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VfGH vom 04.03.2014, G25/2012, V17/2012

VfGH vom 04.03.2014, G25/2012, V17/2012

19853

Leitsatz

Abweisung des - zulässigen - Individualantrags auf Aufhebung der Nö Warengruppen-Verordnung 2009 betreffend nicht zentrumsrelevante Waren; pauschalierende Abgrenzung der nur mit einem Kraftfahrzeug abtransportierbaren Waren im Nö ROG 1976 verfassungsrechtlich unbedenklich; typologische Festlegungen in der Verordnung nicht gesetzwidrig; keine Unsachlichkeit der gegebenenfalls zu einer Einschränkung des Verkaufs von zentrumsrelevanten Waren in Möbelhäusern führenden Regelung; kein Verstoß gegen das Eigentumsrecht und die Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

I. Der Antrag auf Aufhebung der NÖ Warengruppen-Verordnung 2009, LGBl 8000/95-0, wird abgewiesen.

II. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Vorverfahren

1. Die antragstellende Gesellschaft ist Eigentümerin einer als "Bauland-Betriebsgebiet" gewidmeten Liegenschaft außerhalb des geschlossenen, bebauten Ortsgebietes im Bereich der Stadtgemeinde Bruck an der Leitha in Niederösterreich. Für die Liegenschaft erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Bruck an der Leitha am die baubehördliche Genehmigung zur Errichtung eines dreigeschossigen Einrichtungshauses mit einer bebauten Fläche von 7.281 m², einer Bruttogrundrissfläche von 22.504 m² und einer Ausstellungsfläche von 17.527 m².

2. Mit Schreiben inkl. Baubeschreibung vom erklärte die antragstellende Gesellschaft ihre Absicht, das baubehördlich bewilligte Einrichtungshaus nur eingeschossig zu errichten. Dieses Schreiben enthielt auch Ausführungen über den geänderten Verwendungszweck des bewilligten Bauwerks. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Bruck an der Leitha nahm dieses Schreiben mit Beilagen vom als Änderung des Verwendungszwecks gemäß § 15 Abs 1 NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: NÖ BauO 1996) ebenso zur Kenntnis wie die schriftliche Meldung der Fertigstellung des auf 4.857 m² Ausstellungsfläche reduzierten Projektes vom (§30 NÖ BauO 1996).

3. Die antragstellende Gesellschaft beabsichtigt nun, einen Zubau zum bestehenden Einrichtungshaus ausschließlich für den Verkauf von Möbeln zu errichten. Laut geltender Rechtslage sind Möbel "nicht zentrumsrelevante Waren" (NÖ Warengruppen-Verordnung 2009). Handelsbetriebe, die ausschließlich solche "nicht zentrumsrelevanten Waren" anbieten, unterliegen unabhängig von ihrer Lage an sich keinen Größenbeschränkungen (§17 Abs 5 NÖ Raumordnungsgesetz 1976, im Folgenden: NÖ ROG 1976). Sie dürfen auf einer Verkaufsfläche von maximal 80 m² auch "zentrumsrelevante Waren" anbieten (Abs5 iVm Abs 3 leg.cit.).

4. Das Kriterium der "zentrumsrelevanten Waren" wurde mit der 14. Novelle des NÖ ROG 1976 neu geschaffen. Schon vor dem Inkrafttreten dieser Novelle wurde das Einrichtungshaus der antragstellenden Gesellschaft auf Basis der vorgelegten Pläne genehmigt. Daher war es bislang raumordnungsrechtlich unproblematisch, dass in dem Einrichtungshaus auf einer Fläche von mehr als 80 m² "zentrumsrelevante Waren" verkauft wurden. Nun will die antragstellende Gesellschaft nach erfolgtem Zubau diese die Obergrenze von 80 m² übersteigende Fläche weiterhin für den Verkauf "zentrumsrelevanter Waren" nutzen. Nach den geltenden Bestimmungen des NÖ ROG 1976 wäre das aber nicht genehmigungsfähig – obwohl der Zubau ausschließlich für nicht zentrumsrelevante Waren vorgesehen ist. Die antragstellende Gesellschaft müsste auf Verkaufsflächen für "zentrumsrelevante Waren" verzichten.

5. Mit den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 letzter Satz und Art 139 Abs 1 letzter Satz B VG gestützten Individualanträgen vom begehrt daher die antragstellende Gesellschaft,

"[d]er Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art 140 Abs 3 B-VG iVm § 64 Abs 1 VfGG

1. das Wort 'ausschließlich' in der Bestimmung des § 17 Abs 5 des NÖ Raumordnungsgesetz 1976 (NÖ ROG), LGBl 8000-0 idF LGBl 8000-23, in der geltenden Fassung,

in eventu die Bestimmung des § 17 Abs 5 NÖ ROG idgF,

in eventu die Bestimmung des § 17 Abs 3 bis 5 NÖ ROG idgF,

in eventu die Bestimmung des § 17 Abs 3 bis 6 NÖ ROG idgF,

in eventu die Bestimmung des § 17 Abs 2 bis 5 NÖ ROG idgF,

in eventu die Bestimmung des § 17 Abs 2 bis 6 NÖ ROG idgF,

in eventu die Bestimmung des § 17 Abs 1 bis 5 NÖ ROG idgF,

in eventu die Bestimmung des § 17 Abs 1 bis 6 NÖ ROG idgF,

in eventu die Bestimmung des § 17 NÖ ROG idgF,

2. § 30 Abs 8 Z 1 NÖ ROG idgF,

in eventu § 30 Abs 8 NÖ ROG idgF,

3. die NÖ WarengruppenVO 2009,

als verfassungswidrig aufheben, wobei sowohl die gleichzeitige Aufhebung der zu Punkt 1. genannten Gesetzesbestimmung(en) und der zu Punkt 2. genannten Gesetzesbestimmung(en) als auch in eventu die Aufhebung der zu Punkt 1. genannten Gesetzesbestimmung(en) und der zu Punkt 2 genannten Gesetzesbestimmung(en) jeweils für sich alleine beantragt wird".

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

6. Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete fristgerecht eine Äußerung, in der sie zunächst feststellt, dass das im Jahr 2000 bewilligte Bauvorhaben nicht innerhalb der in § 23 NÖ BauO 1996 festgelegten Frist in seinen wesentlichen konstruktiven Merkmalen fertig gestellt worden sei und somit die Baubewilligung erloschen sei. Denn bei dem von der antragstellenden Gesellschaft am angezeigten Projekt handle es sich nicht um einen Teil bzw. eine bloß geringfügige Modifikation des ursprünglichen Projekts aus dem Jahr 2000, sondern um ein aliud, für welches eine eigene Baubewilligung erforderlich sei. Die Niederösterreichische Landesregierung tritt aber auch den im Antrag geäußerten Normbedenken entgegen und beantragt, die Anträge als unzulässig zurückzuweisen bzw. die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig bzw. nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

7. Die angefochtenen Bestimmungen waren schon Gegenstand eines zum Zeitpunkt der Antragseinbringung noch anhängigen Gesetzesprüfungsverfahrens, in dem dieselbe Gesellschaft Antragstellerin war. Mit Erkenntnis vom wies der Verfassungsgerichtshof das Hauptbegehren, das Wort "ausschließlich" in § 17 Abs 5 NÖ ROG 1976 zusammen mit § 30 Abs 8 Z 1 NÖ ROG 1976 aufzuheben, als unzulässig zurück. Das Eventualbegehren, das Wort "ausschließlich" in § 17 Abs 5 NÖ ROG 1976 aufzuheben, wies er als unbegründet ab (VfSlg 19.629/2012).

8. In Konsequenz dieser – nach Einbringung des vorliegenden Antrages ergangenen – Entscheidung zog die antragstellende Gesellschaft ihre das NÖ ROG 1976 betreffenden Anträge (Pkt. 1 und 2 sowie Textteil nach Pkt. 3) zurück. Den Antrag, "die NÖ Warengruppen-Verordnung 2009 als verfassungswidrig" aufzuheben, hielt die antragstellende Gesellschaft aber vollinhaltlich aufrecht. Sie ergänzte die Ausführungen hiezu und trat der Feststellung der Niederösterreichischen Landesregierung, dass die Baubewilligung erloschen sei, entgegen.

II. Rechtslage

1. § 17 NÖ ROG 1976 in der geltenden Fassung LGBl 8000-23 lautet:

"Gebiete für Handelseinrichtungen

§17. (1) In Zentrumszonen kann die Widmung Bauland-Kerngebiet mit dem Zusatz 'Handelseinrichtungen' bezeichnet werden. In dieser Widmung bestehen für die Errichtung von Handelsbetrieben keine Beschränkungen hinsichtlich der Verkaufsfläche oder Bruttogeschossfläche. Die übrigen Nutzungsmöglichkeiten gemäß § 16 Abs 1 Z 2 bleiben zulässig.

(2) Innerhalb des geschlossenen, bebauten Ortsgebietes – ausgenommen in der Widmung Bauland-Kerngebiet-Handelseinrichtungen – darf die Bruttogeschoßfläche von Handelsbetrieben nicht mehr als 1.000 m 2 betragen.

(3) Außerhalb der in Abs 2 bezeichneten Bereiche darf die Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren 80 m 2 nicht übersteigen.

(4) Bilden mehrere Handelsbetriebe eine bauliche, funktionelle oder organisatorische Einheit, darf die Summe der Bruttogeschoßflächen in den Fällen gemäß Abs 2 nicht mehr als 1.000 m 2 und die Summe der Verkaufsflächen an Standorten gemäß Abs 3 nicht mehr als 80 m 2 betragen. Eine funktionelle Einheit ist dann gegeben, wenn im umgebenden Bereich die Gebäude ausschließlich oder dominierend für Handelseinrichtungen genutzt werden und mehrheitlich über private (eigene oder gemeinsame) Abstelleinrichtungen für die Kraftfahrzeuge der Kunden verfügen.

(5) Unabhängig von ihrer Lage unterliegen Handelsbetriebe keinen Größenbeschränkungen, wenn sie – abgesehen von dem im Abs 3 bezeichneten Ausmaß – ausschließlich Waren anbieten, welche nach ihrer Beschaffenheit bzw. nach ihrer Packungs- oder Gebindegröße vom Kunden unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges abtransportiert werden müssen (nicht zentrumsrelevante Waren). Diese Warengruppen sind durch Verordnung der Landesregierung festzulegen .

(6) Unabhängig von den Bestimmungen der Abs 2 und 3 ist der Direktverkauf von am Standort des Produktionsbetriebes produzierten Waren zulässig. Weiters ist der Verkauf von Waren, die diese wirtschaftlich ergänzen oder als Zubehör zu bewerten sind, zulässig. Dies allerdings nur soweit, als der Charakter als Produktionsbetrieb eindeutig gewahrt bleibt. Darüber hinaus sind Handelseinrichtungen zulässig, wenn diese ihre Waren ausschließlich an Wiederverkäufer abgeben."

2. Die NÖ Warengruppen-Verordnung 2009, LGBl 8000/95-0, lautet:

"Warengruppen, die nach ihrer Beschaffenheit bzw. nach ihrer Packungs- oder Gebindegröße vom Kunden unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges abtransportiert werden müssen (nicht zentrumsrelevante Waren), sind:

o Fahrzeuge inkl. Zubehör

o Baustoffe, Bauelemente und Eisenwaren

o Bodenbeläge

o Brenn- und Treibstoffe

o Stein- und Betonwaren

o Pflanzen und Gartenbedarfsartikel

o Holzrohstoffe

o Möbel"

III. Zum Gesetzesprüfungsantrag

Den Gesetzesprüfungsantrag zog die antragstellende Gesellschaft mit Schriftsatz vom zurück; das Gesetzesprüfungsverfahren wird daher eingestellt.

IV. Zum Verordnungsprüfungsantrag

1. Prozessvoraussetzungen

1.1. Zur Antragslegitimation bringt die antragstellende Gesellschaft vor:

"Im Hinblick auf § 17 NÖ ROG iVm der geltenden NÖ WarengruppenV ist es der Antragstellerin daher unmöglich ihr Bauvorhaben auszuführen. Sie ist durch die Einschränkung der nicht zentrumsrelevanten Waren auf 'Möbel' durch die angefochtene Verordnung unmittelbar betroffen, weil infolge der zu eng gefassten Definition 'nicht zentrumsrelevanter Waren' weder ein Zubau noch ein Neubau errichtet werden kann, in dem das übliche Sortiment eines Möbelmarktes (Einrichtungshauses), zu dem neben Möbeln auch andere Einrichtungsge[ge]nstände wie Teppiche, Lampen, Vorhänge, Badezimmerzubehör etc gehören, auf mehr als 80 m 2 Verkaufsfläche angeboten werden kann (vgl § 17 Abs 3 NÖ ROG). Typischerweise gehören zu den vom Kunden in einem Einrichtungshaus erwarteten Produkten neben Möbeln auch Bodenbeläge, Teppiche, Sanitärgegenstände und Badezimmerzubehör, Pflanzen, Schmuck- und Kunstgegenstände, Textilien wie zB Vorhänge, Lampen, Spielwaren, Eisenwaren und anderes mehr. Überdies befinden sich in Einrichtungshäusern regelmäßig auch Gastronomiebereiche."

1.2. Die Niederösterreichische Landesregierung führt zur Antragslegitimation in Bezug auf § 17 Abs 5 NÖ ROG 1976 – der letzte Satz dieser Bestimmung enthält die Verordnungsermächtigung zur NÖ Warengruppen-Verordnung 2009 – aus, dass im Hinblick auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 19.629/2012 kein Gegenargument vorgebracht werde.

1.3. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 19.629/2012, einem hinsichtlich der Antragslegitimation vergleichbaren Fall, die Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des Worts "ausschließlich" in § 17 Abs 5 NÖ ROG 1976 festgestellt. Vor dem Hintergrund der Ausführungen zur Zulässigkeit in dieser Entscheidung bestehen auch gegen die Zulässigkeit des vorliegenden Antrags auf Prüfung der NÖ Warengruppen-Verordnung 2009, die eine Ausführungsverordnung des § 17 Abs 5 NÖ ROG 1976 letzter Satz ist, keine Bedenken.

1.4. In den Schriftsätzen der Parteien wird der Frage breiter Raum eingeräumt, ob für das vorhandene Gebäude die Baubewilligung erloschen ist oder nicht. Diese Frage ist nicht vom Verfassungsgerichtshof zu entscheiden und muss auch nicht bei der Beurteilung der Prozessvoraussetzungen erörtert werden, weil diese unabhängig davon ist: Gleichgültig, ob im baubehördlichen Genehmigungsverfahren das Projekt der antragstellenden Partei nur als Zubau zu beurteilen ist oder ob das ganze Bauwerk einer umfassenden baubehördlichen Beurteilung zugeführt werden muss, ein anderer zumutbarer Weg zur Normenkontrolle besteht in beiden Fällen nicht.

1.5. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Verordnungsprüfungsantrag als zulässig.

2. Erwägungen in der Sache

2.1. Die antragstellende Gesellschaft behauptet zunächst die Gesetzwidrigkeit der NÖ Warengruppen-Verordnung 2009 und macht einen Verstoß gegen Art 18 B-VG geltend:

2.1.1. Zunächst bringt die antragstellende Gesellschaft vor, dass die NÖ Warengruppen-Verordnung 2009 im Widerspruch zu den für die Verordnung als Durchführungsverordnung maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen stehe. § 17 Abs 5 NÖ ROG 1976 verstehe nämlich unter "nicht zentrumsrelevanten Waren" jene Waren, "welche nach ihrer Beschaffenheit bzw. nach ihrer Packungs- oder Gebindegröße vom Kunden unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges abtransportiert werden müssen". Dass sonstige Einrichtungsgegenstände wie etwa Teppiche, Lampen oder Vorhangstangen, wie sie von der antragstellenden Gesellschaft in ihrer Handelseinrichtung verkauft würden, auf Grund ihrer Abmessungen und/oder ihres Gewichtes ausschließlich unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges abtransportiert werden müssen, ergebe sich schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung. Es widerspreche auch dem Bestimmtheitserfordernis des Art 18 B-VG, dass die NÖ Warengruppen-Verordnung 2009 nicht sämtliche Waren, die nur mit dem Kraftfahrzeug abtransportiert werden können, sondern lediglich ganze Gruppen solcher Waren anführt.

2.1.2. Mit diesen Vorbringen ist die antragstellende Gesellschaft aber nicht im Recht:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen, dass angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher und verordnungsrechtlicher Regelung sein können, ganz allgemein davon auszugehen ist, dass Art 18 B VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (VfSlg 13.785/1994, S 666; 15.468/1999).

Nur eine vollständige Liste aller Waren, die auf Grund ihrer Abmessungen und/oder ihres Gewichtes ausschließlich unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges abtransportiert werden müssen, würde den Vorstellungen der antragstellenden Gesellschaft hinsichtlich Bestimmtheit entsprechen. So eine abschließende Liste wäre aber administrativ nicht handhabbar und würde auch nicht der Struktur des Einzelhandels entsprechen. Daher hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise mit dem Begriff der Warengruppe eine pauschalierende Abgrenzung der Waren, die nur mit dem Kraftfahrzeug abtransportiert werden können, vorgesehen. Die NÖ Warengruppen-Verordnung 2009 entspricht diesem Auftrag des Gesetzgebers, die Warengruppen durch Verordnung festzulegen. Selbstverständlich gibt es Waren, die einer Beförderung mit einem Kraftfahrzeug bedürfen und nicht einer Gruppe in dieser Liste zugeordnet werden können, und umgekehrt gibt es auch solche, die als Zubehör einer typischerweise mit dem Auto zu befördernden Ware auch ohne Kraftfahrzeug befördert werden können. Das ändert aber nichts daran, dass die typologischen Festlegungen in der NÖ Warengruppen-Verordnung 2009 für den Vollzug interpretierbare Kriterien darstellen, die im Regelfall eine Zuordnung zu "zentrumsrelevanten Waren" bzw. "nicht zentrumsrelevanten Waren" ohne weiteres gestatten (vgl. VfSlg 16.204/2001).

2.2. Darüber hinaus macht die antragstellende Gesellschaft auch die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Schutz der Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) geltend.

2.2.1. Die antragstellende Gesellschaft führt dazu aus:

Die Annahme, dass es zum Abtransport von sonstigen Einrichtungsgegenständen im Gegensatz zu Gartenbedarfsartikeln und dergleichen nicht eines Kraftfahrzeuges bedarf und es sich hierbei folglich um zentrumsrelevante Waren handeln müsse, sei sachlich nicht begründbar und stelle eine willkürliche Differenzierung dar, die auf eine Gleichheitswidrigkeit der NÖ Warengruppen-Verordnung 2009 schließen lasse. Die viel zu enge Definition der "nicht zentrumsrelevanten Waren" in Bezug auf das in Möbelhäusern typischerweise angebotene und vom Kunden erwartete Sortiment bedeute, dass Neubauten von oder Zubauten zu typischen Möbelhäusern in Niederösterreich de facto ausgeschlossen seien. Dies widerspreche den genannten Grundrechten.

2.2.2. Auch diese Bedenken treffen nicht zu:

Der Normsetzer kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wohl von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl. zB VfSlg 14.841/1997, 16.124/2001 und 16.771/2002); dass dabei Härtefälle entstehen, macht die generelle Norm nicht gleichheitswidrig (zB VfSlg 11.615/1988, 14.841/1997); ebenso wenig können daher Einzelfälle einer Begünstigung die am Durchschnitt orientierte Regelung unsachlich machen (VfSlg 8871/1980).

§17 Abs 5 NÖ ROG 1976 ordnet eine Definition der "nicht zentrumsrelevanten Waren" durch Warengruppen, welche im Verordnungsweg festzulegen sind, an. Bei dieser Festlegung der Warengruppen musste der Normsetzer der NÖ Warengruppen-Verordnung 2009 naturgemäß von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen. Dies mit der Konsequenz, dass einzelne Waren als "zentrumsrelevant" qualifiziert werden, obwohl sie vom Kunden unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges abtransportiert werden müssen. Dies macht die Verordnung aber nicht gleichheitswidrig.

Das Problem, dass sich der Möbelhandel wegen seines typischen Mischangebots in eine Warengruppen-Verordnung gemäß § 17 Abs 5 NÖ ROG 1976 schwer einordnen lässt, war schon Gegenstand der Entscheidung VfSlg 18.713/2009. In dem dieser Entscheidung vorausgehenden Verordnungsprüfungsverfahren hatte die Niederösterreichische Landesregierung mit dem Argument des typischen Mischangebots die Nichtaufnahme der Warengruppe Möbel in die Erstfassung der NÖ Warengruppen-Verordnung verteidigt. Der Verfassungsgerichtshof ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Er hat festgestellt, dass diese Erwägungen die generelle Einordnung der Warengruppe Möbel unter die zentrumsrelevanten Waren nicht rechtfertigen. Er hat in diesem Zusammenhang auch klargestellt, "dass die in den Erläuterungen zum NÖ ROG 1976 dargestellten raumordnungspolitischen Erwägungen allenfalls dazu führen hätten können, den Verkauf von zentrumsrelevanten Waren in einer Handelseinrichtung (Einrichtungshaus) einzuschränken". Weiters hat der Verfassungsgerichtshof in dieser Entscheidung festgestellt, "dass bestimmte Warengruppen nicht selten auch im Verbund mit Warengruppen zum Verkauf angeboten werden, für deren Abtransport kein Kraftfahrzeug benötigt wird (zB Gartenbedarfsartikel)". Auch dies liegt also im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers.

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich durch den vorliegenden Verordnungsprüfungsantrag nicht veranlasst, von dieser Judikatur abzugehen. Auf Grund der raumordnungspolitischen Erwägungen des niederösterreichischen Landesgesetzgebers ist die vom Verordnungsgeber getroffene Regelung, die gegebenenfalls zu einer Einschränkung des Verkaufs von zentrumsrelevanten Waren in Möbelhäusern führt, nicht unsachlich. Die dadurch entstehenden Beschränkungen des Eigentums und der Erwerbsfreiheit liegen im öffentlichen Interesse, "die Ortskerne zu stärken und die Handelseinrichtungen in guter räumlicher Abstimmung zum Verbraucher zu situieren" (IA 359 BlgLT [NÖ] 16. GP, 9), und sind zur Umsetzung dieses Interesses geeignet und adäquat. Es liegt auch im rechtpolitischen Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, bei Bedarf den Verkauf von Möbeln in Verbund mit Warengruppen zuzulassen, für deren Abtransport kein Kraftfahrzeug benötigt wird, wenn dem raumordnungspolitische Erwägungen nicht entgegenstehen.

2.2.3. Eine Gleichheitswidrigkeit erblickt die antragstellende Gesellschaft letztlich auch in einem inneren Widerspruch der NÖ Warengruppen-Verordnung 2009. Sie führt dazu in ihrer – den Antrag näher ausführenden – Replik vom aus:

"Nicht in sich konsistent und hinsichtlich der Auswahl und Umschreibung der Warengruppen sachlich nicht gerechtfertigt erscheint auch die NÖ WarengruppenV selbst: So wird neben 'Fahrzeugen' auch deren 'Zubehör' von den 'zentrumsrelevanten Waren' ausgenommen und zusätzlich zu 'Pflanzen' werden auch 'Gartenbedarfsartikel' erfasst, während man bei den Möbeln eine solche Ergänzung in Bezug auf typisches Zubehör, welches gemeinsam mit Möbeln nachgefragt und gekauft wird (siehe die obige Aufzählung) vergeblich sucht!

Dieses Fehlen von typischen Zubehör-Artikeln von Möbeln – während Kfz- und Pflanzen-Zubehör genannt sind – ist sachlich nicht gerechtfertigt und verletzt die Antragstellerin [in] ihren Rechten. Die angefochtene Verordnung ist daher auch aus diesem Grund, zusätzlich zu den im Antrag angeführten Gründen, gesetzwidrig."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

2.2.4. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Die antragstellende Gesellschaft meint mit typischem Zubehör nicht Zubehör im üblichen Wortsinn, auch nicht Zugehör im zivilrechtlichen Sinn, also Sachen, die mit Möbeln in fortdauernde Verbindung gesetzt werden bzw. ohne die Möbel nicht gebraucht werden können (vgl. § 294 ABGB), sondern sie meint Waren, welche üblicherweise gemeinsam mit Möbeln nachgefragt und gekauft werden. Die "obige Aufzählung" in der Replik vom verdeutlicht dies (s. Pkt. IV.1.1.): "Bodenbeläge, Teppiche, Sanitärgegenstände und Badezimmerzubehör, Pflanzen, Schmuck und Kunstgegenstände, Textilien wie zB Vorhänge, Lampen, Spielwaren, Eisenwaren und anderes mehr." Bei all diesen Kategorien handelt es sich nicht um Möbelzubehör, sondern um selbständige Warenkategorien. Das bedeutet, dass die antragstellende Gesellschaft mit diesem Argument des "Zubehörs" in Wirklichkeit nur das Vorbringen der zu engen Definition der "nicht zentrumsrelevanten Waren" durch den Verordnungsgeber wiederholt. Diesbezüglich ist aber auf die Punkte IV.2.2.1. und IV.2.2.2. zu verweisen.

V. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher einzustellen.

2. Die von der antragstellenden Gesellschaft im Verordnungsprüfungsverfahren vorgebrachten Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag auf Aufhebung der NÖ Warengruppen-Verordnung 2009, LGBl 8000/95-0, ist daher abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:G25.2012