VfGH vom 09.10.1990, g25/90
Sammlungsnummer
12492
Leitsatz
Zulässigkeit von Individualanträgen von Handelsgewerbetreibenden auf Aufhebung von Regelungen über das Offenhalten von Verkaufsstellen;
kein anderer Weg zur Abwehr des Eingriffs in die Rechtssphäre;
Aufhebung einer Bestimmung über die Öffnungszeiten wegen unverhältnismäßigen Eingriffs in die Erwerbsausübungsfreiheit;
Übertragung der Disposition über die Verlängerung der Offenhaltezeit an den Landeshauptmann aufgrund einer Verordnungsermächtigung
Spruch
1. § 2 Abs 1 des Bundesgesetzes vom über die Ladenöffnungszeiten an Werktagen (Öffnungszeitengesetz), BGBl. Nr. 156/1958 in der Fassung BGBl. Nr. 633a/1989 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
2. Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, den Antragstellern zuhanden ihres Vertreters die mit je S 15.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit ihren Anträgen begehren die Antragsteller die Aufhebung des § 2 Abs 1 des Bundesgesetzes vom über die Ladenöffnungszeiten an Werktagen (Öffnungszeitengesetz), BGBl. 156/1958 in der Fassung der Novelle vom , BGBl. 633a/1989 als verfassungswidrig.
Diese Bestimmung setzt die zulässigen Offenhaltungszeiten an Werktagen außer Samstagen für Betriebseinrichtungen, die für den Kleinverkauf von Waren (Läden und sonstige Verkaufsstellen) bestimmt sind, fest und lautet:
"Die Verkaufsstellen (§1 Abs 1 bis 3) dürfen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, an Werktagen von 7.30 Uhr bis 18.30 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln von 6.30 Uhr bis 18.30 Uhr, offen gehalten werden."
Abweichendes gilt für Verkaufsstellen, in denen Milch abgegeben wird und für Bäckereibetriebe (§2 Abs 2 und 3 leg. cit.), für den Kleinverkauf von Waren am 24. und 31. Dezember (§4 leg. cit.) sowie für Verkaufsstellen bestimmter Art, etwa in Bahnhöfen, Theatern und Lichtspieltheatern, Konzerthäusern, Museen, Kongreßhäusern oder auf Sportplätzen oder im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Märkten und Messen (§§5 und 5a leg. cit.).
Gem. § 2 Abs 4 Öffnungszeitengesetz ist der Landeshauptmann dann, wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies erfordern, ermächtigt, mit Verordnung anzuordnen, daß die Verkaufsstellen am Morgen frühestens eine Stunde vor den in § 2 Abs 1 festgelegten Öffnungszeiten geöffnet und am Abend höchstens eine Stunde (gem. Abs 5 für Verkaufsstellen für Süßwaren höchstens zwei Stunden) über die in § 2 Abs 1 festgelegten Öffnungszeiten hinaus offengehalten werden dürfen.
Weiters ist der Landeshauptmann zu sog. "gebietlichen Sonderregelungen" ermächtigt: zum einen kann er in bestimmten Fällen abweichende Ladenschlußzeiten für Verkaufsstellen bestimmter Art im Zusammenhang mit der Befriedigung der Einkaufsbedürfnisse der Besucher von Campingplätzen, Badeplätzen oder pratermäßigen Veranstaltungen und für die Hauptbesuchszeiten von Ausflugsorten und Wallfahrtsorten festlegen (§6 Abs 1 leg. cit.); zum anderen kann der Landeshauptmann allgemein oder für die Verkaufsstellen bestimmter Art einen späteren Ladenschluß (an Samstagen bis 18 Uhr, an sonstigen Werktagen bis 20 Uhr) für besonders wichtige Fremdenverkehrsorte (§6 Abs 2 litb leg. cit) sowie für Gebiete anordnen, in denen wegen bedeutender örtlicher Veranstaltungen (wie Messen, Ausstellungen, Festspiele, sportliche Veranstaltungen udgl.) ein besonderer Zustrom Ortsfremder zu erwarten und das längere Offenhalten der Verkaufsstellen zur Befriedigung der Einkaufsbedürfnisse notwendig ist (§6 Abs 2 lita leg. cit.).
2. Die Antragsteller bringen vor, Eigentümer von Handelsgeschäften in Wien und als Unternehmensträger durch die bekämpfte Gesetzesbestimmung unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein. Weder gelte für die von ihnen betriebenen Verkaufsstellen eine gesetzliche Sonderregelung noch eine von der allgemeinen Regelung des § 2 Abs 1 Öffnungszeitengesetz abweichende verordnungsmäßige Festlegung der für sie maßgeblichen Offenhaltezeiten. Die Wirkung der bekämpten gesetzlichen Regelung sei für sie daher unmittelbar, zumal vom Gesetz auch keine Möglichkeit zur Erwirkung einer individuellen Ausnahmeregelung vorgesehen sei. Ein anderer zumutbarer Weg, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Regelung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, stehe ihnen nicht zur Verfügung.
3. a) Die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung sehen die Antragsteller in deren Widerspruch zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung. Sie vertreten die Ansicht, daß die bekämpfte Regelung aus eben jenen Gründen mit Verfassungwidrigkeit belastet sei, die auch zur Aufhebung der Vorgängerbestimmung des § 2 Abs 1 des Ladenschlußgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , G198, 234/88 geführt haben und führen dazu im wesentlichen aus:
"1. Mit E vom (G 198, 234/88) hat der VfGH die Bestimmungen über den Ladenschluß an Werktagen (§2 Abs 1 sowie Teile des § 2 Abs 4 LSchG) als verfassungswidrigen Eingriff in das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit aufgehoben. In seiner Begründung hat der Gerichtshof die gesetzliche Anordnung einer Sperrzeit ab 18 Uhr (bzw. für den Lebensmitteldetailhandel ab 18.30 Uhr, was im Rahmen des vorliegenden Antrags jedoch außer Betracht bleiben kann) als sehr gravierende Beschränkung bezeichnet, dieser aber in erster Linie sozialpolitische Gründe für eine Beschränkung der Offenhaltezeiten gegenübergestellt. Die Tatsache jedoch, daß der einzelne Unternehmer nicht einmal in dem nach § 2 Abs 5 LSchG dem LH eingeräumten Rahmen über eine Verlängerung der zulässigen Offenhaltezeit frei disponieren kann, hat der VfGH als unverhältnismäßigen und daher verfassungswidrigen Eingriff betrachtet.
Infolge der genannten Aufhebung wurde das LSchG mit dem BG vom novelliert, dessen Kern der neue Abs 1 des § 2 ist, der den Verkaufsstellen das Offenhalten zwischen 7.30 Uhr bis 18.30 Uhr gestattet. Davon abgesehen, wurde der im Jahre 1989 durchgeführte Modellversuch in Gestalt des neuen § 3a Abs 1 nun als Dauerregelung perpetuiert, der zur Folge die Verkaufsstellen entweder einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17 Uhr offengehalten werden dürfen.
Der Inhalt der nach der alten Rechtslage (§2 Abs 5 LSchG) dem LH eingeräumten Ermächtigung, mit Verordnung anzuordnen, daß die Verkaufsstellen (unter anderem) am Abend höchstens eine Stunde über die im Abs 1 des § 2 festgelegten Öffnungszeiten hinaus offengehalten werden dürfen, wenn dies die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, erfordern, wurde mit im wesentlichen gleichen Inhalt als § 2 Abs 4 des novellierten Gesetzes übernommen.
Schon aufgrund der alten Regelungen war es daher möglich, daß die Verkaufsstelle der Antragstellerin im Falle der Erlassung einer entsprechenden Verordnung durch den LH bis 19 Uhr geöffnet bleiben konnte. Der Gerichtshof hatte jedoch einen unverhältnismäßigen und auch durch die vom Gesetzgeber angestrebten öffentlichen Interessen nicht mehr zu rechtfertigenden Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit eines Handelsgewerbetreibenden darin erblickt, daß diesem auch im Fall einer besonders gelagerten Nachfragesituation das Offenhalten zwischen 18 und 19 Uhr verboten wurde und nur ein Verwaltungsorgan, nicht aber der Handelstreibende selbst, über eine Verlängerung in diesem Rahmen disponieren konnte.
2. Mißt man die Neuregelung an dem zitierten E des VfGH, so ist augenfällig, daß den Handelstreibenden auch nach wie vor nicht einmal jener Spielraum gewährt wird, der nach der alten Rechtslage dem LH zustand - nämlich im Bedarfsfall erst um 19 Uhr zu schließen, da die neue Ladenschlußzeit mit 18.30 Uhr festgesetzt wurde.
Es zeigt sich aber auch, daß der Gesetzgeber selbst es ganz offenbar nach wie vor anerkennt, daß es erforderlich sein kann, die Öffnungszeiten der Nachfrage anzupassen, wenn die Struktur der Nachfrage die zulässigen Offenhaltungszeiten als extrem gravierende Beschränkung der Erwerbstätigkeit erweist. Warum sonst hätte der Gesetzgeber den alten § 2 Abs 5 LSchG in Gestalt des neuen § 2 Abs 4 erneut zum Inhalt des die Öffnungszeiten regelnden Gesetzes gemacht? Insbesondere aus der Tatsache, daß die alte Regelung nicht etwa einfach stehen gelassen wurde, sondern unter neuer Absatzbezeichnung und veränderter Textierung in der Novelle aufscheint, ist zu schließen, daß der Gesetzgeber sehr bewußt und offenbar aus der Einsicht in die Notwendigkeit eines derartigen Spielraums eine derartige Norm abermals in das Gesetz aufnahm.
Auch der ressortzuständige Minister ist nach wie vor der Meinung, daß eine flexiblere Gestaltung der Öffnungszeiten erforderlich wäre. In seiner parlamentarischen Anfragebeantwortung vom , also dem Tag der Veröffentlichung des angefochtenen Gesetzes, hat Bundesminister Dr. SCHÜSSEL (II-9542 der Beil. zu den Sten.Prot. des NR, XVII.GP) ausgeführt, daß "auch eine flexiblere Gestaltung der Ladenöffnungszeiten ... geeignet (erscheine), den Interessen der Nahversorgung zu dienen, da sie den kleineren Geschäften ermöglichen würde, ihre Dienstleistungen besser als bisher individuellen Konsumentenwünschen anzupassen und dadurch nach Beurteilung der jeweils günstigsten Offenhaltezeiten zusätzliche Kaufkraft wie z.B. ausländische Gäste und Pendler anzuziehen."
Wiederum jedoch überträgt das Gesetz die Bewertung, wann die Nachfragestruktur die Verlängerung erfordert, und damit die Disposition über die allfällige Verlängerung der Offenhaltezeit dem Landeshauptmann, also einem Verwaltungsorgan. Wie der Gerichtshof jedoch schon in den Entscheidungsgründen des E vom , G132/87 (und Folgezahlen) ausgesprochen und mit dem E vom , G198, 234/88 unterstrichen hat, ist ein derartiger Eingriff nicht mehr adäquat.
Wie Bernd WIESER in der Tageszeitung "Der Standard" vom ("Der Staat als Ladenhüter. Ist die Neuregelung des Ladenschlusses verfassungswidrig?") zutreffend ausgeführt hat, kann die neue, hier angefochtene Regelung auch nicht durch das nunmehr perpetuierte Versuchsmodell (§3a) hinsichtlich ihrer Verfassungskonformität gestützt werden, hat doch diese Regelung in der Begründung des zitierten Erkenntnisses für die "Gerade noch"-Verfassungsmäßigkeit der geltenden Sperrhalbtagsregelung herhalten müssen. Die alte, vom VfGH als zu restriktiv erkannte Regelung des Ladenschlusses an Werktagen konnte sie schon seinerzeit nicht rechtfertigen und wird dies daher auch in Zukunft nicht tun können, hat der Gerichtshof doch selbst darauf hingewiesen, daß der seinerzeitige ArtII Z 1 der Novelle BGBl. 421/1988 an der Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs in die freie Erwerbstätigkeit angesichts der "andersartigen und bloß beschränkten Gestaltungsermächtigung" dieser Modellversuchsregelung nichts geändert habe. Aus der befristeten Geltung ist nun eine unbefristete Geltung geworden, am Unvermögen dieser Bestimmung, die allzu beschränkende Einengung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit "verfassungsmäßig zu machen", hat sich nichts geändert.
3. Der Antragsteller hält es für entbehrlich, die insbesondere in den Verfahren G198/88 und G234/88 von allen Beteiligten aufwendig und detailfreudig betriebene Diskussion noch einmal aufzurollen, sondern beschränkt sich auf folgende Zusammenfassung:
Der VfGH hat festgestellt, daß die Ziele, denen die Ladenschlußregelungen dienen - insbesondere die Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher, die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion - im öffentlichen Interesse liegen.
Es stellt ein an sich taugliches Mittel zur Erreichung der genannten Ziele dar, die zulässigen Offenhaltezeiten für Verkaufsstellen von Handelsbetrieben gesetzlich zu limitieren.
Die gesetzlich vorgeschriebene Ladenschußzeit an Werktagen stellt eine sehr weitgehende Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit dar, die grundsätzlich durch sozialpolitische Erwägungen gerechtfertigt sein kann.
Selbst sozialpolitische Erwägungen können jedoch nicht Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit jedweder Art und Intensität rechtfertigen.
Wird dem Handelsgewerbetreibenden ein Offenhalten am Abend auch dann verboten, wenn aufgrund der Einkaufsbedürfnisse und -möglichkeiten der Bevölkerung die Nachfrage nach Waren der von ihm angebotenen Art im Einzugsbereich seines Unternehmens stark ist und ist er somit gehindert, seine Öffnungszeit der Nachfrage anzupassen, so erweist sich dies als extrem gravierende Beschränkung seiner Erwerbstätigkeit.
Wird in einer derartigen Situation die Entscheidung, die Öffnungszeit der Nachfrage anzupassen, (selbst innerhalb eines relativ geringen Abweichens von der allgemeinen Offenhaltezeit) einem Verwaltungsorgan übertragen, so ist dies als unverhältnismäßiger Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Erwerbsbetätigung zu beurteilen.
Das Argument, eine Aufhebung der angefochtenen Vorschrift würde zu einer Veränderung der Chancen im Wettbewerbsprozeß führen, geht ins Leere, da der Sinn der Erwerbsfeiheit grundsätzlich darin liegt, dem Unternehmen die Erwerbsausübung im Rahmen eines geordneten Wettbewerbs zu ermöglichen, nicht aber, bestimmten Unternehmen wirtschaftlichen Schutz zu garantieren.
Daß das vorgeschriebene Geschlossenhalten von Verkaufsstellen die Einkaufsmöglichkeit von Konsumenten nicht fördert, sondern behindert, bedarf keiner weiteren Erörterung. Die Befürchtung drohender Uneinheitlichkeit der Öffnungszeiten ist unbeachtlich, da auch die nunmehr geltenden Ladenschlußvorschriften (wie auch schon die früheren Vorschriften) keineswegs vollständige Einheitlichkeit der tatsächlichen Öffungszeiten gewährleisten.
Somit ergibt sich, daß die angefochtene Regelung - selbst innerhalb des vom E vom äußerst eng und vorsichtig gesteckten Rahmens - einen unverhältnismäßigen und somit verfassungswidrigen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung darstellt."
b) In den zu G25, 29 und 30/90 protokollierten Anträgen wird darüberhinaus dargelegt, daß und warum nach Ansicht der Antragsteller die bekämpfte Regelung auch dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht: Dabei wird die Auffassung vertreten, daß die Regelung insbesondere auch deshalb mit Gleichheitswidrigkeit belastet sei, weil sie Handelsunternehmen, die keine Dienstnehmer beschäftigen (aber auch solche, die Dienstnehmer beschäftigen, diese aber im fraglichen Zeitraum nicht einsetzen), gleich jenen Unternehmen behandeln, die Dienstnehmer beschäftigen, und damit eine verfassungsrechtlich gebote Differenzierung vermissen lasse.
4. Die Bundesregierung hat beschlossen, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Antragsteller sind als zur Ausübung von Handelsgewerben Berechtigte durch die von ihnen bekämpfte Vorschrift aus den in den Anträgen zutreffend genannten Umständen (vgl. oben Pkt. I/2) in ihrer Rechtssphäre direkt und aktuell betroffen (vgl. VfSlg. 11558/1987, G198, 234/88). Auch steht ihnen ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - verfassungswidrigen Eingriffs in ihre Rechtssphäre nicht zur Verfügung. Die Anträge sind daher - da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen - zulässig.
2. a) Die angefochtene gesetzliche Regelung begrenzt die zulässigen Öffnungszeiten von Verkaufseinrichtungen, beschränkt damit die Möglichkeit der Erwerbsausübung und greift daher in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Erwerbsfreiheit ein.
Eine solche die Erwerbsfreiheit beschränkende Regelung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. die nähere Darlegung in VfSlg. 11558/1987 mwH) nur zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, dieser adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist. Auch gesetzliche Regelungen, die - wie die angefochtene - bloß die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsfreiheit zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, daß Ausübungsregelungen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen.
b) Wie der Verfassungsgerichtshof insbesondere in seinen, Regelungen des Ladenschlußgesetzes betreffenden Vorerkenntnissen VfSlg. 11558/1987 und G198, 234/88 dargelegt hat, liegen die Ziele, denen Ladenschlußregelungen dienen - das sind insbesondere die Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher, die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion von Ladenschlußregelungen - im öffentlichen Interesse. Auch ergibt sich aus den Erwägungen im zit. Erk. vom , daß die Bestimmung von Zeiten, in denen die Verkaufsstellen von Handelsbetrieben am Abend und in der Nacht geschlossen zu halten sind, ein an sich taugliches Mittel zur Erreichung der genannten Ziele darstellt. Insbesondere sozialpolitische Umstände vermögen durch Öffnungszeitenregelungen bewirkte Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit zu rechtfertigen, freilich nicht Beschränkungen jedweder Art und Intensität.
Nun bewirkt die in Prüfung stehende Regelung, die sich von der im eben genannten Verfahren beurteilten nur dadurch unterscheidet, daß nunmehr alle Verkaufsstellen ab 18.30 Uhr geschlossen zu halten sind, während vordem die Abendsperre nur für Verkaufsstellen des Lebensmittelhandels mit diesem Zeitpunkt, im übrigen aber mit 18 Uhr festgelegt war, eine sehr weitgehende Beschränkung der Erwerbsausübung an Werktagen: Denn aufgrund dieser gesetzlichen Anordnung sind die Verkaufsstellen von Kleinhandelsbetrieben zur Abend- und zur Nachtzeit, also insgesamt in großem zeitlichen Ausmaß geschlossen zu halten. Dies ergibt sich aus dem schon mehrfach zitierten Vorerkenntnis. In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof auch eingehend dargelegt, daß der durch die Sperrvorschrift bewirkte Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Rechtsposition vor allem deshalb von sehr starkem Gewicht ist, weil er dem Handelsgewerbetreibenden ein Offenhalten am Abend auch dann untersagt, wenn die Struktur der Nachfrage nach Waren der von ihm angebotenen Art im Einzugsbereich seines Unternehmens gerade in dieser Zeit besonders stark ist und sich als extrem gravierende Beschränkung seiner Erwerbstätigkeit erweist. Nun anerkennt das Öffnungszeitengesetz ebenso wie das Ladenschlußgesetz i.d.F. vor der Novelle BGBl. 633a/1989 die Bedeutung einer solchen Situation. Deshalb ermächtigt § 2 Abs 4 Öffnungszeitengesetz (in ähnlicher Weise wie vordem § 2 Abs 5 LSchG) den Landeshauptmann zur Verlängerung der zulässigen Offenhaltezeit um eine Stunde, "wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies erfordern."
Freilich überträgt das Gesetz die Bewertung, wann die Nachfragestruktur die Verlängerung erfordert und damit die Disposition über die allfällige Verlängerung der Offenhaltezeit dem Landeshauptmann. Ein derartiger Eingriff ist - wie sich schon aus den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses VfSlg. 11558/1987 und aus den Erwägungen in G198, 234/88 ergibt, - nicht mehr adäquat, wenn die Entscheidung, ob der abendliche Ladenschluß der Nachfragesituation angepaßt werden darf - wie derzeit - einem Verwaltungsorgan übertragen wird.
Deshalb hat der Verfassungsgerichtshof in dem zuletzt genannten Erkenntnis ausgesprochen,
"daß es einen unverhältnismäßigen und auch durch die vom Gesetzgeber angestrebten öffentlichen Interessen nicht mehr zu rechtfertigenden Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit eines Handelsgewerbetreibenden darstellt, diesem auch im Fall einer besonders gelagerten Nachfragesituation das Offenhalten über die allgemeinen Sperrzeiten hinaus auch in dem Ausmaß zu verbieten, in dem nach § 2 Abs 5 LSchG der Landeshauptmann eine Verlängerung der zulässigen Offenhaltezeit vorsehen kann, wenn dies die Einkaufsbedürfnisse etwa der berufstätigen Bevölkerung erfordern. Da die in Prüfung stehende Regelung auch eine solche individuelle Anpassung der Offenhaltezeit, die von der allgemeinen Offenhaltezeit nur in geringem Ausmaß abweicht und die Gesamtoffenhaltezeit nicht verlängert, ausschließt, greift sie in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Erwerbsbetätigung unverhältnismäßig ein."
Der Gerichtshof hat in diesem Erkenntnis auch festgehalten, daß an diesem Ergebnis auch der damals befristet in Geltung gestandene ArtII Z 1 der Ladenschlußgesetz-Novelle BGBl. 421/88, der dem nunmehrigen § 3a Öffnungszeitengesetz entspricht und die Handelsgewerbetreibenden berechtigt, die Verkaufsstellen "entweder einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17 Uhr" offenzuhalten, "angesichts dessen andersartiger und bloß beschränkter Gestaltungsermächtigung" nichts zu ändern vermag.
c) Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Vorerkenntnis dargelegten und vorstehend resumierten Auffassung:
Aus ihr ergibt sich, daß auch die angefochtene Regelung des Öffnungszeitengesetzes in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Erwerbsbetätigung unverhältnismäßig eingreift und daher als mit dieser Verfassungsbestimmung in Widerspruch stehend aufzuheben war.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die von drei Antragstellern (unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes) vorgetragenen weiteren Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung einzugehen.
3. a) Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5,
3. und 4. Satz B-VG. Dem Gerichtshof erschien es, da die verfassungsrechtliche Problematik schon seit dem Erkenntnis vom hinlänglich bekannt ist, ausreichend, den Ablauf der Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung mit zu bestimmen.
b) Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen anstelle der aufgehobenen Regelung nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 1. Satz B-VG.
c) Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 1. Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 65 a VfGG; im zugesprochenen Kostenbetrag ist jeweils Umsatzsteuer in der HÖhe von S 2.500,-- enthalten.
5. Diese Entscheidung konnte, da sämtliche Rechtsfragen durch die bisherige Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofs bereits klargestellt sind, ohne vorangegangene Verhandlung in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs 4 Z 2 VfGG).