VfGH vom 02.10.2003, G259/02

VfGH vom 02.10.2003, G259/02

Sammlungsnummer

16993

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die im Börsegesetz 1989 vorgesehene Verpflichtung zum Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen zur Verhinderung von Insidergeschäften (und die korrespondierende Strafbestimmmung) im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (in der Folge: UVS) ist eine Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bundes-Wertpapieraufsicht anhängig, mit dem der Berufungswerber für schuldig erkannt wurde, er habe es als verantwortlicher Beauftragter einer Bank gemäß § 9 Abs 2 VStG zu verantworten, daß die Bank keine geeigneten organisatorischen Maßnahmen zur Verhinderung einer mißbräuchlichen Verwendung oder Weitergabe von Insiderinformationen getroffen habe, da der Bereich des "Aktieneigenhandels" vom "Aktienkundenhandel" in unzureichender Form getrennt gewesen sei. Dadurch habe er §§82 Abs 5 Z 3 iVm 48 Abs 1 Z 7a iVm 18 Z 5 iVm 48 Abs 4 Börsegesetz 1989 und § 9 Abs 2 VStG verletzt, weswegen über ihn eine Geldstrafe in bestimmter Höhe verhängt worden sei.

2. Aus Anlaß dieses bei ihm anhängigen Berufungsverfahrens stellte der UVS gemäß Art 140 Abs 1 iVm Art 129a Abs 3 iVm Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, "§82 Abs 5 Z 3 des Börsegesetzes 1989, BGBl. Nr. 555/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2001, in eventu das Wort 'geeignete' in § 82 Abs 5 Z 3 Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2001, als verfassungswidrig aufzuheben".

3. Zur Rechtslage:

3.1. Die relevanten Bestimmungen des Börsegesetzes 1989 (in der Folge: BörseG) lauten folgendermaßen:

Der mit "Allgemeine Pflichten der Emittenten" überschriebene § 82 hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut (die mit dem Hauptantrag angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"(5) Jeder Emittent hat zur Hintanhaltung von Insidergeschäften

1. seine Dienstnehmer und sonst für ihn tätigen Personen über das Verbot des Mißbrauchs von Insiderinformationen (§48 a) zu unterrichten,

2. interne Richtlinien für die Informationsweitergabe im Unternehmen zu erlassen und deren Einhaltung zu überwachen und

3. geeignete organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung einer mißbräuchlichen Verwendung oder Weitergabe von Insiderinformationen zu treffen.

(5a) Die FMA ist ermächtigt, durch Verordnung Grundsätze für die Informationsweitergabe im Unternehmen gemäß Abs 5 Z 2 sowie für organisatorische Maßnahmen gemäß Z 3 zu regeln. Diese Grundsätze haben unter Beachtung der §§11 bis 18 WAG der Möglichkeit der Entstehung von Sachverhalten gemäß § 48a entgegenzuwirken und zur Nachvollziehbarkeit solcher Sachverhalte beizutragen."

§ 18 Z 5 leg.cit. verpflichtet die Börsemitglieder, als Mitglieder einer Wertpapierbörse die in § 82 Abs 5 Z 1 bis 3 leg.cit. genannten Maßnahmen zur Hintanhaltung von Insidergeschäften in ihrem Unternehmen zu treffen.

§ 48 leg.cit. enthält Strafbestimmungen:

"(1) Wer

...

7a. als Börsemitglied die ihm gemäß § 18 Z 5 obliegende Pflicht verletzt,

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 20 000 Euro zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

...

(4) Verwaltungsstrafen gemäß Abs 1 und 2 sowie gemäß § 44 Abs 1 werden von der FMA verhängt. Das VStG ist anzuwenden. Das Börseunternehmen ist verpflichtet, der FMA die ihm bekannt gewordenen, maßgeblichen Sachverhalte unaufgefordert, vollständig und unverzüglich bekanntzugeben."

Auf den Mißbrauch von Insiderinformationen bezieht sich § 48a leg.cit.:

"(1) Wer als Insider eine Information über eine bestimmte vertrauliche Tatsache, die mit einem Wertpapier oder einem Emittenten im Zusammenhang steht und die, wenn sie in der Öffentlichkeit bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs des Wertpapiers erheblich zu beeinflussen, im Wertpapierhandel mit dem Vorsatz ausnützt, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, indem er

1. solche Wertpapiere kauft, verkauft oder einem Dritten zum Kauf oder Verkauf empfiehlt oder

2. eine Information der erwähnten Art, ohne dazu verhalten zu sein, einem Dritten zugänglich macht,

ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

...

(3) Insider im Sinne des Abs 1 ist, wer auf Grund seines Berufes, seiner Beschäftigung, seiner Aufgaben oder seiner Beteiligung am Kapital des Emittenten zu der im Abs 1 erwähnten Information Zugang hat.

..."

3.2. Das BörseG, BGBl. 555/1989, ist wiederholt novelliert worden. Mit der Novelle BGBl. 529/1993 fand der - (teilweise) angefochtene - § 82 Abs 5 leg.cit. Eingang in das BörseG und blieb seitdem unverändert.

4. Der UVS führt einleitend aus, daß er die angefochtene Bestimmung bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung anzuwenden hätte.

4.1. In der Sache selbst hat der UVS zunächst das Bedenken, daß § 82 Abs 5 Z 3 BörseG gegen Art 18 B-VG verstoße, da er es offen lasse, welche konkreten Verpflichtungen den Emittenten auferlegt seien, in welchem Umfang die organisatorischen Maßnahmen zu treffen seien und wie weit diese Verpflichtungen reichten. Im Erkenntnis VfSlg. 16.294/2001 habe der Verfassungsgerichtshof dargetan, daß es auf die Reichweite der auferlegten Kontrollverpflichtungen ankomme, welche Vorkehrungen zu treffen seien, um diesen Verpflichtungen nachzukommen und mit welcher Genauigkeit und welchen technischen Geräten diesen Verpflichtungen nachzukommen sei.

Erst mit der Novelle BGBl. 753/1996 sei die Finanzmarktaufsichtsbehörde in § 82 Abs 5a BörseG ermächtigt worden, durch Verordnung Grundsätze für organisatorische Maßnahmen gemäß § 82 Abs 5 Z 3 leg.cit. zu regeln. Aus der Regierungsvorlage zu dieser Novelle (369 BlgNR, 20. GP, 109) sei ersichtlich, daß der Gesetzgeber selbst die nicht ausreichende Determiniertheit des § 82 Abs 5 leg.cit. erkannt habe und mit der Einführung des § 82 Abs 5a leg.cit. Abhilfe habe schaffen wollen. Eine derartige Verordnung sei aber bisher nicht erlassen worden.

Im einzelnen führt der UVS aus, daß durch die Verwendung der Mehrzahl ("Maßnahmen") immerhin feststehe, daß die Setzung einer einzigen Maßnahme nicht ausreichend sei. Dem Gesetz sei jedoch nicht zu entnehmen, ob der Emittent jede organisatorische Maßnahme treffen müsse oder er sich aus einem Bündel denkbarer Maßnahmen geeignet erscheinende auswählen könne. Eine Interpretation dahingehend, gedanklich das Wort "alle" vor das Wort "geeignete" zu setzen, scheitere am Gebot "nulla poena sine lege"; es könne jedoch nicht im Sinn des Gesetzes liegen, ein lückenhaftes Kontrollsystem zuzulassen.

Da die angefochtene Bestimmung Teil einer Strafnorm sei, verlange sie eine besonders exakte Determinierung. Bei den Begriffen "geeignete", "organisatorische" und "Maßnahmen" handle es sich um unbestimmte Gesetzesbegriffe. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bestehe dann, "wenn eine Norm aus einer Mehrzahl unbestimmter, für sich allein möglicherweise hinreichend determinierter, Begriffe zusammengesetzt ist, in ihrer Gesamtheit keine bestimmte vollziehbare Regelung. Bei der angefochtenen Regelung handelt es sich daher in der Gesamtschau um eine verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation. Die antragstellende Behörde vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall aber nicht einmal von hinreichend determinierten Begriffen die Rede sein kann, da zumindest der Begriff 'geeignete' ... diesem Erfordernis nicht entspricht."

4.2. Weiters macht der UVS geltend, daß die angefochtene Bestimmung eine verpönte Erfolgshaftung bewirke und auch aus diesem Grund mit Verfassungswidrigkeit behaftet sei. Die Nichteignung einer Maßnahme dokumentiere sich am deutlichsten im Fall ihres erwiesenen Versagens, was dann gegeben wäre, wenn Insiderinformationen mißbräuchlich verwendet oder weitergegeben würden, und zwar trotz organisatorischer Maßnahmen, die gerade zur Verhinderung dieses Verhaltens gesetzt worden wären. Dem Rechtsunterworfenen werde demnach zugemutet, alle Konstellationen krimineller Machenschaften in bezug auf Insidergeschäfte in seinem Organisationsbereich zu antizipieren, wobei dem Gesetz jegliche Zumutbarkeitsschranke fehle.

Der UVS hat somit das Bedenken, daß die sich aus der Textierung des § 82 Abs 5 Z 3 BörseG ergebende Verknüpfung einer gesetzlichen Pflicht mit deliktischem Verhalten Dritter insofern eine dem österreichischen Verfassungsrecht fremde Erfolgshaftung darstelle, als der Rechtsunterworfene damit zum Garanten für rechtskonformes Verhalten Dritter gemacht werde. Im Hinblick auf § 5 VStG und die "Kontrollsystemjudikatur" des Verwaltungsgerichtshofes erscheine eine Exkulpierung des Emittenten im Fall des Versagens einer Maßnahme regelmäßig aussichtslos. Ein Täter iSd § 48a Abs 1 BörseG hoffe, (beträchtliche) Vermögensvorteile zu lukrieren; daher reichten auch die innerbetrieblichen Sanktionen, die ein Kontrollsystem zur Vermeidung von Verwaltungsdelikten tauglich erscheinen ließen, für die Hintanhaltung von Vermögensdelikten wie Insidergeschäften in aller Regel nicht aus.

Der Verfassungsgerichtshof stelle bei der Beurteilung der Sachlichkeit einer Haftung für fremde Schuld entscheidend darauf ab, ob eine bestehende Rechtsbeziehung typischerweise eine Beherrschung des Tatbestandes ermögliche, aus dem eine gesetzliche Verpflichtung erwachsen könne. Zwischen Emittenten und Insider bestehe jedoch kein Rechtsband in bezug auf verbotene Insidergeschäfte. Vielmehr seien diese typischerweise als Vertragsbruch anzusehen und der Emittent werde daraus in der Regel auch keinen Vorteil ziehen. Das Gesetz lege auch kein höhergradiges Verschulden des Emittenten fest, das die Haftung für deliktisches Verhalten Dritter in verfassungsrechtlicher Sicht rechtfertigen könne.

Wenn der Verfassungsgerichtshof schon die verwaltungsstrafrechtliche Haftung für verwaltungsstrafrechtliche Delikte Dritter als unsachlich ansehe, müsse dies umso mehr gelten, wenn ein Gesetz diese Haftung für gerichtlich strafbare Delikte vorsehe, zumal sowohl der Eintritt des Haftungsfalles als auch der Umfang der Verpflichtungen völlig unbestimmt seien.

4.3. Zur Begründung des Eventualantrages führt der UVS aus, daß der Begriff "geeignete" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine "gewisse Bandbreite von Lesarten" habe, was dem erforderlichen Determinierungsgrad einer Strafnorm nicht entspreche. Auch sei das Qualitätsmerkmal der "Eignung" von variablen Faktoren abhängig.

5. Die Bundesregierung erstattete innerhalb der ihr gesetzten Frist eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung des Antrages beantragt. Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen bejahen sollte, beantragt sie die Abweisung des Antrages (bzw. Eventualantrages). Für den Fall der Aufhebung stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen.

5.1. Zunächst legt die Bundesregierung dar, weshalb der Antrag des UVS ihrer Ansicht nach unzulässig sein dürfte: Der UVS benenne in seinem Antrag zwar die Stammfassung des BörseG und jene Fassung, mit der das BörseG zuletzt geändert wurde, nicht jedoch die Fassung BGBl. 529/1993, mit der die angefochtene Bestimmung in das BörseG eingefügt wurde; auch in der Begründung werde diese Novelle nicht erwähnt. Nach Ansicht der Bundesregierung sei die Angabe bloß der Stammfassung des BörseG (BGBl. 555/1989) und jener Fassung, mit der das BörseG zuletzt geändert wurde (BGBl. I 97/2001), im Gesetzesprüfungsantrag des UVS unter dem Blickwinkel des § 62 Abs 1 Satz 1 VfGG keinesfalls ausreichend. Es müßte jedenfalls die Fassung, mit der die bekämpfte Bestimmung in das BörseG eingefügt worden sei, ausdrücklich bezeichnet werden.

5.2. In der Sache selbst teilt die Bundesregierung nicht das Bedenken des UVS, daß das Wort "geeignete" in § 82 Abs 5 Z 3 BörseG bzw. die gesamte Bestimmung nicht ausreichend determiniert seien. Einleitend führt die Bundesregierung aus, daß es sich bei der angefochtenen Regelung - entgegen der Auffassung des UVS - weder um eine "Strafnorm" noch um einen "Haftungstatbestand" handle. Die bekämpfte Bestimmung enthalte bloß die allgemeine Verpflichtung der Emittenten, geeignete organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung von Insidertransaktionen zu treffen. Mit der Börsegesetznovelle 1993, BGBl. 529, sei das Insiderrecht grundlegend neu gestaltet worden und ergänzend zum neuen Straftatbestand des § 48a BörseG habe der Gesetzgeber weitere Vorschriften zur Prävention von Insiderhandel - wie § 82 Abs 5 Z 1 bis 3 leg.cit. - erlassen.

Die Kreditinstitute seien ihren in § 82 Abs 5 Z 1 bis 3 iVm § 18 Z 5 und § 48b leg.cit. genannten Sorgfaltsverpflichtungen kollektiv im Rahmen ihrer Interessenvertretung durch die Verabschiedung eines abgestimmten, als Mindestregelung konzipierten "Standard Compliance Code" (in der Folge: SCC) für österreichische Kreditinstitute nachgekommen. Der SCC - eine Mindestregelung, die von jedem Kreditinstitut angewendet werden solle - diene ebenso wie der von der Wiener Börsekammer verabschiedete "Richtlinien-Katalog für Emittenten zur Verhinderung des Mißbrauchs von Insiderinformationen" als erste Orientierungshilfe für die Praxis, wobei beide Regelwerke lediglich unverbindliche Empfehlungen gewesen seien.

Aus Gründen der Prävention sowie der Erfassung der Insidertransaktionen sei es von Anfang an unerläßlich gewesen, neben dem gerichtlichen Straftatbestand (§48a BörseG) weitere flankierende gesetzliche Regelungen zu erlassen. Bei der angefochtenen Regelung handle es sich jedenfalls um eine sachgerechte Ausdehnung der innerstaatlich vorgesehenen Verpflichtungen gemäß Art 6 der Insiderrichtlinie 89/592/EWG.

5.3. Mit dem durch BGBl. 753/1996 eingefügten § 82 Abs 5a BörseG sei die Aufsichtsbehörde ermächtigt worden, die Grundsätze für die Informationsweitergabe im Unternehmen gemäß § 82 Abs 5 Z 2 leg.cit. sowie für organisatorische Maßnahmen gemäß § 82 Abs 5 Z 3 leg.cit. in einer Verordnung zu regeln. Von dieser Verordnungsermächtigung habe die Finanzmarktaufsichtsbehörde - entgegen dem Vorbringen des UVS - mit der "Verordnung der Bundes-Wertpapieraufsicht (BWA) über Grundsätze für die Informationsweitergabe im Unternehmen sowie betreffend organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Insiderinformationsmissbrauch für Emittenten (Emittenten-Compliance-Verordnung - ECV)" Gebrauch gemacht und verbindliche Compliance Regeln für Emittenten erlassen. Diese Verordnung sei am in Kraft getreten.

Gemäß § 2 Abs 2 ECV seien u.a. Kreditinstitute auf Grund ihrer vom "typischen" Emittenten unterschiedlichen Strukturen vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. U.a. seien an Kreditinstitute hinsichtlich ihrer "Compliance-Pflichten" andere Anforderungen zu stellen. Diesem Umstand werde auch durch die jeweiligen Compliance-Regelwerke (z.B. den SCC) Rechnung getragen.

5.4. Zusammenfassend führt die Bundesregierung wörtlich folgendes aus:

"Aus dem Zusammenhalt der dargestellten Vorschriften und aus

den Wertungen des bloßen Gesetzestextes des § 82 Abs 5 Z 1 bis 3

Börsegesetz 1989 als auch unter dem Gesichtspunkt einer

systematischen Auslegung aus den Vorschriften betreffend das

Börsegesetz 1989 (vgl. z.B. § 2 Abs 1: Bedachtnahme auf das

volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Börsewesen

sowie auf die schutzwürdigen Interessen des anlagesuchenden

Publikums, § 18 Z 5, § 36 Abs 6, § 48a ... und § 48b) insgesamt geht

eindeutig hervor, dass Ziel des Gesetzgebers allgemeine Vorgaben

betreffend Präventivmaßnahmen zur Hintanhaltung von

Insidertransaktionen waren ... Weitere Grundsätze des Gesetzgebers

sind beispielsweise auch den in den §§16 und 18 WAG geregelten Organisationspflichten (vgl. im Übrigen zu den Wohlverhaltensregen die §§11 bis 18 WAG) zu entnehmen, die ebenso Compliance-Vorschriften darstellen, wie die angefochtene Bestimmung.

Die getroffene Regelung erscheint auch für den betroffenen Wirtschaftskreis adäquat, als nicht übersehen werden darf, dass mit dem 'Standard Compliance Code' für die Kreditinstitute eine von der Wirtschaftskammer verfasste Wohlverhaltensregelung besteht.

Die Konkretisierung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben des § 82 Abs 5 Z 1 bis 3 Börsegesetz 1989 ist auf Grund der unterschiedlichen Sachverhalte jedenfalls Sache des jeweiligen Unternehmens. Die individuelle Ausgestaltung der Maßnahmen zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung oder Weitergabe von Insiderinformationen wird von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (z.B. von der Größe und Art der Geschäftstätigkeit des konkreten Unternehmens) abhängen.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist daher die Regelung des § 82 Abs 5 Z 3 Börsegesetz 1989 vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Determinierungsgebot sowie zur Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe ausreichend bestimmt im Sinne des Art 18 B-VG, zumal das Determinierungsgebot - insbesondere vor dem Hintergrund bestehender Selbstbindungsvorschriften des betreffenden Wirtschaftsbereiches - im Bereich des Wirtschaftsrechtes nicht überspannt werden darf."

5.5. Die Bundesregierung tritt auch dem Argument des UVS, daß die angefochtene Bestimmung gegen das Verbot der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten verstoße, entgegen. Die Verwaltungsstrafbestimmung betreffend die allgemeinen Verhaltenspflichten des § 82 Abs 5 Z 1 bis 3 BörseG finde sich für die Emittenten in § 48 Abs 1 Z 6a leg.cit., jene für die Börsemitglieder in § 48 Abs 1 Z 7a leg.cit. Entgegen der Ansicht des UVS handle es sich bei der angefochtenen Norm weder um einen "Haftungstatbestand" noch um eine "Strafnorm". Es handle sich vielmehr um ein an die Emittenten gerichtetes Verhaltensgebot im Sinne von individuell - nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls - zu treffenden Maßnahmen zur Verhinderung einer mißbräuchlichen Verwendung oder Weitergabe von Insiderinformationen.

Im vorliegenden Fall gehe es um das eigene Verhalten eines Emittenten beziehungsweise eines Börsemitglieds. Dies zeige auch das beim UVS anhängige Verfahren, in dem der Beschuldigte nicht für das Verhalten Dritter eine Verwaltungsstrafe erhalten habe, sondern in seiner Funktion als verantwortlicher Beauftragter nach § 9 Abs 2 VStG.

6. Der Berufungswerber vor dem UVS gab als beteiligte Partei eine Stellungnahme ab, in der er sich dem Antrag des UVS auf Aufhebung des § 82 Abs 5 Z 3 BörseG anschließt.

Die beteiligte Partei hält den Antrag des UVS für zulässig und führt aus, daß es sich bei § 82 Abs 5 Z 3 BörseG um materielles Verwaltungsstrafrecht handle, da Verstöße gegen diese Bestimmung nach der Blankettstrafnorm des § 48 Abs 1 Z 7a iVm § 18 Z 5 BörseG sanktioniert würden. Die Begriffe "geeignete" und "organisatorische Maßnahmen" seien zu unbestimmt, als daß es der beteiligten Partei möglich gewesen wäre zu erkennen, welches gesetzeskonforme Verhalten gefordert sei. Auch könne der SCC nicht zur Auslegung dieser Begriffe herangezogen werden, da unbestimmte Gesetzesbegriffe nach keiner der gängigen Auslegungsmethoden unter Zuhilfenahme privatrechtlicher Regelungswerke auszulegen seien, zumal der SCC Jahre nach Einfügung der angefochtenen Bestimmung in das BörseG entstanden sei und daher keinesfalls zu einer historischen Auslegung herangezogen werden könne.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Der UVS - der die von ihm angefochtene Bestimmung bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung anzuwenden hätte - beantragt die Aufhebung des § 82 Abs 5 Z 3 BörseG, BGBl. 555/1989, idF BGBl. I 97/2001. Wie die Bundesregierung zu Recht ausführt, fand die angefochtene Bestimmung durch die Novelle BGBl. 529/1993 in das BörseG Eingang und wurde seither nicht mehr - auch nicht durch BGBl. I 97/2001 - geändert. Sowohl aus diesem Umstand als auch aus der Zitierung der angefochtenen Norm in der Begründung des Antrages des UVS geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, auf welche Fassung (nämlich BGBl. 529/1993) des § 82 Abs 5 Z 3 BörseG Bezug genommen wird, womit dem für Anträge nach Art 140 B-VG geltenden strengen Formerfordernis des § 62 Abs 1 erster Satz VfGG Genüge getan ist (vgl. VfSlg. 14.077/1995).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Verwendung sogenannter unbestimmter Gesetzesbegriffe, die durch eine unscharfe Abgrenzung gekennzeichnet sind, dann mit Art 18 B-VG vereinbar ist, wenn die Begriffe einen soweit bestimmbaren Inhalt haben, daß der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann und die Anwendung der Begriffe durch die Behörde auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann (z.B. VfSlg. 6477/1971 mwN; ferner VfSlg. 11.776/1988 zu unbestimmten Gesetzesbegriffen in einem Straftatbestand). Er hat auch die Auffassung vertreten, daß angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen sein können, ganz allgemein davon auszugehen sei, daß Art 18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlange (VfSlg. 13.785/1994, S. 666).

Soweit sich der Gerichtshof mit Normen auseinanderzusetzen hatte, mit denen Verstöße gegen Berufs- oder Standespflichten unter (Disziplinar)Strafe gestellt wurden, hat er unter dem Aspekt des Art 18 B-VG generell die Auffassung vertreten, daß der Inhalt des Begriffes der Standespflichten aus den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen und den gefestigten Gewohnheiten des betreffenden Berufsstandes abgeleitet werden könne (vgl. zum Beamtendisziplinarrecht VfSlg. 2311/1952, 2671/1954, 4083/1961, 4501/1963 und insbes. 7907/1976; zu Rechtsanwälten VfSlg. 3290/1957, 4886/1964, 7494/1975, 11.007/1986, 11.776/1988; zu Ärzten vor allem VfSlg. 6026/1969; zu Apothekern VfSlg. 3618/1959). Er hat mit dieser Judikatur zum Ausdruck gebracht, daß der Gesetzgeber auch im Bereich von Strafnormen nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG verstößt, wenn er an das allgemeine Erfahrungswissen und die Verhaltensregeln eines Berufsstandes anknüpft.

Mit den genannten berufs- und standesrechtlichen Vorschriften sind jene Normen vergleichbar, in denen Personen, die einer Materie besonders nahe stehen, in einem bestimmten Sachgebiet somit als Fachleute zu gelten haben, in eben diesem Sachgebiet zu einem ordnungsgemäßen Verhalten, zur Sorgfalt, zum Ergreifen "geeigneter" Maßnahmen, zur Verhinderung von Mißbräuchen und dgl. angehalten werden und die entgegenstehendes Verhalten unter Strafsanktion stellen (vgl. die im zitierten Erk. VfSlg. 13.785/1994 auf S. 668 genannten Beispiele; ferner z.B. § 104 Abs 1 Z 6 iVm § 75 Abs 2

Telekommunikationsgesetz: "geeignete Maßnahmen ..., die eine mißbräuchliche Verwendung von Funkanlagen ausschließen"; § 14 iVm § 52

Datenschutzgesetz: "Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit"; "erforderliche Sicherheitsmaßnahmen"). In solchen Fällen ergibt sich der konkrete Inhalt der Verhaltenspflichten, der jeweils nur für den Einzelfall ermittelt werden kann, und damit der der korrespondierenden Strafnormen aus dem gefestigten, allgemeinen Wissen des betreffenden Personenkreises um die objektiven Gegebenheiten und Besonderheiten des betreffenden Sachgebietes. Der Gesetzgeber verstößt in solchen Fällen (zu denen der von der anfechtenden Behörde ins Treffen geführte Fall des Erk. VfSlg. 16.294/2001 gerade nicht gehört) nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG, wenn er sich damit begnügt, das geforderte Verhalten (und die korrespondierenden Strafbestimmungen) lediglich im Hinblick auf einen bestimmten Erfolg zu umschreiben, sofern davon ausgegangen werden kann, daß im Kreis der betroffenen (sachkundigen) Personen eine im wesentlichen übereinstimmende Auffassung über den Inhalt der damit im konkreten Fall geforderten Maßnahmen besteht.

2.2. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen hat der Gerichtshof keine Bedenken gegen die vom UVS mit seinem Hauptantrag angefochtene Bestimmung des § 82 Abs 5 Z 3 BörseG: Die Vorschrift richtet sich an eine Personengruppe, von der angenommen werden kann, daß sie über die Voraussetzungen und Bedingungen von "erfolgversprechenden" Insidergeschäften Bescheid weiß. Einer solchen Personengruppe kann auch unterstellt werden, daß ihr bekannt ist, welche (organisatorischen) Maßnahmen typischerweise geeignet sind, um Insidergeschäfte zu verhindern. Ob diese Maßnahmen bereits in einem "compliance code" oder einem ähnlichen Regelwerk zu Verhaltensregeln eines Berufsstandes verdichtet wurden oder nicht, ist dafür nicht maßgebend. Im übrigen ergibt sich schon aus den allgemeinen Bedingungen der Strafbarkeit, daß solche Maßnahmen nur im Rahmen des Zumutbaren gefordert werden können.

Daß der rechtsanwendenden Behörde möglicherweise selbst die Kenntnisse fehlen, um die Erfüllung des Straftatbestandes beurteilen zu können, ist hingegen nicht der Unbestimmtheit der Norm, sondern dem Fehlen des zu ihrer Anwendung erforderlichen Spezialwissens im Tatsachenbereich zuzuschreiben. Das bedeutet aber lediglich, daß die rechtsanwendende Behörde sich in solchen Fällen möglicherweise der Hilfe von Sachverständigen bedienen muß, um beurteilen zu können, welche (zumutbaren) organisatorischen Maßnahmen im konkreten Fall zur Verhinderung von Insidergeschäften erforderlich waren.

Dem Hauptantrag war daher keine Folge zu geben.

2.3. Da der Eventualantrag - würde ihm stattgegeben - zur Folge hätte, daß der Inhalt der Norm keine Veränderung erführe (auch in diesem Fall wäre dem Gesetz zu unterstellen, daß es selbstverständlich nur "geeignete" organisatorische Maßnahmen fordert), war er schon aus diesem Grund abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.