VfGH vom 03.12.2019, G234/2019

VfGH vom 03.12.2019, G234/2019

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch eine Bestimmung der ZPO betreffend den Ausschluss der Kostenersatzpflicht des einfachen Nebenintervenienten im Fall des Unterliegens der Hauptpartei mangels eigenständigen Einflusses auf den Ausgang des Verfahrens; Bindungswirkung zur Prozessbeteiligung nach Streitverkündung steht angesichts der Möglichkeit zur effektiven Rechtsverteidigung und Einleitung eines Zwischenverfahrens zur Zurückweisung der Nebenintervention im Einklang mit dem Recht auf ein faires Verfahren

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG, begehren die antragstellenden Parteien,

"der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge 'sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten' in § 41 Abs 1, 1. Satz ZPO als verfassungswidrig aufheben".

II. Rechtslage

1. § 41 der Zivilprozessordnung (ZPO), RGBl. 113/1895, idF StGBl. 95/1919 lautet (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§. 41. (1) Die in dem Rechtsstreite vollständig unterliegende Partei hat ihrem Gegner, sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten alle durch die Processführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung nothwendigen Kosten zu ersetzen. Welche Kosten als nothwendig anzusehen sind, hat das Gericht bei Feststellung des Kostenbetrages ohne Zulassung eines Beweisverfahrens nach seinem von sorgfältiger Würdigung aller Umstände geleiteten Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit das Maß der Entlohnung des Rechtsanwalts oder sonst die Höhe der Kosten durch Tarife geregelt ist, hat die Feststellung des Kostenbetrages nach diesen Tarifen zu geschehen.

(3) Die Vorschriften des ersten Absatzes gelten insbesondere auch hinsichtlich der Kosten, welche durch die Zuziehung eines nicht am Sitze des Processgerichtes oder des ersuchten Richters wohnenden Rechtsanwalts entstanden sind. Die Kosten, welche dadurch verursacht wurden, dass für die nämliche Partei mehrere Rechtsanwälte beigezogen wurden, sind jedenfalls nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten der Beiziehung eines Rechtsanwalts nicht übersteigen, oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste."

2. Die § 17 bis 20 ZPO idF BGBl I 30/2009 lauten samt Überschriften:

"Dritter Titel.

Betheiligung Dritter am Rechtsstreite.

Nebenintervention.

§. 17. (1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreite die eine Person obsiege, kann dieser Partei im Rechtsstreite beitreten (Nebenintervention).

(2) Zu solchem Beitritte sind ferner alle Personen befugt, welchen durch gesetzliche Vorschriften die Berechtigung zur Nebenintervention eingeräumt ist.

§. 18. (1) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreites bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgen. Der Intervenient hat das Interesse, welches er am Siege einer der Processparteien hat, bestimmt anzugeben.

(2) Über den von einer der Processparteien gestellten Antrag auf Zurückweisung des Nebenintervenienten ist nach vorhergehender mündlicher Verhandlung zwischen dem Bestreitenden und dem Intervenienten durch Beschluss zu entscheiden. Hiedurch wird der Fortgang des Hauptverfahrens nicht gehemmt.

(3) Solange dem Zurückweisungsantrage nicht rechtskräftig stattgegeben ist, muss der Intervenient dem Hauptverfahren zugezogen werden und können Processhandlungen desselben nicht ausgeschlossen werden.

§. 19. (1) Der Intervenient muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in welcher sich derselbe zur Zeit seines Beitrittes befindet. Er ist berechtigt, zur Unterstützung derjenigen Partei, an deren Sieg er ein rechtliches Interesse hat (Hauptpartei), Angriffs- und Vertheidigungsmittel geltend zu machen, Beweise anzubieten und alle sonstigen Processhandlungen vorzunehmen. Seine Processhandlungen sind insoweit für die Hauptpartei rechtlich wirksam, als sie nicht mit deren eigenen Processhandlungen im Widerspruche stehen.

(2) Mit Einwilligung beider Processparteien kann der Intervenient auch an Stelle desjenigen, dem er beigetreten ist, in den Rechtsstreit als Partei eintreten.

§. 20. Wenn das in einem Processe ergehende Urteil kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auch in Bezug auf das Rechtsverhältnis des Intervenienten zum Gegner der Hauptpartei rechtlich wirksam ist, kommt dem Intervenienten die Stellung eines Streitgenossen zu (§. 14)."

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellenden Parteien sind Kläger in einem Verfahren vor dem Handelsgericht Wien. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurden die antragstellenden Parteien zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, sowohl die Prozesskosten der beklagten Partei als auch die mit € 98.955,45 bestimmten Prozesskosten der auf Seiten der Beklagten in den Rechtsstreit eingetretenen Nebenintervenientin zu ersetzen.

2. Gegen diesen Beschluss erhoben die antragstellenden Parteien Rekurs und stellten den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag. Darin legen die antragstellenden Parteien – nach Ausführungen zum zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Zulässigkeit des Antrages – ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Wortfolge in § 41 Abs 1 erster Satz ZPO wie folgt dar:

"§41 Abs 1 ZPO ist insoweit, als diese Gesetzesbestimmung einen Prozesskostenersatz für den Nebenintervenienten vorsieht, verfassungswidrig.

Die Beschwerdeführer als klagende Parteien im Zivilprozess haben und hatten keinerlei Einfluss darauf, wem die beklagte Partei im Innenverhältnis den Streit verkündet.

Mit Einbringung der Klage haben sich die klagenden Parteien auf einen Zivilprozess mit der beklagten Partei eingelassen, wobei sie in diesem Zusammenhang auch das damit verbundene Kostenrisiko in Kauf nehmen mussten. Es ist aber völlig unsachgemäß, die Beschwerdeführer auch mit einem Kostenrisiko zu belasten, das daraus resultiert, dass die beklagte Partei im Zivilprozess im Innenverhältnis hier allenfalls Regresspflichtigen den Streit verkündet. Eine derartige Streitverkündung ist ausschließlich im Interesse der dort beklagten Partei gelegen, mit dem eigentlichen Zivilprozess zwischen den Beschwerdeführern und der beklagten Partei hat das Innenverhältnis zwischen der beklagten Partei und deren Nebenintervenientin jedoch absolut nichts zu tun.

Dadurch, dass § 41 Abs 1 ZPO dem Nebenintervenienten einen gesonderten Kostenersatzanspruch zuerkennt, vervielfacht sich das Prozessrisiko für die jeweilige andere Prozesspartei. Dabei ist es für eine klagende Partei in keinster Weise abschätzbar, wie vielen Nebenintervenienten der Prozessgegner allenfalls den Streit verkündet und wie viele Nebenintervenienten allenfalls dem Prozess beitreten.

Die Bestimmung des § 41 Abs 1 ZPO ist in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig:

3.1 Zunächst verstößt diese Bestimmung gegen Artikel 6 Abs 1 EMRK. Diese Grundsätze der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens sind selbstverständlich auch in Streitsachen über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen anzuwenden. Die Grundsätze der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens bedeuten, dass eine verfahrensrechtliche Gleichstellung der Parteien (Prozessbeteiligten) stattfindet. Genau diese Grundsätze des Artikel[s] 6 Abs 1 EMRK werden jedoch durch § 41 Abs 1, 1. Satz ZPO gröblich verletzt, da sich die Beschwerdeführer nicht mehr nur dem Kostenrisiko der beklagten Partei gegenüber sehen, sondern auch noch dem Kostenrisiko der auf Beklagtenseite beigetretenen Nebenintervenienten. Dadurch wird einer Prozesspartei ein wesentlich höheres Prozessrisiko auferlegt als der anderen Prozesspartei. Für die Beschwerdeführer war bei Klagseinbringung weder abschätzbar, ob überhaupt Streitverkündigungen erfolgen werden, noch an wen, noch wie viele Nebenintervenienten allenfalls beitreten. Mit dem wirksamen Beitritt des Nebenintervenienten hat sich plötzlich das Prozesskostenrisiko der Beschwerdeführer auf Grund der Bestimmung des § 41 Abs 1, 1. Satz ZPO verdoppelt. Immerhin geht es hier um fast EUR 100.000,--!

Damit ist aber ein faires Verfahren im Sinne des Artikel[s] 6 EMRK nicht mehr gewährleistet. Ohne darauf Einfluss nehmen zu können, wird hier eine Prozesspartei einseitig mit einem mehrfachen Prozesskostenrisiko belastet. Durch entsprechende Streitverkündigungen hat die andere Verfahrenspartei die Möglichkeit, den Prozesskostendruck auf die andere Prozesspartei fast beliebig zu erhöhen, was jedenfalls das Gebot der Waffengleichheit nach Artikel 6 EMRK verletzt.

3.2 Darüber hinaus ist die Bestimmung des § 41 Abs 1, 1. Satz ZPO gleichheitswidrig. Gleichheitswidrig ist eine Gesetzesbestimmung dann, wenn gleiches ungleich oder ungleiches unsachlicher Weise gleich behandelt wird. Obwohl der Nebenintervenient nicht Partei des Verfahrens ist, regelt § 41 Abs 1, 1. Satz ZPO, dass dem Nebenintervenienten ein Kostenersatzanspruch in dem Fall zukommt, dass jene Partei, der er beigetreten ist, im Prozess zur Gänze obsiegt. Hingegen sieht § 41 Abs 1, 1. Satz ZPO keine Kostenersatzpflicht des Nebenintervenienten für den gegenteiligen Fall vor, also für den Fall, dass jene Partei, auf deren Seite er im Verfahren beigetreten ist, im Prozess unterliegt. Die Regelung des § 41 Abs 1, 1. Satz ZPO ist somit gleichheitswidrig. Während nämlich der Nebenintervenient, abgesehen von dem eigenen Prozesskostenaufwand, ohne jedes Prozessrisiko prozessiert, verdoppelt sich das Prozessrisiko der gegnerischen Prozesspartei. Sachlich gerechtfertigt ist diese Differenzierung nicht. Sachlich wäre nur eine Regelung, nach der der Nebenintervenient als bloßer Nebenbeteiligter ohne Anspruch und ohne Pflicht zum Kostenersatz prozessiert."

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrages nicht bestreitet. In der Sache verweist die Bundesregierung auf ihre Äußerung in dem zu G9/2014 protokollierten Verfahren des Verfassungsgerichtshofes, das ebenfalls die Kostenersatzpflicht der unterlegenen Partei gegenüber dem Nebenintervenienten gemäß § 41 Abs 1 erster Satz ZPO betraf. Dieses Verfahren endete mit einer Zurückweisung des Gerichtsantrages.

3.1. In ihrer damaligen Äußerung führte die Bundesregierung zur anwendbaren Rechtslage das Folgende aus:

"[I.]1. Das prozessuale Institut der Nebenintervention ist in den § 17 bis 20 der Zivilprozessordnung (ZPO), RGBl. Nr 113/1895 idgF, geregelt. Nebenintervenient ist jeder Dritte, der – ohne selbst Partei zu sein – sich an einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit zur Unterstützung einer Partei ('Hauptpartei') beteiligt, an deren Obsiegen er ein rechtliches Interesse hat (§17 ZPO). Je nach dem, auf wen sich die Urteilswirkungen erstrecken, unterscheidet man zwischen der einfachen und der streitgenössischen Nebenintervention.

Eine einfache Nebenintervention liegt vor, wenn die Urteilswirkungen unmittelbar nur die Partei, nicht aber auch den Nebenintervenienten erfassen. Eine streitgenössische Nebenintervention liegt vor, wenn das Urteil entweder kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift unmittelbar auch für das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zum Gegner der Partei wirksam ist (§20 ZPO). Sie ist also insbesondere dann gegeben, wenn bei gemeinsamer Klage eine wirkungsgebundene Streitgenossenschaft entstanden wäre.

Voraussetzung für eine Nebenintervention ist ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten. Dieses liegt dann vor, wenn die Entscheidung mittelbar (einfache Nebenintervention) oder unmittelbar (streitgenössische Nebenintervention) auf seine privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse wirkt. Ein bloß wirtschaftliches Interesse reicht nicht aus.

Um einen Beitritt als Nebenintervenient zu erwirken, überreicht dieser dem Gericht einen Schriftsatz, in dem er sein Interesse am Obsiegen einer Partei bestimmt angeben muss (§18 Abs 1 ZPO). Ergibt die zunächst bloß formelle Prüfung durch das Gericht, dass die Behauptungen ein rechtliches Interesse zu begründen vermögen, wird der Schriftsatz beiden Parteien zugestellt. Damit wird die Nebenintervention wirksam (§18 Abs 1 ZPO). Andernfalls wird die Nebenintervention mit Beschluss zurückgewiesen. Wenn daraufhin eine der Parteien einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellt, wird das rechtliche Interesse durch das Gericht auch materiell geprüft. In einem daran anknüpfenden Zwischenverfahren, in dem die den Zurückweisungsantrag stellende Partei und der Nebenintervenient beteiligt sind, muss der Nebenintervenient dann sein rechtliches Interesse dartun. Sollte das Gericht in der Folge auf Zulassung der Nebenintervention entscheiden, so ist dieser Beschluss mit Rekurs anfechtbar […].

[I.]2. § 41 Abs 1 ZPO sieht vor, dass der Nebenintervenient, der dem Rechtsstreit auf Seiten der obsiegenden Partei beigetreten ist, Anspruch auf Ersatz der ihm erwachsenen Kosten durch den vollständig unterlegenen Prozessgegner hat.

Der Ersatzanspruch des Nebenintervenienten unterliegt den kostenersatzrechtlichen Grundsätzen der § 41 ff ZPO, insbesondere der Beschränkung auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten. Dabei ist auch zu beachten, dass als Bemessungsgrundlage für die dem Nebenintervenienten entstehenden (Anwalts-)Kosten nur jener Betrag heranzuziehen ist, in dessen Rahmen ein rechtliches Interesse besteht […].

Diese Grundsätze über den Kostenersatzanspruch gelten sowohl für einfache Nebenintervenienten (um die es im vorliegenden Ausgangssachverhalt geht) als auch für streitgenössische Nebenintervenienten.

Der einfache Nebenintervenient kann grundsätzlich nicht kostenersatzpflichtig werden, da § 41 ZPO den Nebenintervenienten ausdrücklich als Kostengläubiger nennt, ihn aber als Kostenschuldner unerwähnt lässt […]".

3.2. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Wortfolge in § 41 Abs 1 erster Satz ZPO führte die Bundesregierung in ihrer damaligen Äußerung das Folgende aus:

"[III.]1. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK:

1.1. Das antragstellende Gericht teilt die von der beklagten Partei des Ausgangs-verfahrens geltend gemachten Bedenken, dass die Grundsätze der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens durch die angefochtene Bestimmung verletzt würden.

Danach sehe sich die beklagte Partei nicht mehr nur dem Kostenrisiko durch die auf Klagsseite entstehenden Kosten gegenüber, sondern auch noch dem Kostenrisiko von einer ungewiss großen Anzahl von Nebenintervenienten. Dadurch werde der beklagten Partei ein wesentlich höheres Prozesskostenrisiko auferlegt als der klagenden Partei. Damit sei ein faires Verfahren im Sinne des Art 6 EMRK nicht mehr gewährleistet. Durch die Streitverkündigungen habe die klagende Partei quasi die Möglichkeit, den Prozesskostendruck auf die beklagte Partei fast beliebig zu erhöhen, was jedenfalls das Gebot der Waffengleichheit nach Art 6 EMRK verletze. Nach Auffassung des antragstellenden Gerichts sei es trotz Überprüfung des rechtlichen Interesses bei der Zulassung des Beitritts vorderhand nicht erkennbar, was es rechtfertigen könnte, dass es letztlich im Belieben einer Prozesspartei stehe, das Prozessrisiko der anderen Streitpartei durch die Einbeziehung weiterer Prozessbeteiligter zu erhöhen, ohne dass die andere Streitpartei in der Lage wäre, dieses zusätzliche Prozessrisiko vor Streiteinlassung abzuschätzen.

1.2. Diese Bedenken treffen nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu.

1.2.1. Nach dem Grundsatz der Waffengleichheit, der zentraler Bestandteil des Fairnessgebots des Art 6 Abs 1 EMRK ist und eine besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes bildet, muss jede Partei Gelegenheit haben, ihren Fall einschließlich ihrer Beweise zu präsentieren, und zwar unter Bedingungen, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber ihrem Gegner darstellen. Das bedeutet, dass die einander gegenüberstehenden Parteien verfahrensrechtlich grundsätzlich gleichgestellt werden müssen […]. Der Spielraum bei der Normierung des Zivilverfahrens ist hierbei größer als bei der Normierung des Strafverfahrens […].

1.2.2. Hervorzuheben ist, dass der einfache Nebenintervenient (gerade) nicht Partei des Verfahrens, sondern bloß Streithelfer der Partei ('Hauptpartei') ist. Aus diesem Grund ist ihm auch jede eigene Sachdisposition über den Streitgegenstand versagt. Ein Vorbringen des Nebenintervenienten, das den Prozessstandpunkt der Partei nicht unterstützt, ist unbeachtlich […]. Bei widersprechenden Prozesshandlungen gehen die der Partei vor (§19 Abs 1 ZPO). Er kann selbständig Rechtsmittel erheben, ein Rechtsmittelverzicht der Partei schlägt allerdings durch […]. Seine Handlungen sind somit der Partei zuzurechnen, zumal diese sie jederzeit durch Widerspruch vernichten kann […].

Diese von den Prozessparteien abweichende Stellung im Zivilprozess schlägt sich auch in der differenzierten kostenersatzrechtlichen Behandlung des Nebeninter-venienten nieder. Für die durch die Prozessführung entstehenden Kosten ist es somit völlig gleichgültig, ob die Handlung von der Partei oder vom Nebenintervenienten vorgenommen wurde. Lässt ihn die Partei gewähren, so muss sie auch die widrigen Folgen der Handlungen ihres Nebenintervenienten in Kauf nehmen und ist im Falle ihres Unterliegens verpflichtet, die sich aus dem Rechtsstreit ergebenden Kosten der Gegenpartei zu tragen. Umgekehrt hat die unterliegende gegnerische Partei alle Kosten zu ersetzen, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig sind, unabhängig davon, ob diese von der Partei selbst oder von dem ihren Rechtsstandpunkt unterstützenden Nebenintervenienten aufgewendet wurden.

Es ist daher nicht ersichtlich, warum die angefochtene Bestimmung das Gebot der Waffengleichheit der Parteien im Zivilverfahren verletzt.

1.2.3. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen zur Neben-intervention (§§17 bis 20 ZPO) nicht zwischen der Möglichkeit des Beitritts auf Kläger- oder auf Beklagtenseite differenzieren. Der Nebenintervenient darf sich vielmehr an einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit zur Unterstützung nur derjenigen Partei beteiligen, an deren Obsiegen er ein rechtliches Interesse hat. Ob dies auf einen oder auf mehrere Dritte zutrifft und ob es diesen deshalb gestattet ist, auf Kläger- oder auf Beklagtenseite dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beizutreten, ist im Einzelfall zu beurteilen. Die Kostentragungsregelung des § 41 ZPO differenziert ebenfalls nicht danach, ob der Nebenintervenient auf Kläger- oder Beklagtenseite aufgetreten ist.

1.2.4. Auch trifft es nicht zu, dass die (klagende) Partei die Möglichkeit habe, durch Streitverkündigungen den Prozessdruck auf die beklagte Partei 'fast beliebig zu erhöhen', ist doch die Streitverkündigung lediglich die formelle Benachrichtigung eines Dritten von einem bevorstehenden oder bereits anhängigen Rechtsstreit durch eine der Parteien dieses Verfahrens (§21 Abs 1 ZPO). Damit wird der Dritte zum Beitritt als Nebenintervenient aufgefordert. Es entsteht jedoch grundsätzlich keine Beitrittsverpflichtung für den Dritten; dieser hat allenfalls Präklusionsfolgen gegen sich gelten zu lassen. Der Dritte wird bei Bestehen eines rechtlichen Interesses am Obsiegen einer Partei lediglich dann dem betreffenden Verfahren als Nebenintervenient beitreten, wenn er angesichts der Bindungswirkung der Entscheidung wesentliche Auswirkungen auf seinen Prozessstandpunkt für einen möglichen, den Dritten betreffenden Folgeprozess befürchtet. Jedoch haben die Prozessparteien – wie oben unter Punkt I.1. bereits ausgeführt – die Möglichkeit, einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention zu stellen, woraufhin das rechtliche Interesse des Nebenintervenienten auch materiell in einem Zwischenverfahren durch das Gericht geprüft werden muss. Sollte das Gericht die Zulassung der Nebenintervention beschließen, so ist diese Entscheidung durch die den Zurückweisungsantrag stellende Partei mit Rekurs anfechtbar […].

Die Erhöhung des Prozesskostenrisikos durch den Beitritt von Nebenintervenienten steht demnach keineswegs im Belieben einer (oder beider) Prozesspartei(en), sondern hängt vom jeweiligen Sachverhalt ab und unterliegt überdies der gerichtlichen (und im Rechtsmittelweg überprüfbaren) Kontrolle.

[III.]2. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz

2.1. Das antragstellende Gericht teilt auch die von der beklagten Partei des Ausgangsverfahrens geltend gemachten gleichheitsrechtlichen Bedenken. Danach bewirke § 41 Abs 1 erster Satz ZPO eine unsachliche Differenzierung dahin gehend, dass dem Nebenintervenienten ein Kostenersatzanspruch in dem Fall zukomme, in dem die Partei, der er beigetreten sei, im Prozess zur Gänze obsiege, während jedoch keine Kostenersatzpflicht des Nebenintervenienten für den gegenteiligen Fall vorgesehen sei. Während der Nebenintervenient, abgesehen von dem eigenen Prozesskostenaufwand, ohne jedes Prozesskostenrisiko prozessiere, vervielfache sich das Prozesskostenrisiko der gegnerischen Prozesspartei. Sachlich gerechtfertigt sei vielmehr nur eine Regelung, wonach der Nebenintervenient als bloßer Nebenbeteiligter ohne Anspruch und ohne Pflicht zum Kostenersatz prozessiere.

2.2. Auch diese Bedenken treffen nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu.

2.2.1. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch den Gesetzgeber liegt dann vor, wenn das Gesetz an gleiche Tatbestände ungleiche Rechtsfolgen knüpft oder aber ungleiche Tatbestände gleich behandelt. Differenzierungen durch das Gesetz müssen immer sachlich gerechtfertigt sein […]. Bei differenzierenden Regelungen ist ein Normenvergleich durchzuführen; es ist zu fragen, ob die jeweils erfassten Sachverhalte so unterschiedlich sind, dass sie die unterschiedlichen Rechtsfolgen zu 'tragen' vermögen […].

2.2.2. Die im Antrag angesprochene Differenzierung betreffend die fehlende Kostenersatzpflicht des Nebenintervenienten ist auf Grund der oben unter Punkt III.1.2.2. ausgeführten von den Prozessparteien abweichenden Stellung des Nebenintervenienten sachlich gerechtfertigt. Die obsiegende gegnerische Partei erhält die ihr für die zweckentsprechende und erforderliche Rechtsverfolgung oder -verteidigung entstandenen Kosten von der unterlegenen Partei ersetzt und würde auch nicht anders gestellt, wenn der Kostenersatz der unterlegenen Partei und der ihr beigetretenen Nebenintervenienten zu gleichen Teilen auferlegt würde. Eine allfällige Zahlungsunfähigkeit der unterlegenen Partei jedoch kann als sogenannter 'Härtefall' vom Gesetzgeber unberücksichtigt bleiben. Nach Auffassung der Bundesregierung wäre es vielmehr unsachlich, den Nebenintervenienten angesichts seiner untergeordneten verfahrensrechtlichen Stellung mit einer Verpflichtung zum Kostenersatz gegenüber der gegnerischen Partei zu belasten. Wenn die Partei, auf deren Seite der Nebenintervenient beigetreten ist, im Verfahren unterliegt, hat der Nebenintervenient ohnehin seinen eigenen Kostenaufwand im Verfahren selbst zu tragen.

2.2.3. Es wäre nach Auffassung der Bundesregierung auch unsachlich, der unter-liegenden Partei lediglich den Ersatz der Prozesskosten der obsiegenden Partei aufzuerlegen. Zu beachten ist nämlich, dass das Instrument der Streitverkündigung und deren prozessuale Folge der Bindungswirkung der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit dienen. Diesen verfahrensrechtlichen Grundsätzen zufolge soll ein zusammengehörender Lebenssachverhalt möglichst durch ein Gericht mit einheitlichen Feststellungen und unter Beteiligung aller betroffenen Personen geklärt werden. Dem Nebenintervenienten ist hiebei, wie bereits erwähnt, bloß Vorbringen gestattet, das den Prozessstandpunkt der Partei unterstützt. Dadurch wird eine beliebige Vermehrung des Prozessstoffes durch den Beitritt von einem oder mehreren Nebenintervenienten vermieden.

Aufgrund der – an eine vorangegangene Streitverkündigung anknüpfenden – Bindungswirkung der Entscheidung für einen möglichen Folgeprozess des Nebenintervenienten ist dieser zur Wahrung seiner rechtlichen Interessen angehalten, sich im (Vor-)Prozess als Nebenintervenient zu beteiligen. Nach zuletzt einhelliger Rechtsprechung […] erstrecken sich die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen Urteils insoweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligt hat, als diese Personen als Parteien eines Folgeprozesses keine Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses im Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie auch an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden.

Zu beachten ist auch, dass dem Nebenintervenienten, so wie der Partei, nur zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (bezogen auf den Standpunkt der Partei und den Umfang seines rechtlichen Interesses an deren Obsiegen) notwendige Kosten zu ersetzen sind. Der Nebenintervenient und 'seine' Partei sind auch insofern als Einheit zu betrachten. Deren beiderseitiger Kostenersatzanspruch gegenüber dem unterliegenden Gegner ist daher nur folgerichtig.

Nach Auffassung der Bundesregierung wäre es vielmehr unsachlich, dem Neben-intervenienten auch im Fall des Obsiegens 'seiner' Seite die Tragung seiner eigenen Prozesskosten selbst zu überlassen, ist er doch aufgrund der Bindungswirkung der Entscheidung für allfällige seinerseits geführte Folgeprozesse auf eine zweckentsprechende Verfahrensführung im Vorprozess angewiesen, welche er lediglich durch seine Beteiligung als Nebenintervenient sicherstellen kann. Das durch die Zulassung von Nebenintervenienten entstehende Prozesskostenrisiko der gegnerischen Partei, das das antragstellende Gericht für unsachlich erachtet, wird durch die angefochtene Bestimmung im Sinne der Verfahrensökonomie lediglich zu einem früheren Zeitpunkt schlagend.

[III.]3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die Wortfolge 'sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten' in § 41 Abs 1 erster Satz der Zivilprozessordnung, RGBl. Nr 113/1895 idF StGBl. Nr 95/1919, nach Ansicht der Bundesregierung weder gegen Art 6 Abs 1 EMRK verstößt noch gleichheitswidrig ist."

4. Die beteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie die behauptete Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Wortfolge in § 41 Abs 1 erster Satz ZPO bestreitet.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach § 62a Abs 1 erster Satz VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass des Rekurses gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , Z 10 Cg 17/14a-185, gestellt. Mit diesem Beschluss wurde eine Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs 1 Z 1 litd B-VG).

1.3. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels haben die antragstellenden Parteien jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Antrag und den Rekurs am selben Tag erhoben und eingebracht haben (vgl VfSlg 20.074/2016).

Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof auf Grund einer entsprechenden Mitteilung des Handelsgerichtes Wien davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.

1.4. Ein auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß § 62 Abs 2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl VfSlg 20.029/2015, 20.010/2015).

Das Erstgericht hat § 41 Abs 1 ZPO, dessen (teilweise) Verfassungswidrigkeit die antragstellenden Parteien behaupten, ausdrücklich angewendet. Die angefochtene Wortfolge ist somit als präjudiziell anzusehen.

1.5. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.1. Die Rechtslage betreffend die Nebenintervention ist folgendermaßen ausgestaltet:

2.1.1. Die Nebenintervention ist (insbesondere) in § 17 bis 20 ZPO geregelt. Nebenintervenient ist jeder Dritte, der – ohne selbst Partei des Verfahrens zu sein – sich an einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit zur Unterstützung einer Partei, der sogenannten "Hauptpartei", beteiligt, an deren Obsiegen er ein rechtliches Interesse hat (vgl Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts9, 2017, Rz 402). Die Nebenintervention gibt Dritten somit die Möglichkeit, auf einen (formal) fremden Rechtsstreit Einfluss zu nehmen, weil dessen Ausgang ihre eigene rechtliche Situation beeinflussen kann. Mit Einwilligung der Streitparteien kann der Nebenintervenient auch an Stelle desjenigen, dem er beigetreten ist, in den Rechtsstreit als Partei eintreten (§19 Abs 2 ZPO).

2.1.2. Zu unterscheiden ist die einfache von der streitgenössischen Nebenintervention. Eine einfache Nebenintervention liegt vor, wenn die Urteilswirkungen unmittelbar nur die Hauptpartei, nicht aber auch den Nebenintervenienten erfassen. Eine streitgenössische Nebenintervention liegt demgegenüber vor, wenn das Urteil entweder kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift unmittelbar auch für das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zum Gegner der Hauptpartei wirksam ist (§20 ZPO).

Der Oberste Gerichtshof geht seit einer Entscheidung eines verstärkten Senates (; vgl dazu auch VfSlg 20.085/2016) davon aus, dass sich die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteiles insoweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen erstrecken, der sich am Verfahren trotz Streitverkündigung nicht beteiligt hat, als diese Personen als Parteien eines Folgeprozesses keine Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des "Vorprozesses" in einem Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie auch an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des "Vorprozesses" gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand. Dies gilt jedoch nicht für denjenigen, dem der Streit nicht verkündet wurde und der sich auch nicht aus eigenem am "Vorprozess" beteiligt hat (vgl Rechberger/Simotta, aaO, Rz 413).

2.1.3. Wer als Nebenintervenient einem Verfahren beitreten will, darf nicht selbst Partei sein, muss aber partei- und prozessfähig sein. Grundsätzlich ist das rechtliche Interesse der Person, die dem Verfahren als Nebenintervenient betreten will, am Obsiegen der Hauptpartei zu prüfen; dies ist nur dann nicht der Fall, wenn eine gesetzliche Vorschrift die Berechtigung zur Nebenintervention ausdrücklich einräumt (§17 Abs 2 ZPO, sogenannte gesetzliche Nebenintervention). Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient, wenn die Entscheidung mittelbar (einfache Nebenintervention) oder unmittelbar (streitgenössische Nebenintervention) auf seine privat- oder öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse wirkt (vgl Rechberger/Simotta, aaO, Rz 405; Deixler-Hübner, Die Nebenintervention im Zivilprozeß, 1993, 77 ff.). Ein bloß wirtschaftliches Interesse ist nicht ausreichend.

2.1.4. Der Beitritt als Nebenintervenient erfolgt durch Schriftsatz an das Gericht, in dem das Interesse am Obsiegen einer Partei bestimmt angegeben werden muss (§18 Abs 1 ZPO). Ergibt die (formelle) Prüfung des Gerichtes, dass dies der Fall ist und liegen die sonstigen Voraussetzungen für eine Nebenintervention vor, wird der Schriftsatz den Parteien zugestellt, wodurch die Nebenintervention wirksam wird. Andernfalls ist sie mit Beschluss zurückzuweisen. Nur wenn eine der Parteien einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellt, wird das rechtliche Interesse seitens des Gerichtes materiell geprüft (vgl Kodek/Mayr, Zivilprozessrecht4, 2018, Rz 342).

In diesem Zwischenverfahren, an dem nur die den Zurückweisungsantrag stellende Partei und der Nebeninterventient beteiligt sind, muss der Nebenintervenient dartun, dass er tatsächlich ein rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens hat. Er ist dem Verfahren so lange beizuziehen, bis seine Zurückweisung rechtskräftig ist. Die Zulassung der Nebenintervention kann mit Rekurs angefochten werden.

Ist die Zulassung des Nebenintervenienten rechtskräftig, ist der einfache Nebenintervenient bloßer Streithelfer der Hauptpartei auf Grund seines eigenen Rechtes. Er muss den Rechtsstreit in jener Lage annehmen, in dem er sich bei seinem Eintritt befindet (§19 Abs 1 ZPO). Eine bereits eingetretene Säumnis oder Präklusion muss daher vom Nebenintervenienten hingenommen werden; Gleiches gilt für bereits erfolgte Sachdispositionen der Hauptpartei. Der einfache Nebenintervenient kann nur zur Unterstützung seiner Hauptpartei tätig werden. Eigene Sachdispositionen sind ihm deshalb verwehrt; ein Vorbringen, das den Prozessstandpunkt der Hauptpartei nicht unterstützt, ist unbeachtlich. Bei widersprechenden Prozesshandlungen gehen jene der Hauptpartei vor (§19 Abs 1 ZPO). Der einfache Nebenintervenient kann jedoch eine Säumnis der Hauptpartei verhindern und ein Rechtsmittel allein erheben.

2.1.5. Der einfache Nebenintervenient hat einen Anspruch auf Kostenersatz, ist aber mangels einer entsprechenden Bestimmung selbst nicht kostenersatzpflichtig (Rechberger/Simotta, aaO, Rz 407; vgl auch Deixler-Hübner, aaO, 176 ff.; M. Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozeß, 1992, 33).

Nach § 20 ZPO kommt dem streitgenössischen Nebenintervenienten demgegenüber die Stellung eines Streitgenossen zu. Er ist daher als Partei zu vernehmen und kann den Rechtsstreit auch gegen den Willen der Hauptpartei bis in die letzte Instanz führen. Ihm kommt somit eine gleichberechtigte Stellung neben der Hauptpartei zu. Dementsprechend hat er seinem Gegner im Falle des Unterliegens auch die Prozesskosten zu ersetzen (vgl Rechberger/Simotta, aaO, Rz 408 mwN).

2.1.6. Die Hauptparteien des Rechtsstreites haben die Möglichkeit, in bestimmten Fällen sogar die Verpflichtung (vgl § 310 Abs 1 EO,§ 931 ABGB3 und 4 Dienstnehmerhaftpflichtgesetz,§ 98 EheG,§ 2 Abs 2 MRG,§ 10 Abs 1 AHG, Art 53 Abs 2 Scheckgesetz 1955, Art 71 Wechselgesetz 1955), Dritte durch formelle Benachrichtigung (Streitverkündigung) von einem bevorstehenden oder bereits anhängigen Rechtsstreit in Kenntnis zu setzen. Einerseits soll der Dritte durch die Streitverkündigung zur Hilfeleistung im Prozess bzw zum Beitritt als Nebenintervenient aufgefordert werden; andererseits dient die Streitverkündigung dazu, spätere Schadenersatzforderungen gegen den Streitverkünder hintanzuhalten. Wer sich trotz Streitverkündigung nicht an dem Prozess beteiligt, ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes an die belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des "Vorprozesses" gebunden (vgl oben Punkt 2.1.2.).

2.2. Die antragstellenden Parteien bringen zusammengefasst vor, dass die angefochtene Wortfolge in § 41 Abs 1 erster Satz ZPO gegen die in Art 6 EMRK gewährleisteten Grundsätze der Waffengleichheit und eines fairen Verfahrens sowie den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 7 B-VG verstoße:

2.2.1. Die Parteien im Zivilprozess hätten keinen Einfluss darauf, wem die beklagte Partei im Innenverhältnis den Streit verkünde. Man habe nur das Kostenrisiko im Verhältnis zur beklagten Partei in Kauf genommen. Es sei unsachgemäß, dass das Kostenrisiko den Gegner der Hauptpartei treffe, zumal die Streitverkündigung ausschließlich im Interesse der Partei gelegen sei, die den Streit verkündet habe. Der Nebenintervenient habe mit dem eigentlichen Rechtsstreit zwischen Kläger und Beklagtem nichts zu tun. Durch die Kostenregelung des § 41 Abs 1 ZPO vervielfältige sich das Kostenrisiko. Es widerspreche dem Grundsatz der Waffengleichheit und eines fairen Verfahrens, wenn einer Partei – ohne dass diese darauf Einfluss nehmen könnte – ein wesentlich höheres Kostenrisiko als der anderen Partei auferlegt werde. Die andere Verfahrenspartei habe durch Streitverkündigungen die Möglichkeit, den Prozesskostendruck fast beliebig zu erhöhen. Es sei darüber hinaus gleichheitswidrig, dass der Nebenintervenient zwar einen Kostenersatzanspruch habe, im Falle eines Unterliegens im Prozess die Kosten aber nicht ersetzen müsse. Sachlich wäre nur eine Regelung, nach welcher der Nebenintervenient ohne Anspruch und Pflicht zum Kostenersatz prozessiere.

2.2.2. Die antragstellenden Parteien sind mit diesem Vorbringen nicht im Recht.

Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (siehe etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (siehe etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).

Soweit die antragstellenden Parteien eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darin erblicken, dass der Nebenintervenient zwar im Falle eines Obsiegens der Hauptpartei einen Kostenersatzanspruch gegen die unterlegene Partei hat, umgekehrt aber im Falle des Unterliegens der Hauptpartei keine Kosten ersetzen muss, ist zunächst auszuführen, dass dieses Argument jedenfalls nicht auf den streitgenössischen Nebenintervenienten zutrifft, weil diesen im Falle des Unterliegens ebenfalls eine Kostenersatzpflicht treffen kann (vgl M. Bydlinski, § 41 ZPO, in: Fasching/Konecny [Hrsg.], Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen II/13, rdb.at, Stand , Rz 14 mwN). Der einfache Nebenintervenient hat im Falle des vollständigen Obsiegens der Hauptpartei Anspruch auf Kostenersatz gemäß § 41 Abs 1 erster Satz ZPO, im Falle eines Prozessverlustes hat er hingegen die Kosten des Verfahrens nicht zu ersetzen.

Diese Regelung betreffend den einfachen Nebenintervenienten ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass dieser von den Verfahrenshandlungen der von ihm unterstützten Hauptpartei abhängig ist (vgl Rechberger/Simotta, aaO, Rz 407): Dem einfachen Nebenintervenienten sind eigene Sachdispositionen verwehrt, und ein Vorbringen, das den Prozessstandpunkt der Hauptpartei nicht unterstützt, ist unbeachtlich. Bei widersprechenden Prozesshandlungen gehen jene der Hauptpartei vor. Es kann dem Gesetzgeber deshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er für den einfachen Nebenintervenienten keine Pflicht zum Ersatz der Prozesskosten normiert, weil dieser keinen eigenständigen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens ausüben kann. Ihn dennoch die Kosten der obsiegenden gegnerischen Partei tragen zu lassen, bedeutete, ihn für Umstände zur Verantwortung zu ziehen, die sich außerhalb seiner Einflusssphäre befinden.

Die von den antragstellenden Parteien gerügte Ungleichbehandlung ist somit sachlich gerechtfertigt.

2.3. Die antragstellenden Parteien rügen auch einen Verstoß gegen die Grund-sätze des fairen Verfahrens und der Waffengleichheit iSd Art 6 EMRK, weil es für eine Partei nicht vorhersehbar sei, wem der Prozessgegner den Streit verkünden werde.

2.3.1. Der Grundsatz der Waffengleichheit ist zentraler Bestandteil des Art 6 Abs 1 EMRK. Diesem Grundsatz zufolge muss jeder Partei Gelegenheit gegeben werden, ihren Fall einschließlich ihrer Beweise zu präsentieren und zwar unter Bedingungen, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber dem Gegner darstellen (vgl zB EGMR , Fall Dombo Beheer B.V., Appl 14.448/88). Auf Grund der Garantie der Gewährung rechtlichen Gehöres muss den Parteien ausreichend Gelegenheit gegeben werden, ihren Fall vorzutragen (vgl Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6, 2016, § 24 Rz 72 mwN).

2.3.2. Auch dieses von den antragstellenden Parteien geäußerte Bedenken betrifft zunächst nur die einfache Nebenintervention, weil in den Fällen der streitgenössischen Nebenintervention bereits auf Grund des Gesetzes (gesetzliche Nebenintervention) oder aber der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses erkennbar ist, dass es zu einer Nebenintervention kommen kann.

Hinsichtlich der einfachen Nebenintervention ist den Ausführungen der antragstellenden Parteien entgegenzuhalten, dass der Kläger nicht damit rechnen darf, das Verfahren lediglich gegen den Beklagten führen zu können:

2.3.3. Es entspricht den Grundsätzen eines fairen Verfahrens iSd Art 6 EMRK, dass jene Personen, die ein rechtliches Interesse am Ausgang des Prozesses haben, auch das Recht haben, sich an diesem Verfahren zu beteiligen und rechtliches Gehör zu finden. Diese Erwägung trifft einerseits bereits hinsichtlich desjenigen zu, der sich aus eigenem an einem Prozess beteiligt, an dessen Ausgang er ein rechtliches Interesse hat. Sie gilt aber umso mehr angesichts der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl Punkt 2.1.2.), der eine Bindungswirkung der Tatsachenfeststellungen gegenüber demjenigen annimmt, der sich trotz Streitverkündigung nicht an dem Prozess beteiligt. Diese Bindungswirkung steht im Einklang mit Art 6 EMRK (vgl VfSlg 20.085/2016), weil der Dritte nach erfolgter Streitverkündigung seine Rechte im Prozess effektiv geltend machen kann.

Derjenige, dem der Streit verkündet wurde, ist damit angehalten, sich am Prozess zu beteiligen, um eine negative Beeinflussung seiner Rechtssphäre in Folgeprozessen hintanzuhalten. Die Bundesregierung hat in ihrer Äußerung zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Bindungswirkung der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit dient. In diesem Sinne soll ein zusammenhängender Lebenssachverhalt möglichst durch ein Gericht mit einheitlichen Feststellungen und unter Beteiligung aller betroffenen Personen rechtskräftig geklärt werden. Auf diesem Weg werden teure Folgeprozesse vermieden, die darüber hinaus die Gefahr eines abweichenden Prozessausganges mit sich bringen, sollte das später entscheidende Gericht etwa zu abweichenden Feststellungen gelangen. In diesem Zusammenhang ist ferner zu bedenken, dass diese Bindungswirkung auch dem Gegner der Hauptpartei zugutekommen kann, etwa wenn eine solidarische Haftung der Hauptpartei und des Nebenintervenienten festgestellt wird.

2.3.4. Im Übrigen übersehen die antragstellenden Parteien mit ihrem Vorbringen, ihnen komme kein Einfluss auf die Zulassung des Nebenintervenienten im Prozess zu, die Möglichkeit, einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention zu stellen (§18 Abs 2 ZPO; vgl Schneider, § 18 ZPO, in: Fasching/Konecny [Hrsg.], Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen II/13, rdb.at, Stand , Rz 25 ff.). Diesfalls kommt es zu einem Zwischenverfahren, in dem das Gericht das rechtliche Interesse des Nebenintervenienten am Ausgang des Rechtsstreites zu beurteilen hat. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nur jene Dritte als Nebenintervenienten des Rechtsstreites zugelassen werden, denen ein rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens zukommt. Ein bloß wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens genügt nicht (vgl Schneider, § 17 ZPO, in: Fasching/Konecny [Hrsg.], Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen II/13, rdb.at, Stand , Rz 7). Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Anzahl der am Verfahren beteiligten Nebenintervenienten (nach sachlichen Gesichtspunkten) begrenzt wird.

2.4. Die von den antragstellenden Parteien als Verstoß gegen Art 6 EMRK gerügte Kostenersatzpflicht auch gegenüber dem Nebenintervenienten, der auf Seiten der vollständig obsiegenden Hauptpartei in den Rechtsstreit eingetreten ist, entspricht auch dem in der Zivilprozessordnung generell vorherrschenden Erfolgsprinzip (vgl M. Bydlinski, Vor § 40 ff. ZPO, in: Fasching/Konecny [Hrsg.], Kommentar zu den Zivilprozessen II/13, rdb.at, Stand , Rz 5 ff. mwN), wonach die unterlegene Partei grundsätzlich der gegnerischen Partei die Kosten des Verfahrens zu ersetzen hat. In einem solchen System ist es sachgerecht, der vollständig unterlegenen Partei auch die Kosten des gegnerischen Nebenintervenienten aufzuerlegen.

V. Ergebnis

1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten" in § 41 Abs 1 erster Satz ZPO erhobenen Bedenken betreffend Art 7 B-VG und Art 6 Abs 1 EMRK treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Kosten sind nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 20.102/2016, 20.112/2016).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2019:G234.2019
Schlagworte:
Zivilprozess, fair trial, Prozesskosten, Bindung (der Gerichte), rechtliches Gehör

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