VfGH vom 21.06.1989, g234/88

VfGH vom 21.06.1989, g234/88

Sammlungsnummer

12094

Leitsatz

Zulässigkeit eines Individualantrages auf Aufhebung des § 3 Abs 1 LadenschlußG idF BGBl. 421/1988; Verbindung mit einem amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung von Teilen des § 2 LadenschlußG aus Anlaß eines zulässigen Individualantrages auf Aufhebung des § 1 der Wr. LadenschlußV

Aufhebung des § 2 Abs 1 LadenschlußG (allgemeine Ladenschlußzeit an Werktagen für den Kleinverkauf von Waren) und von Teilen des § 2 Abs 4 LadenschlußG (Ermächtigung an den Landeshauptmann zur Verkürzung dieser zulässigen Offenhaltezeit) - unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit; durch Festlegung des Samstag Nachmittag als Sperrhalbtag in § 3 Abs 1 LadenschlußG idF BGBl. 421/1988 kein Überschreiten der dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung zustehenden Gestaltungsfreiheit

Spruch

1. § 2 Abs 1 und die Worte "Wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies zulassen, kann der Landeshauptmann mit Verordnung allgemein oder für Verkaufsstellen bestimmter Art oder für bestimmte Gebiete anordnen, daß, abweichend von den in den Abs 1 bis 3 festgesetzten Ladenschlußzeiten," sowie die Worte "die Verkaufsstellen um höchstens eine Stunde früher zu schließen und um höchstens eine Stunde länger geschlossen zu halten sind" in § 2 Abs 4 des Ladenschlußgesetzes, BGBl. Nr. 156/1958, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

2. § 3 Abs 1 des Ladenschlußgesetzes, BGBl. Nr. 156/1958 idF BGBl. Nr. 421/1988, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren über Individualanträge auf Prüfung des § 1 der Verordnung des Landeshauptmanns von Wien über den Ladenschluß an Werktagen (Wiener Ladenschlußverordnung, künftig: Wr. LSchV), LGBl. 21/1965, anhängig, die von einer zum Betrieb eines Handelsgewerbes befugten Kommanditgesellschaft und von deren gewerberechtlichem und handelsrechtlichem Geschäftsführer gestellt wurden. Diese Anträge sind zu V82/87 protokolliert.

b) Die mit den genannten Anträgen angefochtene Bestimmung des § 1 Wr. LSchV lautet:

"Alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Verkaufsstellen) sind, soweit sich nach den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt, an Werktagen von 18 Uhr bis 8 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln von 18.30 Uhr bis 7 Uhr geschlossen zu halten."

c) Der Verfassungsgerichtshof nahm in seinem Beschluß vom , V82/87-25, an, daß die beiden Anträge zulässig seien:

Da die angefochtene Bestimmung eine Beschränkung der Offenhaltezeiten für Handelsunternehmungen normiere, dürfte die antragstellende KG als zur Ausübung eines Handelsgewerbes Berechtigter in ihrer Rechtssphäre direkt betroffen sein. Eine solche direkte Betroffenheit nahm der Gerichtshof auch für den ebenfalls antragstellenden handels- und gewerberechtlichen Geschäftsführer der gewerbeausübungsberechtigten KG an, da dieser für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch das Unternehmen nach den Vorschriften der GewO und des § 9 VStG verantwortlich sei.

Weiters nahm der Verfassungsgerichtshof an, daß der Eingriff in die Rechtssphäre der Betroffenen nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt sei und die Interessen der beiden antragstellenden Parteien aktuell berührt seien. Auch dürfte den Antragstellern kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs in ihre Rechtsposition zur Verfügung stehen.

2. Aus Anlaß der Prüfung des § 1 Wr. LSchV hegte der Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Abs 1 und eines Teiles des Abs 4 des § 2 des Ladenschlußgesetzes (künftig: LSchG), BGBl. 156/1958. Er beschloß daher die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen. Dieses Verfahren ist zu G198/88 protokolliert.

a) Der unter der Rubrik "Allgemeine Ladenschlußzeiten an Werktagen" stehende § 2 LSchG hat folgenden normativen Inhalt:

§ 2 Abs 1 lautet:

"Die Verkaufsstellen (§1 Abs 1 bis 3) sind, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, an Werktagen von 18 Uhr bis 7.30 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln von 18.30 Uhr bis 6.30 Uhr, geschlossen zu halten."

Die Abs 2 und 3 enthalten hier nicht maßgebliche von dieser Regel abweichende Festlegungen der Zeiten, bis zu denen Verkaufsstellen für Milch und Milchprodukte sowie Bäckereibetriebe geschlossen zu halten sind.

§ 2 Abs 4 LSchG (die in Prüfung stehenden Worte sind hervorgehoben) normiert sodann:

"Wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies zulassen, kann der Landeshauptmann mit Verordnung allgemein oder für Verkaufsstellen bestimmter Art oder für bestimmte Gebiete anordnen, daß, abweichend von den in den Abs 1 bis 3 festgesetzten Ladenschlußzeiten, entweder

a) die Verkaufsstellen um höchstens eine Stunde früher zu schließen und um höchstens eine Stunde länger geschlossen zu halten sind oder

b) die Verkaufsstellen während der Geschäftszeiten durch höchstens zwei Stunden geschlossen zu halten sind."

(Mit Erkenntnis vom , G107/88, hat der Verfassungsgerichtshof die bei der Wiedergabe des § 2 Abs 4 LSchG nicht hervorgehobenen Worte als verfassungswidrig aufgehoben und für das Inkrafttreten der Aufhebung eine Frist bis bestimmt.)

b) Der Verfassungsgerichtshof nahm an, daß die angefochtene Bestimmung des § 1 der Wr. LSchV ihre gesetzliche Grundlage in Abs 1 und den bei der Wiedergabe des § 2 Abs 4 hervorgehobenen Worten des Abs 4 des § 2 LSchG findet, er also diese Bestimmungen bei der Entscheidung über die Verordnungsprüfungsanträge anzuwenden haben dürfte. Da er das Bedenken hatte, daß diese Bestimmungen mit der Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 Abs 1 StGG, letzter Fall) in Widerspruch stehen, leitete er ein Verfahren zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit ein und führte seine Bedenken dazu wie folgt aus:

"a) Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung G132/87 (und Folgezahlen) vom (betreffend den Sperrhalbtag im Ladenschlußrecht) ausgeführt hat, greifen generelle Regelungen, die die zulässigen Öffnungszeiten für Betriebseinrichtungen beschränken, in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit ein.

Der Gesetzgeber ist - wie der Gerichtshof in seiner oben zitierten Entscheidung (mwH auf frühere Judikatur) weiters dargetan hat - dem Art 6 StGG zufolge ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und unter bestimmten Umständen verboten ist, sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechts nicht verletzt und die gesetzliche Regelung auch sonst der Verfassung entspricht. Dies wurde durch die jüngere Judikatur dahin ergänzt und präzisiert, daß eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsfreiheit beschränkt, nur zulässig ist, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist.

Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsfreiheit zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Ausdrücklich hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten:

'Wenn die die Berufsausübung beschränkenden Regelungen - im Sinne der oben genannten Entscheidung (VfSlg. 10718/1985) - durch ein öffentliches Interesse sachlich gerechtfertigt sein müssen, so bedeutet das, daß Ausübungsregelungen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnde Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern.'

b) Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Überprüfung gesetzlicher Regelungen auf ihre Übereinstimmung mit der Erwerbsausübungsfreiheit zunächst zu prüfen, ob die Beschränkungen überhaupt im öffentlichen Interesse liegen. Bei der Entscheidung, welche (etwa wirtschafts- oder sozialpolitische) Ziele der Gesetzgeber mit seinen Regelungen verfolgt, ist ihm innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Unter Hinweis auf VfSlg. 9911/1983 und andere Entscheidungen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem eben zitierten Erkenntnis betreffend den Sperrhalbtag darauf hingewiesen, daß er nicht zu beurteilen habe, ob die Verfolgung eines bestimmten Ziels zweckmäßig ist; er könne dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolge, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen seien.

In der genannten Entscheidung ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die Ziele, denen die damals in Prüfung gestandenen Bestimmungen des LSchG dienten - die Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher, die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion - an sich im öffentlichen Interesse liegen. Der Gerichtshof nimmt vorläufig an, daß diese Ziele auch den nunmehr in Prüfung gezogenen Bestimmungen zugrunde liegen und sieht auch im vorliegenden Fall keinen Anlaß daran zu zweifeln, daß diese Zielsetzungen des Gesetzes im öffentlichen Interesse liegen. Er hat aber Bedenken ob der Tauglichkeit und Adäquanz der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des LSchG zur Erreichung dieser Ziele:

c) Durch die in Prüfung gezogene Regelung des § 2 Abs 1 LSchG wird die zulässige Offenhaltezeit von Verkaufsstellen für den Kleinverkauf von Waren festgelegt, und zwar durch exakte Festlegung von Zeiten, in denen die Verkaufsstellen geschlossen zu halten haben. Konfrontiert man diese Regelung mit den Zielen, denen das Ladenschlußgesetz dient und die als im öffentlichen Interesse gelegen anerkannt werden, so zeigt sich - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig meint - folgendes:

aa) Zur Erreichung des Ziels, verbraucherfreundliche Einkaufszeiten zu bewirken, scheint die zeitliche Beschränkung der Offenhaltezeit offenkundig absolut untauglich zu sein. Dies einerseits deshalb, weil die Begrenzung von Offenhaltezeiten stets die Wirkung hat, daß der Konsument in seinen Einkaufsmöglichkeiten beschränkt wird, und andererseits deshalb, weil die Ladenschlußregelung ja keine Verpflichtung zum Offenhalten normiert, sondern bloß ein Gebot zum Geschlossenhalten der Verkaufsstellen zu bestimmten Zeiten.

bb) Was das (wettbewerbsordnende) Ziel des LSchG anlangt, die Gewerbetreibenden nicht zu überlangen Geschäftszeiten zu nötigen, die vielfach betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären (so die EB zum Entwurf zum geltenden LSchG, 478 BlgNR, 8. GP), so scheint dem Verfassungsgerichtshof die Regelung zwar an sich tauglich zu sein, aber eine unverhältnismäßige Beschränkung zu bewirken. Dieses Ziel mag es rechtfertigen, von Gesetzes wegen Maximaloffenhaltezeiten festzulegen; der Verfassungsgerichtshof vermag aber - zumindest vorerst - nicht zu erkennen, daß es die wettbewerbsordnende Funktion sachlich zu rechtfertigen vermag, den Unternehmern vorzuschreiben, zu welchen Zeiten sie ihre Geschäfte offenhalten dürfen und wann sie diese geschlossen zu halten haben.

cc) Aber auch die sozialpolitische Funktion des Ladenschlußrechts scheint die Regelung nicht rechtfertigen zu können: Der Verfassungsgerichtshof hat schon im mehrfach zitierten Erkenntnis vom , G132/87 (und Folgezahlen) darauf hingewiesen, daß die Regelung und Begrenzung der Arbeitszeit, in der Dienstnehmer beschäftigt werden dürfen, primär Aufgabe der arbeits(zeit)rechtlichen Regelungen (insb. des ArbeitszeitG und des ArbeitsruheG) ist. Unter Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des geltenden LSchG hat er ausgeführt, daß auch das Ladenschlußgesetz - wenngleich es Unternehmer auch dann bindet, wenn sie keine Arbeitnehmer beschäftigen - eine sozialpolitische (Hilfs)Funktion hat, die sich daraus ergibt, daß allzulange Geschäftszeiten bei jenen Handelsbetrieben, die Arbeitnehmer beschäftigen, die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften erschweren könnten. Der Verfassungsgerichtshof hat ausdrücklich festgehalten, daß auch Auswirkungen von primär gewerberechtlichen Vorschriften auf die Lage der Arbeitnehmer eine Beschränkung der Freiheit der Erwerbsbetätigung (sowohl der selbständig wie auch der unselbständig Tätigen) rechtfertigen können, wenn das Gewicht der geschützten Interessen die Grundrechtsbeschränkung zu rechtfertigen vermag. Er hat dazu ausgeführt:

'So werden etwa Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer, sofern sie die freie Erwerbs- und Berufsausübung einschränken, auch weitgehende Beschränkungen des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts rechtfertigen und auch Vorkehrungen für ausreichende Ruhe- und Erholungszeiten sowie der Schutz vor überlangen Arbeitszeiten werden eine weitergehende Beschränkung der sich aus Art 6 StGG ergebenden Rechtspositionen rechtfertigen.'

Die in Prüfung gezogene Regelung, die die Sperrzeiten generell zeitlich fixiert, scheint aber in die Erwerbsfreiheit wesentlich weiter einzugreifen, als dies durch die sozialpolitische Zielsetzung des Gesetzes gerechtfertigt werden kann. So dürfte schon angesichts der Tatsache, daß die maximalen Offenhaltezeiten auch nach geltendem Recht deutlich über den zulässigen Arbeitszeiten des Verkaufspersonals liegen, die Regelung nur bedingt geeignet sein, eine Überschreitung der Arbeitszeit hintanzuhalten. Aber auch Aspekte des Schutzes der Gesundheit und ausreichender Ruhe- und Erholungszeiten scheinen die gesetzliche Regelung nicht rechtfertigen zu können: Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt nicht, daß es sachlich gerechtfertigt wäre, würde das LSchG etwa - in Entsprechung der Regelung des § 12 Arbeitszeitgesetz - vorschreiben, daß die Verkaufsstellen in der Nacht durch 11 Stunden geschlossen zu halten sind; auch dürfte es (angesichts der großen Zahl der im Handel beschäftigten weiblichen Dienstnehmer) keine unverhältnismäßige Einschränkung der Erwerbsfreiheit darstellen, würde das Ladenschlußrecht - in Übereinstimmung mit den Regelungen des BG über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. 237/1969 - ein Geschlossenhalten zu jenen Zeiten anordnen, in denen die Beschäftigung von Frauen als Nachtarbeit grundsätzlich verboten ist, was gemäß § 3 Abs 2 leg.cit. in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr der Fall ist.

Die Regelung des § 2 Abs 1 LSchG scheint aber durch die Fixierung ganz bestimmter Zeiten, in denen die Verkaufsstellen geschlossen zu halten sind und durch den Beginn der Sperrverpflichtung um 18.00 Uhr viel weitergehende Einschränkungen vorzusehen, für die der Verfassungsgerichtshof - zumindest vorerst - keine Rechtfertigung zu erkennen vermag.

d) Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt somit, daß die Bestimmung des § 2 Abs 1 LSchG durch die genannten Ziele des Ladenschlußrechts - der Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher, die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion - sachlich gerechtfertigt werden kann. Er vermag - zumindest vorläufig - auch keine anderen Ziele zu erkennen, die die nunmehr in Prüfung gezogene Regelung der allgemeinen Ladenschlußzeiten in § 2 Abs 1 LSchG sachlich zu rechtfertigen vermöchten, weshalb er in Ansehung dieser Bestimmung das Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten hatte.

e) Die ebenfalls in Prüfung gezogene Bestimmung des § 2 Abs 4 LSchG ermächtigt den Landeshauptmann zur teilweisen Verkürzung der gemäß § 2 Abs 1 zulässigen Offenhaltezeiten. Das bedeutet unter dem Gesichtspunkt der Erwerbsfreiheit eine Ermächtigung zu einer noch weitergehenden Beschränkung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts. Die oben dargestellten Bedenken treffen daher umsomehr auch für die Ermächtigung des § 2 Abs 4 lita LSchG zu, weshalb auch diese Bestimmung in Prüfung zu ziehen war."

Angesichts des Einleitungsbeschlusses zum oben erwähnten Gesetzesprüfungsverfahren G107/88, das zwischenzeitig zur Aufhebung einiger Worte in § 2 Abs 4 LSchG geführt hat, und im Hinblick darauf, daß sich die angefochtene Bestimmung des § 1 Wr. LSchV nur auf jenen Teil des § 2 Abs 4 LSchG stützt, der nicht vom Prüfungsverfahren G107/88 erfaßt war, beschränkte der Verfassungsgerichtshof den Gegenstand des mit diesem Beschluß eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens auf die in der Wiedergabe des § 2 Abs 4 LSchG hervorgehobenen Worte.

3. Die Bundesregierung sah von einer gesonderten Äußerung in diesem Verfahren und von einer Antragstellung ab.

4. Der Verfassungsgerichtshof gab im Vorverfahren der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (BWK) und dem Österreichischen Arbeiterkammertag (ÖAKT) Gelegenheit, eine Äußerung zum Gegenstand des Gesetzesprüfungsverfahrens zu erstatten. Beide gesetzlichen Interessenvertretungen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht:

a) Die BWK vertritt die Ansicht, daß der Gesetzgeber des LSchG durch die in Prüfung gezogene Regelung die Ziele, die der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom , G132/87 u.a., als im öffentlichen Interesse liegend angesehen hat, nicht "in einer grundrechtsbedenklichen Weise" zu realisieren gesucht hat.

Die BWK betont, daß es ihrer Ansicht nach unzulässig wäre,

"bei der Beurteilung der vom VfGH als für seine Entscheidung, über die in Rede stehende Bestimmung des LSchlG das Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, maßgeblichen Überlegung diese Zielsetzungen jeweils isoliert zu betrachten, also hinsichtlich der Frage verbraucherfreundlicher Einkaufszeiten nur das Verbraucherinteresse, der Frage wettbewerbsordnender Ziele nur den Standpunkt der Gewerbetreibenden und der Frage sozialpolitischer Zielsetzung ausschließlich die Sicht der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Vielmehr sind alle diese Problembereiche stets vom Standpunkt vernetzter Regelungsziele aus und daher als Kompromißregelung zu sehen, die immer allen drei Interessenzielen gerecht zu werden hätten."

Was das Verbraucherinteresse anlangt, verweist die BWK darauf,

"daß die Bestimmungen des § 1 Abs 1 bis 3 LSchlG wöchentliche Verkaufszeiten von 58 Stunden (allgemein) bzw. von 66,5 (Lebensmittelhandel), 69 (Milch, Brot) oder 72 Stunden (Bäcker) ermöglichen. Wenn der Gerichtshof unter cc) auf die offenbar akzeptable Regelung über das Verbot der Nachtarbeit für Frauen zwischen 20.00 bis 6.00 Uhr hinweist, ergäbe dies unter Berücksichtigung eines ebenfalls grundrechtskonformen Sperrhalbtages eine wöchentliche Verkaufszeit von 77 Stunden.

Ein besonderes Problem dürfte der do Gerichtshof darin erblicken, daß der Gesetzgeber die Zeitpunkte fixiert hat, an denen offengehalten werden darf oder gesperrt werden muß. Diese Zeiten sind allgemein mit 7.30 und 18.00 Uhr festgelegt.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann wohl angenommen werden, daß für den Einkauf im Nichtlebensmittelbereich vor diesem Zeitpunkt aus Konsumentensicht kein Bedarf besteht. Anders mag die Problematik beim Zeitpunkt der Ladensperre liegen. Berücksichtigt man die Lebensgewohnheiten der Bevölkerung und die Tatsache, daß in weiten Bereichen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens Arbeitszeiten bestehen, die ein Einkaufen bereits am frühen Nachmittag für die Konsumenten ermöglichen, so ist die Frage nach der Unverhältnismäßigkeit der Festlegung des Endes der Verkaufszeiten jedoch einigermaßen relativiert. Zudem sind in mindestens 300 Orten (Stand der Ausnahmeregelungen bei Erscheinen des 'Ladenschlußgesetzes samt Landesregelungen' von Kupka, Wien 1971, seither erheblich mehr) Fremdenverkehrsregelungen in Kraft, die die Sperrzeiten bis 20.00 Uhr festlegen, was einen Offenhalterahmen von 75 Stunden ergibt. Die Gesamtdauer dieser Verkaufszeiten in Fremdenverkehrsorten dürfte sich auf keinen Fall verkürzen."

Die Bundeskammer meint weiters,

"daß bei der Suche nach einer sowohl tauglichen wie angemessenen Lösung jedenfalls dem Problem der Fixierung des Beginnes und des Endes der Verkaufszeiten besonderes Gewicht beizumessen wäre, und zwar aus der Sicht aller drei das LSchlG beherrschenden Zielsetzungen:

1. Wie sich auch bei dem derzeit laufenden Ladenschlußversuch gezeigt hat, haben die Verbraucher wenig Interesse an einem differenzierten und unübersichtlichen Verkaufszeitenangebot, wenn die daraus folgenden Suchkosten auch betragsmäßig natürlich kaum zu beziffern wären. Es ist daher anzunehmen, daß der Bedarf nach konkret erst zu erhebenden Sperrzeiten auf dieser Seite gering ist.

2. Im Bereich der Verkaufsstelleninhaber halten sich die Befürworter liberaler Ladenöffnungszeiten in etwa die Waage mit jenen, die aus Furcht vor einer Verschlechterung ihrer Position im Wettbewerb weiterhin an gesetzlich geregelten Offenhaltezeiten festhalten wollen. Es fragt sich daher, ob ein völliger Verzicht auf die Fixierung von zeitlichen Eckpunkten aus der Sicht der wettbewerbsordnenden Zielsetzung tauglich (wenn auch adäquat) wäre.

3. Es ist nicht Aufgabe der Bundeskammer die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Nichtsdestoweniger kann angenommen werden, daß die gesetzliche Fixierung des Sperrzeitenrahmens während der Nachtstunden nicht nur mit den Arbeitnehmerwünschen sondern auch mit der Adäquanz des Eingriffes übereinstimmen würde."

b) Der ÖAKT beschäftigte sich in seiner Stellungnahme zunächst mit den konkreten Zielen, denen die Ladenschlußregelung dient. Er vertrat dazu die Auffassung, daß der Verbraucher nicht nur Interesse an langen Öffnungszeiten, sondern noch weitere schutzwürdige Interessen, wie die Sicherung der Nahversorgung, die Sicherung eines preisgünstigen Einkaufs, die Sicherung fachkundiger Beratung und die Sicherheit, zu bestimmten Zeiten Verkaufsstellen auch tatsächlich geöffnet vorzufinden, habe, die mit der Regelung der Ladenschlußzeiten in engem Zusammenhang stünden. Im einzelnen führte der ÖAKT dazu insbesondere aus:

"a) Durch längere Öffnungszeiten und besonders durch Öffnungszeiten während der späten Abendstunden entstehen in der Regel für die Inhaber der Verkaufsstellen höhere Kosten. Ob langfristig durch längere Öffnungszeiten eine Steigerung des Umsatzes oder gar des Ertrages der Handelsbetriebe erreicht werden kann, ist in höchstem Maße umstritten. Es spricht sehr viel dafür, daß durch längere Öffnungszeiten höhere Kosten einem gleichbleibenden oder doch nur geringfügig höheren Umsatz und Ertrag gegenüberstehen (Gutachten 'Öffnungszeiten' des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen, im folgenden Gutachten genannt,

S. 75 f).

Daraus ergibt sich, daß eine Anhebung der Preise im Zuge längerer Öffnungszeiten wahrscheinlich ist.

b) Ausgebildete und mit Fachkenntnissen ausgestattete Verkäufer (gleichgültig, ob sie selbständig oder unselbständig sind) bedürfen in der Regel einer spezifischen Ausbildung und langjähriger Praxis. Geschulte und qualifizierte Arbeitskräfte sind in der Regel in der Lage, die am Arbeitsmarkt angebotenen Arbeitsbedingungen zumindest zu einem Teil mitbestimmen zu können, weil ihre Qualifikationen von mehreren Unternehmen nachgefragt werden.

Sollten sich die Arbeitsbedingungen (zum Unterschied von Arbeitsbedingungen etwa in der Industrie) durch die Notwendigkeit der Arbeit am späteren Abend oder am Wochenende verschlechtern, so ist zu erwarten, daß die im Handel beschäftigten qualifizierten Kräfte teilweise den Arbeitsplatz wechseln und in Branchen mit besseren Bedingungen übersiedeln werden.

Dies ist nicht nur eine theoretische Befürchtung, dem Arbeiterkammertag sind aufgrund seiner Kontakte mit Arbeitnehmern und deren Problemen zahlreiche Fälle bekannt, in denen vor allem jene im Handel beschäftigten Arbeitnehmer ihre Absicht bekundet haben, die Branche zu verlassen, die leicht zu besseren Arbeitsbedingungen in anderen Branchen unterkommen können.

Diese mögliche Schlußfolgerung für viele Betroffene wird auch durch die jüngste empirische Untersuchung zum Thema 'Öffnungszeiten' durch die Arbeiterkammer Steiermark belegt (Handelsangestellte und Ladenschluß in der Steiermark 1985-1988, Graz, Oktober 1988, im folgenden Untersuchung Steiermark genannt, S. 55 f).

Natürlich besteht die Möglichkeit, daß frei werdende Arbeitsplätze durch andere Arbeitnehmer besetzt werden. Sehr oft haben aber diese Arbeitnehmer (noch) nicht die entsprechenden Qualifikationen, sodaß das Service gegenüber den Kunden durch längere Öffnungszeiten insgesamt leiden könnte und die Verbraucher im Durchschnitt mit weniger Information und weniger Betreuung bei ihren Kaufentscheidungen rechnen müssen.

c) Seit wird bekanntlich aufgrund einer befristeten Änderung des Ladenschlußgesetzes (BGBl. 421/88) erprobt, wie sich längere und flexiblere Öffnungszeiten in der Praxis auswirken. ...

In der Anfangsphase dieses Versuches erweiterter Öffnungszeiten gab es aufgrund dieser Gesetzeslage erhebliche Proteste der Verbraucher bei den Interessenvertretungen, aber auch in den Medien, die sich entschieden gegen die Verunsicherung der Konsumenten durch variable Öffnungszeiten wandten. Der Verbraucher hat nicht in erster Linie ein Interesse daran, daß die Verkaufsstelle, bei der er einkaufen will, einen möglichst großen Spielraum für Öffnungszeiten hat, er möchte vielmehr wissen, wann er tatsächlich einkaufen kann. Immerhin sind die meisten Verbraucher aufgrund ihrer Arbeitsverpflichtungen, aber auch ihrer Familienverpflichtungen und ihres Freizeitverhaltens an bestimmte Einkaufszeiten gebunden.

Ein möglichst weiter Spielraum für das Offenhalten der Verkaufsstellen kann daher nicht ohne Einschränkungen als im Verbraucherinteresse liegend angesehen werden. Unterschiedliche tatsächliche Öffnungszeiten im Rahmen weit gesteckter gesetzlicher Grenzen sind für den Verbraucher im Einzelfall nicht vorhersehbar, der Konsument wird in seiner Entscheidung zum Einkauf verunsichert.

Ein Öffnungszeitenmodell, das zwar die Gesamtdauer der Öffnungszeiten begrenzt, jedoch ihre zeitliche Lage innerhalb eines sehr weit gesteckten Rahmens in die freie Disposition der Ladeninhaber stellt, geht also an sachlichen Erfordernissen der Öffnungszeiten im Sinne der Verbraucher völlig vorbei."

Bei der wettbewerbspolitischen Zielsetzung des LSchG gehe es nach Ansicht des ÖAKT um eine "Kanalisierung des Wettbewerbs in einem von öffentlichen Interessen zur Wettbewerbsbegrenzung gekennzeichneten Bereich", die dem Gesetzgeber überlassen werden müsse. Es gehe insbesondere um den Schutz der Kleingewerbetreibenden vor übermächtiger Konkurrenz von Großhandelsketten, da allzu liberale Ladenöffnungsregeln den Markt in einem öffentliche Interessen beeinträchtigenden Ausmaß zugunsten von Großunternehmungen verschieben könnten. Großunternehmungen könnten durch Schichteinteilung einen größeren Öffnungszeitenrahmen leichter ausschöpfen; abendliche Einkaufsfahrten in am Stadtrand gelegene Großbetriebe könnten gefördert werden; es müsse verhindert werden, daß sich ein Markt zum Oligopol oder in verschiedenen Bereichen sogar zum Monopol entwickle.

In Erörterung der sozialpolitischen Motive des LSchG betont der ÖAKT, daß Ladenöffnungsregeln zwar nicht vorrangig sozialpolitische Zielsetzungen verfolgen, aber mit Arbeitszeitbedingungen der Beschäftigten in mehrfacher Hinsicht sehr eng verbunden seien, und führt dazu insb. aus:

"Wie sozialwissenschaftliche Untersuchungen des Arbeiterkammertages ergeben haben ('Arbeitszeiten im Österreichischen Einzelhandel', August 1985; 'Arbeitszeiten und familiäre Situation von im Einzelhandel arbeitenden Müttern', November 1988) besteht eine direkte Relation zwischen der Länge der Öffnungszeiten und der Dauer der Arbeitszeiten für den einzelnen Arbeitnehmer.

Im Zuge des seit geltenden Versuchs verlängerter Öffnungszeiten konnte ebenfalls empirisch festgestellt werden, daß zusätzliche Öffnungsmöglichkeiten für Handelsbetriebe fast ausschließlich durch Überstunden bzw. Mehrleistungen der Arbeitnehmer abgedeckt werden, daß aber kaum zusätzliches Personal eingestellt wird.

Das bedeutet, daß weitere Verlängerungen der Öffnungszeiten zu einer Verlängerung der Arbeitszeit der Beschäftigten führen würden."

Besonders stark sei der Einfluß der Öffnungszeiten auf die sozialpolitisch gesehen sehr wichtige Lage der Arbeitszeit von Arbeitnehmern. Das AZG enthalte nur wenige bindende Vorschriften über die Festlegung der konkreten Arbeitszeit; die Lage der Arbeitszeit werde durch kollektivvertragliche bzw. individualrechtliche Vereinbarungen bestimmt.

"Ladenöffnungszeiten, die vom Gesetz- bzw. vom Verordnungsgeber festgesetzt sind, legen verbindliche Grenzen für die Vereinbarung bzw. Dienstgeberweisung über die Lage der Arbeitszeit fest. Sie bedeuten so gerade für die Schwächeren unter den im Handel Beschäftigen nahezu die einzige effektive Schutzvorschrift gegen die Ausdehnung der Arbeitszeiten in die späteren Abendstunden und gegen willkürliche Verschiebungen der Arbeitszeit.

Ladenöffnungsregelungen haben insofern nicht bloß eine sozialpolitische Hilfsfunktion, sondern eine direkte arbeitsrechtliche Auswirkung.

Insofern besteht zwischen den in § 2 LSchG vorgesehenen Öffnungszeiten und den Öffnungszeiten am Wochenende ein wesentlicher Unterschied, weil das die Wochenendarbeit regelnde Arbeitsruhegesetz sehr wohl Aussagen über die Lage der Arbeitszeiten trifft. ... (D)ie Sachlage (sei) bei den Sperrzeiten an den Wochentagen völlig anders: Der sozialpolitische Schutz des Arbeitnehmers gegen Arbeitsanordnungen zu subjektiv belastenden Zeiten an Wochentagen Montag bis Freitag und gegen willkürliche Verschiebungen der Arbeitszeiten in die Abendstunden kann für die im Handel Beschäftigten nur durch Ladenschlußregelungen gewährleistet werden. Arbeitszeitregelungen in diese Richtung gibt es nicht und kann es nicht geben (damit wäre eine generelle Norm für alle Betriebe und Branchen überfordert), die individualrechtliche und kollektivrechtliche Position der Arbeitnehmer im Handel ist aber zur Erreichung adäquater Regelungen zu schwach, weil nicht nur Arbeitgeberinteressen, sondern auch Interessen von Dritten auf die Lage der Arbeitszeiten massiv Einfluß nehmen und diese bestimmen, wenn keine öffentlich-rechtlichen, angemessenen Begrenzungen der Öffnungszeiten bestehen."

Sozialpolitisch bedeutsam sei vor allem auch, daß am Abend für Arbeitnehmer mit familiären Bindungen am ehesten die Möglichkeit bestehe, das Abendessen im Familienkreis einzunehmen, kulturelle Veranstaltungen mit dem Ehepartner bzw. den Eltern oder Kindern zu besuchen, Weiterbildungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen und gesellschaftliche Kontakte zu pflegen. Besonders hervorzuheben sei die Möglichkeit für die Eltern, gegenüber Kindern an den Abenden ihren Erziehungsaufgaben nachzukommen; durch eine Verschiebung der Ladenschlußzeiten etwa auf 20 Uhr würde auf diese Weise der in der MRK vorgesehene Schutz des Familienlebens sowie das geschützte Erziehungsrecht der Eltern schwer beeinträchtigt.

Zum Argument, daß auch andere Arbeitnehmergruppen aufgrund der für sie geltenden Arbeitszeitregelung mit Arbeiten zu ungünstigen Zeiten rechnen müßten, führt der ÖAKT aus, daß es auf die Abwägung mit den jeweiligen Interessen ankomme und öffentliche Interessen beispielsweise im Krankenpflegedienst sicherlich schwerer wiegen als bei der Befriedigung von Einkaufsbedürfnissen. Überdies müsse

"in diesem Zusammenhang auch auf den Umstand hingewiesen werden, daß Rechtsgrundlagen, Gewohnheiten und bisherige Übungen in bestimmten Berufen eine ganz entscheidende Rolle für die soziale Situation der Betroffenen spielen:

Bei Berufen, in denen Arbeit am Abend, in der Nacht und auch am Wochenende üblich ist (Verkehrsbedienstete, Krankenpflegepersonal) sehen arbeitsrechtliche Normen in der Regel zwingend Wechseldienste vor, die den Betroffenen zumindest an einem erheblichen Prozentsatz der Wochentage auch Freizeit am Abend, in der Nacht und an Wochenenden gewährleisten. Jedem, der solche Berufe wählt, ist bei Eintritt in den Beruf die Belastung durch die Arbeitszeiteinteilung klar gewesen. Er konnte seine Lebens- und auch Freizeitplanung auf die Gegebenheiten zum Beispiel im Krankenpflegedienst oder im Verkehrsdienst einstellen.

Ganz anders ist die Situation für die im Handel Beschäftigten:

Als sie ihren Beruf ergriffen haben, konnten sie ebenfalls mit bestimmten Arbeitszeiten und Freizeiten rechnen, sie haben ihr Leben diesen Umständen angepaßt.

Wenn nun aufgrund einer aufhebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes solche Änderungen in den kollektiv- und einzelvertragsrechtlichen Grundlagen der Arbeitsverhältnisse bewirkt werden, die an jedem Tag der Woche eine Arbeit bis in die Abendstunden verpflichtend machen, ergäbe sich dadurch eine ganz massive Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für diese Menschen. Viele wären sogar gezwungen, aus dem von ihnen gewählten Beruf wieder auszuscheiden, um zumindest fallweise am Abend im Kreise der Familie und bei den Kindern zu Hause sein zu können. Die Erwerbsfreiheit dieser Menschen würde durch eine entsprechende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes faktisch beseitigt werden.

Aufgrund der Verhältnisse im Handel (vgl. beiliegende Studien der Arbeiterkammer) ist zudem zu erwarten, daß noch liberalere Öffnungszeiten das Ausmaß variabler Arbeitszeiten erheblich vergrößern würden. Es wäre damit zu rechnen, daß in Anpassung an kurzfristig schwankende Kundenwünsche und Kundeninteressen (zB beim überraschenden Zustrom großer Käuferschichten aus dem benachbarten Ausland) Arbeitszeiten verschoben, unterbrochen und unvorhergesehen eingeteilt werden. Eingeplante Freizeit müßte aufgrund kurzfristiger Arbeitszeitverschiebungen aufgegeben werden.

Wenn die aufgrund der bisherigen Erfahrungen und empirischen Untersuchungen gerechtfertigten Befürchtungen des Arbeiterkammertages eintreten, daß bei verlängerten Öffnungszeiten auch die Arbeitszeiten verlängert werden und einseitige Arbeitszeitverschiebungen durch den Arbeitgeber auf Druck einiger Konsumenten stattfinden, hat dies auch äußerst negative Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation der betroffenen Arbeitnehmer."

Der ÖAKT weist überdies auf sicherheitspolitische Aspekte der geltenden Ladenschlußregelung hin und meint, daß Ladenöffnungszeiten in den späten Abendstunden die Gefahr der Erhöhung der Kriminalität in diesem Bereich bewirken könnten. Auswirkungen würden sich durch verlängerte Öffnungszeiten auch für die Infrastruktur (insb. von Betreuungseinrichtungen für Kinder und sonstigen Sozialeinrichtungen), für Zulieferbetriebe und für das öffentliche Verkehrswesen ergeben, wodurch einerseits höhere Kosten und andererseits ungünstigere Arbeitsbedingungen für eine Reihe von Dienstnehmern bewirkt würden.

Der ÖAKT meint zusammenfassend, daß insb. eine Öffnungszeitregelung, die nur zwischen 20 Uhr und 6 Uhr eine absolute Sperrverpflichtung vorsieht und im übrigen einzelnen Unternehmen einen mehr oder weniger großen Spielraum läßt, die wettbewerbsordnenden und sozialpolitischen Zielsetzungen einer Ladenschlußregelung klar verfehlen würde. Die geltende Regelung sei im Vergleich zu diesem in Diskussion stehenden Modell sachgerechter. Die derzeitige Regelung sei wohl nicht die einzig sachgerechte, jedenfalls aber doch eine adäquate Lösung; ihre Aufhebung würde den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unangemessen beschränken.

Es sei "aufgrund zahlreicher sozialwissenschaftlicher Untersuchungen und Erhebungen erwiesen, daß das Bedürfnis der Konsumenten nach längeren Öffnungszeiten keineswegs einer zwingenden, in weiten Kreisen der Bevölkerung gegebenen Notwendigkeit entspricht, sondern allenfalls der Bequemlichkeit dienlich ist, vor allem der Bequemlichkeit und der Annehmlichkeit einkommenstärkerer Bevölkerungsgruppen.

Von den Arbeitgebern her gesehen stellen längere Öffnungsmöglichkeiten für größere Betriebe und Einkaufszentren einen möglichen Marktvorteil dar, der aber zu Lasten kleinerer Betriebe gehen könnte.

Beide Interessen scheinen dem Österreichischen Arbeiterkammertag nicht so gewichtig zu sein, daß sie gegen die geltend gemachten sozialen, konsumentenpolitischen und wettbewerbsordnenden sowie gesellschaftspolitischen Funktionen einer einschränkenden Ladenöffnungsregelung durchdringen können."

Der Gesetzgeber habe durch die Novelle BGBl. 421/1988 sehr wohl auf Forderungen in der Öffentlichkeit und Veränderungen in der Gesellschaft reagiert:

"Die versuchsweise Verlängerung der Öffnungszeiten nimmt sowohl auf Konsumentenwünsche Rücksicht, als auch auf die Interessen der im Handel Beschäftigten: Wenn einmal in der Woche die Möglichkeit zu entsprechenden Familienkontakten am frühen Abend für die im Handel Beschäftigten gestört ist, so mag dies im Interesse einer besseren Betreuung der Konsumenten noch gerechtfertigt sein; die Familienkontakte an den übrigen 4 Tagen einer 5-Tage-Woche mögen ausreichen, um die familiäre und gesellschaftliche Isolierung des Arbeitnehmers zu vermeiden.

Eine weitergehende Einschränkung der Abendfreizeit für Handelsbeschäftigte wäre aber wohl weder konsumentenpolitisch notwendig und wettbewerbspolitisch sinnvoll, noch mit den Freizeit- und Familieninteressen der Beschäftigten vereinbar. ...

Gerade in Anbetracht der 1988 vorgenommenen Änderungen der Ladenöffnungszeiten erscheint dem Österreichischen Arbeiterkammertag ein Vorwurf an den Gesetzgeber, die Erwerbsfreiheit durch die zu überprüfenden Bestimmungen des Ladenschlußgesetzes unverhältnismäßig zu beschränken, sachlich kaum begründbar."

5. Die Antragstellerinnen im Verordnungsprüfungsverfahren, aus dessen Anlaß der Verfassungsgerichtshof das Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet hat, haben als Beteiligte in diesem Verfahren eine Äußerung erstattet: Dabei sind sie der in der Äußerung der BWK vertretenen Auffassung, daß in weiten Bereichen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens Arbeitszeiten bestehen, die ein Einkaufen bereits am frühen Nachmittag für die Konsumenten ermöglichen, entgegengetreten. Auch die Tatsache, daß in zahlreichen Fremdenverkehrsorten Ausnahmeregelungen gelten, könne eine Grundrechtskonformität nicht bewirken, insbesondere weil die Antragsteller keine Möglichkeit hätten, derartige Ausnahmeregelungen zu erwirken. Unter Hinweis auf Koppensteiner, Wettbewerbsrecht, Bd 2, 2. Aufl. 284, wird ausgeführt, "daß die gesamte Ladenschlußregelung in Wirklichkeit mit der Wahrnehmung von Konsumenteninteressen überhaupt nichts zu tun" habe.

Den in der Stellungnahme des ÖAKT vorgebrachten Argumenten hält die Äußerung der beteiligten Antragstellerinnen im Verordnungsprüfungsverfahren insbesondere folgendes entgegen:

Eine Verlagerung der Ladenschlußzeiten müsse insgesamt zu keiner wesentlichen Verlängerung der Öffnungszeiten führen; die Frage möglicher Mehrkosten sei Sache der unternehmerischen Kalkulation und der Marktverhältnisse. Die Auffassung, die Ladenschlußzeiten bildeten einen zentralen Angelpunkt des Wirtschaftslebens und seien für die Kostenstruktur des Handels, die Qualität der Bedienung, die Qualifikation des Personals und die Lebensqualität der Bevölkerung verantwortlich, sei "bei weitem überzogen":

"Gerade aus der vom Arbeiterkammertag vorgelegten Studie über den Ladenschluß in der Steiermark geht hervor, daß die Frage des Ladenschlusses nur im Zusammenhang mit anderen Faktoren gesehen werden kann. So heißt es ausdrücklich (Seite 43): 'Je mehr auf die Arbeitnehmer bei der Arbeitszeiteinteilung beziehungsweise Arbeitszeitregelung Rücksicht genommen wird, desto toleranter sind sie in der Ladenschlußfrage. Je weniger sie mitreden können, desto eher wollen sie wieder strenge Vorschriften über den Ladenschluß.'

Auf Seite 63ff wird dargelegt, daß eine beträchtliche Zahl der Handelsangestellten fordert, daß andere Branchen hinsichtlich ihrer Kundenorientierung bei einer zeitlichen Liberalisierung mitziehen sollten, auch eine Anpassung der sonstigen Infrastruktur (Kindergarten, Hort, Verkehr etc.) wird gefordert."

Die vom ÖAKT zitierte Versuchsregelung erscheine untauglich,

"um daraus Schlüsse für eine Liberalisierung des Ladenschlusses ziehen zu können. Insbesondere wird eine Regelung, die sich über Jahrzehnte eingespielt hat, nicht innerhalb von wenigen Monaten auf breiter Basis und mit breiter Akzeptanz geändert werden können."

Zu den wettbewerbspolitischen Argumenten wird u.a. ausgeführt:

"Wie durch die geltende Ladenschlußregelung die Nahversorgung gewährleistet sein soll, bleibt unbewiesen. Im Gegenteil: Bis der Berufstätige von seinem Arbeitsplatz an seinen Wohnort gelangt ist, sind dort die Läden geschlossen. Eine Liberalisierung der Öffnungszeiten würde die Berufstätigen verstärkt in die Lage setzen, unmittelbar an ihrem Wohnort einkaufen zu können, würde also eine Umsatzverlagerung zugunsten der wohnortnahen Handelsbetriebe bewirken.

Der Arbeiterkammertag bleibt jeden Nachweis schuldig, daß durch eine Liberalisierung der Ladenschlußregelung die von ihm befürchteten Konsequenzen im Bereich des Wettbewerbs auftreten würden. Die Antragstellerinnen haben in ihrer Äußerung vom hinreichend dargetan, daß geänderte Ladenschlußzeiten nicht nur Risken, sondern auch eine Fülle von Chancen bieten würden. Es ist im übrigen nicht einzusehen, warum ausgerechnet der Ladenschluß das geeignete und sachgerechte Instrumentarium sein soll, unerwünschten Entwicklungen in der Struktur des Handels (die sich aber offenbar unter dem geltenden Ladenschlußrecht erst recht durchgesetzt haben) zu steuern.

Ein Schutz von kleinen Handelsunternehmen wird, wie die Praxis zeigt, durch den Ladenschluß nicht erzielbar sein."

Zur sozialpolitischen Argumentation des ÖAKT, daß der seit laufende Versuch verlängerter Öffnungszeiten zeige, daß zusätzliche Öffnungsmöglichkeiten fast ausschließlich durch Überstunden abgedeckt würden, daß aber kaum zusätzliches Personal eingestellt werde, meinen die Antragsteller, daß es einem Unternehmer nicht zumutbar sei, für die begrenzte Zeit eines Versuches neue Arbeitnehmer einzustellen.

Weiters wird in der Äußerung darauf hingewiesen,

"daß es in anderen Branchen so etwas wie Ladenschlußzeiten nicht gibt, daß aber die verschiedenen Arbeitszeitregelungen dennoch einzuhalten sind. In Handelsbetrieben, die öffentlich (und daher auch etwa dem Arbeitsinspektorat) zugänglich sind, ist die Arbeitszeit der Arbeitnehmer sogar noch viel leichter zu kontrollieren als in Betriebsstätten, die sich der Öffentlichkeit verschließen."

Zusammenfassend meinen die Antragsteller im Anlaß-Verordnungsprüfungsverfahren, daß die im Gesetzesprüfungsverfahren erstatteten Äußerungen nicht geeignet seien, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs gegen die Verfassungsmäßigkeit der derzeit geltenden Ladenschlußregelung zu zerstreuen.

II. 1. Mit einem weiteren, beim Verfassungsgerichtshof am eingelangten Individualantrag begehrt die zur Ausübung eines Handelsgewerbes berechtigte Kommanditgesellschaft, die auch den unter Pkt. I.1. erwähnten, zu V82/87 protokollierten Verordnungsprüfungsantrag gestellt hat, die Aufhebung des § 3 Abs 1 LSchG idF der Novelle 1988, BGBl. 421/1988.

Unter Verweis auf die Entscheidung des Gerichtshofs vom , G132/87 (und Folgezahlen), begründet die Antragstellerin ihre Antragslegitimation und bringt in der Sache im wesentlichen vor, daß es sich bei der angefochtenen Regelung, die die Handelsgewerbetreibenden verpflichte, ihre Geschäftsläden zu bestimmten Zeiten zu schließen, um eine Vorschrift handle, die die unternehmerische Dispositionsfreiheit in unsachlicher und durch das öffentliche Interesse nicht zu rechtfertigender Weise einschränke.

2. Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G132/87 (und Folgezahlen), die Absätze 1 und 3 des § 3 LSchG in der damals geltenden Fassung als verfassungswidrig aufgehoben hatte, hat der Bundesgesetzgeber innerhalb der ihm vom Gerichtshof eingeräumten Frist § 3 Abs 1 neu gefaßt, Abs 2 ersatzlos aufgehoben und auf eine Neufassung des (aufgehobenen) Abs 3 verzichtet.

Abs 1 des § 3 LSchG normiert in der Fassung der Novelle 1988, BGBl. 421/1988:

"Die Verkaufsstellen sind, sofern durch dieses Bundesgesetz oder durch aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassene Verordnungen nicht anderes bestimmt ist, an Samstagen ab 13 Uhr geschlossen zu halten."

Diese Bestimmung tritt gemäß ArtIV der Novelle 1988 mit Ablauf des außer Kraft.

Bis zu diesem Zeitpunkt gilt neben der angefochtenen Bestimmung des § 3 Abs 1 leg.cit. überdies gemäß ArtII der Novelle 1988:

"In der Zeit vom bis zum gelten an Werktagen ergänzend zu den durch das Ladenschlußgesetz und durch die auf Grund des Ladenschlußgesetzes ergangenen Verordnungen festgelegten Ladenschlußregelungen folgende Bestimmungen:

1. Die Verkaufsstellen dürfen entweder einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17 Uhr offengehalten werden.

2. Die Regelung der Z 1 gilt nicht für den 24. und 31. Dezember.

3. Verkaufsstellen, die auf Grund des Ladenschlußgesetzes oder auf Grund einer auf das Ladenschlußgesetz gestützten Verordnung auch nur an einem Samstag im Monat nach 13 Uhr offengehalten werden, dürfen in dem betreffenden Monat nicht an einem sonstigen Werktag bis 20 Uhr offengehalten werden.

4. Für das in den Z 1 bis 3 eingeräumte Wahlrecht bestimmt sich die Zugehörigkeit einer Kalenderwoche zu einem Monat danach, zu welchem Monat der Samstag der betreffenden Kalenderwoche gehört.

5. Die für eine Verkaufsstelle geltenden Ladenöffnungszeiten sowie der Zeitpunkt, ab welchem diese Ladenöffnungszeiten gelten, sind an der Verkaufsstelle so kundzumachen, daß sie sowohl während als auch außerhalb der Öffnungszeiten der Verkaufsstelle ersichtlich sind.

6. § 9 des Ladenschlußgesetzes gilt auch für Übertretungen der Z 1 bis 4."

3. Die antragstellende Kommanditgesellschaft meint, daß § 3 Abs 1 LSchG im Lichte der zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom verfassungswidrig sei und führt dazu insbesondere aus:

"In seinem zitierten Erkenntnis hatte der Gerichtshof nicht zu untersuchen, ob es zulässig wäre, von gesetzeswegen einen bestimmten Tag als Sperrhalbtag festzulegen, sondern lediglich, ob die damals zu prüfende gesetzliche Regelung durch die Ziele, denen sie diente, als gerechtfertigt bezeichnet werden konnte. Der Gerichtshof ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Anordnung eines Sperrhalbtags an sich zur Erreichung der den Ladenschlußregelungen unterstellten Ziele als geeignet und als sachlich gerechtfertigt zu bezeichnen ist, obwohl dies eine relativ weitgehende Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit darstelle. Selbst dieser schwere Eingriff könne jedoch noch als gerechtfertigt qualifiziert werden, wenn dem Gewerbetreibenden dabei nicht jede Dispositionsmöglichkeit genommen, sondern nur vorgeschrieben ist, daß er - abgesehen von der Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe - seine Betriebsstellen an einem Halbtag geschlossen zu halten hat.

Als nicht mehr adäquat ist dieser Eingriff aber zu bezeichnen, wenn - so der VfGH - die Bestimmung, an welchem Halbtag der Sperrverpflichtung nachzukommen ist, einem Verwaltungsorgan übertragen wird. In der Folge hat der Gerichtshof dargelegt, daß es weder das Interesse der Arbeitnehmer, noch jenes der Konsumenten, noch jenes der gesamten im Wettbewerb stehenden Unternehmerschaft rechtfertigen würden, einen von einem Verwaltungsorgan bestimmten Nachmittag als Sperrhalbtag bindend vorzuschreiben. Die Antragstellerin schließt sich der Argumentation des Gerichtshofs an und erlaubt sich der Einfachheit halber, pauschal auf die im zitierten Erkenntnis dargelegte Begründung sowie auf die einschlägigen Ausführungen des Gerichtshofs in dem Beschluß vom , V82/87-25 zu verweisen.

Mit der nun angefochtenen Neuregelung hat der Bundesgesetzgeber die Bestimmung, auf welchen Tag der Sperrhalbtag zu fallen hat, nun nicht dem Landeshauptmann oder einem anderen Verwaltungsorgan überlassen, sondern selbst getroffen. Damit tut er dem zitierten Erkenntnis des Gerichtshofs zwar formal Genüge, hat sich der Gerichtshof dort doch lediglich über die Unzulässigkeit der Bestimmung eines Sperrhalbtags durch ein Verwaltungsorgan ausgesprochen, materiell hat er aber den Sinn des zitierten Erkenntnisses verkannt (vgl. Höhne, WBl 1988, 33). ...

Es ist kein Grund zu sehen, warum es vor dem Hintergrund der Argumentation des Gerichtshofs einen Unterschied machen sollte, ob nun ein bestimmter Sperrhalbtag durch ein Verwaltungsorgan oder durch den Gesetzgeber verhängt wird:

Wenn es so ist, daß, wie der Gerichtshof in seinem zitierten Erkenntnis ausgeführt hat, die wettbewerbsordnende Funktion des LSchG, die Gewerbetreibenden nicht zu überlangen Öffnungszeiten zu veranlassen, diese Beschränkung (i.e. die Bestimmung eines bestimmten Sperrhalbtags durch ein Verwaltungsorgan) nicht zu rechtfertigen vermag, dann muß dies auch für eine bundesgesetzliche Regelung gelten.

Wenn die sozialpolitische Hilfsfunktion des LSchG, ausgedrückt durch das Interesse an einer einheitlichen Festlegung des Sperrhalbtags druch den Landeshauptmann nicht von solchem Gewicht ist, die freie Erwerbsausübung weitgehend zu beschränken, dann hat sie dieses Gewicht auch nicht gegenüber einer bundesgesetzlich einheitlichen Regelung des Sperrhalbtags.

Dem seinerzeitigen Argument der Bundesregierung, daß durch die Verhängung eines einheitlichen Sperrhalbtags durch den Landeshauptmann eine für den Konsumenten besser überschaubare Situation geschaffen wird, hat der Gerichtshof entgegengehalten, daß die erlaubten Öffnungszeiten den Unternehmer ja nicht zum Offenhalten seiner Verkaufsstellen verpflichten und der Konsument daher keineswegs die Sicherheit habe, zu den erlaubten Zeiten auch offene Geschäfte anzutreffen. Dies gilt auch für die nunmehrige gesetzliche Regelung.

Insgesamt ist festzuhalten, daß sich de facto an der Situation der Handelstreibenden - sieht man von der durch Artikel II des BG Nr. 421/1988 vorgesehenen Experimentalregelung ab, die jedoch an der Verfassungswidrigkeit der nun angefochtenen Norm auch nichts ändern kann - so gut wie nichts geändert hat. Schon zuvor galt in den meisten Bundesländern aufgrund fast einheitlicher Verordnungspraxis der Landeshauptleute der Samstag als Sperrhalbtag. Während man allenfalls noch meinen konnte, daß der Landeshauptmann als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung in den Bundesländern den realen Lebensverhältnissen noch näher stand und allenfalls eher in der Lage war, eine auf das jeweilige Bundesland passende Sperrhalbtagsregelung zu finden, kann man dies von dieser bundeseinheitlich verhängten Regelung in keiner Weise behaupten.

Hervorzuheben ist, daß der Gesetzgeber anläßlich der teilweisen Neuregelung des Ladenschlusses selbst erkannt hat, daß sich die Funktion des Ladenschlusses geändert hat. Die seinerzeit der Ladenschlußregelung unterstellten Ziele werden offenbar nicht mehr in der hergebrachten Form angepeilt bzw haben sie offenbar durch den Gesetzgeber selbst eine Richtungsänderung erfahren. So führt der Bericht des Handelsausschusses (GP XVII IA 138/A AB 692) aus, daß eine vom ehemaligen Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie in Auftrag gegebene Erhebung bestätigt habe, daß sich die Einkaufsbedürfnisse gewandelt haben und die Mehrheit der Konsumenten sich für entgegenkommendere Einkaufszeiten ausgesprochen habe. Attraktivere Ladenöffnungszeiten, so der Ausschußbericht, seien aber auch im Interesse der Fremdenverkehrswirtschaft gelegen, und schließlich sollen auch die Probleme des Kaufkraftabflusses ins Ausland wenigstens zum Teil entschärft werden. Ausdrückliches Ziel der vorgesehenen Neuerungen sei eine Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten, damit der Unternehmer mehr als bisher seine Geschäftszeiten den konkreten Bedürfnissen seiner Kundschaft anpassen kann. Sie sollen aber grundsätzlich nicht zu einer Verlängerung der derzeitigen Gesamtöffnungszeit der Geschäfte führen. Der Gesetzesentwurf sei davon ausgegangen, daß die Unternehmer individuell - entsprechend den Gegebenheiten ihres Geschäfts - ihre Geschäfte zu anderen Zeiten geschlossen halten werden, und die Mehröffnungszeit, die vor allem durch den Einkaufssamstagnachmittag (ArtII 1) entsteht, wettzumachen.

Hier wird klar ersichtlich, daß es sich bei der Neuregelung des § 3 Abs 1 LSchG um eine die Erwerbsfreiheit unzulässig einschränkende Regelung handelt. Die Vorschreibung eines Sperrhalbtags wäre auch so möglich, daß die Handelstreibenden ihre Verkaufsstellen an einem Werktag pro Woche während fünf zusammenhängender Stunden im Rahmen der gesetzlich zulässigen Öffnungszeit geschlossen zu halten haben. Auch dies würde nicht zu einer Verlängerung der derzeitigen Gesamtöffnungszeit der Geschäfte führen; aber erst diese weniger einschneidende Regelung, die dem Unternehmer die Bestimmung des konkreten Sperrhalbtags überläßt, würde es, wie der Ausschußbericht verlangt, erst ermöglichen, daß 'der Unternehmer mehr als bisher seine Geschäftszeiten den konkreten Bedürfnissen seiner Kundschaft anpassen kann'. Nach der nun vorliegenden Regelung kann er das ja in Wahrheit weiterhin nicht: ArtII 1 des BG Nr. 421/1988 stellt dem Unternehmer frei, einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20 Uhr offen zu halten - also unter Aufrechterhaltung des nun einheitlich zum Sperrhalbtag erklärten Samstags! - oder einmal im Monat am Samstag bis 17 Uhr offen zu halten. Die der Neuregelung unterstellte 'Flexibilisierung' findet also - was den Sperrhalbtag betrifft - lediglich einmal im Monat statt.

Im übrigen meint die Antragstellerin, daß es bereits ein Übermaß an Regelung darstellen würde, einen Sperrnachmittag vorzuschreiben, ein Sperrhalbtag ist schon genug an Regelung. Den Handelstreibenden sollte nicht nur überlassen werden, an welchem Tag sie ihren Sperrhalbtag einhalten wollen, sondern auch, ob sie sich für einen Vormittag oder Nachmittag oder beispielsweise für eine verlängerte Mittagssperre entscheiden. Es besteht kein sachlicher Grund, die Unternehmer einer derartigen Einschränkung zu unterwerfen.

Da also sämtliche gegen die Bestimmung des Sperrhalbtags durch den Landeshauptmann in verfassungsrechtlicher Hinsicht ins Treffen zu führenden Argumente auch auf die nun vorliegende Regelung anzuwenden sind und kein Argument zu sehen ist, das einer bundesgesetzlich verfügten Bestimmung des Sperrhalbtags zu sachlicher Rechtfertigung verhelfen würde, wird die angefochtene Norm - wie schon ihre Vorgängerin - aufzuheben sein."

4.a) Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Antrag auf Aufhebung des § 3 Abs 1 LSchG idF der Novelle BGBl. 421/1988 mangels Antragslegitimation zurückzuweisen begehrt; in eventu wird beantragt, die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmen, die im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der angefochtenen Bestimmung und ArtII der Novelle BGBl. 421/1988 nicht vor dem endet, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

b) Zur Frage der Antragslegitimation bringt die Bundesregierung vor:

"Die aktuelle Betroffenheit der Antragstellerin in bezug auf die Sperrhalbtagsregelung ergibt sich nicht allein aus der angefochtenen Bestimmung. Das unmittelbar und aktuell wirkende gesetzliche Gebot in Bezug auf den Sperrhalbtag ergibt sich für die Antragstellerin nicht allein aus § 3 Abs 1 leg.cit., sondern aus dieser Bestimmung in Verbindung mit ArtII Z 1 und 3 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 421/1988.

Diese sozusagen 'unvollständige' Anfechtung hätte demnach auch zur Folge, daß der von der Antragstellerin als rechtswidrig erachtete Zustand durch die Aufhebung der angefochtenen Bestimmung allein nicht beseitigt werden könnte. Es verbliebe ArtII Z 1 und Z 3 des Bundesgesetzes als Bestandteil der Rechtsordnung, aus dem sich ergäbe, daß entweder einmal im Monat am Samstag die Geschäfte bis spätestens 17 Uhr oder einmal pro Woche an einem anderen Wochentag bis spätestens 20 Uhr offengehalten werden dürfen (vgl. VfSlg. 8156/1977, S. 229, 8212/1977, S 462, 9096/1981 und 10492/1984).

Im Hinblick auf diese Mangelhaftigkeit des Antrages wäre dieser nach Auffassung der Bundesregierung zurückzuweisen, weil die aktuelle und unmittelbare Betroffenheit der Antragstellerin in ihren Rechten durch die angefochtene Bestimmung allein nicht gegeben ist."

c) In der Sache begründet die Bundesregierung ihren Antrag wie folgt:

"In dem Erkenntnis vom , G132, 133/87 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Anordnung eines Sperrhalbtages prinzipiell ein im Sinne der in der Vorjudikatur genannten Kriterien taugliches Mittel zur Zielerreichung darstelle. Er hat dabei zum Ausdruck gebracht, daß eine solche Maßnahme im Hinblick auf die anerkannten wettbewerbsordnenden und sozialpolitischen Zielsetzungen und Funktionen der Ladenschlußregelungen geeignet und sachlich gerechtfertigt ist. Eine solche Anordnung kann nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes aber im Lichte der Erwerbsfreiheit nur dann als gerechtfertigt qualifiziert werden, wenn dem Gewerbetreibenden dabei nicht jede Dispositionsmöglichkeit genommen ist, sondern nur vorgeschrieben ist, daß er - abgesehen von der Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe - seine Betriebsstellen an einem Halbtag geschlossen zu halten hat. Der Verfassungsgerichtshof hat die Absätze 1 und 3 des § 3 des Ladenschlußgesetzes in seiner früheren Fassung mit der Begründung aufgehoben, daß es nicht mehr adäquat sei, wenn die Bestimmung, an welchem Halbtag der Sperrverpflichtung nachzukommen ist, einem Verwaltungsorgan übertragen wird.

Daraufhin traf der Bundesgesetzgeber selbst in § 3 Abs 1 des Ladenschlußgesetzes, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 421/1988 in Verbindung mit ArtII dieses Bundesgesetzes, eine Regelung über den Sperrhalbtag. Der Gesetzgeber will damit zum Ausdruck bringen, daß er in Verwirklichung der bereits im genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes genannten öffentlichen Interessen, insbesondere der sozialpolitischen Zielsetzungen, unter Berücksichtigung der in ArtII Z 1 und 3 des genannten Bundesgesetzes vorgesehenen Abweichungen, eine solche grundsätzliche Festlegung des Sperrhalbtages auf den Samstagnachmittag für rechtspolitisch erwünscht und damit für legitim hält. Nach seiner rechtspolitischen Auffassung kommt der sozialpolitischen Funktion des Ladenschlußgesetzes eine ganz besondere Bedeutung zu.

Im Zusammenhang mit der Dispositionsmöglichkeit des Unternehmers, die diesem im Hinblick auf das Grundrecht der Erwerbsfreiheit nicht gänzlich genommen werden darf (arg. 'nicht jede Dispositionsmöglichkeit'), muß darauf hingewiesen werden, daß es zu dieser grundsätzlichen Festlegung des Samstagnachmittages in § 3 Abs 1 des Ladenschlußgesetzes als Sperrhalbtag eine Reihe von - teils im unmittelbaren Zusammenhang stehenden - Abweichungen gibt:

§ 3 Abs 1 des Ladenschlußgesetzes in seiner Neufassung steht - wie bereits unter Pkt. I dargelegt - in untrennbarem Zusammenhang mit ArtII des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 421/1988. Diese - befristete, ebenfalls nur bis geltende - Bestimmung sieht für die Zeit vom bis zum an Werktagen ergänzend zu den durch das Ladenschlußgesetz und durch die auf Grund des Ladenschlußgesetzes ergangenen Verordnungen festgelegten Ladenschlußregelungen folgende Bestimmungen vor:

(folgt Wiedergabe des Gesetzestextes)

ArtII Z 1 und 3 des genannten Bundesgesetzes gibt dem Gewerbetreibenden eine Dispositionsmöglichkeit sowohl hinsichtlich der Offenhaltezeiten als auch hinsichtlich des Sperrhalbtages. Auf Grund dieser Regelungen besteht mindestens einmal im Monat die Möglichkeit, am Samstagnachmittag bis 17 Uhr offenzuhalten, ohne daß in dieser Woche ein 'Ersatzsperrhalbtag' einzuhalten ist. Nimmt er diese Möglichkeit nicht in Anspruch, kann der Unternehmer einmal in der Woche bis 20 Uhr offenhalten.

Die angefochtene Bestimmung ist im Zusammenhalt mit ArtII des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 421/1988 ein befristeter Versuch des Gesetzgebers, die Ladenschlußregelungen flexibler zu gestalten, bei dem wiederum der enge Zusammenhang zwischen Ladenschlußrecht und Arbeitnehmerschutz deutlich zum Ausdruck kommt. Da geänderte Ladenöffnungszeiten in aller Regel für die Arbeitnehmer auch geänderte Arbeitszeiten bedeuten und diese geänderten Ladenöffnungs- bzw. Arbeitszeiten für die Arbeitnehmer naturgemäß dann ungünstiger sind, wenn sie am Wochenende bzw. in den Abendstunden gelegen sind, wurde in der befristeten gesetzlichen Regelung einerseits dem Unternehmer ein Wahlrecht eingeräumt, andererseits aber auch dem Arbeitnehmerschutzgedanken Rechnung getragen. Dies erfolgte in der Weise, daß ein Unternehmer die für die Arbeitnehmer ungünstigeren Öffnungs- bzw. Arbeitszeiten nicht kumulieren kann, sondern sich jeweils entweder für den Abendverkauf entscheiden oder am Samstagnachmittag länger offenhalten kann. Damit hat der Gesetzgeber neuerlich und in Kenntnis der Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofes - wie bereits erwähnt - die Hilfsfunktion des Ladenschlußgesetzes für den Arbeitnehmerschutz betont.

Dazu kommt, daß durch die Festsetzung des Samstagnachmittages als Sperrhalbtag für die Handelsangestellten grundsätzlich jener Zustand gewährleistet wird, der auch für die weitaus überwiegende Mehrzahl aller anderen Arbeitnehmer Gültigkeit hat (siehe dazu § 3 Abs 2 des Arbeitsruhegesetzes, BGBl. Nr. 144/1983, nach dem die Wochenendruhezeit - die im Rahmen der historischen Entwicklung der Sonntagsruhe zu einer Wochenendruhe geworden ist - für alle Arbeitnehmer grundsätzlich spätestens Samstag um 13 Uhr beginnt).

§3 Abs 1 des Ladenschlußgesetzes entspricht somit in angemessener Weise der vom Verfassungsgerichtshof anerkannten sozialpolitischen Funktion der Ladenschlußregelungen.

Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß § 3 Abs 1 des Ladenschlußgesetzes, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 421/1988, eine zulässige die Erwerbsfreiheit beschränkende gesetzliche Regelung darstellt. Sie ist in Zusammenhalt mit den den Gewerbetreibenden durch die erwähnten Begleitregelungen eröffneten Dispositionsmöglichkeiten insgesamt durch öffentliche Interessen geboten, und zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt."

5. Der Verfassungsgerichtshof gab der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (BWK) und dem Östereichischen Arbeiterkammertag (ÖAKT) Gelegenheit, auch in dem § 3 Abs 1 LSchG idF der Novelle BGBl. 421/1988 betreffenden Gesetzesprüfungsverfahren eine Äußerung zu erstatten. Beide gesetzlichen Interessenvertretungen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht:

a) Die BWK teilt mit, daß sie die von der Antragstellerin vertretene Ansicht stets selbst vertreten habe. Sie habe es nie einleuchtend gefunden,

"daß der Gesetzgeber die Adäquanzgrenze bei der Anordnung eines Sperrhalbtages nur dann überschreitet, wenn er die konkrete Bestimmung desselben dem Landeshauptmann überträgt, hingegen adäquat handeln würde, legte er selbst den Sperrhalbtag verbindlich fest. ... Die Auffassung, der Gesetzgeber könne den Sperrhalbtag sehr wohl festlegen, stellte zweifellos einen Bruch in der höchstgerichtlichen Argumentation dar. Aus dieser Sicht stellt sich § 3 Abs 1 LSchlG idF des ArtI Z 1 der Nov. 1988, BGBl. 421/1988, als stärkerer Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Unternehmers dar, als es die aufgehobene Regelung, die ja immerhin dem Landeshauptmann eine Auswahl zwischen drei verschiedenen Wochentagen ließ, war. Die BWK kann nicht finden, daß dabei das Erfordernis der Adäquanz im Sinne der vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit gesetzgeberischer Akte gegeben wäre."

b) Der ÖAKT nimmt Bezug auf seine im Verfahren zur Prüfung von Teilen des § 2 LSchG erstattete Stellungnahme (vgl. oben Pkt. I.4.b), in der er die Funktion der Ladenschlußregelung beleuchtet und die Adäquanz und Verhältnismäßigkeit der Regelung darzulegen versucht habe. Die dort angeführten Argumente hätten gleichermaßen bei der Beurteilung eines gesetzlich festgelegten Sperrhalbtages am Samstagnachmittag Gültigkeit. Zusätzlich sprächen folgende Überlegungen für die Verfassungskonformität des § 3 Abs 1 LSchG:

"Auch für die Festlegung eines sogenannten Sperrhalbtages im Ladenschlußgesetz gilt die Aussage, daß dieser Regelung nicht bloß eine sozialpolitische Hilfsfunktion zukommt, sondern eine direkte arbeitsrechtliche Wirkung. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Handel ist an Samstagen nur soweit zulässig, 'soweit die jeweils geltenden Ladenschlußvorschriften ein Offenhalten dieser Verkaufsstellen vorsehen' (XVII. 1. der Verordnung zu § 12 Arbeitsruhegesetz, BGBl Nr. 149/1984). Eine Aufhebung des Sperrhalbtages am Samstagnachmittag hätte daher die Folge, daß die Grenzen der Zulässigkeit einer Arbeitszeitvereinbarung bzw. einer Dienstgeberweisung über die Lage der Arbeitszeit hinausgeschoben werden. Dies stellt juristisch eine schwerwiegende Änderung der Rechtslage bezüglich der Arbeitszeitfestlegung dar, sozialpolitisch eine massive Beeinträchtigung der Möglichkeiten der Wochenend- und Freizeitgestaltung der im Handel Beschäftigten.

Neben den vermehrten Freizeitmöglichkeiten für den Einzelnen ist hier auch auf eine weitergehende Betrachtung eines einheitlichen arbeitsfreien Wochenendes hinzuweisen: Aus der Alltagserfahrung wie auch aus sozialwissenschaftlichen Untersuchungen ist erwiesen, daß die Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten am Samstagnachmittag nicht auf einen beliebigen Wochentag transferierbar sind. Für die in unserer Gesellschaft hoch bewertete Wochenendkultur ist der arbeitsfreie Samstagnachmittag in Verbindung mit dem arbeitsfreien Sonntag notwendige Voraussetzung. In sozialwissenschaftlichen Untersuchungen wurden als Aspekte dieses einheitlichen arbeitsfreien Wochenendes die sogenannte Entlastungsfunktion ('Abschalten' von der täglichen Arbeitsroutine, Schutz vor diversen arbeitsbedingten Einflüssen auf das Verhalten), die Animationsfunktion (verstärkter Anreiz zu sozialen Kontakten), die Integrationsfunktion (mehrere Menschen verbringen gemeinsam bestimmte Freizeitphasen) herausgearbeitet. Dies ist auch der Hintergrund für das bestehende Arbeitszeit- und Arbeitsruheregime am Wochende: Das Arbeitsruhegesetz geht davon aus, daß die Beschäftigung von Arbeitnehmern am Wochenende (Samstag ab 13 Uhr) und an Feiertagen unzulässig ist. Ausnahmen von diesem Beschäftigungsverbot sind grundsätzlich nur für Notfälle, für Fälle einer technisch notwendigen Produktionskontinuität, bei außergewöhnlichem regionalen Bedarf sowie für bestimmte, engumschriebene Tätigkeitsbereiche vorgesehen (§§10 - 18 Arbeitsruhegesetz).

Nach Auffassung des Österreichischen Arbeiterkammertages liegt die Regelung des Sperrhalbtages in § 3 Abs 1 LSchG nicht nur innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers, sie entspricht auch den Zielvorstellungen und der Systematik der Arbeitsruheregelung für den gesamten gewerblichen Bereich am Wochenende. Eine Aufhebung dieser Bestimmung würde dem System des Arbeitsruhegesetzes zuwiderlaufen.

Wenn nun die Auffassung vertreten würde, daß das Ladenöffnungsrecht von der durch ArtXVII/1 ARG-VO bewirkten engen Verbindung mit dem Arbeitszeitrecht hinsichtlich des Samstagnachmittags gelöst werden sollte, um Arbeitnehmerschutz einerseits und Ausübungsvorschriften für Handelsgewerbe anderseits jeweils unabhängig voneinander regeln zu können, so ist dem entgegenzuhalten, daß eine Öffnungsmöglichkeit am Samstagnachmittag ohne Beschäftigungsmöglichkeit für Arbeitnehmer wohl nicht nur sinnwidrig, sondern auch als dem Gleichheitssatz widersprechend verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Das Ladenöffnungsrecht muß also Aspekte des Arbeitsschutzes gerade bei der Sperrhalbtagsregelung berücksichtigen. Die angefochtene LSchG-Novelle versucht nun, einen Kompromiß zwischen den Arbeitnehmerschutzinteressen und den Interessen an einer Ladenöffnung am Samstagnachmittag zu realisieren, indem

1. die generelle Sperre für alle - nicht von fachspezifischen Ausnahmen erfaßte - Läden an keinem Samstagnachmittag festgeschrieben wird;

2. jedem Unternehmer das Wahlrecht - entsprechend den jeweiligen Konsumentenpräferenzen - bezüglich einer verlängerten Ladenöffnung an einem Wochentag Montag bis Freitag und einem Samstagnachmittag im Monat eingeräumt wird;

3. die Belastung einzelner Arbeitnehmer trotz fallweise möglicher Arbeit am Samstagnachmittag in Grenzen gehalten wird.

Bei einer Aufhebung dieser Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof wäre es dem Gesetzgeber nicht mehr möglich, einen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmerschutz und Erwerbsfreiheit zu suchen - er wäre gezwungen, die Arbeitnehmerschutzinteressen an einem zumindest in der Mehrzahl der Fälle freien Samstagnachmittag bei einer gesetzlichen Regelung außer Acht zu lassen. Dies erscheint dem Österreichischen Arbeiterkammertag aus Art 6 Staatsgrundgesetz aber nicht ableitbar."

6. Die antragstellende Kommanditgesellschaft ist der Äußerung der Bundesregierung und der Stellungnahme des ÖAKT in einer Replik entgegengetreten:

a) Zur Antragslegitimation führt die Antragstellerin in Erwiderung auf die Äußerung der Bundesregierung u.a. folgendes aus:

"Die Bundesregierung wirft der Antragstellerin vor, 'zu wenig' angefochten zu haben, da die von der Antragstellerin in ihrer Verfassungsmäßigkeit in Zweifel gezogene Norm allein nicht hinreiche, die Rechte der Antragstellerin zu beeinträchtigen.

§ 3 Abs 1 in der Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl Nr. 421/1988 stellt die Regel dar, Artikel II leg. cit. die Ausnahme. § 3 ist die Grundnorm, Artikel II die Erleichterung. § 3 normiert ein Müssen, Artikel II ein Dürfen. Richtig ist, daß der Antragstellerin dieses Dürfen zu wenig ist. Daß die Antragstellerin nicht frei wählen darf, wann sie ihren Sperrhalbtag einhält, liegt nicht an ArtII, sondern an § 3 leg. cit., der ihr grundsätzlich gebietet, Samstag Nachmittag ihre Verkaufsstelle geschlossen zu halten. Dies wird auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Normen verständlich: ArtII stellt einen 'Modellversuch' dar (vgl. Bericht des Handelsausschusses) ArtII gibt nach seinen Intentionen den Handelstreibenden die Möglichkeit, bei grundsätzlicher Beachtung des Sperrhalbtags innerhalb der sehr engen Grenzen des ArtII zu 'experimentieren'. Zwar hält die Antragstellerin auch von diesem 'Experiment' nichts, doch ist dies nach Ihrer Ansicht eine Diskussion, die nicht vor den Verfassungsgerichtshof gehört. Was die Antragstellerin bekämpft, ist die nun vom Bundesgesetzgeber vorgeschriebene einheitliche Festlegung des Sperrhalbtags auf den Samstag Nachmittag.

Der Erfolg Ihres Antrags würde die Aufhebung des § 3 Abs 1 bedeuten, wodurch die Verpflichtung der Antragstellerin, am Samstag Nachmittag Ihre Verkaufsstelle geschlossen zu halten, entfallen würde. Richtig ist, daß ArtII dann 'in der Luft hängen' und keinen Sinn mehr geben würde, ...

Im übrigen darf darauf hingewiesen werden, daß der Gerichtshof offenbar selbst nicht der Meinung ist, daß eine Herangehensweise wie jene der Antragstellerin unzulässig sei. Dies läßt sich aus dem Erkennntnis vom , G132, 133/87 u.a. begründen: dort hob der Gerichtshof die Absätze 1 und 3 des § 3 des Ladenschlußgesetzes, BGBl Nr. 156/1958 als verfassungswidrig auf. Übrig blieb - ganz genauso, wie es im vorliegenden Fall wäre - eine auf den aufgehobenen Normen aufbauende Norm, nämlich der Abs 2 des § 3."

b) In der Sache selbst wird u.a. ausgeführt:

"Wenn die Bundesregierung argumentiert, daß die neue Regelung auf die sozialpolitische Funktion der Ladenschlußregelungen abstelle, so übersieht sie, daß der Sperrhalbtag ja noch bis vor gar nicht allzu langer Zeit vom Gesetz auf den Donnerstag festgesetzt war, vom Landeshauptmann ebenso auf den Mittwoch verlegt werden konnte und der Samstag Nachmittag lediglich als eine von drei Alternativen als Sperrhalbtag zur Verfügung stand. Es ist nicht einzusehen, warum jetzt plötzlich ausschließlich der Samstag Nachmittag die angemessene Lösung sein sollte. ...

Wenn der Österreichische Arbeiterkammertag in seiner Äußerung vom (Seite 3 oben) argumentiert, daß eine Aufhebung des Sperrhalbtags an Samstagnachmittagen die Folge einer massiven Beeinträchtigung der Möglichkeiten der Wochenend- und Freizeitgestaltung der im Handel Beschäftigten hätte, so wird ebenfalls übersehen, daß die vor der Aufhebung geltende Fassung des LSchG den Samstag Nachmittag erst als dritte Möglichkeit des Sperrhalbtags vorsah.

Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß sich die Antragstellerin der Ansicht des Österreichischen Arbeiterkammertages, eine Öffnungsmöglichkeit am Samstag Nachmittag ohne Beschäftigungsmöglichkeit für Arbeitnehmer sei sinn- und gleichheitswidrig, nicht anschließen kann. Gerade im Einzelhandel gibt es viele Betriebe, in denen ausschließlich der Eigentümer, allenfalls unterstützt von Familienmitgliedern, in seinem Laden steht (darauf und auf dessen schwierige Situation wurde ja von allen Seiten in vielen Stellungnahmen im Rahmen der Ladenschlußdiskussion hingewiesen). Hinsichtlich dieser Gewerbetreibenden wäre eine Öffnungsmöglichkeit ohne Beschäftigungsmöglichkeit sicherlich nicht sinnlos, aber auch nicht gleichheitswidrig: zum einen würde sich eine Ungleichbehandlung ja nur aus dem Zusammenwirken verschiedener Gesetze ergeben, die, jedes für sich genommen, für jeden Normunterworfenen in gleichem Maße gelten. Davon abgesehen, ist diese im Effekt entstehende Differenzierung durchaus sachlich, da sie eine Kompensation des ohne Arbeitnehmer arbeitenden Gewerbetreibenden für jenen Mangel an Möglichkeiten ist, der seinen Mitbewerbern, die mit Arbeitnehmern tätig sind, zur Verfügung stehen. Da es gerade diese Betriebe sind, die in der Nahversorgung eine wichtige Rolle spielen, und deren Verdrängung durch Handelsbetriebe mit grundsätzlich anderer Struktur in der Vergangenheit nicht hinreichend aufgehalten werden konnte ('Greißlersterben'), könnte an einer derartigen indirekten Bevorzugung nichts Unsachliches und daher nichts Gleichheitswidriges erblickt werden."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§187 ZPO iVm § 35 VerfGG).

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit erwogen:

1. In dem von Amts wegen eingeleiteten, zu G198/88 protokollierten Verfahren nahm der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, daß die Individualanträge auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit des § 1 der Wr. LSchV zulässig sind und daß sich diese Bestimmung auf die in Prüfung gezogenen Teile des § 2 LSchG stützt, sodaß der Gerichtshof diese Gesetzesstelle bei Prüfung der angefochtenen Verordnungsstelle anzuwenden haben dürfte.

Im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts vorgebracht worden und auch sonst nichts hervorgekommen, was gegen diese vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes sprechen würde. Das Verfahren zur Prüfung von Teilen des § 2 LSchG ist daher zulässig.

2. Auch der zu G234/88 protokollierte Individualantrag zur Prüfung des § 3 Abs 1 LSchG idF der Novelle 1988 ist zulässig:

Die antragstellende Kommanditgesellschaft ist als zur Ausübung eines Handelsgewerbes Berechtigter durch die von ihr bekämpfte Vorschrift in ihrer Rechtssphäre direkt und aktuell betroffen. Auch steht ihr ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - verfassungswidrigen Eingriffs in ihre Rechtsposition nicht zur Verfügung.

Dies wurde im Verfahren auch nicht bestritten. Die Bundesregierung meint jedoch, die Antragstellerin hätte die Anfechtung auch auf ArtII Z 1 und 3 der Novelle BGBl. 421/1988 erstrecken müssen, da ihre Rechtsposition erst durch das Zusammenwirken des angefochtenen § 3 Abs 1 LSchG mit diesen Regelungen der Novelle betroffen werde. Eine Anfechtung bloß des § 3 Abs 1 LSchG sei als zu eng zurückzuweisen.

Der Bundesregierung ist beizupflichten, daß die angefochtene Bestimmung im LSchG und die von der Bundesregierung genannten Regelungen der Novelle 1988 in einem rechtlichen Zusammenhang stehen. Der Zusammenhang ist aber kein notwendiger und nicht von solcher Intensität, daß er eine Anfechtung bloß des § 3 Abs 1 LSchG unzulässig machen würde. Dies erhellt schon daraus, daß die durch § 3 Abs 1 LSchG verfügte Sperrverpflichtung an Samstagen durch die genannten Bestimmungen des ArtII der Novelle 1988 dann gar nicht berührt wird, wenn der Normunterworfene von der ihm durch ArtII Z 1 der Novelle eingeräumten Wahlmöglichkeit in der Weise Gebrauch macht, daß er sich für abendliche Offenhaltezeiten seiner Verkaufsstellen entscheidet.

Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. insb. VfSlg. 8461/1978) wäre ein Gesetzesprüfungsantrag dann unzulässig, wenn er dem Verfassungsgerichtshof nicht die Möglichkeit gäbe, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit - sollte sie tatsächlich vorliegen - zu beseitigen, ohne daß dem nach Bereinigung der Rechtslage verbleibenden Teil ein völlig veränderter Inhalt zukommt. Denn der Umfang von Gesetzesprüfungsanträgen ist stets so zu wählen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als notwendig und daß andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt.

Im vorliegenden Fall ist Sitz der - behaupteten - Verfassungswidrigkeit die vom Antragsteller angefochtene Bestimmung des § 3 Abs 1 LSchG. Zwar stehen die von der Bundesregierung genannten Z 1 und 3 des ArtII der Novelle 1988 mit dieser Bestimmung in Zusammenhang, doch ist dieser Zusammenhang nicht so, daß diese Bestimmungen im Falle der Aufhebung der angefochtenen Bestimmung einen völlig veränderten Inhalt bekämen.

Der Antrag erweist sich daher unter dem Gesichtspunkt der oben genannten Kriterien zur Abgrenzung von Prüfungsanträgen als zulässig.

V. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB (und Folgezahlen) mwH) ist eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsfreiheit beschränkt, nur zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, dieser adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist. Auch gesetzliche Regelungen, die - wie die in Prüfung stehenden - bloß die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsfreiheit zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein.

Wenn die die Berufsausübung beschränkenden Regelungen - im Sinne der oben genannten Entscheidung - durch ein öffentliches Interesse sachlich gerechtfertigt sein müssen, so bedeutet das, daß Ausübungsregelungen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern.

2. Wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis G132/87 (und Folgezahlen) vom dargelegt hat und wie auch in diesem Verfahren unbestritten geblieben ist, liegen die Ziele, denen Ladenschlußregelungen dienen - das sind insbesondere die Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher, die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion von Ladenschlußregelungen - im öffentlichen Interesse. Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche (etwa wirtschafts- oder sozialpolitische) Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (vgl. ebenfalls (und Folgezahlen), mwH). Solches kann aber von den genannten Zielen, denen die Ladenschlußregelungen im allgemeinen und die in Prüfung stehenden Bestimmungen im besonderen dienen, mit guten Gründen nicht behauptet werden.

Ebenso ist nicht strittig, daß es ein an sich taugliches Mittel zur Erreichung der genannten Ziele darstellt, die zulässigen Offenhaltezeiten für Verkaufsstellen von Handelsbetrieben gesetzlich zu limitieren. Im mehrfach genannten Vorerkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof dargelegt, daß die Anordnung eines Sperrhalbtags zur Zielerreichung geeignet und an sich sachlich gerechtfertigt ist. Gleiches gilt für die Bestimmung von Zeiten, in denen am Abend und in der Nacht die Verkaufsstellen von Handelsbetrieben geschlossen zu halten sind.

Strittig ist jedoch die Frage, ob die konkreten in Prüfung stehenden Regelungen des LSchG - also zum einen die Bestimmung der allgemeinen Ladenschlußzeit an Werktagen in § 2 Abs 1 und die Ermächtigung an den Landeshauptmann, diese allgemeine Ladenschlußzeit zu verlängern in § 2 Abs 4 LSchG (diese beiden Bestimmungen in der Stammfassung des Gesetzes, also vor der Novelle BGBl. 421/1988) und zum anderen die Bestimmung des Samstags als Sperrhalbtag im § 3 Abs 1 LSchG idF der Novelle BGBl. 421/1988 - sachlich gerechtfertigt sind oder ob sie bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs in die grundrechtlich gewährleistete Rechtsposition und dem Gewicht der diesen Eingriff rechtfertigenden Gründe unverhältnismäßig sind.

3.a) § 2 Abs 1 LSchG (id Stammfassung) ordnet an, daß die Verkaufsstellen von Unternehmungen für den Kleinverkauf von Waren in den Abend- und Nachtstunden zu bestimmten Zeiten geschlossen zu halten sind. Dabei werden für Verkaufsstellen, in denen Milch abgegeben wird, für Bäckereibetriebe, für den Kleinverkauf von Lebensmitteln und für die sonstigen Verkaufsstellen unterschiedliche Zeiten von Gesetzes wegen festgelegt (§2 Abs 1 bis 3 LSchG). Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Regelung sieht das Gesetz nur für Verkaufsstellen bestimmter Art(etwa in Bahnhöfen, Theatern und Lichtspieltheatern, Kongreßhäusern oder auf Sportplätzen oder im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Märkten) vor (§5 LSchG).

Weiters ist der Landeshauptmann zu sog. "gebietlichen Sonderregelungen" ermächtigt: zum einen kann er in bestimmten Fällen abweichende Ladenschlußzeiten für Verkaufsstellen bestimmter Art im Zusammenhang mit der Befriedigung der Einkaufsbedürfnisse der Besucher von Campingplätzen, Badeplätzen oder pratermäßigen Veranstaltungen und für die Hauptbesuchszeiten von Ausflugsorten und Wallfahrtsorten festlegen (§6 Abs 1 LSchG); zum anderen kann der Landeshauptmann allgemein oder für die Verkaufsstellen bestimmter Art einen späteren Ladenschluß (an Samstagen bis 18 Uhr, an sonstigen Werktagen bis 20 Uhr) für besonders wichtige Fremdenverkehrsorte (§6 Abs 2 litb LSchG) sowie für Gebiete anordnen, in denen wegen bedeutender örtlicher Veranstaltungen (wie Messen, Ausstellungen, Festspiele, sportliche Veranstaltungen udgl.) ein besonderer Zustrom Ortsfremder zu erwarten und das längere Offenhalten der Verkaufsstellen zur Befriedigung der Einkaufsbedürfnisse notwendig ist (§6 Abs 2 lita LSchG).

Überdies räumt das Ladenschlußgesetz dem Landeshauptmann eine weitere Gestaltungsmöglichkeit ein: Er kann einerseits gemäß § 2 Abs 5 LSchG mit Verordnung anordnen, daß die Verkaufsstellen um höchstens eine Stunde später zu schließen und - mit Ausnahme der Bäckereibetriebe - um höchstens eine Stunde kürzer geschlossen zu halten sind, wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung dies erfordern. Gemäß § 2 Abs 4 LSchG kann der Landeshauptmann andererseits eine Verlängerung der Zeiten anordnen, in denen die Verkaufsstellen geschlossen zu halten sind.

b) Die in Prüfung stehende Regelung des § 2 Abs 1 LSchG bewirkt - sieht man zunächst von der eben dargestellten Verordnungsermächtigung zur Verlängerung der zulässigen Offenhaltezeiten durch den Landeshauptmann (§2 Abs 5 LSchG) ab - eine sehr weitgehende Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit an Werktagen, da aufgrund dieser gesetzlichen Anordnungen die Verkaufsstellen von Kleinhandelsbetrieben - im Gegensatz zu den Betrieben fast aller anderer Bereiche der gewerblichen Wirtschaft - zur Abend- und zur Nachtzeit, also insgesamt in großem zeitlichen Ausmaß geschlossen zu halten sind.

Freilich gibt es wichtige öffentliche Interessen, die eine Beschränkung der zulässigen Offenhaltezeiten am Abend zu rechtfertigen geeignet sind. Zwar erfordert, wie der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß näher dargelegt hat, das Anliegen der Harmonisierung der Ladenschlußregelungen mit den arbeitszeitrechtlichen Vorschriften - die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Begrenzung der abendlichen Arbeitszeit im Handel war nicht Gegenstand dieses Verfahrens - eine so weitgehende Einschränkung der zulässigen Offenhaltezeiten für Kleinhandelsbetriebe nicht. Die Stellungnahme des ÖAKT hat aber deutlich gemacht, daß insbesondere gewichtige sozialpolitische Interessen für eine Beschränkung der Offenhaltezeit ins Treffen zu führen sind. Der Umstand, daß eine Verlängerung der Öffnungszeit zu einer Verlängerung der Arbeitszeit der Beschäftigten führen könnte, und die Auswirkungen der Ladenschlußregelungen auf die sozial- und familienpolitisch wichtige Lage der Arbeitnehmer sind ohne Zweifel von beachtlichem Gewicht. Schon im Erkenntnis vom , G132/87 (und Folgezahlen) hat der Verfassungsgerichtshof darauf hingewiesen, daß Auswirkungen von primär gewerberechtlichen Vorschriften auf die Lage der Arbeitnehmer eine Beschränkung der Freiheit der Erwerbsbetätigung rechtfertigen können, wenn das Gewicht der geschützten Interessen die Grundrechtsbeschränkung zu legitimieren vermag. In diesem Sinn vermögen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs die vom ÖAKT vorgetragenen sozialpolitischen Umstände auch weitergehende Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit durch Anordnung von Zeiten, in denen die Verkaufsstellen nicht offenhalten dürfen, zu rechtfertigen, nicht aber Beschränkungen jedweder Art und Intensität.

Die grundsätzliche Anordnung einer Sperrzeit ab 18 Uhr (bzw. ab 18.30 Uhr) bewirkt - wie oben ausgeführt - eine sehr gravierende Beschränkung der Möglichkeit zur Ausübung des Gewerbes des Kleinverkaufs von Waren. Die öffentliche Diskussion, aber auch Beispiele aus dem Ausland zeigen, daß damit den Gewerbetreibenden das Geschlossenhalten ihrer Verkaufsstellen zu Zeiten vorgeschrieben wird, zu denen von Seiten der Konsumenten offenbar ein gewisser Bedarf nach offenen Handelsgeschäften (über dessen Ausmaß die Ansichten auseinandergehen) gegeben ist. Wird aber dem Gewerbetreibenden durch eine Sperrvorschrift versagt, seine Waren zu Zeiten anzubieten, zu denen eine nicht unbeachtliche Nachfrage vorhanden ist, so ist dieser Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Rechtsposition von sehr starkem Gewicht. Abgesehen von den Bereichen, in denen aufgrund der §§5 und 6 LSchG Sonderregelungen für Verkaufsstellen bestimmter Art oder gebietliche Sonderregelungen bestehen, verbietet § 2 Abs 1 LSchG dem Handelsgewerbetreibenden ein Offenhalten am Abend auch dann, wenn aufgrund der Einkaufsbedürfnisse und -möglichkeiten der Bevölkerung die Nachfrage nach Waren der von ihm angebotenen Art im Einzugsbereich seines Unternehmens stark ist, wie dies etwa an Standorten der Fall ist, in denen die berufstätige Bevölkerung nach der Heimfahrt von der Arbeitsstätte erst gegen Abend Gelegenheit zum Einkauf findet. Die zu prüfende Bestimmung hindert den Handelsgewerbetreibenden auch dann, seine Öffnungszeit der Nachfrage anzupassen, wenn die Struktur der Nachfrage die zulässigen Offenhaltezeiten als extrem gravierende Beschränkung seiner Erwerbstätigkeit erweist.

Nun anerkennt auch das geltende Ladenschlußrecht die Bedeutung einer solchen Situation. Deshalb ermächtigt § 2 Abs 5 LSchG den Landeshauptmann zur Verlängerung der zulässigen Offenhaltezeit um eine Stunde, "wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies erfordern". Freilich überträgt es die Bewertung, wann die Nachfragestruktur die Verlängerung erfordert, und damit die Disposition über die allfällige Verlängerung der Offenhaltezeit dem Landeshauptmann. Ein derartiger Eingriff ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes - wie sich schon aus den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses vom , G132/87 (und Folgezahlen), aber auch aus den folgenden Erwägungen ergibt - nicht mehr adäquat, wenn die Entscheidung, ob der abendliche Ladenschluß der Nachfragesituation angepaßt werden darf - wie derzeit - einem Verwaltungsorgan übertragen wird.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß das Interesse an einer grundsätzlich einheitlichen Sperrzeitenregelung zum Zweck der Transparenz der Offenhaltezeiten und auch im Interesse der Vermeidung nachteiliger Folgen für die Infrastruktur von Relevanz sein kann. Dagegen ist jedoch zu beachten, daß der Unternehmer durch das Ladenschlußgesetz nicht verpflichtet ist, seine Verkaufsstellen während der erlaubten Öffnungszeiten offenzuhalten, sodaß die Einheitlichkeit der erlaubten Offenhaltezeit dem Konsumenten keineswegs die Sicherheit zu geben vermag, zu diesen Zeiten offene Geschäfte anzutreffen. Eine vollständige Einheitlichkeit der tatsächlichen Öffnungszeit wird somit durch einheitliche Ladenschlußzeiten nicht erreicht, was sich auch schon in der derzeitigen Praxis vieler Unternehmer erweist, die Offenhaltezeiten ihrer Verkaufsstellen im Rahmen der erlaubten Maximal-Offenhaltezeit individuell zu gestalten. Derartige individuelle Anpassungen der Offenhaltezeit im Einzelfall wurden insbesondere durch spätere Öffnungszeiten, durch Mittagssperren oder durch Sperrzeiten im Gefolge von Krankheit und Urlaub von vielen Handelsbetrieben schon bisher praktiziert, ohne daß die von der BWK befürchteten negativen Folgen in ökonomischer ("Suchkosten") und wettbewerbspolitischer Hinsicht eingetreten wären. Eine Vorschrift, die wie die zu prüfende, dem Unternehmer auch eine individuelle Anpassung der Offenhaltezeit in einem gesetzlich abgegrenzten Ausmaß unmöglich macht, ist daher auch durch das an sich anzuerkennende öffentliche Interesse an einer grundsätzlichen Transparenz der Offenhaltezeiten nicht zu rechtfertigen.

Daß der Mangel der Vorhersehbarkeit der Lage der individuellen Arbeitszeit, der mit dem Verzicht auf eine einheitliche Festlegung der abendlichen Sperrzeit verbunden ist, die Beschränkung nicht zu rechtfertigen vermag, ergibt sich aus den gleichen Überlegungen, wie sie der Gerichtshof zur vergleichbaren Regelung der Festlegung des Sperrhalbtages durch den Landeshauptmann im mehrfach zitierten Vorerkenntnis G132/87 (und Folgezahlen) angestellt hat. Aus diesem Erkenntnis geht auch hervor, daß das Argument, eine Aufhebung der in Prüfung stehenden Vorschrift würde zu einer Veränderung der Chancen im Wettbewerbsprozeß führen (den Großbetriebe besser ausnützen könnten), ins Leere geht: Denn abgesehen davon, daß Handelsbetriebe ohne oder mit nur wenigen Dienstnehmern je nach ihrer Struktur eben wieder andere Möglichkeiten haben, sich auf die Marktbedürfnisse einzustellen, verkennt diese Argumentation den Sinn der Erwerbsfreiheit, der - sieht man von (hier nicht vorliegenden) Sondersituationen (vgl. zB VfSlg. 10386/1985) ab - nicht darin liegt, daß bestimmten Unternehmen ein wirtschaftlicher Schutz garantiert wird (vgl. VfSlg. 8765/1980), sondern darin, ihnen die Erwerbsausübung im Rahmen eines geordneten Wettbewerbs zu ermöglichen. Zu einer Verlängerung der Gesamtoffenhaltezeit müßte die Anerkennung der individuellen Gestaltung der abendlichen Sperrstunde auch gar nicht führen, wenn etwa der Unternehmer verpflichtet würde, seine Verkaufsstellen zu einer anderen Zeit, in der er ansonsten zum Offenhalten ermächtigt wäre, in entsprechendem Ausmaß geschlossen zu halten.

Insgesamt ist daher festzuhalten, daß es einen unverhältnismäßigen und auch durch die vom Gesetzgeber angestrebten öffentlichen Interessen nicht mehr zu rechtfertigenden Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit eines Handelsgewerbetreibenden darstellt, diesem auch im Fall einer besonders gelagerten Nachfragesituation das Offenhalten über die allgemeinen Sperrzeiten hinaus auch in dem Ausmaß zu verbieten, in dem nach § 2 Abs 5 LSchG der Landeshauptmann eine Verlängerung der zulässigen Offenhaltezeit vorsehen kann, wenn dies die Einkaufsbedürfnisse etwa der berufstätigen Bevölkerung erfordern. Da die in Prüfung stehende Regelung auch eine solche individuelle Anpassung der Offenhaltezeit, die von der allgemeinen Offenhaltezeit nur in geringem Ausmaß abweicht und die Gesamtoffenhaltezeit nicht verlängert, ausschließt, greift sie in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Erwerbsbetätigung unverhältnismäßig ein. Daran hat auch der zwischenzeitig (befristet) in Geltung gesetzte ArtII Z 1 der Novelle BGBl. 421/1988 angesichts dessen andersartiger und bloß beschränkter Gestaltungsermächtigung nichts geändert.

c) Die gleichen Erwägungen führen auch zur Aufhebung der in Prüfung gezogenen Worte in § 2 Abs 4 LSchG, da durch diese Regelung der Landeshauptmann ermächtigt wird, die nach § 2 Abs 1 zulässige Offenhaltezeit weiter zu verkürzen. Diese Regelung bewirkt eine noch weitergehende Einschränkung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Erwerbsausübungsfreiheit als die für verfassungswidrig erkannte Grundregel des § 2 Abs 1 LSchG selbst.

4.a) § 3 Abs 1 LSchG normiert in der Fassung der Novelle 1988 (BGBl. 421/1988), daß die Verkaufsstellen - soweit durch das LSchG oder durch aufgrund dieses Gesetzes erlassene Verordnungen nichts anderes bestimmt ist - an Samstagen ab 13 Uhr geschlossen zu halten sind. Diese Bestimmung tritt gem. ArtIV der Novelle 1988 mit Ablauf des außer Kraft.

Bis zu diesem Zeitpunkt gilt neben der angefochtenen Bestimmung des § 3 Abs 1 leg.cit. überdies auch ArtII der Novelle 1988 (vgl. oben Pkt. II.2.); diese Bestimmung gibt den Handelsgewerbetreibenden die Möglichkeit, ihre Verkaufsstellen entweder einmal in der Woche (zwischen Montag und Freitag) bis spätestens 20 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17 Uhr offenzuhalten.

b) In der die Sperrhalbtagsregelung des LSchG (in der Stammfassung) betreffenden Entscheidung vom G132/87 (und Folgezahlen), hatte der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen, ob es zulässig wäre, von Gesetzes wegen einen bestimmten Tag als Sperrhalbtag festzulegen, sondern nur, ob die damals zu prüfende gesetzliche Regelung durch die Ziele, denen sie dient, gerechtfertigt werden konnte. Diese Regelung setzte als Sperrhalbtag den Donnerstag Nachmittag fest und überließ es dem Landeshauptmann, also einem Verwaltungsorgan, den Sperrhalbtag auf Mittwoch oder Samstag Nachmittag zu verlegen.

Bei der Prüfung der Angemessenheit und sachlichen Rechtfertigung dieser Regelung ging der Gerichtshof von folgender grundsätzlicher Beurteilung aus:

"Wenn der Gesetzgeber bei der Erlassung der in Prüfung stehenden Bestimmungen von der Auffassung ausgegangen ist, daß die Anordnung eines Sperrhalbtags zur Zielerreichung geeignet und sachlich gerechtfertigt ist, so kann ihm nicht entgegengetreten werden. Zwar stellt eine solche Vorschrift eine relativ weitgehende Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit dar, doch kann dieser Eingriff im Hinblick auf die Ziele, denen das Gesetz dient und angesichts der Funktion des Gesetzes, unterschiedliche Interessen auszugleichen, noch als gerechtfertigt qualifiziert werden, wenn dem Gewerbetreibenden dabei nicht jede Dispositionsmöglichkeit genommen ist, sondern nur vorgeschrieben ist, daß er - abgesehen von der Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe - seine Betriebsstellen an einem Halbtag geschlossen zu halten hat."

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Auffassung. Legt man sie der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der nunmehr zu prüfenden Regelung zugrunde, so ergibt sich folgendes:

Die Vorschrift ist insofern, als sie die Handelsgewerbetreibenden verpflichtet, ihre Verkaufsstellen an einem Halbtag in der Woche geschlossen zu halten, unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts der Erwerbsausübungsfreiheit nicht zu beanstanden. Freilich wird auch durch die in Prüfung stehende Regelung dem Unternehmer die Bestimmung des Sperrhalbtages nach der für sein Unternehmen maßgeblichen Marktsituation genommen. Zwar wird die Regelung die Unternehmer je nach Branche und Lage ihrer Verkaufsstellen unterschiedlich schwer treffen, doch gibt es zweifellos eine große Zahl von Handelsbetrieben, deren Nachfragestruktur so beschaffen ist, daß sie die Festlegung des Samstag Nachmittag als Sperrhalbtag in ihrer Erwerbsausübungsfreiheit gravierend betrifft. Besonders für Handelsgewerbetreibende, deren Unternehmen in Konkurrenz zu Handelsbetrieben im benachbarten Ausland stehen, wirkt die in Rede stehende Festlegung naturgemäß schwer, was auch im Verfahren unter Hinweis auf die Gefahr des Kaufkraftabflusses in das Ausland hervorgehoben wurde.

Die Festlegung des Samstag Nachmittag als Sperrhalbtag durch das Gesetz greift daher in das Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit der Handelsgewerbetreibenden zweifellos stärker ein, als eine Regelung, die die Wahl eines beliebigen Sperrhalbtags dem Unternehmer selbst überließe.

Die Wahl des Samstag Nachmittag als Sperrhalbtag durch das Gesetz kann aber nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes vor allem deshalb gerechtfertigt werden, weil damit eine weitgehende Synchronisation mit dem allgemeinen arbeitszeitrechtlichen Grundsatz der Wochenendruhe hergestellt wird. Auch sind die vom ÖAKT in seiner Stellungnahme ins Treffen geführten Umstände der besonderen Funktion des Wochenendes für Freizeit, Erholung und soziale Integration öffentliche Interessen von erheblichem Gewicht. Die Bestimmung der Z 1 des ArtII der Novelle 1988, die dem Gewerbetreibenden die Möglichkeit gibt, seine Verkaufsstelle an einem Samstag im Monat bis 17 Uhr geöffnet zu halten, räumt nun - worauf die Bundesregierung zu Recht hinweist - dem Unternehmer immerhin die Möglichkeit ein, einmal im Monat am Samstag Nachmittag bis 17 Uhr offenzuhalten, ohne daß in dieser Woche ein "Ersatzsperrhalbtag" einzuhalten wäre. Damit ist es dem Handelsgewerbetreibenden in einem - eingeschränkten - Ausmaß möglich, seine unternehmerische Disposition einer allenfalls gerade für den gesetzlich festgelegten Sperrhalbtag bestehenden Nachfrage anzupassen, wodurch die vom Verfassungsgerichtshof in der wiedergegebenen Passage des Vorerkenntnisses als für die Verfassungsmäßigkeit der damaligen Einschränkung notwendig erachtete Voraussetzung erfüllt ist.

Der Verfassungsgerichtshof ist daher der Auffassung, daß die angefochtene Bestimmung im Kontext mit den bestehenden Sonderregelungen für Verkaufsstellen bestimmter Art und den gebietlichen Sonderregelungen (§§5 und 6 LSchG) und im Kontext mit der erwähnten Bestimmung des ArtII Z 1 der Novelle 1988 bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Freiheit und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe noch als verhältnismäßig angesehen werden kann und sich die gesetzliche Regelung insoweit im Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit hält.

5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß § 2 Abs 1 LSchG und die in Prüfung gezogenen Worte in dessen § 2 Abs 4 als verfassungswidrig aufzuheben sind; sie bewirken nämlich, daß auch im Falle einer besonderen Nachfragesituation - die der Gesetzgeber selbst als berücksichtigungswürdig anerkennt - die Entscheidung über eine Verlängerung der Öffnungszeiten nicht dem Unternehmer, sondern dem Landeshauptmann überlassen wird (siehe hiezu die gleichen Erwägungen im zitierten Vorerkenntnis vom , G132/87 (und Folgezahlen)). § 3 Abs 1 LSchG ist hingegen nicht verfassungswidrig, weil dem Unternehmer durch die Berechtigung, seine Verkaufsstellen einmal im Monat am Samstag bis 17 Uhr offen zu halten, eine - im Hinblick auf die die gesetzliche Regelung (unter Bedachtnahme auf die Wochenendruhe) bestimmende Güterabwägung zwar ziemlich eingeschränkte, aber doch vorhandene - Möglichkeit eigener Disposition eingeräumt ist.

VI. 1. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG. Dem Verfassungsgerichtshof schien die Bemessung der Frist mit zweckmäßig, da das LSchG in der Fassung der Novelle 1988 in wichtigen Teilen mit diesem Datum befristet ist.

2. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen anstelle der aufgehobenen Regelungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung des aufhebenden Teils des Spruchs erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.