VfGH vom 29.09.2017, G243/2016 ua
Leitsatz
Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch die - einen Konkurrenzschutz bewirkende - Regelung des KflG betr einen Ausschließungsgrund für die Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer (grenzüberschreitenden) Kraftfahrlinie; keine unsachliche Differenzierung zwischen Personenbeförderungsleistungen in einen EWR-Staat und in einen Nicht-EWR-Staat
Spruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.Anträge
Mit den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Verwaltungsgericht Wien, "die Bestimmung des § 7 Abs 1 Z 4 litb Kraftfahrliniengesetz, BGBl I Nr 203/1999 i.d.F. BGBl I Nr 58/2015 […], in eventu […] im § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG, BGBl I Nr 203/1999 i.d.F. BGBl I Nr 58/2015, die Wortfolge 'der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich (§14 Abs 1, 2 und 4) die beantragte Linie ganz oder teilweise fällt, ernsthaft zu gefährden geeignet ist;' als verfassungswidrig aufzuheben".
II.Rechtslage
1.§7 und § 14 des Bundesgesetzes über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG), BGBl I 203/1999, idF BGBl I 58/2015, lauten (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Voraussetzungen und Ausschließungsgründe für die Erteilung von Berechtigungen
§7. (1) Die Konzession ist zu erteilen, wenn:
1. der Konzessionswerber oder der nach § 10a vorgesehene Verkehrsleiter zuverlässig und fachlich geeignet ist und der Konzessionswerber überdies die entsprechende finanzielle Leistungsfähigkeit besitzt;
2. der Konzessionswerber als natürliche Person die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und das Unternehmen (§1 Abs 2 Z 2) seinen Sitz im Inland hat. Staatsangehörige und Unternehmen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder einer sonstigen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind österreichischen Konzessionswerbern gleichgestellt;
3. die Art der Linienführung eine zweckmäßige und wirtschaftliche Befriedigung des in Betracht kommenden Verkehrsbedürfnisses gewährleistet und
4. die Erteilung einer Konzession auch sonst öffentlichen Interessen nicht zuwiderläuft. Dieser Ausschließungsgrund liegt insbesondere dann vor, wenn
a) die Kraftfahrlinie auf Straßen geführt werden soll, die sich aus Gründen der Verkehrssicherheit oder wegen ihres Bauzustandes für diesen Verkehr nicht eignen, oder
b) der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich (§14 Abs 1, 2 und 4) die beantragte Linie ganz oder teilweise fällt, ernsthaft zu gefährden geeignet ist; dies gilt nicht im Falle der Gefährdung eines Kraftfahrlinienverkehrs, der im Wesentlichen touristischen Zwecken dient, und die Entscheidung über dessen Gefährdung alleine aufgrund der Angaben des konkurrenzierten Verkehrsunternehmens wegen der geminderten Rentabilität dieses Kraftfahrlinienverkehrs erfolgen würde, oder
c) der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben nicht-kommerzieller Verkehrsdienste (§3 Abs 3 ÖPNRV-G 1999), in deren Verkehrsbereich (§14 Abs 1, 3 und 5) er ganz oder teilweise fällt, ernsthaft beeinträchtigen würde, oder
d) bereits ein Vergabeverfahren nach den anwendbaren Bestimmungen des Vergaberechts oder der Verordnung (EG) Nr 1370/2007 zur Vergabe eines nicht-kommerziellen Kraftfahrlinienverkehrs (§23 Abs 3) eingeleitet wurde, der sich ganz oder zum Teil auf die im Wesentlichen gleichen Verkehrsleistungen wie der beantragte Kraftfahrlinienverkehr bezieht, oder
e) der beantragte Kraftfahrlinienverkehr einer dem öffentlichen Bedürfnis mehr entsprechenden Ausgestaltung des Verkehrs durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich (§14 Abs 6) die beantragte Linie ganz oder teilweise fällt, vorgriffe, und eines von diesen die notwendige Verbesserung der Verkehrsbedienung innerhalb einer von der Aufsichtsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist von höchstens sechs Monaten vornimmt.
(2) Die Aufsichtsbehörde hat zur Feststellung des Vorliegens des Ausschließungsgrundes gemäß Abs 1 Z 4 litc alle relevanten Informationen bei den gemäß Art 2 litb der Verordnung (EG) Nr 1370/2007 zuständigen Behörden oder nach dem auch bei den gemäß § 30a ÖPNRV-G 1999 benannten Stellen einzuholen.
(3) Für den Fall der Erteilung einer Genehmigung nach § 1 Abs 3 haben die Voraussetzungen des Abs 1 Z 1 und 2 vorzuliegen, und darf der Ausschließungsgrund des Abs 1 Z 4 lita nicht gegeben sein.
[…]
Verkehrsbereich
§14. (1) Der Verkehrsbereich erstreckt sich so weit, wie sich eine beantragte Kraftfahrlinie auf einen bereits konzessionierten öffentlichen Verkehr ernsthaft gefährdend auswirken (§7 Abs 1 Z 4 litb) oder diesen ernsthaft beinträchtigen (§7 Abs 1 Z 4 litc) kann.
(2) Eine ernsthafte Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben liegt dann vor, wenn ein Verkehrsunternehmen bei der Führung seines öffentlichen Verkehrs hinsichtlich der gefährdeten Linie einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleiden würde.
(3) Eine ernsthafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben liegt dann vor, wenn bei der Führung eines nicht-kommerziellen öffentlichen Verkehrs (§3 Abs 3 ÖPNRV-G 1999) hinsichtlich der beeinträchtigen Linie die wirtschaftliche Betriebsführung nur durch zusätzliche Ausgleichszahlungen aus öffentlichen Mitteln gesichert wäre.
(4) Behauptet ein Verkehrsunternehmen, durch die Erteilung einer neuen oder einer hinsichtlich der Streckenführung abzuändernden Konzession eine ernsthafte Gefährdung im Sinne des Abs 2, so hat es der Aufsichtsbehörde jene zum Teil nur ihm bekannten Daten zu liefern, anhand derer diese beurteilen kann, wie sich der Einnahmenausfall auf die wirtschaftliche Betriebsführung seiner Linie auswirken wird. Sofern dies für die Beurteilung erforderlich ist, hat das Unternehmen auch eine entsprechende betriebswirtschaftliche Kalkulation vorzulegen, aus der das Einnahmenerfordernis für eine wirtschaftliche Betriebsführung hervorgeht.
(5) Ist durch die Erteilung einer neuen oder einer hinsichtlich der Streckenführung abzuändernden Konzession eine ernsthafte Beeinträchtigung im Sinne des Abs 3 zu erwarten, so hat auch das Verkehrsunternehmen der Aufsichtsbehörde jene zum Teil nur ihm bekannten Daten zu liefern, anhand derer diese beurteilen kann, wie sich der Einnahmenausfall auf die wirtschaftliche Betriebsführung dieser Linie auswirken wird. Sofern dies für die Beurteilung erforderlich ist, hat das Unternehmen auch eine entsprechende betriebswirtschaftliche Kalkulation vorzulegen, aus der das Einnahmenerfordernis sowie das Erfordernis zusätzlicher Ausgleichszahlungen aus öffentlichen Mitteln für eine wirtschaftliche Betriebsführung hervorgeht.
(6) Unter Verkehrsbereich nach § 7 Abs 1 Z 4 lite ist der Bereich zu verstehen, innerhalb dessen die bereits bestehende Kraftfahrlinie das Verkehrsbedürfnis befriedigt."
2.Die Erläuterungen zur Stammfassung des Kraftfahrliniengesetzes (IA 1118/A 20. GP, 48 ff.) führen Folgendes aus:
"A. Allgemeiner Teil
Das Kraftfahrlinienrecht ist Teil des Verkehrsaufsichtsrechtes. Im Gegensatz zur Lenkung schafft die fachbehördliche Wirtschaftsaufsicht Rahmenbedingungen und kontrolliert deren Einhaltung, sie überläßt aber die betriebswirtschaftliche Initiative grundsätzlich der beaufsichtigten Unternehmensleitung. Ihr Ziel ist die Funktionssicherung aus gesamtwirtschaftlichen Gründen. Die Gesetzgebung hat die dem öffentlichen Verkehr dienenden Verkehrsunternehmen stets als eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse, insbesondere der Daseinsvorsorge, betrachtet, und der Staatsverwaltung für deren zufriedenstellendes Funktionieren besondere Verantwortung zugewiesen. So ist als Ziel des Kraftfahrlinienrechtes nicht die maximale sondern die optimale Versorgung der Bevölkerung mit Kraftfahrlinien zu bezeichnen.
Das Kraftfahrliniengesetz 1952 wurde [–] von EU - und EWR - Anpassungen abgesehen – kaum novelliert. Durch die rasante Entwicklung des Kraftfahrlinienverkehrs seit der Erlassung des Kraftfahrliniengesetzes 1952 (so wurden im Jahre 1997 von 2.445 Kraftfahrlinien rund 554 Millionen Fahrgäste bei einer Fahrleistung von 229 Millionen Kilometern befördert), die Schaffung von Verkehrsverbünden und nicht zuletzt die technische Entwicklung der Omnibusse war es erforderlich, den gesamten Aufbau des Gesetzes neu zu konzipieren.
Bewährte Bestimmungen des Kraftfahrliniengesetzes 1952 wurden überarbeitet, ein Großteil der Normen der 1. Durchführungsverordnung zum Kraftfahrliniengesetz 1952 (die fast ausschließlich Normen beinhaltete, die über den Regelungsinhalt einer Verordnung hinausgingen) aus Systemgründen in das Gesetz eingearbeitet und überdies, der Entwicklung auf dem Sektor des Kraftfahrlinienverkehrs entsprechend, neue Bestimmungen in das Kraftfahrliniengesetz aufgenommen.
Das Kraftfahrlinienrecht ist im Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG (Angelegenheiten des Gewerbes) versteinert, da unter diesem Kompetenztatbestand alle Vorschriften fallen, die nach dem Stand der Systematik der einfachrechtlichen Gesetzgebung am als gewerberechtliche Vorschriften anzusehen sind (siehe dazu VfSlg 2670/1954 und 2918/1955). Dies jedoch, ohne den Personenbeförderungsgewerben gemäß GewO 1994 anzugehören, da diese gemäß § 2 Abs 1 Z 15 auf den Betrieb von Kraftfahrlinien nicht anzuwenden ist.
[…]
B. Besonderer Teil
[…]
Zu § 7:
Die subjektiven Konzessionsvoraussetzungen der Zuverlässigkeit, fachlichen Eignung und finanziellen Leistungsfähigkeit sah schon § 4 Abs 1 Z 1 des KflG 1952 vor. Die Bestimmungen wurden entsprechend der Vorschrift des Art 3 Abs 1 der Richtlinie 96/26/EG auf Genehmigungen erweitert.
Unter Zuverlässigkeit ist eine entsprechende ethische Einstellung des Berechtigungswerbers zu verstehen, die es rechtfertigt, ihm die Konzession zum Betrieb einer Kraftfahrlinie zu erteilen. Die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Berechtigungswerbers bedarf daher einer ausreichenden Befassung mit der Persönlichkeit des Überprüften.
Kraftfahrlinienunternehmen aus der Europäischen Union oder aus dem Europäischen Wirtschaftsraum sind gemäß Z 2 den österreichischen gleichgestellt, sofern sie auch einen Sitz oder wenigstens eine ständige geschäftliche Niederlassung in Österreich haben.
Zur Gewährleistung einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Befriedigung des für eine Linie in Betracht kommenden Verkehrsbedürfnisses nach Abs 1 Z 3 darf keine Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben im Sinne Z 4 litb in Kauf genommen werden.
Ein Kraftfahrlinienunternehmer ist zur Duldung der Konkurrenzierung seines Betriebes durch andere Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs verpflichtet. Er kann sich daher der Neuerteilung oder Erweiterung einer Kraftfahrlinienkonzession nicht erfolgreich mit dem Argument zur Wehr setzen, daß aufgrund der angestrebten neuen oder erweiterten Konzession dieselbe Strecke befahren werden soll, auf deren linienmäßige Befahrung ihm ein Recht bereits zuerkannt worden ist; dies selbst dann nicht, wenn einzelne Kurse einander zeitlich konkurrenzieren.
Werden jedoch von konkurrenzierten Verkehrsunternehmen (Eisenbahn – und Kraftfahrlinienunternehmen) entscheidungsrelevante Einwendungen (vgl. Erläuterungen zu § 14 Abs 3) erhoben, führt dies zur Abweisung des Ansuchens, sofern die Gefährdung nicht durch die Vorschreibung von Auflagen (§16) zum Schutz der Erfüllung der Verkehrsaufgaben der konkurrenzierten Verkehrsunternehmen verhindert oder minimiert werden kann.
Der Ausschließungsgrund des Abs 1 Z 4 litc liegt erst dann vor, wenn das Ermittlungsverfahren ergeben hat, daß der beantragte Kraftfahrlinienverkehr einer dem öffentlichen Interesse mehr entsprechenden Ausgestaltung durch einen der betroffenen Verkehrsunternehmer, dem eine Konzession bereits rechtskräftig erteilt wurde, vorgriffe und einer dieser Verkehrsunternehmer innerhalb angemessener Frist die von der Behörde als Verbesserung notwendigen Umfanges beurteilte Änderung der Verkehrsbedienung vorgenommen hat. Zur Abwehr dieses Ausschließungsgrundes kommt die Vorschreibung von Auflagen nicht in Betracht.
Unter einer 'notwendigen Verbesserung der Verkehrsbedienung' ist nur die zusätzliche Bedienung einer bereits konzessionierten Kraftfahrlinie (etwa durch Ausgestaltung des Fahrplanes) nicht aber die Erteilung einer neuen Konzession zu verstehen.
Ist zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides eine Verbesserung der Verkehrsbedienung durch einen anderen Verkehrsunternehmer – wenn auch ohne Aufforderung durch die Behörde – bereits vorgenommen worden und entspricht diese Ausgestaltung des Verkehrs dem öffentlichen Bedürfnis in gleicher Weise wie die Ausgestaltung des Verkehrs in der vom Konzessionswerber geplanten Art, so steht der Erteilung der Konzession der Ausschließungsgrund des Abs 1 Z 4 litc entgegen.
Im Verfahren zur Verleihung einer Kraftfahrlinienkonzession kommt jenen Kraftfahrlinienunternehmen, in deren Verkehrsbereich die neue Kraftfahrlinie nur teilweise fällt, ein Mitspracherecht nur hinsichtlich der ihren Verkehrsbereich erfassenden Teilstrecke zu.
Für Genehmigungen gelten anstelle der gemäß Abs 2 nicht anzuwendenden Voraussetzungen und Ausschließungsgründe des Abs 1 jene des Art 7 der Verordnung 684/92.
Zu § 14:
Die Textierung der Absätze 1 bis 3 entspricht der langjährigen und auch in Rechtssatzform normierten Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere Erkenntnis vom , Z 1220/65; vom , Z 1308/65; vom , Z 84/03/0183 (Slg. 11.627/A); vom , Z 86/03/0012; vom , Zn. 86/03/0150, 0151, 0152; vom , Zn. 86/03/0045, 0046, sowie vom , Z 87/03/0191).
Der Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner diesbezüglichen Rechtsprechung immer wieder klar, daß ein konkurrenziertes Unternehmen des öffentlichen Verkehrs einen Rechtsanspruch darauf hat, durch die Neuverleihung oder Erweiterung einer Konzession in der Führung seiner bestehenden Linie nicht einschneidend beeinträchtigt zu werden,
- so daß es hiedurch einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleidet (u.a. Erkenntnis vom , Z 1220/65), und
- es diese Gefährdung durch relevante Fahrgast- und Einnahmedaten zu belegen hat (u.a. Erkenntnis vom , Z 86/03/0150,0151,0152) und
- diese Gefährdung in dem vom Verwaltungsgerichtshof immer wieder definierten Verkehrsbereich einer Linie Platz greift (u.a. Erkenntnis vom , Z 86/03/0012).
Die Textierung des Absatzes 4 entspricht ebenfalls der langjährigen und auch in Rechtssatzform normierten Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere Erkenntnis vom , Z 2683/55)."
3.Art2 des Abkommes zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße, BGBl 223/1961, lautet:
"Artikel 2
1.Der Betrieb einer Kraftfahrlinie zwischen den Vertragsstaaten bedarf einer Konzession (Sondergenehmigung). Diese Konzession wird von den zuständigen Behörden nach den nationalen Vorschriften für die auf ihrem Staatsgebiet liegenden Streckenteile erteilt, wenn zwischen den beiden Behörden Einverständnis über die Errichtung einer solchen Kraftfahrlinie besteht.
2.Hiebei ist der Grundsatz der Gegenseitigkeit unter Berücksichtigung des gesamten Kraftfahrlinienverkehrs zwischen den beiden Vertragsstaaten zu wahren."
III.Antragsvorbringen und Vorverfahren
1.G 243/2016
1.1.Beim Verwaltungsgericht Wien sind zwei (zu einem Verfahren verbundene) Beschwerden der beschwerdeführenden Gesellschaft vor dem Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: "beschwerdeführende Gesellschaft") anhängig, wobei sich die erste gegen einen Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom , mit welchem einer näher bezeichneten Gesellschaft österreichischen Rechts (im Folgenden: "Gesellschaft österreichischen Rechts") die Konzession für den Betrieb der österreichischen Teilstrecke der internationalen Kraftfahrlinie Arandjelovac-Ub-Belgrad-Wien (bis ) erteilt wurde, und sich die zweite gegen einen Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom , mit welchem einer näher bezeichneten Gesellschaft serbischen Rechts (im Folgenden: "Gesellschaft serbischen Rechts") die Konzession für den Betrieb der österreichischen Teilstrecke der internationalen Kraftfahrlinie Arandjelovac-Ub-Belgrad-Wien (bis ) erteilt wurde, richtet. Bei den konzessionswerbenden Gesellschaften handle es sich um den Partner und den Reziprokpartner iSd Art 2 Abs 2 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße, BGBl 223/1961, idF BGBl 205/1967, im Hinblick auf die beantragte Kraftfahrlinienführung. Die Anträge beider konzessionswerbender Gesellschaften wie auch die beiden Konzessionen bezögen sich auf dieselbe Kraftfahrlinie iSd Kraftfahrliniengesetzes.
Mit rechtskräftigem Konzessionsbescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom sei der Gesellschaft serbischen Rechts eine Konzession für den Betrieb der österreichischen Teilstrecke der beantragten Kraftfahrlinie für die Strecke Ub (Serbien)-Wien befristet bis zum erteilt worden. Der mitgenehmigte Fahrplan habe keinen Halt in Belgrad vorgesehen.
Mit rechtskräftigem Konzessionsbescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom sei der Gesellschaft serbischen Rechts (in Änderung des zuletzt genannten Konzessionsbescheides) befristet bis zum , mit rechtskräftigem Konzessionsbescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom befristet bis zum und mit rechtskräftigem Konzessionsbescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom befristet bis zum , jeweils die Konzession für den Betrieb der österreichischen Teilstrecke der beantragten Kraftfahrlinie für die Strecke Arandjelovac (Serbien)-Ub (Serbien)-Wien erteilt worden. Der jeweils mitgenehmigte Fahrplan habe keinen Halt in Belgrad vorgesehen.
Die beschwerdeführende Gesellschaft sei im Hinblick auf die der Gesellschaft serbischen Rechts mit Konzessionsbescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom erteilte Kraftfahrlinienkonzession für die Strecke Arandjelovac (Serbien)-Ub (Serbien)-Wien der österreichische Reziprokpartner der Gesellschaft serbischen Rechts gewesen. Der beschwerdeführenden Gesellschaft sei (zudem) mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom eine bis befristete Konzession für diese Strecke erteilt worden.
In Folge der Auflösung der zwischen der beschwerdeführenden Gesellschaft und der Gesellschaft serbischen Rechts geschlossenen Betriebsvereinbarung im Hinblick auf die Führung der Kraftfahrlinie habe die Gesellschaft österreichischen Rechts am einen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie gerichteten Antrag auf Erteilung einer Konzession für die internationale Kraftfahrlinie Wien-Belgrad-Ub-Arandjelovac (und retour) gestellt, wobei sie die Gesellschaft serbischen Rechts als Reziprokpartner angegeben habe.
Der von der Gesellschaft serbischen Rechts an das serbische Infrastrukturministerium gerichtete und von diesem mit Schreiben vom an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie weitergeleitete Antrag auf Erteilung der Konzession für die Kraftfahrlinie Wien-Belgrad-Ub Arandjelovac (und retour) sei als Antragstellung in der Eigenschaft als Reziprokpartner (der Gesellschaft österreichischen Rechts) auf Genehmigung der genannten Kraftfahrlinie beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gewertet worden.
Mit zwei Bescheiden jeweils vom erteilte der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie – nach Durchführung eines Verfahrens, in welchem die beschwerdeführende Gesellschaft im Wesentlichen den Einwand der Gefährdung der Erfüllung der ihr und ihrem nunmehrigen Reziprokpartner obliegenden Verkehrsaufgaben vorbrachte – der Gesellschaft österreichischen Rechts und der Gesellschaft serbischen Rechts unter Vorschreibung mehrerer Auflagen jeweils die Konzession zum Betrieb der österreichischen Teilstrecke der internationalen Kraftfahrlinie Wien-Belgrad-Ub-Arandjelovac auf die Dauer von fünf Jahren. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie begründete diese Entscheidungen, es handle sich bei der Kraftfahrlinie – bei Zugrundelegung der Tourismusdefinition der Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen – um eine im Wesentlichen touristischen Zielen dienende Linie. Auf eine solche Linie sei gemäß dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , C-338/09, der Konkurrenzschutz nicht anzuwenden, wenn nicht sichergestellt werden könne, dass die entsprechende Entscheidung nicht alleine auf Grund der Angaben des bestehenden Unternehmens und nicht nur wegen der geminderten Rentabilität des bestehenden Unternehmens erfolge. Das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes sei sohin zu verneinen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/03/0109 und 2012/03/0111, seien die beiden Bescheide des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben worden, die Ausführungen im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , C-338/09, seien auf Kraftfahrlinien in Drittländer nicht anzuwenden und die Behörde habe keine Feststellungen getroffen, aus welchen abgeleitet hätte werden können, warum Unionsrecht unmittelbar zur Anwendung gelange.
In weiterer Folge seien die im vorliegenden Fall vor dem Verwaltungsgericht Wien angefochtenen Bescheide erlassen worden.
1.2.Das Verwaltungsgericht Wien begründet die Präjudizialität der angefochtenen Rechtsvorschrift mit deren uneingeschränkter Anwendbarkeit in den beiden beim Verwaltungsgericht Wien anhängigen Genehmigungsverfahren. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe zudem zur Begründung der Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien ausschließlich den Konzessionserteilungsausschließungsgrund des § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG vorgebracht. Trotz der Präjudizialität nur des ersten Halbsatz des § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG werde mit dem Hauptantrag die Aufhebung der gesamten litb des § 7 Abs 1 Z 4 KFlG beantragt, zumal das Verbleiben des zweiten Halbsatzes im Rechtsbestand einen sinnlosen Gesetzestext bewirkte. Sofern der Verfassungsgerichtshof dieser Sichtweise nicht folge, werde in eventu nur die Aufhebung des ersten Halbsatzes dieser Bestimmung beantragt.
In der Sache erachtet das Verwaltungsgericht Wien Art 6 StGG durch die angefochtene Rechtsvorschrift im Wesentlichen dadurch verletzt, dass diese für – nicht in den Verkehrsbereich eines nichtkommerziellen Verkehrsdienstes fallende – Kraftfahrlinien eine Konkurrenzschutzklausel zugunsten des Verkehrsunternehmens vorsehe, welches bereits eine Kraftfahrlinie im Verkehrsbereich einer beantragten Kraftfahrlinie ganz oder teilweise betreibe. Von einer ernsthaften Gefährdung im Sinne der angefochtenen Rechtsvorschrift sei bereits dann auszugehen, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass die bestehende Kraftfahrlinie dauerhaft gewinnbringend geführt werden könne. Dies verhindere das Anbieten einer neuen Kraftfahrlinie zu günstigeren Konditionen und schütze die bestehende allenfalls unwirtschaftlich geführte und schlechte Konditionen bietende Kraftfahrlinie. Die Rechtsvorschrift werde zwar durch den letzten Halbsatz im Hinblick auf touristischen Zwecken dienende Kraftfahrlinien entschärft, in den zugrunde liegenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien handle es sich jedoch nicht um eine solche Kraftfahrlinie. Die angefochtene Rechtsvorschrift bewirke daher eine Verhinderung des Erwerbsausübungsantritts und stelle sohin den weitestgehend möglichen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Erwerbsausübungsfreiheit dar, hinsichtlich dessen gemäß der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 11.558/1987, 11.853/1988, 12.379/1990, 12.481/1990, 14.259/1995, 15.509/1999) ein vergleichsweise geringer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum bestehe. Die angefochtene Rechtsvorschrift habe daher deutlich schwerer wiegende Auswirkungen als eine gesetzliche Regelung, welche die Anzahl der Erwerbsausübungsgenehmigungen von einem Bedarf abhängig mache, weil im Falle des Vorliegens des Ausschlussgrundes des § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG ein Konzessionsantrag auch dann zwingend abzuweisen sei, wenn an der beantragten Kraftfahrliniendienstleistung nachweislich ein eminent hoher Bedarf gegeben sei. Im Unterschied zur Rechtsvorschrift des § 7 Abs 1 Z 4 litc KflG, welche unter dem Blickwinkel der Geringhaltung von Subventionsleistungen zur Aufrechterhaltung eines zu häufigen Intervallen verkehrenden und eine flächendeckende Versorgung sicherstellenden öffentlichen Verkehrs unter Umständen sachlich gerechtfertigt werden könne, treffe dies auf die angefochtene Rechtsvorschrift, welche sich auf ohnedies am freien Markt angebotene Leistungen beziehe, nicht zu bzw. werde dieses öffentliche Interesse durch die aus der angefochtenen Rechtsvorschrift resultierende Monopolstellung des konzessionsinnehabenden Unternehmens konterkariert. Die Aufsichtsbehörde könne zudem nicht feststellen, ob die vom konzessionierten Unternehmen gemeldeten Fahrpreiserlöse den Tatsachen entsprächen oder nicht. Die angefochtene Rechtsvorschrift fördere darüber hinaus unlautere Marktabsprachen eines kleinen Kartells großer Beförderungsdienstleister unter Ausschaltung der Regeln der Marktwirtschaft. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien könne selbst im Falle der Bejahung eines öffentlichen Interesses der Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit weniger einschneidend, beispielsweise durch zusätzliche Kontroll- und Sanktionsrechte der Aufsichtsbehörde, verfolgt werden.
Das Verwaltungsgericht Wien könne in Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art 2 StGG und Art 7 B-VG zudem keinen sachlichen Rechtfertigungsgrund erkennen, einen Personenbeförderungsdienstleistungen erbringenden Unternehmer – im Vergleich zu den sonstigen Unternehmern – in Unterbindung der Regeln der Marktwirtschaft an der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit trotz Erfüllung aller persönlicher Befähigungsvoraussetzungen zu hindern. Da die angefochtene Rechtsvorschrift gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht (in Form der die Garantien der unionsrechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit konkretisierenden VO (EG) 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, welche insbesondere regle, unter welchen Voraussetzungen eine beantragte Konzession für eine grenzüberschreitende Personenkraftlinie zu bewilligen sei) verstoße und daher im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Zielen in ein EWR-Land keine Anwendung finden dürfe, differenziere das Kraftfahrliniengesetz darüber hinaus in unsachlicher Weise im Hinblick auf Personenbeförderungsleistungen in ein EWR-Land und Personenbeförderungsleistungen in ein Nicht-EWR-Land.
Die angefochtene Rechtsvorschrift verletze nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien auch die Garantien des Art 15 Abs 2 und Art 16 GRC, welche nach der verfassungsgerichtlichen Judikatur auch bei der Prüfung nationaler Gesetze ohne Unionsrechtsbezug ein Prüfungsmaßstab seien. Unionsbürger könnten sich im Rahmen eines Gesetzesprüfungsantrags an den Verfassungsgerichtshof nicht nur im Falle der erfolgten Inanspruchnahme der unionsrechtlichen Grundfreiheiten oder im Falle eines Binnengrenzen überschreitenden Sachverhalts auf die im Art 15 Abs 2 GRC angesprochenen, aus den Grundrechten der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit abgeleiteten Berechtigungen berufen. Durch Art 15 Abs 2 GRC werde daher für Unionsbürger jedenfalls die Zulässigkeit einer Inländerdiskriminierung ausgeschlossen. Zudem verstoße die angefochtene Rechtsvorschrift bei Zugrundelegung der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union auch gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit, gegen das Diskriminierungsverbot des Art 19 AEUV und sohin zumindest auch mittelbar gegen das unionsrechtliche Wettbewerbsrecht. Selbst für den Fall des Vorliegens eines öffentlichen Interesses läge ein Verstoß gegen Art 16 GRC vor, zumal nicht ersichtlich sei, dass dieses öffentliche Interesse iSd Art 52 GRC für die mit diesem öffentlichen Interesse verfolgte Zielerreichung geeignet, erforderlich oder angemessen sei. Die gesetzliche Begünstigung in Form der angefochtenen Rechtsvorschrift sei darüber hinaus als eine unzulässige Beihilfe iSd Art 107 ff. AEUV einzustufen, zumal keine diese Begünstigung rechtfertigenden Gründe ersichtlich seien. Damit falle die durch die angefochtene Rechtsvorschrift bewirkte Privilegierung in den Anwendungsbereich des AEUV. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die konzessionswerbenden Gesellschaften grenzüberschreitende Beförderungsleistungen in einen Nicht-EWR-Staat erbrächten. Zudem beschränke Art 16 GRC im Gegensatz zu Art 15 Abs 2 GRC den Begünstigtenkreis nicht auf Unionsbürger, weshalb sich alle Personen, welche auf Grund einer unzulässigen Beihilfe benachteiligt würden, auf Art 16 GRC berufen könnten.
Das Verwaltungsgericht Wien hege zudem Bedenken in Hinblick auf Art 9 B-VG bzw. Art 3 B-VG. Als ein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts sei das Territorialitätsprinzip einzustufen, welches u.a. gebiete, dass ein Staat nicht innerstaatliche hoheitliche Angelegenheiten eines anderen Staates regeln dürfe. Durch das Kraftfahrliniengesetz werde im Falle einer Beantragung einer grenzüberschreitenden Kraftfahrlinie nur der österreichische Teil der beantragten Kraftfahrlinie genehmigt. Der Verfahrensgegenstand des Genehmigungsverfahrens sei daher nur der innerstaatliche Streckenabschnitt. Durch die ständige Verwaltungspraxis werde die Bestimmung des § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG dahingehend ausgelegt, dass der in dieser Bestimmung angesprochene Begriff "Verkehrsbereich (§14 Abs 1, 2 und 4)" im Falle der Beantragung einer grenzüberschreitenden Kraftfahrlinie nicht bloß den innerstaatlichen Streckenabschnitt, sondern auch alle in anderen Staaten liegenden Streckenabschnitte der beantragten Kraftfahrlinie erfasse. Folglich werde geprüft, ob die beantragte Kraftfahrlinie auch im Hinblick auf eine Streckenführung in einem anderen Staat mit einer anderen Kraftfahrlinie in einem wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis iSd § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG stehe. Im Falle der Bejahung eines solchen Konkurrenzverhältnisses im Hinblick auf einen ausländischen Streckenabschnitt sei die Konzession gemäß § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG zu versagen. Kein Verkehrsabkommen mit Serbien räume den österreichischen Behörden – wie im vorliegenden Fall geschehen – das Recht ein, die den serbischen Behörden zufallende Kompetenz der Bestimmung der Haltestellen auf serbischen Gebiet anstelle der serbischen Behörden wahrzunehmen. Für die Genehmigung ausländischer Haltestellen sei sohin ausschließlich die Behörde jenes Staats zuständig, in welchem diese Haltestelle liege.
Da auf Grund des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße, BGBl 223/1961, idF BGBl 205/1967, die Gesellschaft österreichischen Rechts nur dann zur Führung der von ihr beantragten und ihr auch genehmigten Kraftfahrlinie befugt sei, wenn auch ihrem Reziprokpartner die erforderlichen Konzessionen zum Betrieb der beantragten Kraftfahrlinie erteilt worden seien, stünden die beiden vor dem Verwaltungsgericht Wien anhängigen Konzessionsverfahren in einem untrennbaren Sach- und Rechtskonnex zueinander. Aus diesem Grund werde der Gesetzesprüfungsantrag im Hinblick auf beide Verfahren eingebracht, damit in beiden Verfahren die Anlassfallwirkung im Falle der Aufhebung der angefochtenen Rechtsvorschrift zum Tragen komme.
1.3.Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Eventualantrages bestreitet und den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne die Hervorhebungen im Original):
"I.
Zur Rechtslage und zu den Prozessvoraussetzungen
1. Allgemeines zum Kraftfahrliniengesetz
Das Kraftfahrlinienrecht ist Teil des Verkehrsaufsichtsrechtes. Es schafft die Rahmenbedingungen für eine fachbehördliche Wirtschaftsaufsicht, überlässt aber die betriebswirtschaftliche Initiative der beaufsichtigten Unternehmensleitung. Dabei stellt (nicht die maximale, sondern vielmehr) die optimale Versorgung der Bevölkerung mit Kraftfahrlinien ein wesentliches Ziel des Kraftfahrlinienrechts dar (vgl. IA 1118/A XX. GP, 48).
Laut § 1 des Kraftfahrliniengesetzes (KfIG) gilt die regelmäßige Beförderung von Fahrgästen auf einer bestimmten Verkehrsverbindung – wobei Fahrgäste an vorher festgelegten Haltestellen aufgenommen oder abgesetzt werden können – als Linienverkehr. Ungeachtet einer etwaigen Buchungspflicht ist der Linienverkehr für jedermann zugänglich. Zentrale Kriterien des Kraftfahrlinienverkehrs sind damit die Regelmäßigkeit, die Entgeltlichkeit und die Öffentlichkeit (des Verkehrs).
Zur Erlangung der Berechtigung der Führung einer Kraftfahrlinie bedarf es einer Konzession gemäß Kraftfahrliniengesetz bzw. einer Genehmigung nach Unionsrecht (vgl. hierzu die Verordnung (EG) Nr 1073/2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr 561/2006 — sog. Marktzugangsverordnung). Aus der jeweiligen Bezeichnung der Berechtigung ist ersichtlich, ob sie als Genehmigung für den grenzüberschreitenden Kraftfahrlinienverkehr mit Mitgliedstaaten der EU und des EWR oder als Konzession für den innerstaatlichen oder internationalen Kraftfahrlinienverkehr mit Drittstaaten (wie im Ausgangsfall des gegenständlichen Verfahrens) erteilt wurde. Während Konzessionen ausschließlich gemäß KflG erteilt werden, gilt im Verfahren für die Erteilung von Genehmigungen die Marktzugangsverordnung (EG) Nr 1073/2009.
Zuständig für die Berechtigungserteilung [ist] im Fall von nationalen Kraftfahrlinien der jeweilige[…] Landeshauptmann, im Fall von grenzüberschreitenden Kraftfahrlinien der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.
2. Voraussetzungen zur Erteilung einer Kraftfahrlinienkonzession
Die Erteilung der Berechtigung zur Führung einer Kraftfahrlinie ist abhängig von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen. Im Fall einer Konzession ergeben sich diese im Wesentlichen aus § 7 KflG: Demgemäß wird neben der Erfüllung sog. (subjektiver) Berufszugangsvoraussetzungen (fachliche Eignung, finanzielle Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und dauerhafte Niederlassung) in § 7 Abs 1 Z 4 litb ein eng definierter objektiver Ausschließungsgrund vorgesehen.
Gegen diesen letztgenannten Ausschließungsgrund richten sich die (verfassungsrechtlichen) Bedenken des Verwaltungsgerichts Wien. Mit seinem auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Gericht aus Anlass bei ihm anhängiger Beschwerden die Aufhebung des § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG, in eventu die Aufhebung der Wortfolge 'der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich (§14 Abs 1, 2 und 4) die beantragte Linie ganz oder teilweise fällt, ernsthaft zu gefährden geeignet ist' in § 7 Abs 1 Z 4 litb leg.cit..
Der Wortlaut des § 7 Abs 1 Z 4 litb des Kraftfahrliniengesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr 58/2015 lautet wie folgt:
[…]
In den Erläuterungen zur Stammfassung, BGBl I Nr 203/1999 heißt es hierzu (vgl. IA 1118/A XX. GP, 56):
'Zur Gewährleistung einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Befriedigung des für eine Linie in Betracht kommenden Verkehrsbedürfnisses nach Abs 1 Z 3 darf keine Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben im Sinne Z 4 litb in Kauf genommen werden. Ein Kraftfahrlinienunternehmer ist zur Duldung der Konkurrenzierung seines Betriebes durch andere Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs verpflichtet. Er kann sich daher der Neuerteilung oder Erweiterung einer Kraftfahrlinienkonzession nicht erfolgreich mit dem Argument zur Wehr setzen, daß aufgrund der angestrebten neuen oder erweiterten Konzession dieselbe Strecke befahren werden soll, auf deren linienmäßige Befahrung ihm ein Recht bereits zuerkannt worden ist; dies selbst dann nicht, wenn einzelne Kurse einander zeitlich konkurrenzieren.
Werden jedoch von konkurrenzierten Verkehrsunternehmen (Eisenbahn- und Kraftfahrlinienunternehmen) entscheidungsrelevante Einwendungen (vgl. Erläuterungen zu § 14 Abs 3) erhoben, führt dies zur Abweisung des Ansuchens, sofern die Gefährdung nicht durch die Vorschreibung von Auflagen (§16) zum Schutz der Erfüllung der Verkehrsaufgaben der konkurrenzierten Verkehrsunternehmen verhindert oder minimiert werden kann.'
Mit dem BGBl I Nr 32/2013 wurde in § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG ein zweiter Satzteil vorgesehen, wonach der 'Ausschließgrund' nicht zur Anwendung kommen soll, wenn die betreffende Kraftfahrlinie im Wesentlichen touristischen Zwecken dient. In den Erläuterungen hierzu wurde folgendes festgehalten (vgl. dazu ErIRV 1986 BIgNR XXIV. GP, 14):
'In der Rechtssache C-338/09 hat der EuGH in dem am ergangenen Urteil betreffend den in § 7 Abs 1 Z 4 litb Kraftfahrliniengesetz normierten Konkurrenzschutz wie folgt erkannt:
'2. Art 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die vorsehen, dass die Bewilligung zum Betrieb einer Kraftfahrlinie zu touristischen Zwecken allein auf der Grundlage der Angaben eines Konkurrenzunternehmens, das Inhaber einer Bewilligung für den Betrieb einer mit der beantragten ganz oder teilweise identischen Linie ist, wegen der geminderten Rentabilität dieses Unternehmens versagt wird.'
Unter Berücksichtigung dieses Urteils und insbesondere der Randziffern 44, 51, 53 und 54 ist daher die litb in der bisherigen Fassung nicht mehr anzuwenden, wenn in einem Konzessionsverfahren der Konkurrenzschutz für eine Linie gefordert wird, die im Wesentlichen touristischen Zwecken dient und nicht sichergestellt werden kann, dass die entsprechende Entscheidung nicht alleine auf Grund der Angaben des bestehenden (konkurrenzierten) Unternehmens wegen der geminderten Rentabilität (wirtschaftliche Betriebsführung) dieser Linie erfolgt.
Mangels Legaldefinitionen für 'im Wesentlichen touristischen Zwecken dienende Linien' (Randziffer 44) wird nach Rücksprache mit dem BMWFJ zur Orientierung folgende Definition der Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) herangezogen: 'Touristen sind Personen, die zu Orten außerhalb ihres gewöhnlichen Umfeldes reisen und sich dort für nicht mehr als ein Jahr aufhalten aus Freizeit- oder geschäftlichen Motiven, die nicht mit der Ausübung einer bezahlten Aktivität am besuchten Ort verbunden sind.'
Abgesehen von Verkehren, die dem Anlassfall der Rechtssache C-338/09 entsprechen (linienmäßige Stadtrundfahrten im hopp on/hopp off Modus), wird dieses Urteil vor allem auf Drittlandverkehre anzuwenden sein. Es steht damit auch im Einklang mit den geänderten Bestimmungen der Marktzugangsverordnung für den grenzüberschreitenden Personenverkehr (EG) Nr 1073/2009, in der Konkurrenzschutz massiv eingeschränkt wurde, und in der Hauptsache nur mehr Verkehrsdienste im Rahmen eines oder mehrerer öffentlicher Dienstleistungsaufträge mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen berücksichtigt werden.'
Unternehmen des Kraftfahrlinienverkehrs können somit gegen Anträge auf neue Kraftfahrlinien die Einwendung erheben, dass die neue Verkehrsverbindung bestehende Verbindungen gefährden würde. Eine derartige Gefährdung liegt insbesondere dann vor, 'wenn ein Verkehrsunternehmen bei der Führung seines öffentlichen Verkehrs hinsichtlich der gefährdeten Linie einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleiden würde' (vgl. § 14 Abs 2 KfIG).
In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass eine erteilte Kraftfahrlinienkonzession dem Konzessionsinhaber nicht ein ausschließliches Recht gewährt, die konzessionierte Strecke ohne Konkurrenzierung seines Betriebes durch andere Personenverkehrsunternehmer allein zu befahren. Mit anderen Worten, ein Kraftfahrlinienunternehmer kann auch zur Duldung der Konkurrenzierung seines Betriebes durch andere Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs verpflichtet werden.
3.Zu den Prozessvoraussetzungen
Für die Bundesregierung sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die Zulässigkeit des Hauptantrages und insbesondere die Präjudizialität (bzw. den untrennbaren Zusammenhang) der angefochtenen Bestimmungen sprechen würden.
Allerdings dürfte der Eventualantrag nicht der Anforderung der richtigen Abgrenzung des Anfechtungsumfanges entsprechen, da das Verbleiben des zweiten Halbsatzes des § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG nicht nur — wie vom Verwaltungsgericht Wien bemerkt — einen sinnlosen Gesetzestext im Rechtsbestand beließe, sondern möglicherweise sogar zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen könnte. Diesfalls könnte nämlich der zweite Satzteil des § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG ('dies gilt nicht (...)') auch so verstanden werden, dass er sich auf § 7 Abs 1 Z 4 lita KfIG bezieht: Es wäre allerdings kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb im Unterschied zu sonstigen Kraftfahrlinien, Kraftfahrlinien, die touristischen Zwecken dienen, auf Straßen geführt werden dürften, 'die sich aus Gründen der Verkehrssicherheit oder wegen ihres Bauzustandes für diesen Verkehr nicht eignen'.
II.
1.Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken
Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl. zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.
1.1. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Erwerbsfreiheit (Art6 StGG)
Das Verwaltungsgericht Wien hegt im Wesentlichen die Bedenken, dass ein Unternehmen, welches eine Kraftfahrlinie zu besonders ungünstigen Konditionen oder aber unwirtschaftlich betreibt, auf Grund des § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG eine nahezu absolute Garantie habe, dass keinem anderen Unternehmer eine Bewilligung zum Betrieb einer weiteren Kraftfahrlinie erteilt werden könne (vgl. Seite 27 des Antrags). § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG bewirke eine Verhinderung des Erwerbsausübungsantrittes und stelle somit den weitestgehend möglichen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Erwerbsausübungsfreiheit dar. Es würden damit auch die 'öffentlichen Interessen' an günstigen, den Bedarf abdeckenden und häufigen Erbringungen von Kraftfahrlinien-Leistungen auf einer bestimmten Strecke absolut ausgeschaltet.
Die Bundesregierung teilt diese Bedenken nicht.
Zur näheren Begründung ihrer Rechtsansicht verweist die Bundesregierung auf den Einleitungsbeschluss des Verfassungsgerichtshof[es] zum Verfahren G229/89 u.a, dessen Schlussfolgerungen vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 12.236/1989 im Wesentlichen bestätigt wurden. Darin heißt es (Hervorhebung nicht im Original):
'An einem möglichst gut funktionierenden System des linienmäßigen Personenverkehrs besteht offenbar ein erhebliches öffentliches Interesse. Um dieses übergeordnete Ziel zu erreichen, müssen sowohl der Eisenbahnsektor als auch der Autobussektor lebensfähig bleiben (vgl. hiezu G1, 171/87, betreffend den Güterverkehr). Das wiederum bedingt anscheinend, daß zumindest die (derzeit) wichtigsten Träger des linienmäßigen Personenverkehrs, nämlich die Eisenbahn- und die Kraftfahrlinienunternehmer, jederzeit und umfassend ihre Funktion zu volkswirtschaftlich vertretbaren Kosten und Preisen erfüllen.
Anders als etwa beim Güterverkehr und bei den Taxis (vgl. VfSlg 10932/1986) dürfte es beim öffentlichen Personenverkehr ein zur Zielerreichung geeignetes, adäquates und auch sonst sachlich zu rechtfertigendes Mittel sein, bei der Konzessionserteilung darauf Bedacht zu nehmen, daß die bestehenden Träger des linienmäßigen Personenverkehrs durch den neu auftretenden Konkurrenten nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.
Die Kraftfahrlinienkonzession wird – ihrem Wesen entsprechend – nämlich nicht für das gesamte Bundesgebiet oder sonst für ein bestimmtes Gebiet erteilt, sondern für eine ganz bestimmte Strecke (§6 Abs 1 Z 2 der 1. DV zum KfIG, BGBl 206/1954). Den Konzessionsinhaber treffen besondere Pflichten, so insbesondere die Betriebspflicht, die Beförderungspflicht sowie der Tarif-, Beförderungsbedingungs- und Fahrplanzwang (§§8 und 12 KfIG 1952). (...) Unter diesen Voraussetzungen ist es – so meint der Verfassungsgerichtshof vorläufig – einerseits für den Konsumenten wenn schon nicht völlig sinnlos, so doch zumindest kein ins Gewicht fallender Vorteil, wenn eine der bestehenden Linie nach Fahrplan und nach Haltestellen ähnliche oder gleiche Linie geführt würde. Andererseits müßte es für den Betreiber der bestehenden Linie – erfüllt er die ihm obliegenden Pflichten korrekt und geht die Behörde (insbesondere bei Genehmigung des Tarifes, der Beförderungsbedingungen und des Fahrplanes – § 12 KfIG 1952) gesetzmäßig vor – zumindest im Regelfall zu wirtschaftlichen Einbrüchen kommen, die entweder die (vor allem bei der Eisenbahn) zum Verlust bereits erfolgter großer Investitionen führende Einstellung der Linie, Preiserhöhungen für den Fahrgast oder aber Subventionen durch die öffentliche Hand zur Folge haben können. Der Konkurrenzkampf könnte zur Folge haben, daß sowohl der bisherige als auch der neue Betreiber der Verkehrslinie wirtschaftlich nicht existieren kann. Im schlimmsten Fall könnte es so dazu kommen, daß die Verkehrsbedürfnisse überhaupt nicht mehr befriedigt werden. Jedenfalls aber würde volkswirtschaftlich wertvolle Substanz sinnlos investiert worden sein und der die Umwelt belastende Straßenverkehr mit Autobussen überflüssig vermehrt. Der Bundesminister formuliert in der Gegenschrift als Ziel des KfIG 1952 die optimale (nicht die maximale) Versorgung der Bevölkerung mit Kraftfahrlinien, ein Ziel, das nicht unsachlich sein dürfte. Zur Erreichung dieses Zieles ist es also anscheinend ein geeignetes und auch adäquates Mittel, bei der Erteilung einer Kraftfahrlinienkonzession darauf Bedacht zu nehmen, welche Auswirkungen die geplante neue Kraftfahrlinie auf den bereits bestehenden Autobus- und Eisenbahnlinienverkehr hätte. Eine in das Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit weniger intensiv eingreifende Alternative dürfte nicht bestehen.
Zwar wird dadurch (auch) ein Konkurrenzschutz bewirkt; dieser dürfte aber aufgrund des geschilderten Regelungssystems nicht der – im privaten Interesse liegenden – Gewinnmaximierung der bestehenden Verkehrsunternehmer, sondern der – im öffentlichen Interesse liegenden – Optimierung des öffentlichen Personenverkehrs dienen.'
Nach Ansicht der Bundesregierung muss, um das im erheblichen öffentlichen Interesse gelegene, übergeordnete Ziel eines möglichst gut funktionierenden Systems des linienmäßigen Personenverkehrs zu erreichen, der Autobussektor wirtschaftlich lebensfähig bleiben. Zur Erreichung dieses Zieles erachtet selbst der Verfassungsgerichtshof — wie soeben gezeigt — ein gewisses Maß an Konkurrenzschutz als verfassungsrechtlich zulässig. Denn anders als für Taxis (vgl. VfSlg 10.923/1986) und für den Güterverkehr (vgl. VfSlg 11.483/1987) sieht es der Gerichtshof beim öffentlichen Personenverkehr als ein zur Zielerreichung geeignetes, adäquates und auch sonst sachlich zu rechtfertigendes Mittel, im Zuge der Konzessionierung auf allenfalls dadurch entstehende wirtschaftliche Schwierigkeiten bereits bestehender Unternehmen Bedacht zu nehmen. Einen rechtfertigenden Grund erblickt der Verfassungsgerichtshof darin, dass die Konzessionen nur für bestimmte Strecken erteilt werden, ferner dass die Konzessionsinhaber besonderen Pflichten unterworfen sind, wie die Betriebs- und Beförderungspflicht sowie der Tarif- Beförderungsbedingungs- und Fahrplanzwang (vgl. Grabenwarter, Freiheit der Erwerbsbetätigung in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich – Band II (1992) 553 (569)).
Ohne § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG wäre mit erheblichen negativen volkswirtschaftlichen Folgewirkungen zu rechnen. So könnte etwa die Eröffnung einer Parallellinie einen derartigen Konkurrenzkampf in Gang setzen, dass weder der bestehende Konzessionär noch der neu hinzutretende Mitbewerber wirtschaftlich überlebensfähig wären. Abgesehen von für den bestehenden Konzessionär erwartbaren wirtschaftlichen Einbrüchen, käme es möglicherweise zur Einstellung der betreffenden Linie oder aber der Notwendigkeit des Vorsehens von Subventionen durch die öffentliche Hand (vgl. Grabenwarter, in Machacek/Pahr/Stadler, Grund- und Menschenrechte in Österreich — Band II (1992) 553 (569)). Schlimmstenfalls könnte die Situation eintreten, dass die Verkehrsbedürfnisse überhaupt nicht mehr befriedigt würden (vgl. auch Kahl, Der öffentliche Personennahverkehr auf dem Weg zum Wettbewerb (2004) 231 ff.).
Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist im Zusammenhang mit der in § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG vorgesehenen Konkurrenzklausel keine Verletzung der Erwerbsfreiheit erkennbar. Diese Rechtsansicht wurde auch vom Verwaltungsgerichtshof — zumindest implizit — in einer Reihe von Erkenntnissen bestätigt (vgl. dazu u.a. ; ; VwSlg. 18501A/2012; VwSlg. 16437A/2004; u.a.). Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Erfordernissen der Gefährdungsprüfung des § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG ist im Übrigen ersichtlich, dass die Voraussetzungen für den Konzessionsausschließungsgrund genau zu prüfen sind (vgl. VwSlg. 18501A/2012; ; bei der seitens der Behörde vorzunehmenden Gefährdungsprüfung ist regelmäßig eine Prognose über die Auswirkung einer Bewilligung der (neuen bzw. geänderten) Kraftfahrlinie auf die Fahrgastzahlen und Einnahmen und damit die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung der bestehenden Linie zu erstellen) bzw. allfällige Auflagen (vgl. § 16 KflG) erteilt werden können.
1.2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot:
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien ist § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG unter dem Blickpunkt des Sachlichkeitsgebotes verfassungswidrig: So sei für das Gericht kein sachlicher Grund erkennbar, welcher einen Unternehmer, welcher Personenbeförderungsdienstleistungen erbringt, im Vergleich zu den sonstigen Unternehmern in Unterbindung der Regeln der Marktwirtschaft an der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit trotz Erfüllung aller persönlichen Befähigungsvoraussetzungen hindert. Ferner differenziere das Kraftfahrliniengesetz in unsachlicher Weise im Hinblick auf Personenbeförderungsleistungen in ein EWR-Land und Personenbeförderungsleistungen in ein Nicht-EWR-Land.
Die Bundesregierung teilt diese Bedenken nicht. Im Hinblick auf die allgemeinen Sachlichkeitsbedenken wird auf die obigen Ausführungen unter Teil II.1.1 verwiesen. Daraus folgt, dass eine Konkurrenzklausel nach dem Muster des § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG zur Sicherstellung eines gut funktionierenden Systems des linienmäßigen Personenverkehrs und der Vermeidung negativer volkswirtschaftlicher Folgewirkungen sachlich rechtfertigbar ist.
Was die Differenzierung zwischen Personenbeförderungsleistungen in ein EWR-Land und Personenbeförderungsleistungen in ein Nicht-EWR-Land anbelangt, so handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Regelungsbereiche. Während es im EU/EWR-Raum im Verkehrsbereich weitgehend harmonisierte Regeln im Hinblick auf Berufszugang, Marktzugang, Fahrerqualifikation, Lohn- und Sozialvorschriften, Lenk- und Ruhezeiten, Passagierrechte, usw. gibt (vgl. dazu näher etwa die Marktzugangsverordnung (EG) Nr 1073/2009, die Verordnung (EG) Nr 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße, die Richtlinie 2003/59/EG über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr, die Verordnung (EG) 1071/2009 für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers, die Verordnung (EU) Nr 181/2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr u.a.), fehlen diese im Verhältnis zu Drittstaaten. Insofern kann nicht von gleichartigen Wettbewerbsvoraussetzungen ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinne auch u.a., Haribo, Rn. 65, worin der Gerichtshof im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit davon ausgeht, dass sich die Beziehung zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten in einem anderen rechtlichen Rahmen einfügen). Ausgehend vom bestehenden Gebot einer differenzierenden Regelung wesentlich unterschiedlicher Sachverhalte (vgl. dazu etwa VfSlg 12.641/1991) ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb das Vorsehen unterschiedlicher Regelungen für grenzüberschreitende Kraftfahrlinien in Drittstaaten einerseits und grenzüberschreitende Kraftfahrlinien im EU-/EWR-Gebiet andererseits zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes führt. Das Gegenteil ist der Fall: Sollten in beiden Konstellationen gleichartige Regelungen angewendet werden, müsste konsequent fortgedacht, jedwede unionsrechtliche 'Privilegierung' auch auf Drittstaaten erweitert werden.
1.3. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 15 Abs 2 GRC
Das Verwaltungsgericht Wien ortet in der angeblich durch § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG bedingten Bevorzugung und Förderung eines Unternehmers, welcher bereits über eine Konzession verfügt, eine Verletzung der sich aus Art 15 Abs 2 GRC ergebenden Freiheit 'in jedem Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen oder Dienstleistungen zu erbringen'. Dies gelte umso mehr als Unionsbürger auch in jenen Fällen, in welchen diese nicht bereits durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Dienstleistungsfreiheit oder die Niederlassungsfreiheit berechtigt würden, mittels Bezugnahme auf Art 15 Abs 2 GRC die aus den genannten Grundfreiheiten erfließenden Rechte in Anspruch nehmen könnten (vgl. dazu Seite 42 des Antrags).
Nach Ansicht der Bundesregierung greift dieses Bedenken zu kurz.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der GRC für die Mitgliedstaaten 'ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union' gelten. Auch der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg 19.632/2012, ausgesprochen, dass er die GRC 'in ihrem Anwendungsbereich (Art51 Abs 1 GRC) als Maßstab für nationales Recht heranzieht'. Hierzu orientiert sich der Verfassungsgerichtshof an der Rechtsprechung des EuGH. Dieser stellte im Hinblick auf die Wendung 'Durchführung des Rechts der Union' folgendes klar (vgl. , Annibaldi, Rn. 21 bis 23; , lida, Rn. 79; , Ymeraga u. a., Rn. 41; , Siragusa, Rn. 25 u.a.):
'Um festzustellen, ob eine nationale Regelung die Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art 51 der Charta betrifft, ist u. a. zu prüfen, ob mit ihr eine Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, welchen Charakter diese Regelung hat und ob mit ihr nicht andere als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele verfolgt werden, selbst wenn sie das Unionsrecht mittelbar beeinflussen kann, sowie ferner, ob es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann'
Ausgehend von dieser Feststellung ist nicht ersichtlich, inwieweit in den Anlassfällen Unionsrecht durchgeführt wird und damit einhergehend eine Grundlage für die Anwendbarkeit der GRC besteht. Die gegenständlichen Konzessionierungen grenzüberschreitender Kraftfahrlinien vom Inland in einen Drittstaat (bzw. umgekehrt) fallen insoweit weder in den Anwendungsbereich von Sekundärrecht – so nimmt Art 1 Abs 2 der Marktzugangsverordnung (EG) Nr 1073/2009 die im Mitgliedstaat der Aufnahme bzw. des Absetzens zurückgelegte Wegstrecke explizit aus – noch führen sie in den Anlassfällen zu einer Beschränkung von Grundfreiheiten. Auch die vom Verwaltungsgericht behauptete Verletzung des Beihilfenverbots nach Art 107 AEUV (vgl. dazu Seite 53 des Antrages) liegt nicht vor; mangels Einsatzes staatlicher Mittel ist nämlich auch keine staatliche Beihilfe gegeben (vgl. in diesem Sinne etwa , Eventech, Rn. 34).
Dementsprechend ist in den Ausgangsverfahren keine unionsrechtlich geregelte Fallgestaltung zu erblicken; es liegt insbesondere kein hinreichender Zusammenhang zum Unionsrecht vor, der eine Anwendung der GRC zu begründen vermag (vgl. VfSlg 19.865/2014 mwN).
1.4. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 16 GRC
Wie bereits oben unter Teil II.1.3. ausgeführt, wird in den Ausgangsverfahren nicht Unionsrecht im Sinne des Art 51 GRC durchgeführt, sodass der Anwendungsbereich der GRC nicht eröffnet ist.
Im Übrigen wird, da die vom Verwaltungsgericht Wien im Hinblick auf Art 16 GRC vorgebrachten Bedenken im Wesentlichen jenen Bedenken ähneln, die es bereits im Zusammenhang mit der Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) vorgebracht hat, nochmals auf die Ausführungen unter Teil II.1.1. verwiesen.
1.5. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip (Art9 bzw. Art 3 B-VG)
Das Verwaltungsgericht Wien wirft schließlich die Frage auf, ob eine österreichische Konzessionsbehörde gegen das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip und somit auch gegen Art 3 und 9 B-VG verstößt, wenn diese durch einen abweisenden Bescheid bestimmt, dass eine von Österreich in einen Drittstaat geführte Kraftfahrlinie einen bestimmten Halt im Drittstaat nicht vornehmen darf.
Gegen dieses Bedenken sei darauf hingewiesen, dass § 7 Abs 1 Z 4 litb iVm § 14 KfIG die Genehmigungszulässigkeit nicht an eine konkrete Haltestelle in Serbien knüpft und durch die Konzessionsbehörde auch keine Beurteilung einer Konkurrenzsituation auf einem ausländischen Streckenabschnitt erfolgt. Bei der Prüfung des Konkurrenzausschlussgrundes geht es nicht um eine in einem Drittstaat liegende Haltestelle, sondern vielmehr um die Gefährdung der gesamten grenzüberschreitenden Personenbeförderung und um die Beurteilung der Auswirkung einer grenzüberschreitenden Beförderung von/nach österreichischem Staatsgebiet durch eine andere grenzüberschreitende Beförderung von/nach österreichischem Staatsgebiet (vgl. in diesem Sinne etwa auch ua.).
Der Vollständigkeit halber sei im Übrigen bemerkt, dass das Völkerrecht neben dem Territorialitätsprinzip auch andere Formen der Anknüpfung an das Inland kennt (etwa das Personalitätsprinzip oder das Schutzprinzip; siehe dazu näher Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11, Rn. 176).
2. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist die Bundesregierung daher der Ansicht, dass es sich bei der angefochtenen Bestimmung um eine im öffentlichen Interesse gelegene, sachlich gerechtfertigte und verhältnismäßige Regelung handelt, die weder verfassungsrechtlichen Bedenken noch Bedenken im Hinblick auf die GRC begegnet.
[…]"
1.4.Die beschwerdeführende Gesellschaft des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Wien erstattete als beteiligte Partei eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien entgegentritt.
1.5.Die näher bezeichnete konzessionswerbende Gesellschaft österreichischen Rechts erstattete als beteiligte Partei eine Äußerung, in der sie sich den Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien im Hinblick auf die behauptete Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art 6 StGG anschließt.
2.G 236/2017
2.1.Beim Verwaltungsgericht Wien sind zwei (zu einem Verfahren verbundene) Vorlageanträge der antragstellenden Gesellschaft vor dem Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: "antragstellende Gesellschaft") anhängig. Die antragstellende Gesellschaft ist die beschwerdeführende Gesellschaft in den dem Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien beim Verfassungsgerichtshof zu G243/2016 zugrunde liegenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien. Der erste Vorlageantrag betrifft eine Beschwerdevorentscheidung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom , mit der die Beschwerde der antragstellenden Gesellschaft gegen einen Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom abgewiesen wurde. Mit diesem Bescheid war der unter Punkt III.1. erwähnten Gesellschaft serbischen Rechts die neue Konzession für den Betrieb der österreichischen Teilstrecke der internationalen Kraftfahrlinie Arandjelovac-Ub-Belgrad-Wien (bis ) erteilt worden. Der zweite Vorlageantrag betrifft eine Beschwerdevorentscheidung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom , mit der die Beschwerde der antragstellenden Gesellschaft gegen einen Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom abgewiesen wurde. Mit diesem Bescheid war der unter Punkt III.1. erwähnten Gesellschaft österreichischen Rechts die neue Konzession für den Betrieb der österreichischen Teilstrecke der internationalen Kraftfahrlinie Wien-Belgrad-Ub-Arandjelovac (bis ) erteilt worden.
2.2.Das Vorbringen des Verwaltungsgerichtes Wien deckt sich sowohl hinsichtlich der Präjudizialität der mit beim Verfassungsgerichtshof zu G236/2017 protokollierten Antrag angefochtenen Rechtsvorschrift des § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG als auch in der Sache im Wesentlichen mit dem zu G243/2016 beim Verfassungsgerichtshof protokollierten Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof führte zu diesem Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien (im Hinblick auf § 19 Abs 3 Z 4 VfGG) kein weiteres Verfahren durch.
IV.Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1.Zur Zulässigkeit
1.1.Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Es ist nichts hervorgekommen, das daran zweifeln ließe, dass das Verwaltungsgericht Wien die mit den (Haupt-)Anträgen angefochtene Bestimmung bei seiner Entscheidung denkmöglich anzuwenden hat.
1.2.Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die (Haupt-)Anträge als zulässig. Es erübrigt sich daher, auf die Eventualanträge einzugehen.
2.In der Sache
Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Die Anträge sind nicht begründet.
2.1.Zur behaupteten Verletzung des Art 6 StGG
Das Verwaltungsgericht Wien geht in seinen Anträgen von der Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG aus, weil dieser einen Konkurrenzschutz zugunsten des – allenfalls unwirtschaftlich geführten und schlechte Konditionen anbietenden – Verkehrsunternehmens vorsehe, welches bereits eine Kraftfahr-linie im Verkehrsbereich einer beantragten Kraftfahrlinie ganz oder teilweise betreibe. Die angefochtene Rechtsvorschrift bewirke den weitestgehend möglichen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Erwerbsausübungsfreiheit, die bei Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG selbst im Falle eines nachweislichen Bedarfs an einer weiteren – zu günstigeren Konditionen operierenden – Kraftfahrliniendienstleistung deren Konzessionierung verhindere und das öffentliche Interesse an einem flächendeckende Versorgung sicherstellenden öffentlichen Verkehr durch Vorsehung eines Monopols konterkariere.
Diesem Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien ist die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegen zu halten, wonach es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, bei Erteilung einer Kraftfahrlinienkonzession auf die Auswirkungen der geplanten neuen Kraftfahrlinie auf den bereits bestehenden Autobusverkehr Bedacht zu nehmen, auch wenn damit ein Konkurrenzschutz verbunden ist. Der Verfassungsgerichtshof hat dies im Erkenntnis VfSlg 12.236/1989 im Wesentlichen folgendermaßen begründet (vgl. den in diesem Erkenntnis wiedergegebenen Beschluss vom zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens, dessen vorläufige Annahme der Verfassungsgerichtshof im Gesetzesprüfungsverfahren als zutreffend ansah):
"An einem möglichst gut funktionierenden System des linienmäßigen Personenverkehrs besteht offenbar ein erhebliches öffentliches Interesse. Um dieses übergeordnete Ziel zu erreichen, müssen sowohl der Eisenbahnsektor als auch der Autobussektor lebensfähig bleiben (vgl. hiezu G1, 171/87, betreffend den Güterverkehr). Das wiederum bedingt anscheinend, daß zumindest die (derzeit) wichtigsten Träger des linienmäßigen Personenverkehrs, nämlich die Eisenbahn- und die Kraftfahrlinienunternehmer, jederzeit und umfassend ihre Funktion zu volkswirtscha[…]ftlich vertretbaren Kosten und Preisen erfüllen.
Anders als etwa beim Güterverkehr und bei den Taxis (vgl. VfSlg 10932/1986) dürfte es beim öffentlichen Personenverkehr ein zur Zielerreichung geeignetes, adäquates und auch sonst sachlich zu rechtfertigendes Mittel sein, bei der Konzessionserteilung darauf Bedacht zu nehmen, daß die bestehenden Träger des linienmäßigen Personenverkehrs durch den neu auftretenden Konkurrenten nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.
Die Kraftfahrlinienkonzession wird – ihrem Wesen entsprechend – nämlich nicht für das gesamte Bundesgebiet oder sonst für ein bestimmtes Gebiet erteilt, sondern für eine ganz bestimmte Strecke (§6 Abs 1 Z 2 der 1. DV zum KfIG, BGBl 206/1954). Den Konzessionsinhaber treffen besondere Pflichten, so insbesondere die Betriebspflicht, die Beförderungspflicht sowie der Tarif-, Beförderungsbedingungs- und Fahrplanzwang (§§8 und 12 KfIG 1952). Ähnliche Pflichten gelten für Eisenbahnunternehmer (§§19 und 22 Eisenbahngesetz 1957). Unter diesen Voraussetzungen ist es – so meint der Verfassungsgerichtshof vorläufig – einerseits für den Konsumenten wenn schon nicht völlig sinnlos, so doch zumindest kein ins Gewicht fallender Vorteil, wenn eine der bestehenden Linie nach Fahrplan und nach Haltestellen ähnliche oder gleiche Linie geführt würde. Andererseits müßte es für den Betreiber der bestehenden Linie – erfüllt er die ihm obliegenden Pflichten korrekt und geht die Behörde (insbesondere bei Genehmigung des Tarifes, der Beförderungsbedingungen und des Fahrplanes – § 12 KfIG 1952) gesetzmäßig vor – zumindest im Regelfall zu wirtschaftlichen Einbrüchen kommen, die entweder die (vor allem bei der Eisenbahn) zum Verlust bereits erfolgter großer Investitionen führende Einstellung der Linie, Preiserhöhungen für den Fahrgast oder aber Subventionen durch die öffentliche Hand zur Folge haben können. Der Konkurrenzkampf könnte zur Folge haben, daß sowohl der bisherige als auch der neue Betreiber der Verkehrslinie wirtschaftlich nicht existieren kann. Im schlimmsten Fall könnte es so dazu kommen, daß die Verkehrsbedürfnisse überhaupt nicht mehr befriedigt werden. Jedenfalls aber würde volkswirtschaftlich wertvolle Substanz sinnlos investiert worden sein und der die Umwelt belastende Straßenverkehr mit Autobussen überflüssig vermehrt.
Der Bundesminister formuliert in der Gegenschrift als Ziel des KfIG 1952 die optimale (nicht die maximale) Versorgung der Bevölkerung mit Kraftfahrlinien, ein Ziel, das nicht unsachlich sein dürfte. Zur Erreichung dieses Zieles ist es also anscheinend ein geeignetes und auch adäquates Mittel, bei der Erteilung einer Kraftfahrlinienkonzession darauf Bedacht zu nehmen, welche Auswirkungen die geplante neue Kraftfahrlinie auf den bereits bestehenden Autobus- und Eisenbahnlinienverkehr hätte. Eine in das Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit weniger intensiv eingreifende Alternative dürfte nicht bestehen.
Zwar wird dadurch (auch) ein Konkurrenzschutz bewirkt; dieser dürfte aber aufgrund des geschilderten Regelungssystems nicht der – im privaten Interesse liegenden – Gewinnmaximierung der bestehenden Verkehrsunternehmer, sondern der – im öffentlichen Interesse liegenden – Optimierung des öffentlichen Personenverkehrs dienen."
Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er zur Erreichung des im erheblichen öffentlichen Interesse gelegenen, übergeordneten Zieles eines möglichst gut funktionierenden Systems des linienmäßigen Personenverkehrs den Autobussektor wirtschaftlich lebensfähig erhalten möchte. Zur Erreichung des Zieles einer optimalen Versorgung der Bevölkerung mit einer öffentlichen Personenverkehrsdienstleistung ist eine Regelung verfassungsrechtlich zulässig, die im Ergebnis auch einen Konkurrenzschutz bewirkt. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass Konzessionen nur für bestimmte Strecken erteilt werden, ferner, dass die Konzessionsinhaber besonderen Pflichten unterworfen sind, wie der Betriebs- und Beförderungspflicht sowie dem Tarif-, Beförderungsbedingungs- und Fahrplanzwang, und darüber hinaus, dass eine Ausnahme hinsichtlich des im Wesentlichen touristischen Zwecken dienenden Kraftfahrlinienverkehrs vorgesehen ist.
Durch die angefochtene Bestimmung des § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG soll verhindert werden, dass durch eine Parallellinie ein derartiger Konkurrenzkampf in Gang gesetzt würde, bei dem weder der bestehende Konzessionär noch der neu hinzutretende Mitbewerber wirtschaftlich überlebensfähig wären. Abgesehen von für den bestehenden Konzessionär möglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten käme es möglicherweise zur Einstellung der betreffenden Linie und sogar dazu, dass die Verkehrsbedürfnisse überhaupt nicht mehr befriedigt würden.
Der Verfassungsgerichtshof teilt sohin nicht die vom Verwaltungsgericht Wien im Hinblick auf Art 6 StGG geäußerten Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung.
Soweit sich das Verwaltungsgericht Wien gegen die konkreten Umstände im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betriebsführung der (bestehenden) Kraftfahrlinie wendet bzw. Bedenken gegen die konkrete gesetzliche Regelung hinsichtlich der "ernsthaften Gefährdung" in § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG hegt, hat das Verwaltungsgericht Wien zu Unrecht die Rechtsvorschrift des § 14 Abs 2 KflG nicht mitangefochten.
2.2.Zur behaupteten Verletzung des Art 2 StGG und Art 7 B-VG
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien normiert die angefochtene Rechtsvorschrift einerseits eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Personenbeförderungsdienstleistungen erbringenden Unternehmern im Vergleich zu sonstigen Unternehmern, andererseits werde durch die Unionsrechtswidrigkeit der angefochtenen Rechtsvorschrift eine unsachliche Differenzierung zwischen Personenbeförderungsleistungen in einen EWR-Staat und Personenbeförderungsleistungen in einen Nicht-EWR-Staat bewirkt.
Der Verfassungsgerichtshof stimmt der von der Bundesregierung in ihrer Äußerung dargelegten Rechtsauffassung zu, dass die Erbringung von Beförderungsleistungen in einen EWR-Staat einerseits und in einen Nicht-EWR-Staat andererseits nicht miteinander vergleichbar sind. Im EWR-Raum bestehen für die Erbringung von Personenbeförderungsdienstleistungen weitgehend harmonisierte Regeln insbesondere im Hinblick auf Marktzugang, Berufszugang und Lohn- und Sozialvorschriften, Lenk- und Ruhezeiten [vgl. zB die Marktzugangsverordnung (EG) Nr 1073/2009, die Verordnung (EG) Nr 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße, die Richtlinie 2003/59/EG über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr, die Verordnung (EG) Nr 1071/2009 für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers, die Verordnung (EU) Nr 181/2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr u.a.]. Solche Regelungen gibt es für die Erbringung von Personenbeförderungsdienstleistungen in einen Nicht-EWR-Staat nicht.
Da somit die Wettbewerbsvoraussetzungen für Personenbeförderungsdienstleistungen in EWR-Staaten und in Nicht-EWR-Staaten unterschiedlich sind (vgl. in diesem Sinne auch ua., Haribo, Rz 65), bestehen gegen die unterschiedliche Regelung der beiden Bereiche keine gleichheitsrechtlichen Bedenken.
2.3.Zur behaupteten Verletzung des Art 15 und 16 GRC
Die angefochtene Rechtsvorschrift verletzt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien auch Art 15 Abs 2 und Art 16 GRC sowie das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art 19 AEUV. Darüber hinaus normiere die angefochtene Bestimmung eine unzulässige Beihilfe iSd Art 107 ff. AEUV.
2.3.1.Ungeachtet der Frage, ob in der angefochtenen Regelung überhaupt eine "Durchführung des Rechts der Europäischen Union" (Art51 Abs 1 GRC) gesehen werden kann, liegt keine Verletzung von Art 15 Abs 2 und Art 16 GRC vor. Dabei kann sinngemäß auf die Ausführungen zur Erwerbsfreiheit gemäß Art 6 StGG unter Punkt 2.1. verwiesen werden.
2.3.2.Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien stellen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art 19 AEUV und das Beihilfeverbot des Art 107 AEUV keinen Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung eines nationalen Gesetzes dar (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg 19.632/2012).
2.4.Zur behaupteten Verletzung des Art 3 B-VG und Art 9 B-VG
2.4.1.Das Verwaltungsgericht Wien erachtet zudem das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip und damit Art 3 und Art 9 B-VG als verletzt, weil die ständige Verwaltungspraxis den in der angefochtenen Rechtsvorschrift enthaltenen Begriff "Verkehrsbereich" auch auf alle in anderen Staaten liegenden Streckenabschnitte der beantragten Kraftfahrlinie ausdehne und vor diesem Hintergrund das wirtschaftliche Konkurrenzverhältnis iSd § 7 Abs 1 Z 4 litb KfIG bewerte sowie die Bestimmung der Haltestellen auf serbischen Gebiet anstelle der serbischen Behörden wahrnehme.
2.4.2.§7 Abs 1 Z 4 litb iVm § 14 KfIG knüpft die Genehmigungszulässigkeit nicht an eine bestimmte Haltestelle auf dem Staatsgebiet eines Nicht-EWR-Staates; § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG sieht auch nicht die Prüfung der wirtschaftlichen Situation auf dem Staatsgebiet eines Nicht-EWR-Staates vor. Die Behörde hat vielmehr gemäß § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG die Auswirkungen einer von österreichischem Staatsgebiet ausgehenden bzw. auf österreichisches Staatsgebiet führenden grenzüberschreitenden Beförderung durch eine andere (weitere) von österreichischem Staatsgebiet ausgehende bzw. auf österreichisches Staatsgebiet führende grenzüberschreitende Beförderung zu beurteilen (vgl. ua.).
2.4.3.Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob das Gesetz richtig angewendet wird (siehe zB VfSlg 6877/1972, 8309/1978, 10.565/1985, 11.754/1988, 13.606/1993, 14.411/1996).
2.5.Da der beim Verfassungsgerichtshof zu G236/2017 protokollierte Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien dem beim Verfassungsgerichtshof zu G243/2016 protokollierten Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien gleicht, hat der Verfassungsgerichtshof gemäß § 19 Abs 3 Z 4 VfGG davon abgesehen, ein weiteres Verfahren in dieser Rechtssache durchzuführen. Dies erfolgt in Hinblick darauf, dass die im Verfahren über den Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien zu G236/2017 aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Entscheidung über den Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien zu G243/2016 bereits geklärt werden (vgl. VfSlg 19.960/2015).
V.Ergebnis
1.Die ob der Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs 1 Z 4 litb KflG erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Die Anträge sind daher abzuweisen.
2.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 3 Z 4 und § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2017:G243.2016 |
Schlagworte: | Gewerberecht, Kraftfahrlinien, Konzessionserteilung, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht, Völkerrecht, VfGH / Prüfungsmaßstab |
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