VfGH vom 30.11.1991, g257/91

VfGH vom 30.11.1991, g257/91

Sammlungsnummer

12923

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der Sperrstundenregelung für Barbetriebe in der Vlbg Sperrstundenverordnung 1957; Aufhebung der Einschränkung der notwendigen späteren Sperrstunde auf Barbetriebe mit wenigstens zwei Berufsmusikern

Spruch

Die Wortfolge ", sofern im Betrieb ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind" in § 2 Abs 1 der gemäß § 375 Abs 1 Z 70 Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973) als Bundesgesetz geltenden Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über die Sperrzeit in den Gast- und Schankgewerbebetrieben (Sperrstundenverordnung 1957), LGBl. Nr. 23, idF der Verordnung LGBl. Nr. 40/1969, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B771/90 eine Beschwerde gegen einen Bescheid anhängig, mit dem der Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer ein Gastgewerbe in der Betriebsart einer Bar betreibenden Gesellschaft bestraft wurde, weil im Barbetrieb mehrfach die mit 24.00 Uhr festgesetzte Sperrstunde nicht eingehalten wurde und der Beschwerdeführer als Geschäftsführer daher eine Verwaltungsübertretung gemäß den §§268

Z 11 und 198 Abs 2 GewO 1973 in Verbindung mit § 1 Abs 1 Sperrstundenverordnung 1957 zu verantworten hatte.

b. Beim Verfassungsgerichtshof ist ferner zu B1038/90 eine weitere Beschwerde gegen einen Bescheid anhängig, mit dem der beschwerdeführenden Gesellschaft, die ebenfalls ein Gastgewerbe in der Betriebsart einer Bar betreibt, im Vorstellungsweg die von ihr begehrte Verlängerung der kraft § 1 Abs 1 in Verbindung mit § 2 Abs 1 Sperrstundenverordnung 1957 geltenden Sperrstunde verweigert wurde.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß der geschilderten Beschwerden beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "sofern im Betrieb ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind" in § 2 Abs 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über die Sperrzeit in den Gast- und Schankgewerbebetrieben, LGBl. 23, in der Fassung der Verordnung LGBl. 40/1969 (Sperrstundenverordnung 1957), die gemäß § 375 Abs 1 Z 70 GewO 1973 als Bundesgesetz weitergilt, von Amts wegen zu überprüfen.

Er äußerte das Bedenken, daß die Sperrstundenregelung für Gastgewerbebetriebe in der Betriebsform einer Bar in § 2 der Sperrstundenverordnung 1957 dem Gleichheitsgebot widerspricht und daher verfassungswidrig ist, weil durch die getroffene Regelung für Barbetriebe im allgemeinen keine spätere Sperrstunde als bei sonstigen Gastgewerbebetrieben festgelegt wurde, sondern nur für jene Barbetriebe, bei denen "im Betrieb ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind". Er hielt diese Einschränkung vorläufig für sachlich nicht gerechtfertigt.

3. Die Bundesregierung hat beschlossen, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen.

II. 1. Die gemäß § 375 Abs 1 Z 70 GewO 1973 im Rang eines einfachen Bundesgesetzes stehenden, hier relevanten Bestimmungen der Sperrstundenverordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBl. 23/1957 idF LGBl. 40/1969, lauten:

"§1 (1) Die Gast- und Schankgewerbetreibenden haben ihre Betriebsräumlichkeiten, ... sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist und sofern nicht nach § 54a Abs 3 der Gewerbeordnung für einzelne Gast- und Schankgewerbebetriebe eine frühere Aufsperrstunde oder eine spätere Sperrstunde bewilligt ist, in der Zeit von 24 Uhr bis 5 Uhr des folgenden Tages geschlossen zu halten.

(2) ....

§ 2 (1) In den in der Betriebsform Bar konzessionierten Gast- und Schankgewerbebetrieben tritt die Sperrstunde täglich um 2 Uhr nachts ein, sofern im Betrieb ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind.

(2) ....

§ 3 ..."

2. Die Beschwerdeverfahren sind zulässig. Der Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Kontrolle der angefochtenen Bescheide die in Prüfung gezogene Wortfolge des § 2 Abs 1 der Sperrstundenverordnung 1957 anzuwenden, weil nach dem zu B771/90 angefochtenen Bescheid der Beschwerdeführer wegen Übertretung der betreffenden Vorschrift der Sperrstundenverordnung 1957 bestraft wurde und die Behörde bei Erlassung des zu B1038/90 angefochtenen Bescheides zu Recht von der Regelung des - teilweise - in Prüfung gezogenen § 2 Abs 1 der Sperrstundenverordnung 1957 ausgehen mußte, durch den die Sperrstunde für Barbetriebe festgelegt wird.

Die in Prüfung gezogene Wortfolge des § 2 Abs 1 der Sperrstundenverordnung 1957 ist sohin in beiden Anlaßfällen präjudiziell. Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes treffen zu.

Zwar hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11563/1987 zum Regelungskomplex der Sperrstundenverordnung 1957 festgestellt, daß "schon bei Bedachtnahme auf soziale Aspekte für die im Gastgewerbe tätigen Dienstnehmer und auf das Ruhebedürfnis der Anrainer ... die prinzipielle Sperrstunde von 24.00 Uhr sachlich gerechtfertigt (ist), zumal bei Zutreffen der in § 198 Abs 3 GewO 1973 enthaltenen Voraussetzungen ohnedies (zwingend) eine spätere Sperrstunde festzusetzen ist". Er hatte unter dem Blickwinkel des damaligen Beschwerdefalles jedoch keinen Anlaß, auf die Sperrstundenregelung für Gastgewerbe in der Betriebsart einer Bar in § 2 Abs 1 der Sperrstundenverordnung 1957 einzugehen.

Die von § 194 GewO 1973 vorgesehene Differenzierung verschiedener Betriebsarten bei Gastgewerbebetrieben ist, wie auch § 198 Abs 1 GewO 1973 zeigt, für die Sperrstundenregelung von maßgeblicher Bedeutung. Zumindest für Gastgewerbebetriebe in der Betriebsart einer Bar ist es von der Sache, nämlich von den im Rahmen eines Barbetriebes zu befriedigenden Bedürfnissen und Erwartungen der Konsumenten, nicht gerechtfertigt, die gleiche Sperrstunde festzulegen wie für sämtliche sonstigen Gastgewerbebetriebe. Durch die Sperrstundenverordnung 1957 wurde jedoch eine einheitliche Sperrstunde von 24.00 Uhr für alle Gastgewerbebetriebe einschließlich der Barbetriebe festgelegt, sofern im Barbetrieb nicht wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind.

Es widerspricht dem Gleichheitssatz, daß Barbetriebe trotz ihrer von sonstigen Gastgewerbebetrieben unterschiedlichen Betriebsart zur gleichen Zeit zuzusperren verpflichtet sind wie andere Gastgewerbebetriebe. Unsachlich und daher gleichheitswidrig ist es nämlich, wenn der Gesetzgeber Ungleiches, nämlich Barbetriebe und andere Gastgewerbebetriebe hinsichtlich der Sperrstunde derart gleichbehandelt wie er dies in § 1 Abs 1 in Verbindung mit § 2 Abs 1 der Sperrstundenverordnung 1957 getan hat.

Mag auch der - im Vergleich zur Sperrstunde sonstiger Gastgewerbebetriebe - notwendig späteren Sperrstunde von Barbetrieben die Regelung des § 2 Abs 1 der Sperrstundenverordnung insoweit entsprechen, als "im Betrieb ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind", so wird durch diese Einschränkung gleichwohl gerade verhindert, daß für alle Barbetriebe die von der Sache her gebotene, (im Vergleich zu anderen Gastgewerbebetrieben) spätere Sperrstunde gilt. Die betreffende Wortfolge in § 2 Abs 1 Sperrstundenverordnung 1957 war sohin wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufzuheben.

Die sonstigen Aussprüche stützen sich auf Art 140 Abs 5 und 6

B-VG.

Mit Rücksicht auf die hinreichende Erörterung in den Schriftsätzen und die fehlende meritorische Äußerung der Bundesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren konnte der Verfassungsgerichtshof gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 von einer mündlichen Verhandlung Abstand nehmen.