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VfGH vom 12.03.1982, G25/81

VfGH vom 12.03.1982, G25/81

Sammlungsnummer

9365

Leitsatz

FSVG; keine Aufhebung des § 8 als verfassungswidrig

Spruch

Die Worte "Die Pflichtversicherten und" in § 8 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger (FSVG), BGBl. 624/1978, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Beim VfGH sind zu B539/79 und B549/80 Beschwerden gegen Bescheide des Landeshauptmannes von OÖ, zu B124 - 149, 268, 293 und 344 - 367/80 Beschwerden gegen Bescheide des Landeshauptmannes von Sbg., zu B472/80 eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Bgld., zu B51/81 eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Ktn. und zu B369/81 eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien anhängig, mit denen diese Einsprüche gegen die bescheidmäßige Vorschreibung von Sozialversicherungsbeiträgen durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft abgewiesen hatten.

b) Die Beschwerdeführerin zu B539/79 und B549/80 ist persönlich haftende Gesellschafterin einer Gesellschaft, die eine Apotheke betreibt und unterliegt als Mitglied der Österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbständige Apotheker gemäß § 2 Abs 1 Z 3 FSVG iVm § 1 Z 2 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , BGBl. 662/1978, der gesetzlichen Sozialversicherung nach dem FSVG.

Sie wurde mit Bescheiden der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft unter anderem verpflichtet gemäß § 8 FSVG ab einen laufenden Beitrag von 18,5 vH der Beitragsgrundlage (hierauf bezieht sich das zu B539/79 protokollierte Verfahren) und ab einen laufenden Beitrag von 19,5 vH der Beitragsgrundlage (hierauf bezieht sich das zu B549/80 protokollierte Verfahren) als Beitrag zur gesetzlichen Pensionsversicherung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu entrichten.

Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einsprüche wurden mit Bescheiden des Landeshauptmannes von OÖ abgewiesen.

c) Die Beschwerdeführer zu B124 - 134, 136 - 149, 268, 293 sowie 344 - 366/80 sind freiberuflich tätige Ärzte und unterliegen als solche gemäß § 2 Abs 1 Z 1 FSVG iVm § 1 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , BGBl. 662/1978, der gesetzlichen Sozialversicherung nach dem FSVG.

Der Beschwerdeführer zu B135 und 367/80 ist Apotheker und unterliegt als Mitglied der Österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbständige Apotheker gemäß § 2 Abs 1 Z 3 FSVG iVm § 1 Z 2 der genannten Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung der gesetzlichen Sozialversicherung nach dem FSVG.

Die Beschwerdeführer zu B124 - 149/80 wurden mit Bescheiden der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft verpflichtet, gemäß § 8 FSVG ab einen laufenden Beitrag von 18,5 vH der Beitragsgrundlage als Beitrag zur gesetzlichen Pensionsversicherung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu entrichten.

Die Beschwerdeführer zu B268, 293 und 344 - 367/80 wurden mittels Bescheiden der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft verpflichtet, gemäß § 8 FSVG idF BGBl. 533/1979 ab einen laufenden Beitrag von 19,5 vH der Beitragsgrundlage als Beitrag zur gesetzlichen Pensionsversicherung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu entrichten.

Die von den Beschwerdeführern erhobenen Einsprüche wurden mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Sbg. abgewiesen.

d) Der Beschwerdeführer zu B472/80 unterliegt als freiberuflich tätiger Arzt ebenfalls der gesetzlichen Sozialversicherung nach dem FSVG. Er wurde mit einem Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft verpflichtet, für die Dauer der Pflichtversicherung als Beitrag zur Pensionsversicherung für die Zeit vom 1. Jänner bis , 18,5 vH und ab 19,5 vH der Beitragsgrundlage als Beitrag zur gesetzlichen Pensionsversicherung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu entrichten.

Dem vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Bgld. keine Folge gegeben.

e) Der Beschwerdeführer zu B51/81 ist ebenfalls als freiberuflich tätiger Arzt in der gesetzlichen Sozialversicherung nach dem FSVG pflichtversichert. Ihm wurde mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die Verpflichtung auferlegt, gemäß § 8 FSVG einen laufenden Beitrag von 19,5 vH der Beitragsgrundlage als Beitrag zur gesetzlichen Pensionsversicherung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu entrichten.

Dem vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch gab der Landeshauptmann von Ktn. keine Folge ...

f) Der Beschwerdeführer zu B369/81 unterliegt als Mitglied der Österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbständige Apotheker gemäß § 2 Abs 1 Z 3 FSVG iVm § 1 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , BGBl. 662/1978, der gesetzlichen Sozialversicherung nach dem FSVG. Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft wurde er ua. verpflichtet, gemäß § 8 FSVG ab einen laufenden Beitrag von 18,5 vH und ab einen laufenden Beitrag von 19,5 vH der Beitragsgrundlage als Beitrag zur gesetzlichen Pensionsversicherung zu entrichten.

Dem vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einspruch wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien keine Folge gegeben.

g) In den Beschwerden gegen die die Bescheide der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bestätigenden Bescheide der Landeshauptmänner von OÖ, Sbg., Bgld., Ktn. und Wien, in denen die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung behauptet wurde, wurde die amtswegige Prüfung des § 8 FSVG angeregt. Diese Bestimmung sei verfassungswidrig, da sie den nach dem FSVG pensionsversicherten Personen einen wesentlich höheren Pensionsbeitrag auferlege als § 27 Abs 1 Z 2 GSVG den vergleichbaren nach dem GSVG pensionsversicherten Personenkreis.

2. a) Bei der Beratung über die Beschwerden sind beim VfGH Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Worte "Die Pflichtversicherten und" in § 8 FSVG entstanden. Der VfGH hat daher beschlossen, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Worte zu prüfen. (Das aus Anlaß der Beschwerde B369/81 eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren ist zu G75/81 protokolliert; das zu G25/81 eingeleitete Verfahren wurde aus Anlaß der übrigen genannten Beschwerden eingeleitet).

Der VfGH hatte das Bedenken, daß die in § 8 FSVG vorgenommene, von der Regelung in § 27 Abs 1 Z 2 GSVG erheblich abweichende Festsetzung des Prozentsatzes zur Ermittlung des Pflichtversicherungsbeitrages zur Pensionsversicherung sachlich nicht gerechtfertigt sei und daher gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz verstoße.

Der Gerichtshof nahm an, daß im vorliegenden Fall eine Situation gegeben sei, in der ein Vergleich zwischen den verschiedenen Gestaltungen der sozialversicherungsrechtlichen Regelungen der Erscheinungsformen der Pensionen nach dem FSVG und dem GSVG angebracht und erforderlich sei. Er ging davon aus, daß beide sozialversicherungsrechtlichen Regelungen ein grundsätzlich gleichartiges System der Pflichtversicherung mit Pflichtbeiträgen und Leistungsanspruch begründen. Während nun das Leistungsrecht für die beiden verschiedenen Gruppen in wesentlichen Teilen gleichgestaltet zu sein scheine, sei das Beitragsrecht im bedeutenden Maße unterschiedlich ausgestaltet, wofür der VfGH vorerst keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen vermochte. Insbesondere schien ihm vorerst die Besonderheit der in den beiden versicherten Gruppen zusammengefaßten Risken und die im Detail abweichende Gestaltung des Leistungsrechts eine derartige Rechtfertigung nicht zu ermöglichen.

b) Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Worte verteidigt und den Antrag stellt, diese Worte nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Dabei wies die Bundesregierung unter anderem auf Unterschiedlichkeiten im Leistungsrecht des FSVG und des GSVG, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung von Ruhensbestimmungen hin.

Über Einladung des VfGH präzisierte und quantifizierte die Bundesregierung die von ihr aufgezeigten Unterschiedlichkeiten im Leistungsrecht. Die vom VfGH geforderte Quantifizierung ergebe, daß - auf Geldwertbasis 1980 - auf Grund des günstigeren Leistungsrechts des FSVG mit einer zusätzlichen Belastung der Pensionsversicherung nach dem FSVG mit rund 55 Millionen S jährlich gerechnet werden könne.

Auf Grund einer neuerlichen Einladung durch den VfGH legte die Bundesregierung sodann in einer weiteren ergänzenden Äußerung die Annahmen dar, auf Grund derer sie zu diesem Ergebnis gekommen war.

c) Die Beschwerdeführer in den Verfahren B539/79, B549, 472/80 und B51/81 haben als Beteiligte im Gesetzesprüfungsverfahren Äußerungen erstattet, in der sie die Stichhaltigkeit der Darlegungen der Bundesregierung bezweifeln und deren Versuch, die unterschiedliche Beitragsgestaltung sachlich zu rechtfertigen, als nicht gelungen ansehen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. § 8 FSVG steht unter der Rubrik "Beiträge in der Pensionsversicherung" und lautet in der Stammfassung:

"Die Pflichtversicherten und die Weiterversicherten haben für die Dauer der Versicherung als Beitrag zur Pensionsversicherung 1,5 v.H. der Beitragsgrundlage zu leisten."

Durch die Nov. BGBl. 533/1979 wurde der angeführte Prozentsatz von 18,5 vH auf 19,5 vH abgeändert.

2. Der VfGH ging in den diese Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschlüssen von der Annahme aus, daß die Beschwerden gegen die Bescheide der Landeshauptmänner zulässig sind und daß er bei der Prüfung der Bescheide die in Prüfung gezogenen Worte des § 8 FSVG anzuwenden habe.

Beide Annahmen blieben im verfassungsgerichtlichen Verfahren unbestritten. Es ist nichts hervorgekommen, was gegen diese Annahmen sprechen würde.

a) Die Beschwerden sind, da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

b) Alle Beschwerdeführer sind in der Pensionsversicherung nach dem FSVG pflichtversichert. Die angefochtenen Bescheide verpflichten sie zur Leistung von Pflichtbeiträgen zur Pensionsversicherung und stützen sich auf die in Prüfung gezogenen Worte. Die in den Anlaßfällen belangten Behörden hatten daher diese Worte bei der Bescheiderlassung anzuwenden und haben sie auch angewendet; auch der VfGH hat sie bei der Entscheidung über die den Anlaß zu diesem Gesetzesprüfungsverfahren bildenden Beschwerden anzuwenden.

c) Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher zulässig.

3. In der Sache hat der VfGH erwogen:

a) In seinem Einleitungsbeschluß stützte der VfGH die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Worte des § 8 FSVG auf einen Vergleich dieser Vorschrift mit der entsprechenden Bestimmung des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen (GSVG).

Diese beiden gesetzlichen Bestimmungen haben im Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften der verglichenen Regelungen, soweit das im vorliegenden Fall von Bedeutung ist, folgenden Inhalt:

aa) Auf die nach dem FSVG pflichtversicherten Personen finden hinsichtlich der Pensionsversicherung die Vorschriften des GSVG Anwendung, soweit im FSVG selbst nichts Abweichendes bestimmt ist. Derartige Abweichungen kennt das FSVG in einzelnen Bestimmungen des Leistungsrechts, vor allem hinsichtlich der Regelungen über das Ruhen von Pensionsansprüchen bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit (§§10 und 14 FSVG) und im Beitragsrecht:

Gemäß § 2 Abs 1 FSVG sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen pflichtversichert:

"1. Die ordentlichen Kammerangehörigen einer Ärztekammer, sofern sie freiberuflich tätig sind;

2. die Mitglieder der Rechtsanwaltskammern;

3. die Mitglieder der Österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbständige Apotheker;

4. die Mitglieder der Ingenieurkammern (in der Fassung der Nov. BGBl. 533/1979 ist dies durch die Wortfolge "soweit sie nicht schon auf Grund der diese Mitgliedschaft begründenden selbständigen Erwerbstätigkeit der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen" eingeschränkt);

5. die Mitglieder der Österreichischen Patentanwaltskammer;

6. die Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder."

Die Pflichtversicherung dieser Personengruppen wird durch Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung begründet, sofern die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Angehörigen dieser Personengruppen die Einführung eines Versicherungsschutzes rechtfertigen und für diese Personengruppe nicht bereits Versicherungsschutz in den in Betracht kommenden Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung besteht (§2 Abs 2 FSVG).

Mit Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , BGBl. 662/1978, wurden die ordentlichen Kammerangehörigen der Ärztekammern, sofern sie freiberuflich tätig sind, die Mitglieder der Österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbständige Apotheker und die Mitglieder der Österreichischen Patentanwaltskammer in die Pflichtversicherung nach dem FSVG mit Wirkung ab einbezogen.

Nach § 8 FSVG haben - wie sich aus dem wiedergegebenen Gesetzeswortlaut ergibt - die nach diesem Gesetz Pflichtversicherten für die Dauer der Versicherung als Beitrag zur Pensionsversicherung 18,5 vH, seit (BGBl. 533/1979) 19,5 vH der Beitragsgrundlage zu leisten.

bb) § 2 Abs 1 GSVG bestimmt, daß die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft sowie weitere Personengruppen in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert sind. Nach § 3 Abs 3 GSVG sind in der Pensionsversicherung nach diesem Gesetz überdies pflichtversichert:

"1. Die der Kammer der Wirtschaftstreuhänder auf Grund einer Berufsbefugnis nach der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. Nr. 125/1955, angehörenden Mitglieder einschließlich der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft und der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, sofern diese Gesellschaften Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sind, ferner die Witwen und Deszendenten, für deren Rechnung ein Witwenfortbetrieb bzw. ein Deszendentenfortbetrieb nach der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung geführt wird;

2. die Mitglieder der Österreichischen Dentistenkammer;

3. die freiberuflich tätigen Journalisten, wenn diese Erwerbstätigkeit ihren Hauptberuf und die Hauptquelle ihrer Einnahmen bildet;

4. die freiberuflich tätigen bildenden Künstler, wenn diese Tätigkeit ihren Hauptberuf und die Hauptquelle ihrer Einnahmen bildet und sie in Ausübung dieses Berufes keine Angestellten beschäftigen;

5. die freiberuflich tätigen Pflichtmitglieder der Tierärztekammern."

Nach § 27 Abs 1 Z 2 haben die nach dem GSVG Pflichtversicherten für die Dauer der Versicherung als Beitrag in der Pensionsversicherung 10,5 vH, seit (BGBl. 531/1979) 11,0 vH der Beitragsgrundlage zu leisten. Zahlungen, die von einer Einrichtung zur wirtschaftlichen Selbsthilfe auf Grund einer Vereinbarung mit dem Versicherungsträger geleistet werden, sind auf den Beitrag anzurechnen.

b) Der VfGH hatte das Bedenken, daß die in § 8 FSVG vorgenommene, von der Regelung in § 27 Abs 1 Z 2 GSVG erheblich abweichende Festsetzung des Prozentsatzes zur Ermittlung des Pflichtversicherungsbeitrages zur Pensionsversicherung sachlich nicht gerechtfertigt sei.

Zwar habe der VfGH wiederholt ausgesprochen, daß der Gesetzgeber nicht gehalten sei, bei der Regelung verschiedener Rechtsinstitute und verschiedener Verwaltungsmaterien gleichartig vorzugehen (zB VfSlg. 8938/1980 mit Hinweisen auf Vorjudikatur); jedoch gebiete der Gleichheitsgrundsatz, daß das Gesetz innerhalb ein und desselben Rechtsinstitutes nicht Differenzierungen enthält, die nicht aus entsprechenden Unterschieden im Tatsachenbereich gerechtfertigt werden können (vgl. zB VfSlg. 2956/1956, 3334/1958, 7059/1973, 7331/1974).

In Anwendung dieses Grundsatzes habe der VfGH im Erk. VfSlg. 3721/1960 die unterschiedliche Höhe der Beitragssätze für verschiedene Gruppen von Pflichtversicherten innerhalb des GSPVG auf ihre Übereinstimmung mit dem Gleichheitsgrundsatz geprüft und mangels einer sachlichen Rechtfertigung aufgehoben. Auch habe der Gerichtshof geprüft, ob die unterschiedliche Behandlung verschiedener Arten von Pensionen sachlich gerechtfertigt sei (vgl. VfSlg. 4860/1964, 8446/1978).

Dem VfGH schien auch im vorliegenden Fall eine Situation vorzuliegen, in der ein Vergleich zwischen den verschiedenen Gestaltungen der sozialversicherungsrechtlichen Regelungen der Erscheinungsformen der Pensionen nach dem FSVG und dem GSVG angebracht und erforderlich ist:

Der Personenkreis der nach dem FSVG in der Pensionsversicherung Pflichtversicherten umfasse die Mitglieder einer Reihe von Kammern der freien Berufe. Nach dem GSVG seien neben Mitgliedern der Kammern der gewerblichen Wirtschaft und bestimmten anderen Berufen ebenfalls Mitglieder mehrerer Kammern der freien Berufe in der Pensionsversicherung pflichtversichert.

Sodann führte der Gerichtshof im Einleitungsbeschluß aus:

"Der VfGH geht davon aus, daß die Regelung des sozialversicherungsrechtlichen Versicherungsverhältnisses im Bereich des FSVG und des GSVG aus grundsätzlich den gleichen sozialpolitischen Zielsetzungen heraus erfolgt ist und daß beide sozialversicherungsrechtlichen Regelungen ein grundsätzlich gleichartiges System der Pflichtversicherung mit Pflichtbeiträgen und Leistungsansprüchen begründen. Dabei scheint das Leistungsrecht für die beiden versicherten Gruppen in wesentlichen Teilen gleich gestaltet zu sein. Hingegen ist das Beitragsrecht in bedeutendem Maße unterschiedlich ausgestaltet: Während nämlich die nach dem GSVG pflichtversicherten Personen einen Pensionsversicherungsbeitrag in der Höhe von 10,5 vH (seit 1980: 11,0 vH) der Beitragsgrundlage zu entrichten haben, ist der entsprechende Prozentsatz in § 8 FSVG mit 18,5 vH (seit 1980: 19,5 vH) festgelegt.

Der VfGH vermag vorerst keine sachliche Rechtfertigung für diese gravierende unterschiedliche Behandlung zu erkennen. Insbesondere scheint ihm vorerst die Besonderheit der in den beiden versicherten Gruppen zusammengefaßten Risken und die im Detail abweichende Gestaltung des Leistungsrechtes eine derartige Rechtfertigung nicht zu ermöglichen."

Der Gerichtshof führte weiter aus, er verkenne durchaus nicht, daß alle Pflichtversicherten eines Berufsstandes eine Riskengemeinschaft darstellen und der Gesetzgeber die Höhe der Beiträge auch ohne direkte Relation zu den Versicherungsleistungen im Einzelfall je nach der Leistungsfähigkeit der Pflichtversicherten verschieden hoch festsetzen darf. Bei der Regelung der unterschiedlichen Beitragssätze im GSVG und im FSVG scheine aber weder die unterschiedliche Riskensituation der beiden Versicherungsgruppen maßgeblich gewesen zu sein, noch scheine dabei nach der Leistungsfähigkeit unterschieden worden zu sein.

c) Die Bundesregierung hielt dem insbesondere entgegen, daß die für die nach dem FSVG Pensionsversicherten günstigere Regelung im Leistungsrecht so gravierend sei, daß schon allein dadurch der unterschiedliche Beitragssatz gerechtfertigt werde. Diese Unterschiedlichkeit im Leistungsrecht beziehe sich vor allem auf die Möglichkeit der freiberuflich selbständig Erwerbstätigen, neben ihrer freiberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit eine Alterspension zu beziehen.

Während ein nach dem GSVG Versicherter keinerlei Möglichkeiten habe, auch nur eine durch Ruhensbeträge reduzierte Pension zu beziehen, solange er seine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit noch ausübe, sei nach § 14 Abs 2 FSVG die Einstellung der freiberuflichen Erwerbstätigkeit nicht Voraussetzung für den Pensionsanspruch, wenn der Versicherte das 70. Lebensjahr vollendet habe. Aber auch jüngere Versicherte könnten auf Grund der Sonderbestimmung des § 10 FSVG in den Genuß der Alterspension gelangen, obwohl sie weiterhin die freiberufliche Erwerbstätigkeit ausüben, da diese nur am Stichtag eingestellt sein muß und eine spätere Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nur zum teilweisen Ruhen der Pension gemäß § 60 GSVG führe.

Die Bundesregierung errechnete, daß die Pensionsversicherungsbeiträge nach dem FSVG 1980 unter Berücksichtigung eines Beitragsatzes von 19,5 vH rund 137 Millionen S betragen haben. Unter der Annahme eines Beitragsatzes von 11 vH würden die Pflichtbeiträge demnach nur Einnahmen in der Höhe von 77 Millionen S ergeben.

Den durch die höheren Beitragssätze bewirkten Einnahmen stünden Mehrausgaben durch die anders gearteten Ruhensbestimmungen gegenüber. Diese versuchte die Bundesregierung - über Ersuchen des VfGH - folgendermaßen zu quantifizieren:

Im September 1981 seien rund 3.600 Personen nach dem FSVG pflichtversichert gewesen. Auf Grund der derzeitigen Altersstruktur dieser Personen ergebe eine versicherungstechnische Berechnung, daß - nach Beendigung der Anlaufphase der erst 1979 eingeführten Pensionsversicherung nach dem FSVG in etwa 15 Jahren - mit rund 780 Personen im pensionsfähigen Alter gerechnet werden könne. Unter der Annahme, daß 80 vH dieser Personen die Voraussetzungen für einen Pensionsanspruch erfüllen und die freiberufliche Tätigkeit nach Inanspruchnahme der Pension wieder aufnehmen würden sei mit 620 Personen zu rechnen, die neben der Pension eine freiberuflich selbständige Tätigkeit ausüben würden. Unter der weiteren Annahme, daß für diesen Personenkreis die der Bemessungsgrundlage zugrundeliegenden Einkünfte die Höchstbeitragsgrundlage erreichen oder ihr zumindest nahe kommen würden, ergebe sich aus der Pensionsversicherung nach dem FSVG durch die für die Versicherten günstigeren Ruhensbestimmungen ein geschätzter Mehraufwand von rund 55 Millionen S.

Nach Auffassung der Bundesregierung rechtfertigten schon diese Besonderheiten des Leistungsrechts, die entscheidend vom Leistungsrecht des GSVG abweichen, die Festsetzung eines anderen Beitragssatzes.

d) Mit dieser Ansicht ist die Bundesregierung im Ergebnis im Recht:

Der VfGH ist in dem dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß davon ausgegangen, daß das Leistungsrecht im FSVG und im GSVG im wesentlichen gleichgestaltet ist. Eine nur geringfügige Unterschiedlichkeit im Leistungsrecht schien die gravierende Unterschiedlichkeit im Beitragsrecht nicht zu rechtfertigen.

Das Verfahren hat nun ergeben, daß die Annahme, die Unterschiedlichkeit im Leistungsrecht von FSVG und GSVG sei nur geringfügig, nicht zutrifft. Zwar vermögen die von der Bundesregierung angestellten Berechnungsversuche, den sich aus der unterschiedlichen Gestaltung des Leistungsrechtes im Bereich des FSVG ergebenden Mehraufwand zu quantifizieren, infolge der prognosebedingten Unsicherheitsfaktoren bei den der Berechnung zugrundeliegenden Annahmen nichts über die tatsächlichen Auswirkungen der unterschiedlichen Gestaltung des Leistungsrechtes auszusagen. Sie zeigen jedoch - auch wenn man nicht alle Annahmen, die den Berechnungen zugrunde liegen, akzeptiert - immerhin, daß die Unterschiede im Leistungsrecht - nach Beendigung der Anlaufphase im Bereich der Pensionsversicherung nach dem FSVG beachtliche, finanziell durchaus ins Gewicht fallende Bedeutung erhalten können.

Im Erk. VfSlg. 3721/1960 hat der VfGH ausgesprochen, daß dann, wenn eine Differenzierung von Versicherungsbeiträgen auf ihre sachliche Rechtfertigung untersucht wird, zu prüfen ist, ob innerhalb ihres Systems die Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Dabei sind verschiedene Rechtfertigungen einer unterschiedlichen Beitragshöhe denkbar (vgl. VfSlg. 3721/1960, 4714/1964). Auch die unterschiedliche Gestaltung des Leistungsrechtes in verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung ist geeignet, eine Differenzierung des Beitragsrechtes in diesen Versicherungszweigen sachlich zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach Auffassung des VfGH nicht darauf an, daß die durch das Leistungsrecht verursachten prognostizierten Mehraufwendungen im Bereich einer Sozialversicherung und die prognostizierten Mehreinnahmen auf Grund höherer Beiträge in diesem Versicherungszweig einander betragsmäßig vollständig entsprechen. Es kommt vielmehr nur darauf an, daß die Unterschiedlichkeit im Leistungsrecht von solchem Gewicht ist, daß sie die Unterschiedlichkeit im Beitragsrecht der betreffenden Sozialversicherung an sich rechtfertigt. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben.

Die unterschiedliche Gestaltung des Rechts der Ruhensbestimmungen ist - was einer näheren Ausführung nicht bedarf - für die Versicherten selbst von großer Bedeutung. Daß sie auch für den Versicherungsträger von entscheidender finanzieller Relevanz sein kann, hat das Verfahren ergeben. Diese Umstände rechtfertigen nach Auffassung des VfGH die unterschiedliche Beitragsregelung.

e) § 8 FSVG ist daher nicht verfassungswidrig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die übrigen von der Bundesregierung zur sachlichen Rechtfertigung der in Prüfung gezogenen Worte ins Treffen geführten Argumente einzugehen.