TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 28.09.2015, G256/2015 ua

VfGH vom 28.09.2015, G256/2015 ua

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien betreffend die Übertragung von Beschwerdeverfahren über die Gewährung von Wohnbeihilfe nach dem Wr Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG 1989 zur Gänze auf Rechtspfleger; Verfahren über die Gewährung der Wohnbeihilfe ihrem Wesen nach zur Besorgung durch Rechtspfleger geeignet

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

Das Verwaltungsgericht Wien beantragt, § 26 Z 4 lita des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien (VGWG), LGBl 83/2012, als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die §§4 und 26 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien (VGWG), LGBl 83/2012, lauten – auszugsweise – wie folgt (die angefochtene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):

"Landesrechtspflegerinnen und -rechtspfleger

§4. (1-3) […]

(4) Die Landesrechtspflegerinnen und -rechtspfleger sind bei der Besorgung ihrer Geschäfte nur an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Mitgliedes des Verwaltungsgerichtes Wien gebunden.

(5) Das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied des Verwaltungsgerichtes Wien kann jederzeit die Erledigung einzelner Geschäftsstücke sich vorbehalten oder an sich ziehen. Eine solche Maßnahme ist im Akt zu vermerken.

(6) Die Landesrechtspflegerin bzw. der Landesrechtspfleger ist verpflichtet, dem Mitglied des Verwaltungsgerichtes Wien ein Geschäftsstück vorzulegen, wenn es die Schwierigkeit oder Wichtigkeit der Sache erfordert."

"Arbeitsgebiete

§26. Den Landesrechtspflegerinnen und -rechtspflegern obliegt die eigenständige Führung und Erledigung der Verfahren über Beschwerden in den folgenden, in Arbeitsgebieten zusammengefassten Angelegenheiten, sofern die Angelegenheit dem Mitglied, dem die Landesrechtspflegerin bzw. der Landesrechtspfleger zugeordnet ist, als Einzelrichterin bzw. Einzelrichter zugewiesen ist:

[…]

4. Gesundheit, Soziales:

a) Gewährung von Wohnbeihilfe nach dem Gesetz über die Förderung des Wohnungsneubaus und der Wohnhaussanierung und die Gewährung von Wohnbeihilfe (Wiener Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsgesetzWWFSG 1989), LGBl Nr 18/1989;

[…]."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Den Anträgen liegen Verfahren über Vorstellungen gemäß § 54 VwGVG gegen durch Rechtspfleger erlassene Erkenntnisse beim jeweils zuständigen Richter des antragstellenden Verwaltungsgerichtes im Rahmen von Verfahren über die Gewährung von Wohnbeihilfe gemäß §§20 bis 25 bzw. §§60 bis 61a Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz 1989 (in der Folge: WWFSG 1989) und der dazu ergangenen Verordnung der Wiener Landesregierung über die Gewährung von Wohnbeihilfe zugrunde.

2. Die Bedenken, die das antragstellende Gericht zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, legt es – in allen Anträgen nahezu wortgleich – im Wesentlichen wie folgt dar (Zitat aus dem zu G376/2015 protokollierten Antrag):

"[…] Bei der Prüfung der Zulässigkeit der erhobenen Vorstellung sind beim erkennenden Gericht Bedenken ob der Verfassungskonformität der Zuweisung von (sämtlichen) Beschwerden nach dem Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz zur Besorgung zur Gänze durch Rechtspfleger entstanden:

[…] Gemäß Art 135a Abs 1 B VG kann im Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes die Besorgung einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bediensteten übertragen werden.

[…] Die Wendung 'einzelne, genau zu bezeichnende Arten von Geschäften' gemäß Art 135a B VG idF BGBI I 51/2012 ist im selben Sinne zu verstehen wie jene gemäß Art 87a B VG. Art 135a B VG idF BGBl I 51/2012 ermächtigt sohin auch dazu, Rechtspflegern – im Rahmen ihrer besonderen Ausbildung – bestimmte Verfahren zur Gänze zu übertragen, sofern sie sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen ().

[…] Das antragstellende Verwaltungsgericht bezweifelt jedoch, dass sämtliche Beschwerdeverfahren nach dem Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz ihrem Wesen nach für die Übertragung auf Rechtspfleger zur Besorgung zur Gänze geeignet sind; der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis G46/2013 mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen (§62 Abs 1 VfGG) nicht mit dieser Frage befassen müssen.

[…] Die genuin dem Richter vorbehaltene Tätigkeit beinhaltet nach Ansicht des erkennenden Gerichtes […] die Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes sowie dessen Feststellung unter Einschluss der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhaltes. Diese Tätigkeit stellt geradezu den Kern der richterlichen Aufgabenbewältigung dar. Der Rechtspfleger soll bei dieser Funktion unterstützen bzw. Aufgaben, die nicht diesem Kernbereich zuzuordnen sind, übernehmen. Ein Blick in das Rechtspflegergesetz, BGBI.Nr 560/1985 idF BGBl I Nr 15/2013 zeigt, dass den Rechtspflegern i[m] Bundesbereich einfachere, gleichförmige und weitgehend unstrittige Verfahren zugewiesen sind, die jeweils ein sachlich eng begrenztes Rechtsgebiet betreffen.

[…] Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG sind keineswegs allesamt gleichförmig oder einfach gestaltet. Die Anwendung des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz[es] setzt weitreichende juristische Kenntnisse auf dem Gebiet des Zivilrechts (insbesondere des Miet-, Genossenschafts- und Familienrechts; vgl. § 2 Z 10, 11 und 12 WWFSG) und des Steuerrechts (vgl. die Legaldefinition in § 2 Z 14 WWFSG, wonach als Einkommen gilt 'das Einkommen gemäß § 2 Abs 2 Einkommensteuergesetz 1988, vermehrt um die bei der Einkommensermittlung abgezogenen Beträge gemäß §§18, 34 Abs 1 bis 5 und 8 des Einkommensteuergesetzes 1988, die steuerfreien Einkünfte gemäß § 3 Abs 1 Z 3 litb bis e, 4 lita und e, 5, 8 bis 12 und 22 bis 24 des Einkommensteuergesetzes 1988 sowie die gemäß § 29 Z 1 2. Satz des Einkommensteuergesetzes 1988 steuerfrei gestellten Bezüge und vermindert um die Einkommensteuer, die Alimentationszahlungen gemäß § 29 Z 1 2. Satz des Einkommensteuergesetzes 1988, soweit diese nicht bei der Einkommensermittlung gemäß § 34 des Einkommensteuergesetzes 1988 in Abzug gebracht wurden, den Bezug der Pflege- oder Blindenzulage (Pflege- oder Blindengeld, Pflege- oder Blindenbeihilfe) und den Zusatzrenten zu einer gesetzlichen Unfallversorgung […]') voraus. So ist im Verfahren u.a. das Vorliegen eines Mietvertrages zu prüfen, wobei als solcher auch ein genossenschaftlicher Nutzungsvertrag gilt (vgl. § 2 Z 10 WWFSG) und das Einkommen des Antragstellers (Haushaltseinkommen) nach einem komplizierten Zurechnungs- und Abzugssystem (vgl. § 2 Z 14 WWFSG) zu bestimmen.

Es mag zwar zutreffen, dass Verfahren nach dem WWFSG vor der Behörde auf-grund ihrer Menge als 'Massenverfahren' standardisierbar sind und als solche vom Magistrat der Stadt Wien behandelt werden, Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG, also die gerichtlichen Überprüfungsverfahren, sind hingegen in der Regel keinesfalls 'einfache oder stark formalisierte Verfahren' sowie Geschäfte, die 'keinen hohen Schwierigkeitsgrad' aufweisen. Die Beschwerdequote dürfte im einstelligen Promillebereich liegen (dies kann seitens des Verwaltungsgerichts nur geschätzt werden). An das Verwaltungsgericht werden daher in der Regel nur jene Fälle herangetragen, die einen 'hohen Schwierigkeitsgrad' aufweisen bzw. deren zugrundeliegende Rechtsfrage ungeklärt oder bei denen der Sachverhalt strittig ist.

[…] Als Beispiel für die Komplexität des WWFSG sei – neben den oben auszugsweise dargestellten Gesetzespassagen – das Erkenntnis vom , B1109/10, erwähnt, in dem der Verfassungsgerichtshof auf eine verfassungskonforme Auslegung zurückgreifen musste, um dem bundesstaatlichen Berücksichtigungsgebot gerecht zu werden und § 2 Z 14 WWFSG nicht wegen Verfassungswidrigkeit aufheben zu müssen. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat sich wiederholt mit komplexen Rechtsfragen zum WWFSG auseinandergesetzt (vgl. etwa ZI. 2013/05/0189).

Die diesem Antrag an den Verfassungsgerichtshof zugrunde liegende, beim Verwaltungsgericht Wien anhängige Beschwerdesache zeigt auf, dass im Rahmen von Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG in die Verfassungssphäre reichende Rechtsfragen zu klären anstehen, die keinesfalls als 'keinen hohen Schwierigkeitsgrad aufweisend' bewertet werden können.

[…] Die weiteren Bedenken gründen sich darauf, dass in Verfahren über die Zuerkennung der Wohnbeihilfe nach dem WWFSG die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung im Regelfall geboten erscheint.

[…] In diesem Zusammenhang ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G181/2014 u.a., hinzuweisen, der wie [f]olgt ausgeführt hat […]:

'2.6.6. Die bekämpfte Bestimmung genügt diesen Anforderungen nicht: Für die Entscheidung über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis hat das Verwaltungsgericht – anders etwa als die Verwaltungsbehörde im abgekürzten Verfahren nach den §§47 ff. VStG – im Regelfall Beweise zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erheben und zu würdigen, (...)[.] Im Hinblick darauf sind verwaltungsgerichtliche Verfahren über Beschwerden gegen Straferkenntnisse ihrem Wesen nach im Regelfall nicht geeignet, zur Gänze durch Rechtspfleger besorgt zu werden (...); nur bestimmte im Rahmen dieser Verfahren über Beschwerden gegen Straferkenntnisse zu besorgende Arten von Geschäften – zu welchen die Durchführung der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht zählt – sind einer Übertragung an Rechtspfleger zugänglich (vgl. § 25 VGWG). (…)'

[…] Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ausgesprochen hat, ist Art 6 Abs 1 EMRK auf Verfahren anwendbar, in denen es u.a. um Ansprüche auf Invaliditätspension (EGMR , Nr 17/1992/362/436 [Schuler-Zgraggen/Schweiz], ÖJZ1994/10 [Rz 45 f]), auf Behindertenunterstützung (EGMR , Nr 11/1992/356/430 [Salesi/Italien], ÖJZ1993/38 [Rz 19]), auf Militärdienstentschädigung (EGMR , Nr 20/1994/467/458 [Kerojärvi/ Finnland], ÖJZ1996/1 [Rz 32 ff]) oder auf öffentlich-rechtlichen Ruhegenuss (EGMR , Nr 76/1991/328/401 [Francesco Lombardo/Italien], ÖJZ1993/17 [Rz 16 f]) geht. In diesen Urteilen hat der EGMR klargestellt, dass die Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK allgemein im Bereich des Sozialversicherungs- einschließlich des Sozialhilferechts zu beachten sind ().

Bei der Zuerkennung von Wohnbeihilfe iSd. §§20ff WWFSG handelt es sich nach Auffassung des antragstellenden Gerichts um eine Leistung des 'Sozialhilferechts' im Sinne der dargestellten Judikatur und damit um 'civil rights' nach Art 6 Abs 1 EMRK, sodass die diesbezüglichen Verfahrensgarantien zu beachten sind. Dies bedeutet insbesondere, dass im Regelfall die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung geboten sein wird.

[…] Dies deshalb, weil in Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG der Sachverhalt vielfach strittig ist (d.h. die Feststellungen der Behörde werden durch den Beschwerdeführer bestritten) und ist dieser in einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung durch den Rechtspfleger (insbesondere durch Zeugeneinvernahmen und Befragung der Parteien) zu ermitteln (vgl. etwa § 2 Z 11 WWFSG, der die Feststellung fordert, ob 'eine Person mit dem Eigentümer oder Mieter in einer in wirtschaftlicher Hinsicht ähnlich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft lebt' oder § 2 Z 13 leg. cit. hinsichtlich der Bestimmung der Haushaltsgröße) und nach Würdigung der aufgenommenen Beweise festzustellen.

[…] Sollte die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , G181/2014 u.a., zu Beschwerdesachen in Verwaltungsstrafverfahren vertretene Ansicht, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu jenen Arten von Geschäften zählt, die einer Übertragung an Rechtspfleger zugänglich sind, auch (administrative) Verwaltungsverfahren nach dem AVG erfassen, wie hier Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG (wovon das antragstellende Gericht ausgeht), wäre die gesetzlich vorgesehene gänzliche Übertragung der Führung von Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG durch Rechtspfleger schon aus diesem Grund verfassungswidrig.

[…] Nach Ansicht des antragstellenden Verwaltungsgerichtes greift der Wiener Landesgesetzgeber durch die Zuweisung der Entscheidung in Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG an die Rechtspfleger in die den Richtern gemäß Art 135 B VG vorbehaltene Zuständigkeit ein. Entscheidungen über Beschwerden nach dem WWFSG sind ihrem Wesen nach nicht für die (gänzliche) Erledigung durch Rechtspfleger geeignet und widerstreitet die einfachgesetzliche Zuweisung in § 26 Ziffer 4 lita VGWG somit Art 135a Abs 1 B VG." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge die Anträge als unzulässig zurückweisen, in eventu die Anträge abweisen, und begründet dies – auszugsweise – wie folgt:

"Zu den Prozessvoraussetzungen:

[…] Aus dem Antrag ergibt sich […], dass das Verwaltungsgericht Wien zwar die aufzuhebende Bestimmung im Aufhebungsbegehren präzise bezeichnet, die Bedenken […] sind jedoch unpräzise und lassen sich mit der angefochtenen Bestimmung nicht eindeutig verknüpfen. Deshalb nimmt die Wiener Landesregierung an, dass der Antrag die Prozessvoraussetzungen gemäß § 62 Abs 1 […] VfGG nicht erfüllt.

[…] [Die] Begründung entspricht nicht den strengen Anforderungen des Verfassungsgerichtshofes an die Begründung von Anträgen gemäß Art 140 Abs 1 B VG. Das Verwaltungsgericht Wien spricht nur pauschal von 'Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG' bzw. vom 'Verfahren nach dem WWFSG' ohne zu spezifizieren, ob es Beschwerdeverfahren wegen Gewährung von Wohnbeihilfe im Sinn des I. Hauptstückes gemäß § 7 Abs 1 Z 6 in Verbindung mit § 20 WWFSG 1989 oder wegen Gewährung von Wohnbeihilfe im Sinn des II. Hauptstückes gemäß § 40 Abs 1 Z 6 in Verbindung mit § 48 oder wegen Gewährung Allgemeiner Wohnbeihilfe im Sinn des III. Hauptstückes nach § 60 WWFSG 1989 meint. In Betracht kämen ferner Beschwerdeverfahren gemäß § 79 Abs 8 WWFSG 1989 gegen Bescheide über die Gewährung von Wohnbeihilfe, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erlassen wurden, Beschwerdeverfahren wegen Rückzahlung von Wohnbeihilfe gemäß § 21 Abs 6 WWFSG 1989 sowie Beschwerdeverfahren wegen Verlängerung von Wohnbeihilfe gemäß § 11 Abs 5 und § 61 Abs 6 WWFSG 1989. Für die hier aufgezählten Verfahren gelten jeweils eigene Vorschriften. Es ist daher nicht klar, auf welche dieser Verfahren sich das Bedenken bezieht, die 'Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG' seien keinesfalls einfache und stark formalisierte Verfahren und würden einen hohen Schwierigkeitsgrad aufweisen. Selbst wenn das Verwaltungsgericht Wien, was hier nur hypothetisch angenommen werden kann, der Auffassung ist, dass alle denkbaren Fälle, in denen es um die Gewährung von Wohnbeihilfe geht, keine einfachen Verfahren und daher solche mit einem hohen Schwierigkeitsgrad seien, wäre dies im Anfechtungsschriftsatz ausdrücklich auszuführen und im Einzelnen mit Argumenten zu belegen gewesen.

Um die Schwierigkeit eines Verfahrens darzulegen, bieten sich eine präzise Erläuterung der behauptetermaßen schwierigen Ermittlungsschritte, eine plausible Beschreibung der Rechtsfragen des materiellen Rechts, aus denen die Schwierigkeit im Einzelnen hervorgeht, sowie eine nachvollziehbare Aufzählung komplexer Verfahrensfragen an, die bei einer Gesamtschau des betreffenden Verfahrens auftreten. Ein derartiges Vorbringen – bezogen auf eine der möglichen Arten der Gewährung von Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 – fehlt im Anfechtungsschriftsatz zur Gänze.

Auch das Vorbringen […] des Anfechtungsschriftsatzes betreffend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht entsprechend § 62 Abs 1 VfGG näher ausgeführt. Die […] Einwände der fehlenden Bezugnahme auf konkrete Verfahren über die Gewährung bzw. Entziehung der Wohnbeihilfe sowie die mangelnde Darlegung der Bedenken im Einzelnen treffen auch für dieses Vorbringen zu.

[…] Das Verwaltungsgericht Wien hat mit seinem Vorbringen […] bloß eine Vermutung geäußert (eine hypothetische Überlegung wiedergegeben), nicht jedoch eine Frage formuliert. Unter einer Frage im Sinn der […] Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kann nur ein Beschwerdevorbringen verstanden werden, das den Verfassungsgerichtshof dazu anhält, die Verletzung einer konkreten Bestimmung des Verfassungsrechtes zu prüfen. Die Behauptung einer solchen Verletzung findet sich im Anfechtungsschriftsatz in Bezug auf die mündliche Verhandlung nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass der Verfassungsgerichtshof auf dieses Vorbringen gar nicht einzugehen hat.

Nach Meinung der Wiener Landesregierung hat es das Verwaltungsgericht Wien somit verabsäumt, seine Bedenken im Einzelnen darzulegen. Außerdem ist kein hinreichend eindeutiger Bezug der Bedenken zur angefochtenen Bestimmung zu erkennen. In Ermangelung eines solchen Bezuges müssen hypothetische Annahmen getroffen werden, die es überhaupt erst ermöglichen, das Vorbringen auf eine der möglichen Arten der Gewährung von Wohnbeihilfe zu beziehen. Dass die vom Verwaltungsgericht Wien genannten Parameter ([…]Vorliegen eines Mietvertrages, Berechnung des Einkommens nach den Regeln des WWFSG 1989) nicht in allen Verfahren, in denen es um Wohnbeihilfe geht, gleichermaßen heranzuziehen sind, ergibt sich schon aus § 11 Abs 5 und § 61 Abs 6 WWFSG 1989, wonach für Verlängerungsanträge nicht die herkömmlichen Einkommensgrenzen heranzuziehen sind. Dies bedeutet, dass auch ein indirekter Schluss aus dem Vorbringen des Verwaltungsgerichtes Wien, welche Verfahren nach dem hier in Rede stehenden Gesetz gemeint sein könnten, nicht möglich ist.

Die Wiener Landesregierung ist daher der Auffassung, dass der zu Grunde liegende Antrag unzulässig ist.

[…] Zu den Bedenken im Einzelnen:

[…] Das Verwaltungsgericht Wien erhebt zusammengefasst im Wesentlichen zwei Bedenken, nämlich zum einen[,] dass die Entscheidung über Beschwerden nach dem WWFSG 1989 keine einfachen oder stark formalisierten Geschäfte seien. An das Verwaltungsgericht würden nur jene Fälle herangetragen, in welchen die Rechtsfrage ungeklärt oder der Sachverhalt strittig sei. Sie seien daher ihrem Wesen nach nicht geeignet, zur Gänze durch Rechtspfleger besorgt zu werden. Zum anderen bringt das Verwaltungsgericht vor, dass in Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG 1989 der Rechtspfleger mündlich verhandeln müsse, da der Sachverhalt vielfach strittig sei. Der Verfassungsgerichtshof habe jedoch im Erkenntnis vom , Zl. G 181/2014, u. a. ausgesprochen, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu jenen Arten von Geschäften zähle, die einer Übertragung an Rechtspfleger zugänglich sei.

Zum erstgenannten Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien soll im Folgenden kurz dargelegt werden, welche Fragen die Verwaltungsbehörde im Zuge eines Verfahrens auf Gewährung von Allgemeiner Wohnbeihilfe nach dem III. Hauptstück des WWFSG 1989 gemäß §§60 und 61a WWFSG 1989 zu prüfen und zu beurteilen hat. Es handelt sich dabei um jenes Verfahren, zu dem die meisten der insgesamt ca. 200.000 Anträge, die jährlich in Wien gestellt werden, einlangen.

Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Verwaltungsbehörde im Wesentlichen die Fragen zu beantworten, ob es sich um eine geförderte Mietwohnung handelt, wie groß die Wohnung ist und wie hoch der zumutbare Wohnungsaufwand ist (vgl. § 60 Abs 1 bis 5 WWFSG 1989). Ausgehend von den Ergebnissen dieser Erhebungen muss die Verwaltungsbehörde ferner berechnen, in welcher Höhe sich ein Differenzbetrag zwischen dem zumutbaren und dem tatsächlichen Wohnungsaufwand ergibt. Diese Berechnung erfolgt im Wege eines Computerprogrammes.

Die Wiener Landesregierung ist der Auffassung, dass es sich bei diesen Verfahren nicht ausnahmslos um völlig gleichförmige und damit gänzlich anspruchslose Geschäfte handelt. Diese laufen jedoch, da im Wesentlichen immer die gleichen Fragen aufzuwerfen sind, nach einem gleichbleibenden Schema ab. Ferner sind die Fragen auf Grund des engen gesetzlichen Rahmens, der anzuwenden ist, überschaubar. Der Verfahrensgegenstand ist somit eng begrenzt. Außerdem ist der Sachverhalt in der Regel ausschließlich anhand von Urkunden zu prüfen (Einkommensnachweis, Meldezettel, Mietvertrag über die geförderte Wohnung, allenfalls ein Nachweis über den fünfjährigen ständigen legalen Aufenthalt in Österreich; vgl. § 61a Abs 1 WWFSG 1989).

Zu den als Beispielen für die Komplexität des WWFSG 1989 angeführten Erkenntnissen des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes ist zu bemerken, dass das Verwaltungsgericht Wien in diesem Vorbringen keine konkreten Gesichtspunkte genannt hat, die nachvollziehbar darlegen, dass diese Angelegenheiten ihrem Wesen nach nicht geeignet wären, von Rechtspflegern besorgt zu werden. Soweit damit indirekt die fachliche Kompetenz der Rechtspfleger in Zweifel gezogen werden soll, ist darauf zu verweisen, dass die in diesem Arbeitsgebiet tätigen Rechtspfleger vom Leiter der Magistratsabteilung 50 - Wohnbauförderung und Schlichtungsstelle für wohnrechtliche Angelegenheiten ausgebildet wurden und daher die seitens des Magistrats der Stadt Wien bestmögliche Ausbildung erhalten haben. Außerdem wird darauf aufmerksam gemacht, dass auch Unterhaltssachen, die gemäß § 19 Abs 1 Z 1 und 4 des Rechtspflegergesetzes, BGBl Nr 560/1985, in die Zuständigkeit des Rechtspflegers der ordentlichen Gerichtsbarkeit fallen, den Gegenstand von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes bilden (vgl. insbesondere 9 Ob 53/10z, 10 Ob 67/10s und 9 Ob 31/14w). In der Literatur finden sich dazu keine Stimmen, die aus dem Umstand der Befassung des Obersten Gerichtshofes den Schluss ziehen, dass Unterhaltssachen besonders schwierig sind und deshalb keinen Gegenstand der Entscheidung durch Rechtspfleger bilden dürfen. Im Gegenteil – die wesensmäßige Eignung dieser Entscheidungsbefugnis der Rechtspfleger wird bejaht [Köllensperger, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erweiterung des Rechtspflegerwirkungskreises, NZ2013, 289ff. (298)].

Zur Begründung der Verfassungskonformität der Übertragung der Verfahren über Anträge auf Gewährung von Wohnbeihilfe an Rechtspfleger ist vorauszuschicken, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber für die Beurteilung der Eignung der übertragungsfähigen Geschäfte im Sinn des Art 135a B VG keinen anderen Maßstab für die Zulässigkeit einführen wollte als jenen, der für die Beurteilung auf Grund des Art 87a B VG heranzuziehen ist. In den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, ist ausgeführt, dass der vorgeschlagene Art 135a B VG inhaltlich im Wesentlichen Art 87a B VG entspricht (RV 1618, XXIV. GP, Seite 18). Es ist daher legitim, die hier in Rede stehenden Verfahren mit Angelegenheiten zu vergleichen, die durch Art 87a B VG verfassungsrechtlich gedeckt sind. Die Wiener Landesregierung geht davon aus, dass im Verfahren über die Gewährung einer Wohnbeihilfe auf Grund der vergleichbaren Thematik in etwa gleich schwierige Fragen zu prüfen sind, wie jene, die der Rechtspfleger der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Verfahren über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch minderjähriger und volljähriger Kinder zu beurteilen hat. In diesem Verfahren hat der Rechtspfleger den Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, die durch die Unterhaltsbemessungsgrundlage ausgedrückt wird, festzustellen. Ferner hat er eine Gesamtbeurteilung aller Fakten vorzunehmen und eine Entscheidung zu fällen. In beiden Verfahren (also sowohl im Verfahren über die Gewährung einer Wohnbeihilfe als auch im Unterhaltsbemessungsverfahren) stellen sich Fragen nach dem Einkommen des Wohnbeihilfewerbers bzw. des Unterhaltspflichtigen sowie nach allfälligen Einkünften der Kinder und somit nach der Selbsterhaltungsfähigkeit des Wohnbeihilfewerbers bzw. des Unterhaltsberechtigten. Was die Bedeutung der Sache für den Betroffenen anbelangt, sind allerdings Entscheidungen in Unterhaltssachen eindeutig als von wesentlich größerer Tragweite einzustufen, da die Beträge, die als Wohnbeihilfe gewährt werden, vergleichsweise niedrige Beträge sind (im Jahr 2014 durchschnittlich ca. 120,-- Euro pro Monat), wohingegen ein monatlich zu gewährender Unterhalt – je nach erzieltem Einkommen des Unterhaltspflichtigen – ein Vielfaches hievon beträgt.

Die Besorgung von Unterhaltssachen durch Rechtspfleger ist vom Willen des Bundesverfassungsgesetzgebers gedeckt. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Art 87a B VG. Diese Bestimmung wurde durch die B VG-Novelle, BGBl Nr 162/1962, geschaffen. In den Erläuterungen (RV 655, IX. GP, Seite 1 und 3) ist ausgeführt, dass der erweiterte Wirkungskreis der gerichtlichen Geschäftsstelle und damit die Einrichtung des Rechtspflegers in der österreichischen Rechtsordnung durch ArtVI Z 4 der Sechsten Gerichtsentlastungsnovelle, BGBl Nr 222/1929, in einem neuen § 56a des Gerichtsorganisationsgesetzes eingeführt worden sei. Nach Darlegung von Zweifeln an der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des § 56a des Gerichtsorganisationsgesetzes wird ferner ausgeführt, dass die Einrichtung der Rechtspfleger für die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen und raschen Geschäftsbetriebes der Gerichte nicht entbehrt werden könne. Daher habe die Bundesregierung den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes ausgearbeitet, in dem für die Einrichtung des erweiterten Wirkungskreises der gerichtlichen Geschäftsstelle und damit für die Funktion des Rechtspflegers eine verfassungsrechtlich einwandfreie Grundlage geschaffen werden soll.

Daraus geht eindeutig hervor, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber die Absicht hatte, die durch § 56a des Gerichtsorganisationsgesetzes geschaffene einfachgesetzliche Rechtslage verfassungsrechtlich abzusichern. Nun waren aber bereits durch § 56a litc leg. cit. Geschäfte des außerstreitigen Verfahrens und daher auch Unterhaltssachen seit 1929 an 'entsprechend befähigte Fachbeamte der Gerichtskanzlei' übertragen. Noch konkreter erfolgte die Aufgabenübertragung in weiterer Folge durch die Verordnung des Bundesministeriums für Justiz vom über den erweiterten Wirkungskreis der gerichtlichen Geschäftsstelle, BGBl Nr 184/1950. Gemäß § 12 Abs 1 litd dieser Verordnung umfasste der erweiterte Wirkungskreis in Vormundschafts- und Pflegschaftsangelegenheiten 'die Aufnahme einer Anerkennung der außerehelichen Vaterschaft, die Aufnahme und Genehmigung von Vergleichen auf Leistung des Unterhaltes und die Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen'.

Dies bedeutet zusammengefasst, dass es das zentrale Ziel des Bundesverfassungsgesetzgebers im Jahr 1962 anlässlich der Schaffung des Art 87a B VG war, die Aufgaben der Rechtspfleger in jener Rechtslage verfassungsrechtlich abzusichern, in der er diese zu diesem Zeitpunkt vorgefunden hat. Er hat es somit als verfassungskonform erachtet, wenn Rechtspfleger in Unterhaltssachen eigenständig entscheiden. Die Wiener Landesregierung ist daher der Auffassung, dass die damit vergleichbaren Entscheidungen über die Gewährung von Wohnbeihilfe ebenfalls vom Willen des Bundesverfassungsgesetzgebers – hier im Zusammenhang mit Art 135a B VG – gedeckt sind.

Zum zweitgenannten Bedenken, die Besorgung der Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG 1989 durch Rechtspfleger sei deshalb verfassungswidrig, da diese mündlich verhandeln müssten, ist Folgendes zu bemerken:

Das Verwaltungsgericht Wien knüpft mit diesem Bedenken an die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , Zl. G 181/2014, an. Mit diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof § 26 Z 6 VGWG als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Bestimmung sah vor, dass Rechtspfleger über Beschwerden in denjenigen Fällen entscheiden, in denen die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis höchstens 1.500,-- Euro bedroht ist. Der Verfassungsgerichtshof führte in der Begründung dieses Erkenntnisses aus, dass verwaltungsgerichtliche Verfahren über Beschwerden gegen Straferkenntnisse ihrem Wesen nach im Regelfall nicht geeignet seien, zur Gänze durch Rechtspfleger besorgt zu werden. Dies ergebe sich daraus, dass das Verwaltungsgericht im Regelfall Beweise zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erheben und zu würdigen habe, über die Schuld des Beschuldigten zu befinden und im Rahmen der Strafbemessung die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat zu beurteilen und die in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen habe. Unter Hinweis auf § 25 VGWG führte der Verfassungsgerichtshof ferner aus, dass nur bestimmte, im Rahmen des Verfahrens über Beschwerden gegen Straferkenntnisse zu besorgende Arten von Geschäften, zu welchen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zähle, einer Übertragung an Rechtspfleger zugänglich seien.

Die Wiener Landesregierung ist der Auffassung, dass das Verwaltungsstrafverfahren, zu dem das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergangen ist, und das Administrativverfahren, in dem die hier in Rede stehenden Angelegenheiten der Wohnbeihilfe geführt werden, miteinander nicht vergleichbar sind. Ganz generell gesehen hat die mündliche Verhandlung für die Angelegenheiten, die im Administrativverfahren geführt werden, im Unterschied zu den Verwaltungsstrafverfahren eine wesentlich geringere Bedeutung. Die Erhebung der Beweise kann im Administrativverfahren in der Regel mittelbar erfolgen, d. h. es sind Fakten zu erheben bzw. Urkunden einzusehen (z. B. Baupläne), ohne dass dazu eine mündliche Verhandlung Wesentliches beitragen würde. Das Prozessvorbringen ist selbst im Mehrparteienverfahren nicht darauf gerichtet, in einem Streit zwischen Antragsteller und Nachbarn zu einem Ergebnis geführt zu werden, sondern ist auf die Behörde hin zentriert, die nach Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes auf Basis der zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften entscheidet. Mit anderen Worten ausgedrückt: Über Angelegenheiten, die im Administrativverfahren zu führen sind, kann die Behörde eine fundierte Entscheidung auf Grund der Aktenlage und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien treffen. Fragen der Glaubwürdigkeit, die im Verwaltungsstrafverfahren häufig eine Rolle spielen, treten in diesen Angelegenheiten in der Regel nicht auf.

Die Wiener Landesregierung verkennt dabei nicht, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs 1 VwGVG auf Antrag, oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat. Diese Bestimmung geht auf Art 6 EMRK zurück (vgl. die Erläuterungen zu § 25 VwGVG im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit; RV 2009, XXIV. GP). Wie der Verfassungsgerichtshof jedoch im Erkenntnis vom , Zl. G 181/2014 u. a., unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ausgeführt hat, verpflichtet diese Bestimmung die Konventionsstaaten nicht dazu, die davon erfassten Angelegenheiten einem Verfahren zu unterwerfen, das in jeder Phase durch ein Tribunal geführt wird. Vielmehr können Erfordernisse der Flexibilität und der Effizienz es erfordern, Organe vorzulagern, die den Anforderungen an ein Tribunal nicht entsprechen. Es kann daher – dabei ist auch der Wille des Verfassungsgesetzgebers zu berücksichtigen, der mit Art 135a B VG in engem Rahmen Rechtspfleger zur Entscheidung berufen wollte (vgl. die obigen Ausführungen) – auch nicht verfassungswidrig sein, wenn die Rechtspfleger als Nicht-Tribunal auch die Verfahrensgarantie der Öffentlichkeit nicht gewährleisten. Die Entscheidung durch ein Tribunal ist dadurch sichergestellt, dass in jeder gemäß § 26 VGWG an Rechtspfleger übertragenen Angelegenheit, welche vom Art 6 EMRK erfasst ist, durch die Möglichkeit, eine Vorstellung zu erheben (§54 VwGVG), letztlich ein den Anforderungen an ein Tribunal im Sinn des Art 6 EMRK entsprechendes Mitglied des Verwaltungsgerichtes entscheidet (VfSlg 19.825/2013, Punkt 2.5.2.). Dadurch ist auch sichergestellt, dass in jedem einzelnen Fall einer Beschwerde in Angelegenheiten der Wohnbeihilfe die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor einem Tribunal verlangt werden kann. Ein Verstoß gegen Art 6 EMRK kann daher aus der Vorschaltung der Rechtspfleger auf Grund der gebotenen Möglichkeit, Vorstellung zu erheben, nicht resultieren.

An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass die tragende Säule der Rechtspfleger in Wien nicht § 25, sondern § 26 VGWG ist. Die Bestimmung überträgt den Rechtspflegern Arbeitsgebiete zur eigenständigen Besorgung. Die Motivation für die Schaffung dieser Bestimmung war genau jene Intention, die der Bundesverfassungsgesetzgeber mit der Schaffung des Art 87a B VG (dem Art 135a B VG im Wesentlichen entspricht) verfolgt hat, nämlich eine Entlastung der Richter zu erreichen (vgl. die Erläuterungen RV 167, VI. GP, Seite 2; Zl. G 181/2014 u. a.[,] Punkt 2.6.4.).

Eine spürbare Entlastung kann nur dann erreicht werden, wenn nicht nur bloße Hilfsdienste, sondern eine eigenständige Entscheidungstätigkeit entfaltet werden darf. Dass den Rechtspflegern eigenständige Aufgabengebiete übertragen werden dürfen, ist durch die Wendung 'Arten von Geschäften' gedeckt. Nach den Materialien zu Art 87a B VG wird durch die Wahl dieser Worte zum Ausdruck gebracht, dass sowohl bestimmte Verfahren zur Gänze als auch gewisse Akte innerhalb vom Richter durchzuführender Verfahren den Rechtspflegern übertragen werden dürfen (RV 655, IX. GP; Seite 3, zu Abs 1). In der Literatur wird dazu die Meinung vertreten, dass aus der Verfassung ein generelles und ausnahmsloses Verbot der Übertragung von Sachentscheidungen an den Rechtspfleger nicht abgeleitet werden kann [Köllensperger, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erweiterung des Rechtspflegerwirkungskreises, NZ2013, 289 ff. (299)].

Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Würde man annehmen, dass alle von den Verwaltungsgerichten zu entscheidenden Verwaltungssachen, die von der Behörde im (bloß mittelbaren) Administrativverfahren geführt werden, nur vom Verwaltungsgericht als Tribunal mündlich verhandelt und entschieden werden dürfen, würde dies nicht nur der zitierten Judikatur des EGMR den Boden entziehen, es würde auch ein generelles Verbot der eigenständigen Entscheidung durch Rechtspfleger bedeuten. Eine solche Interpretation kann angesichts der zitierten Materialien zu Art 87a B VG dem Art 135a B VG entspricht, nicht vertreten werden." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. Die in den Verfahren G376-377/2015 beteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet.

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001, 16.927/2003 und ua.).

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der bekämpften Bestimmung in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien zweifeln ließe.

1.2. Gemäß § 62 Abs 1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen das Gesetz sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989). Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006). Es genügt nicht, dass vom Antragsteller behauptet wird, dass die bekämpften Gesetzesstellen gegen eine – wenn auch näher bezeichnete – Verfassungsbestimmung verstoßen; es muss vielmehr vom Antragsteller konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen den aufzuhebenden Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten ist (VfSlg 13.123/1992). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg 17.099/2003, 17.102/2003, 19.825/2013).

1.2.1. Nach Ansicht der Wiener Landesregierung habe es das antragstellende Gericht unterlassen, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Das antragstellende Gericht spreche etwa nur pauschal von "Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG" bzw. vom "Verfahren nach dem WWFSG" ohne zu spezifizieren, welche Beschwerdeverfahren über die Gewährung von Wohnbeihilfe umfasst seien. Demnach müssten hypothetische Annahmen getroffen werden, die es überhaupt erst ermöglichten, das Vorbringen auf eine der möglichen Arten der Gewährung von Wohnbeihilfe zu beziehen. Auch betreffend die Durchführung der mündlichen Verhandlung durch Rechtspfleger habe das antragstellende Gericht lediglich eine Vermutung geäußert.

1.2.2. Der Verfassungsgerichtshof kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Auch wenn das antragstellende Gericht ausführt, die Übertragung umfasse "sämtliche Beschwerdeverfahren nach dem Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz", ergibt sich aus dem Antragsvorbringen eindeutig, dass lediglich die von § 26 Z 4 lita VGWG umfassten Beschwerden über die Gewährung von Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 gemeint sind. Aus den Anträgen lassen sich auch mit hinreichender Deutlichkeit die gegen die angefochtene Bestimmung bestehenden Bedenken, nämlich die mangelnde Eignung der Übertragung der in § 26 Z 4 lita VGWG genannten Aufgaben auf Rechtspfleger im Hinblick auf Art 135a B VG, entnehmen (vgl. Punkt IV.2.2.).

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes sei die Besorgung von Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG 1989 ihrem Wesen nach nicht geeignet, zur Gänze auf Rechtspfleger übertragen zu werden, weshalb die angefochtene Bestimmung gegen Art 135a B VG verstoße. Die Anwendung des WWFSG 1989 setze weitreichende juristische Kenntnisse auf dem Gebiet des Zivil- und Steuerrechtes voraus. Obgleich Verfahren nach dem WWFSG 1989 vor der Behörde auf Grund ihrer Menge als "Massenverfahren" standardisierbar seien, seien Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG 1989 keinesfalls "einfach oder stark formalisierte Verfahren" sowie Geschäfte, die keinen "hohen Schwierigkeitsgrad" aufweisen. An das Verwaltungsgericht würden in der Regel nur jene Fälle herangetragen, deren zugrunde liegende Rechtsfragen ungeklärt seien oder bei denen der Sachverhalt strittig sei. Das antragstellende Gericht bringt überdies vor, dass in Beschwerdeverfahren nach dem WWFSG 1989 über "civil rights" abgesprochen werde und daher im Regelfall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten sei; auch sei der Sachverhalt vielfach strittig und in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung durch den Rechtspfleger zu ermitteln und nach Würdigung der aufgenommenen Beweise festzustellen. Daher sei die angefochtene Bestimmung bereits vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G181/2014 ua., verfassungswidrig.

2.3. Die Wiener Landesregierung entgegnet diesem Vorbringen – auf das Wesentliche zusammengefasst –, dass es sich etwa bei Verfahren betreffend die Gewährung von Allgemeiner Wohnbeihilfe nach dem III. Hauptstück des WWFSG 1989 gemäß §§60 und 61a WWFSG 1989 nicht ausnahmslos um völlig gleichförmige und damit gänzlich anspruchslose Geschäfte handeln würde. Dennoch würden diese, da im Wesentlichen immer die gleichen Fragen aufzuwerfen seien, nach einem gleichbleibenden Schema ablaufen. Ferner sei die Frage auf Grund des engen gesetzlichen Rahmens, der anzuwenden sei, überschaubar. Der Verfahrensgegenstand sei somit eng begrenzt. Außerdem sei der Sachverhalt in der Regel ausschließlich anhand von Urkunden zu prüfen. In Bezug auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung durch Rechtspfleger bringt die Landesregierung vor, dass die Erhebung von Beweisen in der Regel mittelbar erfolgen könne, ohne dass dazu eine mündliche Verhandlung Wesentliches beitragen würde. Insbesondere würden Fragen der Glaubwürdigkeit, die im Verwaltungsstrafverfahren häufig eine Rolle spielten, in diesen Angelegenheiten in der Regel nicht auftreten.

2.4. Verwaltungsgerichte erkennen von Verfassungs wegen durch Richter (Art135 Abs 1 B VG). Gemäß Art 135a Abs 1 B VG kann im Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes allerdings die Besorgung "einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften" besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bediensteten (im Folgenden: Rechtspfleger) übertragen werden. Die Regelungen des Art 135a B VG entsprechen im Wesentlichen jenen des Art 87a B VG (vgl. die Erläut. zur RV 1618 BlgNR 24. GP, 18), zu welchem die Gesetzesmaterialien (vgl. die Erläut. zur RV 655 BlgNR 9. GP, 3) Folgendes ausführen:

"[D]ie Besorgung von Geschäften der Gerichtsbarkeit durch nicht-richterliche Organe [stellt] nur einen Ausnahmefall [dar], woraus sich der […] zwingende Umkehrschluß ergibt, daß die Besorgung der Geschäfte der Gerichtsbarkeit durch Richter als Grundsatz zu gelten hat. […] Die Wendung 'einzelne, genau zu bezeichnende Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit' soll klarstellen, daß die Übertragung von Geschäften der Gerichtsbarkeit […] an Rechtspfleger[…] einen Ausnahmefall gegenüber der Tätigkeit des Richters darstellt. Durch die Wahl der Worte 'A r t e n von Geschäften' wird ferner zum Ausdruck gebracht, daß sowohl bestimmte Verfahren zur Gänze […] als auch gewisse Akte innerhalb vom Richter durchzuführender Verfahren den Rechtspflegern übertragen werden dürfen. Welche Verfahren und Akte dies im einzelnen sein sollen, wird der [Gesetzgeber] zu bestimmen haben. Es kann wohl davon ausgegangen werden, daß der [Gesetzgeber] den Rechtspflegern nur jene Geschäfte übertragen wird, die sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen."

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 19.825/2013 ausführte, ist die Wendung "einzelne, genau zu bezeichnende Arten von Geschäften" gemäß Art 135a B VG im selben Sinne zu verstehen wie jene gemäß Art 87a B VG. Art 135a B VG ermächtigt sohin auch dazu, Rechtspflegern – im Rahmen ihrer besonderen Ausbildung – bestimmte Verfahren zur Gänze zu übertragen, sofern sie sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen.

2.5. Der Ermächtigung zur Übertragung der Besorgung "einzelner" Arten von Geschäften an Rechtspfleger gemäß Art 135a B VG sind Grenzen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht gesetzt (vgl. ua.; Faber , Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2013, Art 135a B VG Rz 4; Ranacher , Organisation und Dienstrecht: Anforderungen und Spielräume für die Gesetzgeber, in: Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2013, 163 [194 f.]; Segalla , Die Stellung des Verwaltungsrichters, in: Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2013, 145 [158]).

2.5.1. Bezüglich der Grenzen in qualitativer Hinsicht führte der Verfassungsgerichtshof in ua., aus:

"Bei der Beurteilung, ob eine Art von Geschäften in qualitativer Hinsicht einer Besorgung durch Rechtspfleger zugänglich ist, ist der Zweck der Einrichtung von Rechtspflegern zu berücksichtigen. Dieser war – und ist – die 'Entlastung' der Richter (vgl. die Erläut. zur RV 167 BlgNR 6. GP, 2 [ad § 56a GOG, RGBl. 217/1896, idF BGBl 182/1950]). Der Einsatz von Rechtspflegern durch Übertragung der Besorgung bestimmter Aufgaben an diese soll dem Richter Kapazitäten zur Bewältigung der übrigen Aufgaben schaffen, diesen aber nicht von der Besorgung auch dieser – ihm vorbehaltenen – Aufgaben entbinden (vgl. wiederum die Erläut. zur RV 167 BlgNR 6. GP, 2: 'eigentliche Aufgaben'). Bestimmte Arten von Geschäften der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz sind sohin von Verfassungs wegen der Besorgung durch Richter vorbehalten; an Rechtspfleger kann nur die Besorgung jener Arten von Geschäften übertragen werden, die sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen. Die wesensmäßige Eignung einer Art von Geschäften zur Besorgung durch Rechtspfleger kann insbesondere ihr geringer Schwierigkeitsgrad oder ihr hohes Maß an Standardisierbarkeit begründen (vgl. auch die Erläut. zur RV 167 BlgNR 6. GP, 2: 'einfache und oft wiederkehrende, gleichartige Geschäfte').

Für die Beurteilung, ob sich eine Art von Geschäften ihrem Wesen nach für die Besorgung durch Rechtspfleger eignet, ist nicht maßgeblich, welchen Grad an 'besonderer Ausbildung' Rechtspfleger im Einzelfall aufweisen. Ebensowenig ist […] von Bedeutung, inwieweit dem zuständigen Richter eine Ingerenz auf die Aufgabenbesorgung durch den Rechtspfleger (insbesondere durch Art 135a Abs 2 und 3 B VG; siehe dazu VfSlg 19.825/2013) oder eine nachfolgende Zuständigkeit im Rahmen eines remonstrativen Rechtsmittels (etwa durch § 54 VwGVG) eingeräumt ist. Der schon in Art 135 B VG zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch Richter ausgeübt wird, lässt sich nämlich nicht dadurch substituieren, dass in von Rechtspflegern selbstständig zu führenden Verfahren einem Richter Aufsichts-, Eingriffs- und Weisungsbefugnisse eingeräumt werden.

[…] Nicht jedes Verfahren, das seinem Wesen nach zur Besorgung bestimmter Verfahrensschritte und Erledigungsarten durch Rechtspfleger geeignet ist, ist auch zur Besorgung durch Rechtspfleger zur Gänze, das heißt zur Führung und Erledigung durch Rechtspfleger schlechthin geeignet (idS auch Ranacher , aaO, 194 f.). Die Eignung einer Art von Geschäften ihrem Wesen nach zur Übertragung ihrer Besorgung an Rechtspfleger hängt also maßgeblich davon ab, welche Verfahrensschritte und Erledigungsarten zur Besorgung übertragen werden bzw. ob die Übertragung […] die Besorgung von Verfahren zur Gänze betrifft.

Dieser Grundsatz ist für den Einsatz von Rechtspflegern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß Art 135a B VG von besonderer Bedeutung: Verwaltungsgerichte entscheiden insbesondere […] über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Die – viele Fälle des Einsatzes von Rechtspflegern in der ordentlichen Gerichtsbarkeit kennzeichnende – Konstellation, dass Verfahrensgegenstand die Fällung einer Erstentscheidung ist, liegt bei der Tätigkeit von Rechtspflegern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz typischerweise […] nicht vor. Vielmehr geht es vor dem Verwaltungsgericht der Sache nach um die Kontrolle von Entscheidungen der Verwaltung, also – wiederum verglichen mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit – materiell gesehen um eine Tätigkeit, die für ein Instanzgericht charakteristisch ist. Der Rechtspfleger in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ist damit wie der Verwaltungsrichter typischerweise […] in Fällen zuständig, in denen ein Betroffener gegen eine Entscheidung der Verwaltung Rechtsschutz sucht (vgl. idZauch Chvosta , Organisation und Struktur des Bundesverwaltungsgerichts, in: Larcher [Hrsg.], Handbuch Verwaltungsgerichte, 2013, 161 [173 f.]; Kolonovits , Die 'neuen' Rechtspfleger bei den Verwaltungsgerichten erster Instanz [Art135a B VG] im Lichte des Art 6 EMRK, GS Walter, 2013, 321 [328]; Segalla , aaO, 158).

Nun eröffnet Art 135a B VG (anders als Art 87a B VG, der den Einsatz von Rechtspflegern nur bei Gerichten erster Instanz zulässt) im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz zwar grundsätzlich die Möglichkeit, die Besorgung solcher – der Nachprüfung verwaltungsbehördlicher Entscheidungen dienender – Verfahren an Rechtspfleger zu übertragen (vgl. VfSlg 19.825/2013). Bei der Beurteilung, ob diese Verfahren ihrem Wesen nach geeignet sind, zur Gänze durch Rechtspfleger besorgt zu werden, ist aber die Stellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im System des Verwaltungsrechtsschutzes in besonderer Weise zu berücksichtigen."

2.5.2. Die bekämpfte Bestimmung, welche Beschwerdeverfahren über die Gewährung von Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 zur Gänze auf Rechtspfleger überträgt, entspricht diesen Anforderungen:

2.5.2.1. Das WWFSG 1989 sieht verschiedene Arten der Gewährung von Wohnbeihilfe vor. In diesen Verfahren hat die Behörde – unter Zugrundelegung der jeweils erforderlichen Nachweise – die für die Berechnung der Wohnbeihilfe maßgeblichen Parameter (zB Haushaltsgröße und -einkommen, Wohnnutzfläche) zu bestimmen und auf Grund dieser Erhebungen die Wohnbeihilfe zu berechnen.

Auch bei im Detail unterschiedlichen Regelungen laufen die Verfahren über die Gewährung von Wohnbeihilfe nach einem gleichbleibenden Schema ab und werden – wie auch das antragstellende Gericht im Wesentlichen selbst einräumt – in der Regel als standardisierte Massenverfahren durchgeführt. Es handelt sich um ein insgesamt sachlich eng begrenztes Rechtsgebiet, in welchem sich weitestgehend vorhersehbare und in ihrem Umfang überschaubare Sach- und Rechtsfragen stellen.

Dass ausnahmsweise in einzelnen Verfahren komplexere Rechtsfragen – die insbesondere in Beschwerdeverfahren zu lösen sind – bzw. Abweichungen von den grundsätzlich standardisierten Verfahren auftreten können, ändert nichts daran, dass die Angelegenheiten ihrem Wesen nach geeignet sind, auf Rechtspfleger übertragen zu werden, zumal es im System des Art 135a B VG liegt, dass Rechtspfleger erst im Rahmen der Kontrolle einer Entscheidung eingesetzt werden (vgl. ua.). Abgesehen von der Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Rechtspflegers mittels Vorstellung gemäß § 54 VwGVG vorzugehen, kann in derart gelagerten Beschwerdesachen der zuständige Richter – vor dem Hintergrund des Art 135a Abs 2 und 3 B VG sowie der Bestimmungen des § 4 Abs 4 und 5 VGWG – durch Weisungen eingreifen oder sich die Erledigung der Sache vorbehalten bzw. sie an sich ziehen (vgl. VfSlg 19.825/2013); überdies ist der Rechtspfleger gemäß § 4 Abs 6 VGWG, "wenn es die Schwierigkeit oder Wichtigkeit der Sache erfordert", zur Vorlage an den Richter verpflichtet.

2.5.2.2. Soweit das antragstellende Gericht vorbringt, die Durchführung der mündlichen Verhandlung sei jedenfalls ungeeignet, von Rechtspflegern besorgt zu werden, ist auszuführen, dass die für die Beurteilung der Wohnbeihilfe maßgeblichen Grundlagen vorrangig durch Urkunden nachzuweisen sind. Anders als in Verwaltungsstrafverfahren, in welchen im Regelfall Beweise zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erheben und entsprechend zu würdigen sind (vgl. ua.), stellen sich in Verfahren über die Gewährung von Wohnbeihilfe vorrangig Rechtsfragen in Bezug auf die maßgeblichen Berechnungsgrundlagen, deren Sachverhaltsgrundlagen in der Regel durch Urkunden bereits auf Grund der Aktenlage gelöst werden können, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht zwingend geboten ist.

Auch soweit das antragstellende Gericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Übertragung der Durchführung der mündlichen Verhandlung an Rechtspfleger im Hinblick auf Art 6 EMRK hegt, teilt der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken nicht, da die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor einem Gericht im Sinne des Art 6 EMRK nach Erhebung der Vorstellung gemäß § 54 VwGVG gewährleistet ist (vgl. VfSlg 19.825/2013; ua.).

2.6. Verfahren wegen Beschwerden über die Gewährung von Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 sind demnach entgegen dem Vorbringen des antragstellenden Gerichtes ihrem Wesen nach geeignet, von Rechtspflegern besorgt zu werden. Dies trifft dabei nicht nur auf die Möglichkeit einer Übertragung zur Besorgung bestimmter Verfahrensschritte und Erledigungsarten zu, sondern kann das Verfahren auch zur Gänze übertragen werden. Da die bekämpfte Bestimmung sohin die Besorgung von Arten von Geschäften an Rechtspfleger überträgt, die hiefür geeignet sind, verstößt die Regelung des § 26 Z 4 lita VGWG nicht gegen Art 135 Abs 1 iVm Art 135a Abs 1 B VG.

V. Ergebnis

1. Die vom Verwaltungsgericht Wien ob der Verfassungsmäßigkeit des § 26 Z 4 lita VGWG erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Die Anträge sind daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:G256.2015