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VfGH vom 07.12.1989, g239/89

VfGH vom 07.12.1989, g239/89

Sammlungsnummer

12240

Leitsatz

Keine verfassungsmäßige Garantie von Parteirechten in einem Verfahren schlechthin; Parteistellung der Milcherzeuger im Verfahren über die Entrichtung von Absatzförderungsbeiträgen infolge verfassungskonformer Auslegung des MOG und der BAO im Hinblick auf das Gleichheitsgebot; Aufhebung des § 71 Abs 5 MOG 1985 wegen Verhängung einer überschießenden Sanktion unabhängig vom Unrechtsgehalt des Verstoßes

Spruch

§ 71 Abs 5 Marktordnungsgesetz 1985 - MOG, BGBl. Nr. 210 idF der Novellen BGBl. Nr. 291/1985 und 138/1987 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Nach § 71 Abs 2 Marktordnungsgesetz 1985 - MOG, BGBl. 210 idF der Novelle BGBl. 138/1987, ist für Milch und Erzeugnisse aus Milch, die der zuständige Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb von einem Milcherzeuger über die diesem zustehende Einzelrichtmenge hinaus übernimmt oder die ein anderer als der zuständige Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb von einem Milcherzeuger übernimmt, ein zusätzlicher Absatzförderungsbeitrag zu entrichten.

Nach § 71 Abs 3 MOG idF der Novellen BGBl. 291/1985 und 138/1987 ist ein zusätzlicher Absatzförderungsbeitrag nicht zu entrichten für Milch und Erzeugnisse aus Milch, die auf einer Alm und auf der Futtergrundlage dieser Alm erzeugt werden. (Unter bestimmten Voraussetzungen ist für gewisse Milchprodukte, die auf einer Alm erzeugt werden, auch ein allgemeiner Absatzförderungsbeitrag nicht zu entrichten.)

Als Almen gelten nach dieser Bestimmung Grünlandflächen,

"1. die infolge ihrer Höhenlage und klimatischen Verhältnisse nur im Sommer und getrennt von den Heimgütern der auf ihnen gehaltenen Milchkühe bewirtschaftet werden und 2. von denen die Lieferung von Milch und Erzeugnissen aus Milch unmittelbar an den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb oder eine Sammelstelle erfolgt oder Milch und Erzeugnisse aus Milch unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden." Der Zeitraum der Lieferung von Milch und Erzeugnissen aus Milch einschließlich deren Abgabe unmittelbar an Verbraucher darf während einer Alpperiode 120 Tage nicht überschreiten. Verfügungsberechtigte über Almen mit Milchkuhhaltung haben Beginn und Ende der Alpperiode, die auf der Alm vorhandene Futterfläche und die Anzahl der aufgetriebenen Milchkühe, gegliedert nach deren Eigentümern, mittels eines vom Milchwirtschaftsfonds aufzulegenden Formblattes dem zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb zu melden, der eine Durchschrift dieser Meldung an den Milchwirtschaftsfonds weiterzuleiten hat.

Nach § 71 Abs 4 MOG idF der Novelle BGBl. 138/1987 haben die Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe eine Liste der Almen ihres Einzugsgebietes zu führen, dem Milchwirtschaftsfonds auf Verlangen Einsicht zu gewähren und den in Betracht kommenden Milchlieferanten darüber Auskunft zu erteilen, ob sie in die Liste aufgenommen sind. Nach dem letzten Satz des § 71 Abs 4 MOG können die Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe milcherzeugende Betriebe in die Liste der Almen "nur mit vorherigem Bescheid des Milchwirtschaftsfonds aufnehmen."

Der im vorliegenden Verfahren zu prüfende § 71 Abs 5 MOG (zum Zeitpunkt der Erlassung der mit den Anlaßbeschwerden angefochtenen Bescheide idF der Novellen BGBl. 291/1985 und 138/1987) lautet:

"Der Fonds hat milcherzeugenden Betrieben die Begünstigungen, die sich aus Abs 3 ergeben, für die Dauer von drei Wirtschaftsjahren durch Bescheid zu entziehen, wenn


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1.
Milch und Erzeugnisse aus Milch, die gemäß Abs 3 unmittelbar an den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb geliefert oder an eine Sammelstelle gebracht oder unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden, nicht oder nicht zur Gänze auf einer Alm oder nicht auf der Futtergrundlage dieser Alm - ausgenommen bei Vorliegen eines Elementarereignisses - erzeugt wurden,


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2.
Milch und Erzeugnisse aus Milch von einer Alm vor dem gemeldeten Beginn oder nach dem gemeldeten Ende der Alpperiode oder über den für die Alpperiode höchstzulässigen Zeitraum von 120 Tagen hinaus geliefert oder unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden,


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3.
Milch oder Erzeugnisse aus Milch von einer Alm ohne Meldung gemäß Abs 3 letzter Satz geliefert oder abgegeben werden oder die Meldung des Verfügungsberechtigten unrichtige oder unvollständige Angaben enthält."


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2. Der Verfassungsgerichtshof hat das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren aus Anlaß folgender bei ihm anhängiger Beschwerdeverfahren nach Art 144 B-VG eingeleitet:


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a) Zur Alpe Kegel:


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aa) Mit Bescheid des Geschäftsführers des Milchwirtschaftsfonds vom war unter anderem die Alpe Kegel, als - wie sich die Behörde ausdrückt - "Alm im Sinne des § 71 Abs 3 Marktordnungsgesetz (MOG)" anerkannt worden (und zwar dadurch, daß diese Alm als Nr. 2 in eine, einen Bestandteil dieses Bescheides bildende Liste aufgenommen wurde, in der alle Almen angeführt wurden, "für die eine Zustimmung des Milchwirtschaftsfonds zur Aufnahme" in die vom zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb zu führende Almliste vorlag).

Mit Bescheid des Geschäftsführers des Milchwirtschaftsfonds vom wurde unter anderem folgende "Verfügung" getroffen:

"Gemäß § 71 Abs 3 (gemeint wohl Abs 5) Marktordnungsgesetz (MOG, BGBl. Nr. 210/1985 i.d.g.F.) wird der Alpe Kegel in Fügenberg die Almanerkennung für die Zeit von bis entzogen."

Begründend wurde ausgeführt, bei einer Kontrolle auf der Alm sei festgestellt worden, daß den Kühen unter anderem auch nicht auf der Alm erzeugtes Futter ("Fremdfutter") verfüttert worden sei und weiters entgegen § 71 Abs 3 MOG in der vorgeschriebenen Almmeldung die Eigentümer der auf die Alpe Kegel aufgetriebenen Kühe nicht angegeben gewesen seien. Ersteres werde zwar im Rahmen des Parteiengehörs bestritten, letzteres aber nicht, schon allein die Nichteinhaltung dieser Vorschrift habe zwingend zur Folge, daß die "Almanerkennung" gemäß § 71 Abs 5 Z 3 MOG zu entziehen sei.

bb) Dieser Bescheid wurde ausschließlich an den zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb, nämlich die diesen Bescheid mit der zu B1353/88 protokollierten Beschwerde bekämpfende Genossenschaft, adressiert und zugestellt. Die beschwerdeführende Genossenschaft (im folgenden gemeinsam mit der beschwerdeführenden Genossenschaft zu B1352/88 als beschwerdeführende Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe bezeichnet) bringt vor, der angefochtene Bescheid bewirke, daß sie als Beitragsschuldnerin im Sinne des § 79 MOG für die betreffende Milch für einen Zeitraum von drei Jahren zusätzlich Absatzförderungsbeiträge in der Höhe von etwa

S 570.000,-- entrichten müsse, die auf den Milcherzeuger überwälzt würden; für diesen bedeute dies, daß er für seine Milch weit weniger als die Selbstkosten der Herstellung erhalte.

cc) Die Beschwerdeführer der zu B1333/88 protokollierten Beschwerde (im folgenden gemeinsam mit den Beschwerdeführern zu B1354/88 als beschwerdeführende Milcherzeuger bezeichnet) bekämpfen den selben, ihnen von der entscheidenden Behörde nicht zugestellten Bescheid des Geschäftsführers des Milchwirtschaftsfonds vom und bringen vor, der Erstbeschwerdeführer sei Eigentümer der Alpe Kegel, die er im Jahre 1987 (dem Jahr, in dem die nicht vollständig ausgefüllte "Almmeldung" im Sinne des § 71 Abs 3 MOG abgegeben wurde) an einen dritten Landwirt verpachtet gehabt habe, der auch diese Almmeldung abgegeben hätte. Im Jahre 1988 habe der Erstbeschwerdeführer die Alpe an den Zweitbeschwerdeführer (seinen Sohn) verpachtet, der aufgrund des angefochtenen Bescheides für die von ihm auf der Alpe erzeugte Milch im Wege der Überwälzung nach § 80 Abs 6 MOG nun einen zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag entrichten müsse. Dadurch werde aber auch in die Rechte des Erstbeschwerdeführers eingegriffen, weil durch diesen Bescheid der Wert des Eigentums an der Alpe stark gemindert und angesichts der "Entziehungsdauer" von drei Jahren auch er selbst in der Möglichkeit behindert werde, die Alm zu bewirtschaften.

dd) Sowohl der zu B1354/88 beschwerdeführende Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb als auch die zu B1333/88 beschwerdeführenden Milcherzeuger behaupten, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und wegen Anwendung von verfassungswidrigen gesetzlichen Bestimmungen in ihren Rechten verletzt zu sein und beantragen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten.

b) Zur "Aste" Straubing:

aa) Mit Bescheid des Geschäftsführers des Milchwirtschaftsfonds vom war die "Aste" (offenbar Almstelle) Straubing als "Alm im Sinne des § 71 Abs 3 Marktordnungsgesetz (MOG)" anerkannt worden (ebenfalls durch bescheidmäßige Aufnahme in eine Liste von Almen im Bereich des zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebes).

Mit dem an den zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb (die beschwerdeführende Genossenschaft der unter B1352/88 protokollierten Beschwerde) adressierten und zugestellten Bescheid vom wurde betreffend diese Alm unter anderem folgende Verfügung getroffen: "Gemäß § 71 Abs 3 Marktordnungsgesetz (MOG, BGBl. Nr. 210/1981 i.d.g.F.) wird der Aste Straubing hinsichtlich des Landwirtes S in Westendorf die Almanerkennung für die Zeit von bis entzogen." Begründend wurde ausgeführt, nach Erhebungen des Milchwirtschaftsfonds habe der betreffende Landwirt (der Beschwerdeführer der unter B1354/88 protokollierten Beschwerde) entgegen der nach § 71 Abs 3 MOG erstatteten Almmeldung die Alm zumindest zwei Tage nach dem Beginn der gemeldeten Alpperiode zu bewirtschaften begonnen. Der im Rahmen des Parteiengehörs abgegebenen Rechtfertigung der beschwerdeführenden Genossenschaft, wegen schlechter Witterungsverhältnisse hätten die Kühe nicht früher auf die Alm gebracht werden können, folgte der Geschäftsführer des Milchwirtschaftsfonds mit der Begründung nicht, zumindest ein anderer Landwirt hätte zu diesem Zeitpunkt die Alm bereits "bestoßen". Da die während dieser zwei Tage erzeugte Milch nicht auf der Alm oder auf der Futtergrundlage dieser Alm erzeugt, aber als "Almmilch" (also ohne zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag) verrechnet worden sei, sei gemäß § 71 Abs 5 Z 1 zwingend dem betreffenden milcherzeugenden Betrieb die Anerkennung als Alm für die Dauer von drei Wirtschaftsjahren zu entziehen.

bb) Gegen diesen vom Milchwirtschaftsfonds nur dem zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb zugestellten Bescheid erhob dieser die unter B1352/88 protokollierte Beschwerde und bringt vor, aufgrund dieses Bescheides habe die beschwerdeführende Genossenschaft als Beitragsschuldner gemäß § 79 MOG für die vom betreffenden Landwirt auf dieser Alm erzeugte Milch einen zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag zu entrichten und müsse daher den Landwirt im Wege der Überwälzung nach § 80 Abs 6 MOG mit zusätzlichen Absatzförderungsbeiträgen von zumindest etwa

S 107.000,-- belasten, sodaß dieser für seine Milch weit weniger als die Kosten der Herstellung erhalte.

cc) Auch der betreffende Landwirt bekämpft den Bescheid vom mit seiner unter B1354/88 protokollierten Beschwerde und bringt vor, den Bescheid habe er in Kopie von der zu B1352/88 beschwerdeführenden Genossenschaft erhalten. Der angefochtene Bescheid bewirke, daß er für die von ihm auf seiner Alm erzeugte Milch nunmehr weniger als ein Viertel des sonst zustehenden Preises erhalte, damit weit weniger als die Kosten der Herstellung der Milch. Obwohl er dem Verwaltungsverfahren nie beigezogen und ihm auch der angefochtene Bescheid nicht von der belangten Behörde zugestellt worden sei, sei er allein im Wege der Überwälzung des zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages nach § 80 Abs 6 MOG belastet.

dd) Beide Beschwerdeführer behaupten, durch den angefochtenen Bescheid in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und wegen Anwendung verfassungswidriger gesetzlicher Bestimmungen in Rechten verletzt zu sein und beantragen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu, die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten.

c) Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfahren gemäß § 187 ZPO iVm § 35 Abs 1 VerfGG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

3. Die Bundesregierung hat lediglich zu den Annahmen des Verfassungsgerichtshofes zur Beschwerdelegitimation der Milcherzeuger (Beschwerden B1333/88 und B1354/88) eine Äußerung abgegeben, auf die im folgenden noch zurückzukommen sein wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.a) Der Verfassungsgerichtshof ist im Beschluß auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens zur Frage der Zulässigkeit der zugrundeliegenden Beschwerden und des vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahrens von folgenden vorläufigen Annahmen ausgegangen:

"1. Zu den Beschwerden der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe:

a) Die Beschwerden der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe richten sich gegen an sie ergangene Bescheide, welche zur Folge haben, daß sie in Zukunft für von bestimmten Milcherzeugern übernommene Milch höhere Abgaben zu entrichten haben. Schuldner dieser Abgabe ist nach § 79 Z 1 MOG der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb, auch wenn dieser die Abgabe gemäß § 80 Abs 6 MOG auf die einzelnen Milcherzeuger überwälzen kann. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorzuliegen scheinen, dürften die von den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieben erhobenen Beschwerden zulässig sein.

b) Zwar stützen sich die angefochtenen Bescheide auf § 71 Abs 5 MOG, doch ist diese Bestimmung nach Lage dieser Fälle dann präjudiziell im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG, wenn die belangte Behörde sie zumindest denkmöglich herangezogen hat (vgl. zB , B858/87 mit weiteren Hinweisen auf die Vorjudikatur).

Nach § 71 Abs 5 hat der Fonds milcherzeugenden Betrieben die Begünstigungen nach § 71 Abs 3 für die Milcherzeugung auf Almen bei Vorliegen näherer Voraussetzungen "für die Dauer von drei Wirtschaftsjahren durch Bescheid zu entziehen", was zunächst die Annahme nahelegt, daß ein derartiger Bescheid (ausschließlich) an den milcherzeugenden Betrieb zu ergehen hat, nicht aber an den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb. Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch gestützt, daß die Voraussetzungen für die Entziehung in den Ziffern 1 bis 3 dieser Bestimmung alle die Sphäre des Milcherzeugers betreffen. Träfe diese Auffassung zu, hätte die Behörde denkunmöglicherweise ihren Bescheid an den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb auf diese Bestimmung gestützt.

Aus folgenden Gründen erscheint die Annahme aber vertretbar, daß der Bescheid über die "Almaberkennung" an den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb zu ergehen hat:

Die Begünstigung von auf Almen erzeugter Milch liegt nach § 71 Abs 3 darin, daß für diese Milch kein zusätzlicher Absatzförderungsbeitrag zu entrichten ist, auch wenn sie über die dem betreffenden Landwirt zustehende Einzelrichtmenge hinaus von einem Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb übernommen wird. Nach § 79 MOG ist Schuldner dieser Abgabe der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb. Dementsprechend sieht § 71 Abs 3 vor, daß die Meldung einer Alm zur Erfassung der auf dieser erzeugten Milch an den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb zu richten ist, der eine Durchschrift der Meldung an den Milchwirtschaftsfonds weiterzuleiten hat. Aufgrund dieser Meldung ergeht nach § 71 Abs 4 letzter Satz ein Bescheid des Milchwirtschaftsfonds an den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb, welche milcherzeugenden Betriebe in die Liste der Almen aufzunehmen sind. Nach § 71 Abs 4 erster Satz haben die Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe den in Betracht kommenden Milchlieferanten darüber Auskunft zu erteilen, ob sie in die Liste "aufgenommen" sind (ob die betreffende Alm mit Bescheid des Milchwirtschaftsfonds "anerkannt" wurde). Durch diese Verfügungen wird die Beitragspflicht des Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebes im Sinne des § 79 MOG verändert, gegenüber den milcherzeugenden Betrieben wirken diese Veränderungen erst aufgrund der Überwälzung nach den §§80 Abs 6 und 81 Abs 6 MOG.

Vor dem Hintergrund dieses Systems ist es naheliegend und vertretbar anzunehmen, daß auch der Bescheid über die Entziehung der Begünstigungen nach § 71 Abs 5 MOG gegenüber dem Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb zu ergehen hat und die Worte "milcherzeugenden Betrieben" im ersten Satz dieser Bestimmung sich vielmehr darauf beziehen, daß nicht die Almanerkennung schlechthin zu entziehen ist, sondern lediglich die Begünstigung jener milcherzeugenden Betriebe, welche gegen die Voraussetzungen der Z 1 bis 3 des Abs 5 verstoßen haben (wie sich aus § 71 Abs 3 MOG ergibt, können auf einer Alm auch mehrere Betriebe Milch erzeugen, für die alle die Begünstigung wirkt).

c) Aus diesen Überlegungen scheint sich zu ergeben, daß es denkmöglich ist, § 71 Abs 5 MOG auch gegenüber den beschwerdeführenden Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieben anzuwenden, sodaß diese Bestimmung präjudiziell im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG sein dürfte.

2. Zu den Beschwerden der Milcherzeuger:

a) Die angefochtenen Bescheide sind nicht an die Milcherzeuger adressiert und diese wurden den zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren nicht als Parteien zugezogen.

Nach der seit dem Erkenntnis VfSlg. 3084/1956 ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 3109/1956, 5358/1966, 8746/1980, 8897/1980 9068/1981) können nicht nur jene Personen eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 B-VG erheben, die im konkreten Verwaltungsverfahren als Parteien behandelt wurden, sondern auch jene, die von Rechts wegen Parteien im Verwaltungsverfahren wären, tatsächlich aber nicht zugezogen wurden (übergangene Parteien). Diese Rechtsprechung erging zwar zu Verfahren im Geltungsbereich des AVG, nach dessen § 8 die Parteistellung im Verwaltungsverfahren untrennbar mit der Möglichkeit verbunden ist, in einem subjektiven Recht verletzt zu sein (vgl. hiezu Ermacora/Klecatsky/Ringhofer, Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1956, ÖJZ 1959 S. 31f, vgl. auch VfSlg. 8746/1980), doch scheint sich diese Rechtsprechung auch auf den Geltungsbereich anderer Verfahrensgesetze insoweit übertragen zu lassen, als jedenfalls Personen beschwerdeberechtigt sein dürften, die nach den konkreten Verfahrensnormen im Verwaltungsverfahren Parteistellung gehabt hätten.

b) Nach § 84 MOG ist unter anderem der Milchwirtschaftsfonds bei der Vollziehung des Abschnittes D) des MOG (in dem sich die hier in Rede stehenden Bestimmungen über Absatzförderungsbeiträge auf Milch finden) Abgabenbehörde im Sinne des § 49 Abs 1 BAO. Nach dieser Bestimmung sind Abgabenbehörden "die mit der Erhebung der im § 1 (BAO) bezeichneten öffentlichen Abgaben und Beiträge betrauten Behörden der Abgabenverwaltung des Bundes". Nach ihrem § 1 litb gilt die BAO unter anderem in Angelegenheiten der bundesrechtlich geregelten Beiträge an öffentliche Fonds oder an Körperschaften des öffentlichen Rechtes, die nicht Gebietskörperschaften sind, soweit diese Abgaben und Beiträge "durch Abgabenbehörden des Bundes (§49 Abs 1) zu erheben sind".

Daraus scheint zu folgen, daß in dem Verwaltungsverfahren, in dem die angefochtenen Bescheide ergangen sind, die BAO anzuwenden ist. Als Parteien des Abgabenverfahrens bestimmt § 78 BAO neben dem Abgabenpflichtigen (das ist nach § 77 Abs 1 BAO der Abgabenschuldner nach den Abgabenvorschriften), den in einem Berufungsverfahren auftretenden Personen und jenen Personen, an die Feststellungsbescheide ergehen oder auf die sich andere konkrete, in Abs 2 des § 78 genannte Verfahrensschritte beziehen, in § 78 Abs 3 noch folgende (weitere) Personen: "Andere als die genannten Personen haben die Rechtstellung einer Partei dann und insoweit, als sie aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht." Stoll (Bundesabgabenordnung, Handbuch, Wien 1980, S. 177) führt hiezu aus, daß nach dieser Bestimmung alle jene Personen Parteistellung haben, denen außerhalb eines Verfahrens, in dem sie nach den anderen Bestimmungen (§78 Abs 1 und 2 BAO) Partei sind, Verpflichtungen auferlegt werden.

c) Das MOG enthält in seinem Abschnitt D folgendes, im hier gegebenen Zusammenhang relevantes Regelungssystem:

Nach § 79 Z 1 MOG ist Beitragsschuldner von Absatzförderungsbeiträgen, die für Milch und Erzeugnisse aus Milch, welche ein Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb übernimmt oder die von diesem gemäß § 16 verrechnet werden (diese Bestimmung betrifft die Entrichtung einer pauschalierten Abgabe für den Abhofverkauf von Milch), zu entrichten sind, derjenige, für dessen Rechnung der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb geführt wird (Betriebsinhaber). Die Höhe der Beitragsschuld des Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebes hängt von individuellen Verhältnissen jener milcherzeugenden Landwirte ab, von denen der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb Milch oder Erzeugnisse aus Milch übernimmt. Ausschlaggebend ist vor allem die Höhe der dem einzelnen Landwirt zustehenden Einzelrichtmenge im Sinne des § 73 Abs 1, von der abhängt, ob für die übernommene Milch ein allgemeiner Absatzförderungsbeitrag im Sinne des § 71 Abs 1 oder ein zusätzlicher Absatzförderungsbeitrag im Sinne des § 71 Abs 2 MOG zu entrichten ist. Daneben sind aber auch andere individuelle Verhältnisse des Landwirtes maßgeblich, so etwa ob er im Sinne des § 71 Abs 3 auf Almen erzeugte Milch an den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb liefert und ob er im Sinne des § 71 Abs 6 und 7 Milch und Erzeugnisse aus Milch unmittelbar an Verbraucher abgibt.

Nach § 80 Abs 6 MOG ist der Beitragsschuldner (also der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb) berechtigt, die einzelnen Milcherzeuger anteilsmäßig bis zur Höhe der von ihm zu entrichtenden Beiträge entsprechend den von den einzelnen Milcherzeugern übernommenen Mengen an Milch und Erzeugnissen aus Milch zu belasten, und zwar genau zu jenem Termin, an dem nach § 80 Abs 1 MOG die ihn treffende Beitragsschuld fällig wird. Diese Bestimmung schafft offenbar eine Verpflichtung des Milcherzeugers, dem Beitragsschuldner die von diesem geschuldeten Beiträge zu ersetzen, so als ob der Milcherzeuger selbst Beitragsschuldner wäre. Diese Verpflichtung - nach den Gesetzesmaterialien (RV 811 B NR XIV. GP zur MOG-Novelle 1978, BGBl. 269, mit der erstmals das derzeit noch bestehende System der Absatzförderung eingeführt wurde; die jetzigen Bestimmungen § 79 Z 1,§ 80 Abs 6,§ 81 Abs 6 entsprachen damals § 57k und § 57 l Abs 4,§ 57m Abs 2 MOG 1967 idF dieser Novelle) zwar zivilrechtlicher Natur - scheint jedoch in das Eigentumsrecht der Milcherzeuger in gleicher Weise einzugreifen, wie allgemein eine Abgabenpflicht in das Eigentumsrecht der Abgabenpflichtigen.

Die Auffassung, daß § 80 Abs 6 eine Verpflichtung des Milcherzeugers in gleicher Weise wie die des Beitragsschuldners vorsieht, wird durch den zweiten Satz des § 80 Abs 6 bestätigt, wonach die den Milcherzeugern angelasteten Beiträge als durchlaufende Posten im Sinne des § 4 Abs 3 UStG anzusehen sind (das sind solche Beträge, die der Unternehmer "im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt"), und durch die Bestimmung des letzten Satzes des § 80 Abs 6, wonach der Beitragsschuldner verpflichtet ist, ein allfälliges bei der Beitragsverrechnung entstehendes Guthaben dem einzelnen Milcherzeuger unverzüglich zu erstatten.

Nach § 81 MOG hat der Beitragsschuldner während des Wirtschaftsjahres für jeden Kalendermonat Vorauszahlungen auf die Beitragsschuld, berechnet nach deren jeweiligen monatlichen Anteilen, zu entrichten. Nach § 81 Abs 6 erster Halbsatz MOG gilt für die Entrichtung dieser Vorauszahlungen § 80 Abs 6 MOG sinngemäß, sodaß nach dieser Bestimmung auch die Vorauszahlungen auf die milcherzeugenden Betriebe überwälzt werden können, als ob diese selbst Beitragsschuldner wären.

d) Aus diesen Bestimmungen ergibt sich somit wohl insgesamt, daß einerseits den Milcherzeuger zwar die Last, die Absatzförderungsbeiträge zu tragen, trifft, ihm aber andererseits im Verfahren über die Entrichtung von Absatzförderungsbeiträgen (so insbesondere wie hier: im Verfahren betreffend die Aberkennung von Begünstigungen) nicht ausdrücklich die Stellung einer Partei eingeräumt wird (wie den parlamentarischen Materialien (RV 811 B NR XIV. GP S. 8) zu entnehmen ist, wollte der Gesetzgeber die Verrechnung der Absatzförderungsbeiträge gegenüber dem Milchwirtschaftsfonds auf die Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe beschränken). Die Milcherzeuger scheinen aber in diesen Verfahren auf Grund des § 78 Abs 3 BAO Parteistellung zu haben, weil sich insoweit die Tätigkeit einer Abgabenbehörde (nämlich des Milchwirtschaftsfonds) auf sie bezieht. Diese Auslegung scheint angesichts der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach Parteienrechte im Verwaltungsverfahren je nach der Interessenlage sachgerecht abgegrenzt werden müssen (vgl. und die dort genannte Vorjudikatur), auch verfassungsrechtlich geboten, weil der Milcherzeuger auch in keinem anderen Verfahren - wie etwa ein gesetzlich zur Haftung für Abgaben Verpflichteter im Verfahren zur Geltendmachung der Haftung nach § 224 BAO (in dem auch die Abgabenvorschreibung selbst bekämpft werden kann, vgl. Doralt-Ruppe, Grundsätze des Österreichischen Steuerrechts II,

2. Auflage, Wien 1988, S. 183) - gegenüber der Behörde eine allfällige Rechtswidrigkeit der ihn letztlich treffenden Abgabenverpflichtung geltend machen kann.

e) Aufgrund dieser Überlegungen geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, daß nach §§71, 79, 80 und 81 MOG iVm § 78 BAO die beschwerdeführenden Milcherzeuger von Rechts wegen Parteistellung in den zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren hatten und daher auch die von ihnen gegen die angefochtenen Bescheide beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden zulässig sind."

b) Die Bundesregierung ist lediglich den Annahmen über die Beschwerdelegitimation der Milcherzeuger entgegengetreten. Sie gibt zunächst zu bedenken, daß sich die vom Verfassungsgerichtshof zitierte Äußerung von Stoll (Bundesabgabenordnung, Handbuch, Wien 1980, S. 177), alle jene Personen hätten Parteistellung, denen außerhalb eines Verfahrens, in dem sie nach den anderen Bestimmungen (§78 Abs 1 und 2 BAO) Partei sind, Verpflichtungen auferlegt werden, möglicherweise nicht auf § 78 Abs 3 BAO beziehe.

Die Bundesregierung führt dann weiter aus:

"Die Bundesregierung übersieht keineswegs, daß die Entziehung der Almbegünstigung gegenüber dem Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb wirtschaftliche Interessen des Milcherzeugers massiv berührt, gibt aber zu bedenken, daß etwa nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein bloß wirtschaftliches Interesse eine Parteistellung im Sinne des § 78 Abs 3 BAO nicht zu begründen mag. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 83/16/0110, ausgeführt, daß es sich nur um ein wirtschaftliches Interesse handle, wenn der Beschwerdeführer einwendet, auf Grund eines Sachhaftungsbescheides die Abgabenschuld eines anderen tragen zu müssen (in diesem Sinne auch das Erkenntnis vom , 1613 bis 1616/70).

Auch die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, wonach § 78 Abs 3 BAO so auszulegen sei, daß der Milcherzeuger davon erfaßt sei, weil dies eine verfassungskonforme Interpretation der die Parteistellung begründenden Bestimmungen erfordere, scheint nicht unbedingt zwingend zu sein. Auch aus dem vom Verfassungsgerichtshof erwähnten Erkenntnis vom , B639/87, ist nämlich nicht zwingend abzuleiten, daß der Umstand, der Milcherzeuger könne auch in keinem anderen Verfahren gegenüber der Behörde eine allfällige Rechtswidrigkeit der ihn letztlich treffenden Abgabenverpflichtung geltend machen, schon zur Gleichheitswidrigkeit derjenigen Bestimmungen führte, die die Abgrenzung des Parteienkreises vornehmen."

c) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Annahmen des Verfassungsgerichtshofes zu widerlegen. Zunächst sei eingeräumt, daß die vom Verfassungsgerichtshof zusammengefaßt wiedergegebene Äußerung Stolls im Original tatsächlich insoweit unklar ist, als nicht deutlich wird, ob die Parteistellung von Personen, denen (abgesehen von den Fällen des § 78 Abs 1 und 2) Verpflichtungen in einem Abgabenverfahren auferlegt werden, unmittelbar aus § 78 Abs 3 BAO abgeleitet wird. Zweifelsfrei meint Stoll aber, daß diesem Personenkreis jedenfalls an sich Parteistellung nach der BAO zukomme. Weiters sei eingeräumt, daß sich § 78 Abs 3 primär auf einen anderen Personenkreis und andere Fallkonstellationen als hier bezieht. Entscheidend ist aber, daß der Wortlaut des § 78 Abs 3 BAO, erkennen läßt, daß Personen, die auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde bezieht, in ihren subjektiven Rechten berührt werden. Der Verfassungsgerichtshof bleibt nämlich bei seiner im Einleitungsbeschluß angenommenen Rechtsansicht, daß es der Gleichheitssatz gebietet, den Milcherzeugern im Verfahren über die Entrichtung von Absatzförderungsbeiträgen für von den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieben von ihnen übernommene Milch subjektive öffentliche Rechte und damit Parteistellung zu gewähren:

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , B639/87, seine ständige Rechtsprechung (Hinweis auf VfSlg. 8279/1978 und die dort genannte Vorjudikatur, ferner VfSlg. 8397/1978, 9451/1982) zur Frage der verfassungsmäßigen Garantie der Parteistellung dahingehend zusammengefaßt, daß mit Ausnahme von Einzelfällen wie Art 119a Abs 9 B-VG keine Verfassungsnorm bestehe, die Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantieren würde. Jedenfalls scheide das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter als Maßstab für den Gesetzgeber aus, weil eben die durch das Gesetz bestimmte Behörde gegenüber den durch das Gesetz mit Parteirechten ausgestatteten Personen der "gesetzliche Richter" sei. Damit sei die Zuerkennung von Parteirechten freilich nicht in das Belieben des Gesetzgebers gestellt. Das die Parteirechte bestimmende Gesetz unterliege nämlich auch dem aus dem Gleichheitssatz (Art7 B-VG, Art 2 StGG) abzuleitenden Sachlichkeitsgebot (Hinweis auf VfSlg. 7182/1973, 8328/1978, 9094/1981 und 10692/1985). In aller Regel werde danach die Zuerkennung subjektiver Rechte auch die Zuerkennung von Parteirechten erfordern. Je nach dem Zweck des Verfahrens und der Eigenart und Bedeutung der berührten Rechtsposition könne aber auch die Versagung einer Parteistellung sachgerecht sein, wenn das Verfahren in der Hauptsache die Interessen eines anderen wahren soll.

Nach dem im Einleitungsbeschluß wiedergegebenen System der §§79 Z 1, 80 Abs 6, 81 Abs 6 MOG greift die in Rede stehende Abgabe hauptsächlich in das Eigentumsrecht des Milcherzeugers ein, da es sich beim formell abgabepflichtigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb bloß um durchlaufende Posten handelt. Es verstieße daher gegen den Gleichheitssatz, bloß dem Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb Parteistellung und damit Rechtsschutz zu gewähren, nicht aber dem milcherzeugenden Landwirt und damit den Eingriff in subjektive Rechte des Milcherzeugers zu verneinen. Anders als die Bundesregierung meint, wird durch die Bestimmungen des MOG bei verfassungskonformer Interpretation das wirtschaftliche Interesse der Milcherzeuger auch rechtlich geschützt, sodaß die angefochtenen Bescheide (auch) in die Rechtssphäre der Milcherzeuger selbst eingreifen.

Zwar sprechen die vom Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß wiedergegebenen Materialien dafür, daß der Gesetzgeber den milcherzeugenden Betrieben nicht Parteistellung gewähren wollte, doch ist dies nicht ausdrücklicher Inhalt des Gesetzes geworden. Aus den dargelegten Gründen ist jedoch in verfassungskonformer Auslegung des MOG und der BAO anzunehmen, daß die Milcherzeuger im Verfahren über die Entrichtung von Absatzförderungsbeiträgen Parteistellung haben und folglich auch die von ihnen erhobenen Beschwerden zulässig sind.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2.a) Seine inhaltlichen Bedenken gegen die zu prüfende Gesetzesbestimmung hat der Verfassungsgerichtshof folgendermaßen umschrieben:

"§71 Abs 5 MOG sieht für die Verletzung von Pflichten, die im Zusammenhang mit der Begünstigung der Lieferung von auf Almen erzeugter Milch bestehen, zwingend den Verlust dieser Begünstigung für einen Zeitraum von drei Jahren vor. Der Sache nach bewirkt der Verlust der Begünstigung eine - wie auch die Anlaßfälle zeigen - gravierende Abgabenerhöhung. Daß der Gesetzgeber bewußt eine (gravierende) Sanktion für ein Verhalten, das zu einer Abgabenverkürzung im Zusammenhang mit der Almbegünstigung führt, setzen wollte, ergibt sich auch aus dem Ausschußbericht (686 B NR XVI. GP) zur MOG-Novelle 1985, BGBl. 291, mit der diese Bestimmung erstmals eingeführt wurde ('Bezüglich der Almmilchregelung wurden Sanktionen gegen die Nichteinhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen sowie ein genaueres Meldesystem eingeführt.').

Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 10517/1985 zu Gebührenerhöhungen nach dem Gebührengesetz bei Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige ausgeführt hat, müssen gesetzliche Sanktionen, auch wenn es sich formell nicht um Strafen handelt, im Vergleich mit anderen Sanktionen des Abgabenrechtes sachlich sein und, wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 10926/1986 präzisiert hat, eine angemessene, nicht überschießende Reaktion auf ein Fehlverhalten des Abgabepflichtigen darstellen.

Eine solche überschießende Reaktion scheint § 71 Abs 5 zu enthalten, weil für verhältnismäßig geringes Fehlverhalten, wie etwa die Abgabe einer unrichtigen Meldung, unabhängig vom Verschulden eine äußerst gravierende Sanktion eintritt. Da nach dem Konzept des Gesetzes die Sanktion gegenüber dem Verfügungsberechtigten über eine Alm mit Wirkung für die Zukunft zu verhängen ist, trifft die Sanktion mitunter sogar eine Person, die das Fehlverhalten gar nicht gesetzt hat und die dieses Fehlverhalten anderer Personen auch gar nicht verhindern konnte, wie sich gerade im Verfahren B1333/88 zeigt (unrichtige Almmeldung durch den Pächter der Alm für ein bestimmtes Jahr bewirkt den Eigentümer der Alm treffende Entziehung der Almbegünstigung für die folgenden drei Jahre).

Darüber hinaus scheint § 71 Abs 5 auch in sich unsachlich, weil für die Verwirklichung von Tatbeständen stark verschiedenen Unrechtsgehaltes stets zwingend die gleiche Sanktion zu verhängen ist.

§ 71 Abs 5 in der genannten Fassung scheint daher insofern mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot in Widerspruch zu stehen. Zwar wurden in den vorliegenden Beschwerdefällen nur die Tatbestände der Z 1 und 3 des § 71 Abs 5 herangezogen, doch wird die dargestellte Verfassungswidrigkeit nicht ausschließlich durch die Tatbestände in den Z 1 bis 3, sondern vor allem durch die zwingende Gestaltung der Sanktion im Einleitungssatz des Abs 5 bewirkt. In Beziehung auf diese Verfassungswidrigkeit scheint daher der ganze Abs 5 untrennbaren Inhaltes zu sein, sodaß er zur Gänze in Prüfung zu ziehen ist."

b) Diesen Bedenken ist die Bundesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren ausdrücklich nicht entgegengetreten. Auch sonst ist nichts hervorgekommen, was gegen diese Bedenken spräche.

§71 Abs 5 MOG in der genannten Fassung ist daher wegen Widerspruchs zum verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot als verfassungswidrig aufzuheben, weil er unabhängig vom Unrechtsgehalt des Verstoßes eine gravierende Sanktion vorsieht, und zwar eine für die Verwirklichung von Tatbeständen stark verschiedenen Unrechtsgehaltes stets zwingend gleiche Sanktion. Durch diese Gleichheitswidrigkeit ist der gesamte § 71 Abs 5 mit Verfassungswidrigkeit belastet.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen.