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VfGH vom 30.06.1988, g243/87

VfGH vom 30.06.1988, g243/87

Sammlungsnummer

11777

Leitsatz

"Ausländergrundverkehr" umfaßt nur Rechtserwerbe unter Lebenden; Teilbereich des Zivilrechtswesens, der mit der B-VGNov. 1969 den Ländern zugewiesen wurde - intrasystematische Fortentwicklung des Kompetenztatbestandes hinsichtlich des Rechtserwerbes von Todes wegen nicht möglich; Art 15 Abs 9 B-VG kommt für eine Erweiterung der durch die B-VGNov. 1969 von der Kompetenz des Bundes abgegrenzten Landeskompetenz nicht in Frage

Aufhebung des zweiten Halbsatzes in § 3 Abs 2 lita - kompetenzwidrig erlassen

Spruch

Der zweite Halbsatz in § 3 Abs 2 lita des Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69/1983, lautend "bei Rechtsnachfolgern, die dem Personenkreis nach § 1 Abs 1 Z. 2 angehören, jedoch nur dann, wenn die Rechtsnachfolge zwischen Ehegatten oder Blutsverwandten oder Verschwägerten in gerader Linie stattfindet;" wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mit Anbringen vom suchten die deutschen Staatsangehörigen K, H, A und U D bei der Grundverkehrsbehörde Leutasch um die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu dem aus einer letztwilligen Verfügung (Vermächtnis vom ) des R und der B I, beide deutsche

Staatsangehörige, resultierenden (Mit-)Eigentumserwerb an der Liegenschaft EZ ... KG L, bestehend aus dem Gst. ..., an.

Die Grundverkehrsbehörde Leutasch erteilte mit Bescheid vom "dem der Amtsurkunde vom zugrunde liegenden Rechtserwerb und zwar der Eigentumsübertragung gemäß § 3 Abs 1 lita des Grundverkehrsgesetzes 1983 die Zustimmung".

1.1.2. Der gegen diesen Bescheid vom Landesgrundverkehrsreferenten erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv-1206/6, Folge gegeben und dem in Rede stehenden Rechtserwerb die Zustimmung gemäß § 3 Abs 1 lita iVm § 4 Abs 2 lita und b Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69 (künftig: GVG), versagt.

Begründend wurde insbesondere dargelegt, daß die Gesuchsteller dem Personenkreis nach § 1 Abs 1 Z 2 GVG angehören und der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 2 lita leg.cit. infolge des Fehlens eines bei Ausländern vom Gesetzgeber geforderten Naheverhältnisses (Blutsverwandtschaft, Schwägerschaft, Ehe) zu den Erblassern nicht zum Tragen komme und der Rechtserwerb den in § 4 Abs 2 GVG festgelegten Schutzinteressen widerspreche.

1.1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B118/86 protokollierte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens wegen Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs 2 lita GVG angeregt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

1.2.1. Mit Anbringen vom suchte H B, deutscher Staatsangehöriger, bei der Grundverkehrsbehörde E um die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu dem aus einer letztwilligen Verfügung der am verstorbenen deutschen Staatsangehörigen B D resultierenden Eigentumserwerb an den Gpn. ... und ... in EZ ... II KG E an.

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde E vom wurde diesem Ansuchen Folge gegeben und die Zustimmung erteilt.

1.2.2. Der vom Landesgrundverkehrsreferenten gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde vom , Z LGv-1216/6-85, Folge gegeben und der Eigentumsübertragung an der genannten Liegenschaft die Zustimmung gemäß § 4 Abs 2 litb GVG versagt.

1.2.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B230/86 protokollierte, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

1.3.1. Mit einer letztwilligen Verfügung vom vermachte J D die ihm gehörige Liegenschaft EZ ... KG K, Gp. ..., E und M E, deutschen Staatsangehörigen mit dem Wohnsitz in München. J D ist am verstorben. Da die gesetzlichen Erben ihr Erbrecht nicht geltend machten, gaben E und M E gemäß § 726 ABGB je zur Hälfte die unbedingte Erbserkärung ab.

Mit Anbringen vom suchten E und M E bei der Grundverkehrsbehörde K um grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Eigentumserwerbes an der genannten Liegenschaft an.

Mit Bescheid vom versagte die Grundverkehrsbehörde K diesem Rechtserwerb gemäß § 3 Abs 1 lita und Abs 2 lita iVm § 4 Abs 2 lita GVG die Zustimmung.

1.3.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde von der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom , Z LGv-1291/4-85, als unbegründet abgewiesen.

1.3.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B824/86 protokollierte, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht, die amtswegige Prüfung der §§3 Abs 1 lita und 3 Abs 2 lita GVG auf ihre Verfassungsmäßigkeit angeregt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

1.4.1. Mit Anbringen vom suchte Dipl.Ing. G B, deutscher Staatsangehöriger, bei der Grundverkehrsbehörde J um die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu dem aus einer letztwilligen Verfügung des am 8. Feber 1984 verstorbenen niederländischen Staatsangehörigen G J.A. H resultierenden Eigentumserwerb von 24/7173 Anteilen an der Liegenschaft EZ ... KG J, verbunden mit dem Wohnungseigentum an

der Appartementwohnung Top ... im Haus ..., an. Mit

Amtsbestätigung des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom , Z A269/84, sei angeordnet worden, daß auf Grund des Vermächtnisses vom das Eigentumsrecht an den genannten Eigentumsanteilen für Dipl.Ing. G B einzuverleiben sei.

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde J vom wurde dem in Rede stehenden Rechtserwerb gemäß § 3 Abs 1 lita und Abs 2 lita iVm § 4 Abs 2 lita GVG die Zustimmung verweigert.

1.4.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom , Z LGv-25/2, als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß er sich auch auf § 4 Abs 2 litb GVG zu stützen habe.

1.4.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B1287/86 protokollierte, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht, die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Rechtsvorschriften bezweifelt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

1.5.1. Mit Schriftsatz vom suchte Ch M, deutscher Staatsangehöriger, bei der Grundverkehrsbehörde Sch um die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu dem aus einer letztwilligen Verfügung der am verstorbenen deutschen Staatsangehörigen F U Zresultierenden Eigentumserwerb an der Liegenschaft EZ ... KG Sch, bestehend aus der Gp. ..., an.

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Sch vom wurde diesem Ansuchen gemäß § 1 Abs 1 Z 1,§ 3 Abs 1 und § 4 Abs 2 GVG die Zustimmung verweigert.

1.5.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv-1358/5-85, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im wesentlichen dargelegt, daß zufolge Fehlens eines bei Ausländern vom Gesetzgeber nach § 3 Abs 2 lita GVG geforderten Naheverhältnisses (Blutsverwandtschaft, Schwägerschaft, Ehe) der auf einer letztwilligen Verfügung beruhende Rechtserwerb gemäß § 1 Abs 1 Z 2 iVm § 3 Abs 1 lita GVG der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedürfe. Diese Zustimmung könne jedoch gemäß § 4 Abs 2 GVG nicht erteilt werden.

1.5.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B206/87 protokollierte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht, die Prüfung der §§3 Abs 2 lita und 4 Abs 2 GVG auf ihre Verfassungsmäßigkeit angeregt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

1.6.1. Mit Anbringen vom suchten die

deutschen Staatsangehörigen Dr. H und M K bei der

Grundverkehrsbehörde K um die grundverkehrsbehördliche Zustimmung

zu dem aus einer letztwilligen Verfügung der österreichischen

Staatsbürgerin M Kresultierenden Erwerb von

86/600 Miteigentumsanteilen an der Gp. ... in EZ ... KG K, mit

denen das Eigentum an der Wohnung Top ... in K, H... 5, verbunden

ist, an.

Mit Bescheid vom versagte die Grundverkehrsbehörde K dem in Rede stehenden Rechtserwerb gemäß § 3 Abs 1 lita und Abs 2 lita iVm § 4 Abs 2 lita GVG die Zustimmung.

1.6.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv-26/2-86, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im wesentlichen dargelegt, daß infolge des Fehlens eines bei Ausländern vom Gesetzgeber nach § 3 Abs 2 lita GVG geforderten Naheverhältnisses (Blutsverwandtschaft, Schwägerschaft, Ehe) zur Erblasserin der auf einer letztwilligen Verfügung beruhende Rechtserwerb gemäß § 1 Abs 1 Z 2 lita iVm § 3 Abs 1 lita GVG der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedürfe, diese jedoch gemäß § 4 Abs 2 GVG nicht erteilt werden könne.

1.6.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B480/87 protokollierte, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

1.7.1. Mit Anbringen vom suchten die deutschen Staatsangehörigen Dipl.Ing. E P-B und Ch K bei der Grundverkehrsbehörde Seefeld um die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu dem aus einer letztwilligen Verfügung (Vermächtnis vom 23. Feber 1977) der L J, einer österreichischen Staatsbürgerin, resultierenden (Mit-)Eigentumserwerb des Dipl.Ing. E P-B von ...

Anteilen an der Liegenschaft EZ ... KG S, mit welchen das

Wohnungseigentum an der Wohnung Top ... C untrennbar verbunden ist,

und zu dem aus einer letztwilligen Verfügung (Kodizill vom

) der L J resultierenden (Mit-)Eigentumserwerb der

Ch K von ... Anteilen an der Liegenschaft EZ ... KG S, mit welchen

das Wohnungseigentum an der Wohnung Top ... und an der Garage Top

... untrennbar verbunden ist, an.

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde S vom wurde den in Rede stehenden Rechtserwerben gemäß § 4 Abs 2 GVG die Zustimmung verweigert.

1.7.2. Die gegen diesen Bescheid von den Antragstellern erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv-185/2-86, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde insbesondere dargelegt, daß die Antragsteller dem Personenkreis nach § 1 Abs 1 Z 2 GVG angehören und der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 2 lita leg. cit. infolge des Fehlens eines bei Ausländern vom Gesetzgeber geforderten Naheverhältnisses (Blutsverwandtschaft in gerader Linie, Schwägerschaft in gerader Linie, Ehe) zur Erblasserin nicht zum Tragen komme. Seefeld zähle zu jenen Gemeinden Tirols, denen der Eintritt einer Überfremdung im Sinne des § 4 Abs 2 lita GVG drohe. Für das Vorliegen eines (dauernden) Wohnbedarfes im Sinne des § 4 Abs 2 litb GVG der Berufungswerber sei kein Hinweis hervorgekommen, sodaß in Ansehung der für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke geltenden Flächenwidmung ("Bauland") auch ein Verstoß gegen diese Bestimmung vorliege.

1.7.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B1015/87 protokollierte Beschwerde, in der ebenfalls die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2. In allen genannten Beschwerdeverfahren sind bei der Beratung Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Halbsatzes in § 3 Abs 2 lita GVG entstanden. Der VfGH hat daher im Verfahren B118/86 am , in den Verfahren B230/86, B824/86, B1287/86, B206/87 und B480/87 jeweils am sowie im Verfahren B1015/87 am beschlossen, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten gesetzlichen Regelung einzuleiten.

3. § 3 Abs 2 lita GVG (der in Prüfung gezogene zweite Halbsatz ist hervorgehoben) samt Einleitungssatz lautet:

"(2) Der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nach Abs 1 bedarf es nicht:

a) beim Rechtserwerb durch Erben oder Vermächtnisnehmer, sofern nicht von der Anordnung des Gesetzes oder des Erblassers oder von den Bestimmungen des Erbvertrages durch besondere Übereinkommen (Erbteilungsübereinkommen) abgegangen wird; bei Rechtsnachfolgern, die dem Personenkreis nach § 1 Abs 1 Z. 2 angehören, jedoch nur dann, wenn die Rechtsnachfolge zwischen Ehegatten oder Blutsverwandten oder Verschwägerten in gerader Linie stattfindet;"

4. Es ist offenkundig, daß die bel. Beh. die in Prüfung gezogene Regelung bei Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendet hat; ihre Präjudizialität ist daher im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG - wie in den Einleitungsbeschlüssen angenommen - zu bejahen.

5. Der VfGH hat die gegen den zweiten Halbsatz des § 3 Abs 2 lita GVG entstandenen Bedenken in dem zu B118/86 am gefaßten Einleitungsbeschluß wie folgt umschrieben (in den weiteren Einleitungsbeschlüssen wurden diese Bedenken übernommen):

"4.1. Der VfGH hat auf dem Boden des Kompetenztatbestandes Zivilrechtswesen (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) in dessen Stammfassung mit Erkenntnis VfSlg. 5521/1967 Bestimmungen des Vorarlberger Ausländergrunderwerbsgesetzes, LGBl. 33/1962, mit denen die Rechtsstellung von Ausländern in Angelegenheiten des Erwerbes von inländischem Grundeigentum geregelt wurde, als verfassungswidrig aufgehoben, weil es sich dabei um Zivilrechtswesen und damit um eine Materie handelte, für die nach der damals gegebenen Kompetenzlage der Landesgesetzgeber unzuständig war. Mit Erkenntnis VfSlg. 5534/1967 wurde in der Folge eine die Übertragung des Eigentums an Grundstücken an Ausländer betreffende Gesetzesstelle des Salzburger Ausländergrunderwerbsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 96, aus den gleichen Gründen als verfassungswidrig aufgehoben.

4.2. Mit Bundesverfassungsgesetz vom , BGBl. 27/1969, wurde sodann das B-VG durch eine Bestimmung über die Zuständigkeit der Länder zur Regelung des Grundstücksverkehrs für Ausländer ergänzt. Art 10 Abs 1 Z 6, soweit er das Zivilrechtswesen betrifft, lautet seither wie folgt:

'6. Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens, jedoch mit Ausschluß von Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen; ...'

In den Erläuternden Bemerkungen (884 BlgNR.XI.GP) wird hiezu insbesondere ausgeführt:

'... Die gegenständliche Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz wird den Ländern daher in der Weise vorbehalten, daß sie ausdrücklich aus dem Tatbestand 'Zivilrechtswesen' des Art 10 Abs 1 Z. 6 B.-VG. herausgenommen wird.

...

b) Die dem Landesgesetzgeber eingeräumte Kompetenz hat sich allerdings auf Tatbestände zu beschränken, die nicht den Inhalt der Rechtsgeschäfte als solchen und die zivilrechtlichen Formen, in denen sich der Rechtsverkehr abwickelt, zum Gegenstand haben, sondern bloß die verwaltungspolizeilichen Kontrollmittel erfassen, die für den Grundverkehr gegenüber Ausländern oder im Ausland wohnhaften Personen maßgebend sein sollen. ...

c) In den geltenden Landesgesetzen sind folgende zivilrechtliche Formen des Grundstücksverkehrs einer verwaltungsbehördlichen Genehmigung unterworfen:


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1.
Erwerb des Eigentums unter Lebenden, insbesondere auch Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung;


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2.
Einräumung von persönlichen Dienstbarkeiten (Recht des Fruchtgenusses und des Gebrauches);


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3.
Einräumung des Baurechtes und von Rechten mit gleichartigem Inhalt;


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4.
Einräumung von Bestandrechten, insbesondere Verpachtung.


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...


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f) Die den Ländern durch diesen Entwurf vorbehaltene Kompetenz weist Ähnlichkeit mit der Zuständigkeit zur Regelung des Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken gemäß dem Rechtssatz des VfGH, BGBl. Nr. 92/1954 auf. Während aber Beschränkungen des Grundstücksverkehrs zum Schutze vor Überfremdung des heimischen Grund und Bodens als Regelungen auf dem Gebiet des Zivilrechtes nach dem Inhalt der Kompetenzverteilung im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens () anzusehen sind, fallen Maßnahmen auf dem Gebiet des Liegenschaftsverkehrs mit dem Ziel, den aus der Freiheit des Verkehrs mit Grund und Boden entstehenden Gefahren für die bäuerliche Siedlung zu steuern ('Grundverkehrsrecht'), von vornherein nicht unter den Tatbestand 'Zivilrechtswesen', sondern sind nach dem erwähnten Rechtssatz des VfGH in der Zuständigkeit der Länder gemäß Art 15 Abs 1 verblieben. An diesem gemäß Art 138 Abs 2 B.-VG. auf der Stufe eines Verfassungsgesetzes stehenden Rechtssatz des VfGH wird durch den vorliegenden Entwurf nichts geändert. ...


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Durch den vorliegenden Entwurf werden auch andere Tatbestände der Kompetenzartikel nicht berührt. ... In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf hingewiesen, daß der vorliegende Entwurf lediglich den Zweck verfolgt, die in den letzten Jahren von den Ländern getroffenen gesetzlichen Beschränkungen des Grundstücksverkehrs von Ausländern bundesverfassungsgesetzlich abzusichern. Über den Rahmen der in den geltenden Ausländergrunderwerbsgesetzen bzw. Grundverkehrsgesetzen der Länder getroffenen Regelungen hinaus werden den Ländern keine weiteren Befugnisse eingeräumt. Bei Zweifel über den Umfang der gegenständlichen Kompetenzregelung wird daher im Sinne der für die Auslegung der Kompetenzartikel des Bundes-Verfassungsgesetzes vom VfGH entwickelten 'Versteinerungstheorie' auf die derzeit geltenden Landesgesetze als Auslegungsbehelf zurückzugreifen sein.'

4.3. Bei Erlassung der eben wiedergegebenen bundesverfassungsgesetzlichen Novellierung des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG standen Ausländer-Grunderwerbsregelungen in den Bundesländern Burgenland (Landesgrundverkehrsgesetz LGBl. 11/1955 idF LGBl. 16/1962), Oberösterreich (O.ö. Ausländergrunderwerbsgesetz LGBl. 30/1966), Salzburg (Salzburger Ausländergrunderwerbsgesetz 1964, LGBl. Nr. 96), Tirol (Grundverkehrsgesetz 1966, LGBl. Nr. 27), Vorarlberg (Ausländergrunderwerbsgesetz LGBl. 33/1962) und Wien (Ausländergrunderwerbsgesetz LGBl. 33/1967) in Kraft. Keine dieser landesgesetzlichen Regelungen sah Bestimmungen hinsichtlich des Rechtserwerbes von Todes wegen vor.

4.4. Dies trifft auch für die Regelung nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz 1966, LGBl. 27/1966, zu. Die in Prüfung gezogene Regelung geht auf die Grundverkehrsnovelle vom , LGBl. 57/1983, zurück, die erst mit in Kraft getreten ist.

Die Materialien (Bericht und Antrag des Rechts- und Gemeindeausschusses und des Land- und Forstwirtschaftsausschusses zur Regierungsvorlage) führen in Beilage 4 zur Novellierung des § 3 Abs 2 lita GVG aus:

'Durch die Neufassung dieser Bestimmung soll einerseits klargestellt werden, daß unter den Eigentumserwerb 'auf Grund ... letztwilliger ... Erbfolge' nicht nur der Eigentumserwerb durch den Testamentserben, sondern auch der Eigentumserwerb durch den Vermächtnisnehmer fällt.

Andererseits wird, soweit es sich um den Eigentumserwerb durch Personen nach § 1 Abs 1 Z. 2 (Ausländer) handelt, zur Hintanhaltung von Gesetzesumgehungen die Ausnahme vom Erfordernis der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung auf die Rechtsnachfolge zwischen Ehegatten und zwischen Blutsverwandten oder Verschwägerten in gerader Linie eingeschränkt.'

4.5. Aus all dem scheint dem VfGH zwingend hervorzugehen, daß erbrechtliche Regelungen, die den Grundstückserwerb durch Ausländer zum Inhalt haben, nicht unter den Kompetenztatbestand Ausländergrundverkehr ('Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen') fallen.

4.6. Gegen die in Prüfung gezogene Regelung bestehen aber noch die folgenden weiteren Bedenken:

4.6.1. Durch die in Frage stehende Bestimmung wird wohl nur ein näher bezeichneter Personenkreis von der allgemeinen Regel, die sich im ersten Halbsatz des § 3 Abs 2 lita GVG findet, nämlich daß der Rechtserwerb durch Erbfolge (Vermächtnisnahme) nicht der Genehmigungspflicht durch die Grundverkehrsbehörde unterliegt, ausgenommen und damit für den vom zweiten Halbsatz des § 3 Abs 2 lita GVG betroffenen Personenkreis (alle Erben und Vermächtnisnehmer, ausgenommen Ehegatten und Blutsverwandte und Verschwägerte in gerader Linie) beim Rechtserwerb an Liegenschaften von Todes wegen die Rechtswirksamkeit an die - einzuholende - Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gebunden. Die Erteilung der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde ist auch für Fälle, die von der in Prüfung gezogenen Regelung erfaßt sind, an gleiche Voraussetzungen gebunden, wie sie - allgemein - für den Ausländergrundverkehr unter Lebenden gelten. Damit wird eine Gesamtregelung geschaffen, die den Ausländergrundverkehr unter Lebenden auf den Rechtserwerb an Liegenschaften von Todes wegen für den betroffenen Personenkreis erweitert. Der VfGH meint, daß dies nur unter den Voraussetzungen des Art 15 Abs 9 B-VG zulässig wäre. Der Tiroler Landesgesetzgeber scheint der Ansicht zu sein, diesen Weg gehen zu müssen, um Umgehungshandlungen hintanzuhalten; dies wäre aber nur unter der Voraussetzung zulässig, daß die Regelung 'erforderlich' im Sinne des Art 15 Abs 9 B-VG ist.

Dem VfGH scheint es ausgeschlossen, daß dies für den Ausländergrundverkehr von Todes wegen allgemein, wie es durch die umschriebene Gesamtregelung festgelegt wird, zutreffen könnte. Während für die gewillkürte Erbfolge eine Regelung, die sich auf Art 15 Abs 9 B-VG beruft (weil sie erforderlich wäre, um Umgehungshandlungen hintanzuhalten), noch näher zu erörtern ist, scheint dem VfGH, daß für die gesetzliche Erbfolge eine solche auf Art 15 Abs 9 B-VG gestützte Regelung schon vom Ansatz her unvertretbar und daher unzulässig sein dürfte.

Aber auch für die gewillkürte Erbfolge hält es der VfGH - gemessen an Art 15 Abs 9 B-VG - für bedenklich, den Rechtserwerb durch Ausländer, die nicht dem nach § 3 Abs 2 lita GVG begünstigten Personenkreis angehören, den gleichen allgemeinen - Genehmigungsvoraussetzungen zu unterwerfen, wie sie für den Ausländergrundverkehr unter Lebenden allgemein ohne Rücksicht auf Umgehungshandlungen gelten, weil, wie der VfGH jedenfalls vorläufig meint, damit nicht nur Fälle erfaßt werden, denen eine Umgehungshandlung zu Grunde liegt, sondern auch solche, in denen davon keine Rede sein kann. Dies scheint mit Art 15 Abs 9 B-VG im Widerspruch zu stehen.

4.6.3. Dem VfGH scheinen aber weiters gegen die durch § 3 Abs 2 lita zweiter Halbsatz iVm den Genehmigungsbestimmungen getroffene Gesamtregelung für Fälle der gewillkürten Erbfolge die folgenden verfassungsrechtlichen Bedenken an sich und prinzipiell zu bestehen:

Beruht der Anspruch des Ausländers auf einer letztwilligen Verfügung und ist kein Ersatzerbe eingesetzt, so dürfte dies im Falle der Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zur Nichtigkeit dieses Erbtitels und sodann zur gesetzlichen Erbfolge führen. Die in Frage stehende Gesamtregelung dürfte weiters dazu führen, daß dann, wenn Personen zur gesetzlichen Erbfolge berufen wären, die ebenfalls Ausländer sind, auch für diese voraussichtlich die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu versagen wäre, sodaß es letztlich zum Heimfall der Liegenschaft an den Staat käme. Damit würde auf diesem Wege anscheinend das zivilrechtliche Institut der Erbfolge jedenfalls teilweise ausgeschaltet. Der VfGH ist vorläufig der Ansicht, daß eine Regelung, die zu einem solchen Ergebnis führt, unter keinen Umständen 'erforderlich' im Sinne des Art 15 Abs 9 B-VG sein könnte.

4.6.4. Die wegen des Widerspruchs zu Art 15 Abs 9 B-VG entstandenen Bedenken richten sich gegen ein Regelungssystem, das durch das Zusammenwirken der in Prüfung gezogenen Bestimmung und der Bestimmungen, die allgemein für die Zustimmung zu einem Rechtserwerb an Liegenschaften durch Ausländer gelten, geschaffen wird. Ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken aus dem Zusammenhalt mehrerer Bestimmungen, so richten sie sich gegen jede Norm, der die vermutete Verfassungswidrigkeit anzulasten ist. Dies trifft für die in Prüfung gezogene Bestimmung zu. Da schon deren Aufhebung zur Beseitigung der vermuteten Verfassungswidrigkeit ausreichend wäre, scheint es zu genügen, § 3 Abs 2 lita zweiter Halbsatz GVG in Prüfung zu ziehen.

4.7. Die unter 4.6.3. dargelegten Überlegungen führen den VfGH schließlich für den Fall, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung entgegen den unter 4.5. aufgezeigten Bedenken doch dem Ausländergrundverkehr zugehören sollte, zur Ansicht, daß für diesen Fall durch die Gesamtregelung gegen den Wesenskern des Eigentumsrechtes verstoßen würde und daß sie im Hinblick auf den Gleichheitssatz unsachlich wäre, weil es letztlich sogar zum Heimfall der Liegenschaft an den Staat kommen kann. Die Darlegungen zu 4.6.4. gelten sinngemäß auch hier."

6. Die Tiroler Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung verteidigt; für den Fall der Aufhebung wird beantragt, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu setzen.

7. Der VfGH hat beschlossen, sämtliche Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

8. Der VfGH hat in der Sache selbst erwogen:

8.1.1. Die Tiroler Landesregierung hält den Bedenken des VfGH zunächst entgegen:

"Nach Art 15 Abs 1 in Verbindung mit Art 10 Abs 1 Z. 6 B-VG fallen Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen, in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder. Diese Kompetenzlage besteht in dieser Form seit dem Inkrafttreten des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 27/1969. Der Grund für die Erlassung dieses Bundesverfassungsgesetzes war die in den Erkenntnissen VfSlg. 5521/1967 und 5534/1967 dargelegte Ansicht des VfGH, daß Bestimmungen, mit denen die Rechtsstellung von Ausländern in bezug auf den Erwerb von inländischem Grundeigentum geregelt wird, dem Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' zuzuordnen seien.

...

Es muß daher im vorliegenden Fall geprüft werden, wie der Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' gegenüber dem Kompetenztatbestand 'Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen' abzugrenzen ist. Der VfGH vertritt im vorliegenden Beschluß die Ansicht, daß der Kompetenztatbestand 'Ausländergrundverkehr' nur den Umfang habe, der durch die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG BGBl. Nr. 27/1969 von den Ländern getroffenen gesetzlichen Beschränkungen des Grundstücksverkehrs von Ausländern begrenzt war. Dabei stützt sich der VfGH auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der genannten B-VG-Nov. Nach diesen Erläuternden Bemerkungen werde bei der Auslegung der Kompetenzregelung 'Ausländergrundverkehr' im Sinne der Versteinerungstheorie auf die geltenden Landesgesetze als Auslegungsbehelf zurückzugreifen sein.

Diese Ansicht über die Auslegung ... wird von der

Tiroler Landesregierung nicht geteilt. ... Aus dem Wortlaut der

Verfassungsbestimmung ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß der Kompetenztatbestand 'Ausländergrundverkehr' durch den Rahmen, der durch die vor dem Inkrafttreten der genannten B-VG-Nov. bestehenden landesrechtlichen Vorschriften in diesem Bereich gebildet wird, beschränkt sei. Bei einer Wortinterpretation der gegenständlichen Kompetenzbestimmung ergibt sich vielmehr, daß sämtliche - Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen, nicht als dem Zivilrecht zugehörig anzusehen sind, sondern in die Zuständigkeit der Länder fallen. Es ist eine ausdrückliche Beschränkung weder auf den Grundstücksverkehr unter Lebenden noch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehende gesetzliche Regelungen ersichtlich.

...

... Bei der Erlassung des Bundesverfassungsgesetzes

BGBl. Nr. 27/1969 war ... davon auszugehen, daß der

Kompetenzbereich Ausländergrundverkehr als ein Teilbereich des Zivilrechtswesens, dessen Inhalt sich aus den im Versteinerungszeitpunkt vorhanden gewesenen diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften des Bundes ergibt, in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Ziel des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 27/1969 war es, die von den Ländern getroffenen gesetzlichen Beschränkungen des Grundstücksverkehrs von Ausländern - die BG BGBl. Nr. 247/1924 und 106/1928 waren, wie der VfGH im Erkenntnis VfSlg.Nr. 5534/1967 festgestellt hat, aufgehoben verfassungsrechtlich, das heißt kompetenzrechtlich, abzusichern. Hiezu war es notwendig, die bis dahin dem Bund zukommende Kompetenz zur Regelung des Ausländergrundverkehrs (als Teilbereich des Zivilrechtswesens) dem Bund abzunehmen und wieder an die Länder zu übertragen. Der Umfang der dem Bund bis zum Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 27/1969 im Bereich des Ausländergrundverkehrs zugekommenen Kompetenz ist aber - wie der VfGH in den Erkenntnissen VfSlg.Nr. 5521/1967 und 5534/1967 festgestellt hat - nach den einschlägigen bundesgesetzlichen Vorschriften zum Stand zu ermitteln.

Es ist somit verfehlt, den Inhalt des vom Bund an die Länder (zurück)übertragenen Kompetenzbereiches Ausländergrundverkehr anhand der von den Ländern in der Zeit vor 1969 kompetenzwidrigerweise erlassenen gesetzlichen Regelungen auf diesem Gebiet zu ermitteln.

...

... Es scheint vom Ansatz her verfehlt, den Kompetenztatbestand des Ausländergrundverkehrs als versteinert anzusehen. Bei diesem Kompetenztatbestand handelt es sich - wie bereits erwähnt - um eine Landeskompetenz, die begrifflich gar nicht versteinern kann. Es ist somit nicht festzustellen, welchen Inhalt der Kompetenztatbestand 'Ausländergrundverkehr' im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG BGBl. Nr. 27/1969 hatte, sondern es ist zu prüfen, ob im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG BGBl. Nr. 27/1969 Regelungen bestanden haben, die den Ausländergrundverkehr betreffen und die dem Zivilrecht zuzuzählen sind. ... Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die vom VfGH aufgezeigten Bedenken gegen den Umfang des Kompetenztatbestandes 'Ausländergrundverkehr' von einem falschen Ansatz ausgehen. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der genannten B-VG-Nov. die Ansicht vertreten wird, daß im Sinne der 'Versteinerungstheorie' auf die geltenden Landesgesetze als Auslegungsbehelf zurückzugreifen sein werde. ...

...

Eine Überprüfung des Kompetenztatbestandes 'Zivilrechtswesen' ergibt, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG BGBl. Nr. 27/1969 keine diesem Kompetenztatbestand zuzurechnenden Regelungen bestanden haben, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen hinsichtlich des Rechtserwerbes von Todes wegen unterworfen haben. Das Zivilrecht hat diesbezüglich keine Regelungen gekannt. Es muß daher angenommen werden, daß entsprechende landesgesetzliche Regelungen, die sich auf Art 15 Abs 1 B-VG stützen, nicht in den Kompetenztatbestand Zivilrechtswesen eingreifen. ..."

8.1.2. Auszugegehen ist von den Erkenntnissen VfSlg. 5521/1967 und 5534/1967, mit denen der VfGH Bestimmungen des Vorarlberger und des Salzburger Ausländergrunderwerbsgesetzes aufgehoben hat, weil es sich nach der Kompetenzlage vor Erlassung der B-VG-Nov. BGBl. 27/1969 um eine Angelegenheit des Zivilrechts gehandelt habe. Die Landesregierungen hatten damals zur Stützung der Landeskompetenz auf das Erkenntnis VfSlg. 2546/1953 verwiesen, mit dem das 1946 durch BG wieder in Kraft gesetzte Grundverkehrsgesetz 1937 mit der Begründung aufgehoben worden war, es handle sich nicht um Zivilrechtswesen, und hatten beigefügt, die Hintanhaltung der Überfremdung des heimischen Grundbesitzes sowie einer unerwünschten Erhöhung der Grundstückspreise sei von keinem verfassungsgesetzlich dem Bundesgesetzgeber vorbehaltenen Kompetenztatbestand umfaßt.

In VfSlg. 5534/1967 führte der Gerichtshof aus, das Erkenntnis VfSlg. 2658/1954, wonach "die Regelung des Verkehrs mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken (Grundverkehrsrecht) in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern zusteht", weise zwar darauf hin, daß Eigentumsbeschränkungen auch durch Verwaltungsvorschriften statuiert werden könnten, doch sei es verfehlt, hieraus folgern zu wollen, es genüge die Erlassung irgendeiner die Ausübung des Eigentums beschränkenden Verwaltungsvorschrift, um die dann gegebene Regelung aus dem Kompetenzbegriff des Zivilrechtswesens zu lösen. Den Umfang dieses Begriffs nach dem Stand des Wirksamwerdens der Kompetenzartikel mit könnten spätere Materiengesetzgeber nicht verengen; wollte man dies zulassen, so wäre es möglich, diesem Kompetenzbegriff jeglichen Inhalt zu nehmen. Aus dem Begriff des Zivilrechtswesens habe der Gerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 2820/1955 nur das land- und forstwirtschaftliche Grundverkehrsrecht ausgeschieden, denn

"Maßnahmen auf dem Gebiete des Liegenschaftsverkehrs anderer Art für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzartikel, die eine Herausnahme aus dem Begriffe des Zivilrechtswesens mit der Folge ihrer Zugehörigkeit zur Landeskompetenz begründen könnten, sind nicht feststellbar".

Nach einer Erörterung des Inhalts der einschlägigen BG BGBl. 247/1924 und 106/1928 und dem Hinweis auf § 33 ABGB kommt der Gerichtshof dann zum Ergebnis,

"... daß die Erlassung von Vorschriften über die Rechtsstellung von Ausländern in bezug auf den Erwerb von Liegenschaften im Inland als eine Regelung des rechtsgeschäftlichen Liegenschaftsverkehrs unter den Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' fällt, soweit sie nicht ihren Sitz im Bereich einer anderen Materie hat".

Im Erkenntnis VfSlg. 9580/1982 hat der VfGH aufgezeigt, daß er zwar an der im Rechtssatz des Jahres 1954 festgestellten Zuständigkeit der Länder im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs festhalte, auf dessen Begründung seither aber nicht wieder zurückgreife, sondern den im Rechtssatz den Ländern zugeordneten Bereich wie einen namentlich umschriebenen Kompetenztatbestand behandle und den Umfang dieses Tatbestandes im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzartikel für maßgeblich erachte, andere Beschränkungen des Liegenschaftsverkehrs aber grundsätzlich als Angelegenheiten des Zivilrechts ansehe. In diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof ferner darauf hingewiesen, daß die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur BVG-Nov. 1969 (884 BlgNR XI. GP 5) offenkundig von der in den Erkenntnissen des Jahres 1967 zum Ausdruck kommenden Auffassung des VfGH ausgehen, wenn es dort heißt:

"Über den Rahmen der in den geltenden Ausländergrunderwerbsgesetzen bzw. Grundverkehrsgesetzen der Länder getroffenen Regelungen hinaus werden den Ländern keine weiteren Befugnisse eingeräumt."

Unter Bezugnahme auf die Verfassungsnovelle 1969 hatte der Gerichtshof übrigens bereits in den Erkenntnissen VfSlg. 6682/1972 und 7014/1973 zur Vermeidung von Mißverständnissen bemerkt, sie habe

"... die Zuständigkeit zur Regelung verwaltungsbehördlicher Beschränkungen des Grundstücksverkehrs für Ausländer von der Zuständigkeit zur Regelung dieses Grundstücksverkehrs selbst, also einer Angelegenheit des Zivilrechtswesens (vgl. Erk.Slg. 5534/1967), gelöst".

Steht damit aber fest, daß (bereits) mit Inkrafttreten der Kompetenzartikel am Maßnahmen, die - welcher Art immer - den Rechtserwerb von Ausländern an inländischen Liegenschaften betreffen, dem Kompetenztatbestand "Zivilrechtswesen" zuzurechnen waren, dann kommt es nicht mehr darauf an, ob und inwieweit der Bundesgesetzgeber von der ihm zustehenden Kompetenz Gebrauch gemacht hat; die Auffassung der Tiroler Landesregierung, daß erst zu untersuchen sei, ob der Bund vor der B-VG-Nov. 1969, BGBl. Nr. 27, Regelungen für Ausländer überhaupt getroffen hatte, ist offenkundig verfehlt, gleichgültig ob sie - ungeachtet der wiederholten Aussagen des VfGH - davon ausgeht, daß beschränkende Maßnahmen für den Rechtserwerb an inländischen Liegenschaften von Todes wegen durch Ausländer seit jeher in die Kompetenz der Länder fielen und ein solcher Rechtserwerb nur unter Lebenden dem Zivilrechtswesen zuzuzählen sei, oder ob sie auf der Ansicht beruht, daß die ursprüngliche Zugehörigkeit zum Zivilrechtswesen dem Bund abhanden gekommen sei, weil er solche Regelungen nicht erlassen habe.

8.2.1. Die Tiroler Landesregierung meint sodann, die Landeskompetenz für beschränkende Maßnahmen betreffend den Rechtserwerb an inländischen Liegenschaften durch Ausländer sei ohne Einschränkungen - also auch für den Rechtserwerb von Todes wegen - jedenfalls durch das BVG vom , BGBl. 27/1969, begründet (bewirkt) worden. In diesem Sinne führt sie aus:

"Daß aus dem Wortlaut des Art 10 Abs 1 Z. 6 B-VG in der Fassung der B-VG-Nov. BGBl. Nr. 27/1969 ableitbar wäre, der Begriff 'Ausländergrundverkehr' umfasse lediglich Rechtsgeschäfte (Rechtserwerbe) unter Lebenden, wird selbst vom VfGH in seinem Beschluß auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens nicht angenommen. Dies könnte - wie bereits ausgeführt - bei einer auf die Erforschung des Wortsinnes der Norm beschränkten Gesetzesauslegung auch gar nicht angenommen werden.

Wenn aber der Gesetzeswortlaut ein klares Ergebnis zeigt - hier nämlich eine uneingeschränkte Landeskompetenz in allen Angelegenheiten, in denen Ausländer in bezug auf den Erwerb von inländischen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen werden - so ist dieses Ergebnis maßgeblich. Eine weitergehende Untersuchung, ob nicht etwa eine andere Betrachtungsweise zu einem anderen Auslegungsergebnis führen würde, ist in diesem Fall weder erforderlich noch zulässig."

Die Tiroler Landesregierung meint weiters, daß auch dann, wenn man die durch die B-VG-Nov. 1969 getroffene Verfassungsbestimmung dahin verstehe, daß dem Landesgesetzgeber nur Regelungsbereiche im Rahmen der bereits vor der Nov. von Ländern erlassenen Bestimmungen über den Ausländergrundverkehr übertragen worden seien, dies ebenfalls zu dem Ergebnis führe, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht verfassungswidrig sei. Sie führt hiezu aus:

"Wenn man das im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG BGBl. Nr. 27/1969 in Geltung gestandene Tiroler Grundverkehrsgesetz 1966, LGBl. Nr. 27, dahingehend überprüft, ob darin bereits Regelungen enthalten waren, die den Rechtserwerb von Ausländern von Todes wegen Beschränkungen unterworfen haben, so kommt man zum Ergebnis, daß auch ein solcher Rechtserwerb durch Ausländer vom Gesetz mitumfaßt war. Nach § 3 Abs 1 lita GVG 1966 war 'jeder Eigentumserwerb' der behördlichen Genehmigungspflicht unterworfen, ohne daß es darauf angekommen wäre, ob der Rechtserwerb von einem Rechtsgeschäft unter Lebenden oder von einem Rechtsgeschäft von Todes wegen herrührte. Der Gesetzgeber hat aber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes bestimmte Eigentumserwerbe von der Genehmigungspflicht ausgenommen, darunter auch Eigentumserwerbe von Todes wegen. Die Ausnahme von der Genehmigungspflicht für bestimmte Rechtserwerbe bedeutet aber nicht, daß diese Erwerbsart von der gesetzlichen Regelung überhaupt nicht erfaßt wird. Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 2 lita GVG 1966 setzt nämlich (rechts-)logisch voraus, daß auch Rechtserwerbe durch Erben und Vermächtnisnehmer grundsätzlich bewilligungspflichtig sind (waren). Damit muß aber weiters davon ausgegangen werden, daß zumindest einzelne - Grundverkehrsgesetze der Länder bereits zum Zeitpunkt der Erlassung der B-VG-Nov. BGBl. Nr. 27/1969 auch Rechtserwerbe von Todes wegen - zumindest grundsätzlich - als bewilligungspflichtig ansahen. Damit sollte aber auch dieser Regelungsbereich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers in der Kompetenz der Länder verbleiben bzw. in die Kompetenz der Länder kommen. Daß der Tiroler Landesgesetzgeber in weiterer Folge (GVG-Nov. 1983) den Kreis der bewilligungspflichtigen Rechtserwerbe enger zog, kann aus kompetenzrechtlicher Sicht keine Bedeutung zukommen, weil es ihm überlassen bleiben muß, wie und in welchem Umfang er eine ihm zugewiesene Materie regelt.

Diesem Ergebnis stehen auch die Materialien zur GVG-Nov. 1983 nicht entgegen. Die Klarstellung, daß unter den Eigentumserwerb 'auf Grund letztwilliger Erbfolge' nicht nur der Eigentumserwerb durch den Testamentserben, sondern auch der Eigentumserwerb durch den Vermächtnisnehmer fällt, bedeutet nur, daß eine Regelung, die immer schon diesen Inhalt hatte, aber zu Zweifeln Anlaß gegeben hat, eindeutig ausgeführt wird. ... Dies hat aber begrifflich bereits eine grundsätzliche Erfassung dieser Rechtserwerbe durch das Grundverkehrsgesetz vorausgesetzt.

Es ist daher davon auszugehen, daß grundsätzliche Regelungen der im vorliegenden Fall bedeutsamen Art bereits vor dem Inkrafttreten des BVG BGBl. Nr. 27/1969 in landesgesetzlichen Regelungen enthalten waren."

8.2.2. Der VfGH vermag sich der Auffassung der Tiroler Landesregierung auch insoferne nicht anzuschließen.

Für die Auslegung einer Norm kommt ihrer Entstehungsgeschichte jedenfalls dann Bedeutung zu, wenn ihr Wortlaut allein zur Sinnermittlung nicht ausreicht; dies ist beim Terminus "Grundstücksverkehr" der Fall. Daß mit diesem Wort jede Art des Rechtserwerbes - auch die gesetzliche Erbfolge - erfaßt wäre, trifft nach dem allgemeinen Sprachgebrauch offenkundig nicht zu (vgl. hiezu auch VfSlg. 9088/1981 S. 296).

Zur Klärung der Frage, was der Verfassungsgesetzgeber unter "Grundstücksverkehr für Ausländer" im BVG BGBl. 27/1969 gemeint hat, bedarf es daher auch des Rückgriffes auf die Materialien, insbesondere auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 884 BlgNR XI.GP; auf diese hat der VfGH bereits in den Einleitungsbeschlüssen - wie auch in der Vorjudikatur (so VfSlg. 7703/1975 S. 353 und ebenso VfSlg. 9088/1981 S. 297) - Bezug genommen. In diesen Erläuternden Bemerkungen wird wörtlich ausgeführt:

"... (Es) sei nochmals darauf hingewiesen, daß der vorliegende Entwurf lediglich den Zweck verfolgt, die in den letzten Jahren von den Ländern getroffenen gesetzlichen Beschränkungen des Grundstücksverkehrs von Ausländern bundesverfassungsgesetzlich abzusichern. Über den Rahmen der in den geltenden Ausländergrunderwerbsgesetzen bzw. Grundverkehrsgesetzen der Länder getroffenen Regelungen hinaus werden den Ländern keine weiteren Befugnisse eingeräumt. Bei Zweifel über den Umfang der gegenständlichen Kompetenzregelung wird daher im Sinne der für die Auslegung der Kompetenzartikel des Bundes-Verfassungsgesetzes vom VfGH entwickelten 'Versteinerungstheorie' auf die derzeit geltenden Landesgesetze als Auslegungsbehelf zurückzugreifen sein."

In den Materialien (siehe auch S. 298 der EB) wird damit deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der Verfassungsgesetzgeber von der Absicht getragen war, nur solche Regelungen in die Landeskompetenz zu übertragen, die der Sache nach von den Landesgesetzgebern bisher im Bereich des "Ausländergrundverkehrs" - wenn auch kompetenzwidrigerweise - in Anspruch genommen worden waren. Die Materialien enthalten aber keineswegs die Aussage, daß auch der Ausländergrundverkehr von Todes wegen Gegenstand der in Aussicht genommenen Neuregelung sein sollte.

Auch die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bundes-Verfassungsgesetz-Nov. 1969 geltenden Ausländergrunderwerbsgesetze haben ausnahmslos keine Regelungen über den Erwerb von Todes wegen enthalten.

Der VfGH ist schließlich auch der Frage nachgegangen, ob aus den Akten über die Gesetzwerdung der B-VG-Nov. 1969 sich weiteres darüber ergibt, wieso der Terminus "Grundstücksverkehr für Ausländer" gewählt wurde und was damit erfaßt werden sollte. Aus dem Schriftwechsel des Bundeskanzleramtes mit dem Bundesministerium für Justiz und den Landesregierungen sowie aus den Entwürfen zeichnet sich deutlich erkennbar folgendes ab:

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß in den Erläuternden Bemerkungen zur B-VG-Nov. 1969 im wesentlichen das wiedergegeben wird, was im Begutachtungsverfahren vorgebracht wurde und was erkennbarerweise nach den vorgelegten Unterlagen Absicht des Gesetzgebers bei Erlassung der Verfassungsnovelle war.

Diese Absicht findet sich aber in der Tat auch im Wortlaut der Ausnahme von der Zivilrechtskompetenz des Bundes nach Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG in Bezug auf "Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen", wieder. Wenn in dieser Verfassungsbestimmung nämlich von einem Verkehr mit Grundstücken die Rede ist, so ist darunter offenbar ein rechtsgeschäftlicher Verkehr zu verstehen. Der rechtsgeschäftliche Verkehr ist aber grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, daß das Rechtsgeschäft von den Beteiligten in freier Selbstbestimmung vereinbart wird. Als Erwerber kommt hier jeder Interessent auf dem Grundstücksmarkt in Frage. Das erklärte Ziel der Regelung, einer Erhöhung der Grundstückspreise entgegenzuwirken, legt eine enge, nur Rechtsgeschäfte unter Lebenden erfassende Auslegung der B-VG-Nov. 1969 durchaus nahe.

Wenn die Tiroler Landesregierung hingegen meint, schon vor der Verfassungsnovelle 1969 hätten die Grundverkehrsgesetze den Ausländergrunderwerb von Todes wegen erfaßt, ist dies offenkundig unzutreffend. Auch das Tiroler GVG 1966 erfaßte den Erwerb von Todes wegen nicht: Es hatte im § 3 wohl - anscheinend - jeden Eigentumserwerb der Genehmigungspflicht unterworfen (Abs1 lita), zugleich aber den Erwerb von Todes wegen ausgenommen (Abs2 lita). Es ist aber eine bloße Frage der Rechtstechnik, ob nur der Erwerb unter Lebenden erfaßt wird oder jeder Erwerb mit Ausnahme des Erwerbes von Todes wegen. Tatsächlich wurde erst mit der in Prüfung gezogenen Bestimmung der Liegenschaftserwerb von Todes wegen durch Ausländer - erstmals zum Gegenstand einer Regelung über verwaltungsbehördliche Beschränkungen im Rahmen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes gemacht.

Nach dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung im Lichte der Materialien und der Entstehungsgeschichte steht nach Meinung des VfGH somit fest, daß nach Absicht des Gesetzgebers der B-VG-Nov. 1969 nur Rechtserwerbe unter Lebenden dem Tatbestand "Ausländergrundverkehr" zu unterstellen waren.

8.3.1. Die Tiroler Landesregierung meint weiters, daß

"... selbst dann, wenn man den Kompetenztatbestand 'Ausländergrundverkehr' als einen Kompetenztatbestand ansieht, der im Sinne der Versteinerungstheorie nach dem Stand der landesgesetzlichen Vorschriften im Jahre 1969 auszulegen ist, ... der VfGH (übersehe), daß sich auch dieser Kompetenztatbestand systematisch fortentwickeln kann. ... Es sind auch Neuerungen zulässig, sofern sie ihrem Inhalt nach systematisch dem Kompetenzgrund angehören. Im Fall des Ausländergrundverkehrs hat der VfGH in mehreren Erkenntnissen eine solche 'Entwicklung' bereits als unbedenklich angesehen. So hat der VfGH im Erkenntnis VfSlg. Nr. 7703/1975 ausgeführt, daß der Umfang der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 27/1969 bestehenden Regelungen (der Länder im Bereich des Ausländergrundverkehrs) aber nicht ausschließe, daß auf Grund des neu geschaffenen Kompetenztatbestandes Neuregelungen getroffen werden, sofern sie ihrem Inhalt nach systematisch dem Kompetenzgrund angehören und die systematischen Grenzen der von dem Tatbestand umfaßten Materie nicht überschreiten. In diesem Sinne hatte der VfGH - ausgehend von dem im Zeitpunkt der Schaffung der hier in Rede stehenden Kompetenzbestimmung ermittelten Katalog zivilrechtlicher Formen des Grundstücksverkehrs, die einer verwaltungsbehördlichen Genehmigung unterworfen waren - keine Bedenken, daß es sich bei der Erwerbung von Bauwerken im Sinne des § 435 ABGB durch Ausländer um Vorgänge des Grundstücksverkehrs handle, die gemäß Art 10 Abs 1 Z. 6 B-VG (i.d.F. BGBl. Nr. 27/1969) von den Ländern verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwofen werden können. In gleicher Weise kam der VfGH im Erkenntnis VfSlg.Nr. 9576/1982 zum Ergebnis, daß die Bestandgabe eines Grundstückes grundsätzlich unter den Begriff Grundstücksverkehr im Sinne des Art 10 Abs 1 Z. 6 B-VG zu subsumieren sei. Im Erkenntnis vom , B107/84-22, hat der VfGH ausgesprochen, daß die Regelung, wonach die Begründung eines Pfandrechtes an Grundstücken zugunsten von Ausländern der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf, verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Der VfGH hat die Überlegungen, die zu dieser Regelung im Jahre 1974 geführt haben, für systemimmanent gehalten. Es muß also grundsätzlich möglich sein, daß sich die Gesetze, die ausländergrundverkehrsrechtliche Regelungen zum Gegenstand haben, dynamisch fortentwickeln und den Änderungen der Entwicklung in diesem Bereich angepaßt werden können."

8.3.2. Die Tiroler Landesregierung übersieht bei diesen Ausführungen, daß es sich bei den von ihr zitierten Erkenntnissen, mit denen der VfGH das Vorliegen einer systemimmanenten Weiterentwicklung akzeptiert hat, um verwaltungsbehördliche Beschränkungen von Rechtserwerben handelte, die die systematischen Grenzen der vom Zivilrechtswesen durch das BVG BGBl. 27/1969 ausgeklammerten Materie nicht überschritten (vgl. VfSlg. 7703/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur). Für die in Prüfung gezogene Regelung kann Gleiches nicht gesagt werden. Es handelt sich nämlich beim sogenannten "Ausländergrundverkehr" um einen Teilbereich des bis zur Neuregelung gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG dem Bund zugestandenen Kompetenzbereiches des Zivilrechtswesens, der mit dem BVG BGBl. 27/1969 den Ländern zugewiesen wurde; insoweit ist die Frage, was "versteinert" von der Materie "Ausländergrundverkehr" erfaßt und intrasystematisch fortentwickelt werden kann, aufwerfbar und einer Beurteilung zugänglich. Die Grenzen einer intrasystematischen Fortentwicklung des "Ausländergrundverkehrs" sind im Hinblick auf die Verzahnung der damit den Ländern übertragenen Kompetenz und des beim Bund verbleibenden Kompetenztatbestandes Zivilrechtswesen freilich relativ eng. Eine intrasystematische Fortentwicklung, durch die der Rechtserwerb von Todes wegen zusätzlich erfaßt würde, ist aber nicht mehr denkbar, weil die Absicht des Verfassungsgesetzgebers erkennbar darauf gerichtet war, daß Regelungen, die den Rechtserwerb von Todes wegen betreffen, in den Bereich, der vom Zivilrechtswesen aus der Kompetenz des Bundes den Ländern übertragen wurde, nicht einbezogen werden sollten. Der Verfassungsgesetzgeber hätte dann, wenn er verwaltungsbehördliche Beschränkungen für Ausländer beim Rechtserwerb an Liegenschaften von Todes wegen ebenfalls in die Kompetenz der Länder übertragen hätte wollen, dies ausdrücklich sagen müssen.

8.4.1. Die Tiroler Landesregierung tritt schließlich der Ansicht des VfGH entgegen, die in Prüfung gezogene Regelung ließe sich auch nach Art 15 Abs 9 B-VG als Maßnahme zur Hintanhaltung von Umgehungshandlungen nicht rechtfertigen, indem sie meint:

"... Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die Genehmigungspflicht des Rechtserwerbes durch Ausländer auf Grund gesetzlicher Erbfolge primär nicht der Hintanhaltung von Umgehungshandlungen dient. Vielmehr ist davon auszugehen, daß das Interesse von Ausländern, in Tirol Grundbesitz zu erwerben, nach wie vor sehr groß ist. Die Überfremdung durch ausländischen Grundbesitz - mit allen damit verbundenen Nachteilen - droht immer mehr zuzunehmen. Auch dem Rechtserwerb von Todes wegen ist dabei eine immer größere Bedeutung zugekommen. Der Gesetzgeber sah sich daher veranlaßt, die Ausnahmen von der Genehmigungspflicht nach dem Grundverkehrsgesetz zu beschränken. Dies ist aber nicht - wie der VfGH meint - nur auf Umgehungshandlungen abgestellt, sondern auf alle Fälle eines derartigen Rechtserwerbes durch Ausländer. Auch ist zu bemerken, daß der nicht genehmigungspflichtige Rechtserwerb nicht von vornherein einer Umgehung des Grundverkehrsgesetzes dient. Wegen der allgemeinen Entwicklung im Bereich des Ausländergrundverkehrs war es für den Landesgesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes erforderlich, eine entsprechende Einengung der Ausnahme vorzunehmen.

Eine solche Regelung scheint aber durchaus erforderlich im Sinne des Art 15 Abs 9 B-VG zu sein. Auf andere Weise kann nämlich der drohenden Überfremdung des Grundbesitzes in diesem Bereich nicht Einhalt geboten werden."

8.4.2. Mit diesen Ausführungen erkennt die Tiroler Landesregierung selbst, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, daß Umgehungshandlungen hintangehalten werden sollen, da sie auch Rechtserwerbe auf Grund gesetzlicher Erbfolge erfaßt, die mit Umgehungshandlungen gar nichts zu tun haben können. Wenn aber die Tiroler Landesregierung weiters meint, die drohende Überfremdung des Grundbesitzes durch Ausländer rechtfertige an sich, daß der Landesgesetzgeber eine kompetenzrechtlich ihm nicht zugängliche Regelung erlassen hätte dürfen, verkennt sie die Grenzen des Art 15 Abs 9 B-VG. Für eine Erweiterung der durch die B-VG-Nov. 1969 von der Kompetenz des Bundes abgegrenzten Landeskompetenz kommt Art 15 Abs 9 B-VG schon der Sache nach nicht in Frage.

8.5. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, der Frage nachzugehen, ob und inwieweit eine vom Gesetzgeber

zuständigerweise erlassene Regelung, die den Rechtserwerb von Todes wegen erfaßt, mit dem Wesensgehalt des Eigentums vereinbar wäre.

8.6. Die in Prüfung gezogene Regelung war somit als verfassungswidrig aufzuheben. Die Frist für das Außerkrafttreten wurde antragsgemäß festgelegt.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.